3. Buitenzorg und ein Ritt in's Innere.

Sonnabend, den 15. November ging die Postkutsche, mit vier kleinen aber kräftigen munteren Pferden bespannt, Morgens um 6 Uhr nach Buitenzorg ab, und ich fand mich zeitig genug ein, die Abfahrt nicht zu versäumen. Mein Gepäck bestand in einem Reisesack und meiner Büchsflinte (die ich beiläufig gesagt, Mühe und Umstände genug gehabt hatte an Land zu bringen, und wobei ich noch beschwören mußte, daß ich sie nicht im Lande verkaufen – sie sah rostig und abgenutzt genug aus – sondern wieder ausführen werde – man befürchtete vielleicht ich wolle die Javanen aufwiegeln und mit Waffen versehen). Außerdem trug ich in meiner Tasche einen batavischen Reisepaß nach Buitenzorg der nur auf diese Provinz und auf fünf Tage, Hin- und Zurückreise mit eingeschlossen lautete. – Nur fünf Tage, und das geschah während mein königl. sächsischer Reisepaß auf dem batavischen Paßbureau lag, und in welchem die Leipziger Polizei jede fremde »Civil- und Militärbehörde« auf das freundschaftlichste ersuchte – und was kann eine Polizei mehr thun – mich ungehindert reisen und mir nöthigen Falls Schutz und Beistand angedeihen zu lassen. Vielleicht wollte mich nun zwar die batavische Polizei eben nicht in das, nach Eugen Sue, so unendlich durch Thugs und schwarze Tiger gefährdete Innere reisen lassen, damit ich nicht auf leichtsinnige Weise ihrem »Schutz und Beistand« entzogen würde, wie dem aber auch sey ich schiffte mich auf der batavischen Postkutsche zu richtiger Zeit und Stunde ein und unter einem lauten Hurrah der Treiber, die hinten nachsprangen und einen Heidenlärm machten, zogen die Pferdchen im vollen Galopp an und flogen mehr als sie liefen die glatte herrliche Straße entlang.

Die javanische Postkutsche ist allerdings eben kein Meisterstück an Eleganz und Bequemlichkeit, und sie wäre vielleicht noch hie und da einer Verbesserung fähig, wer aber die australischen Royal mails noch so im frischen entsetzlichen Andenken hatte wie ich, dem mußte sie wahrlich wie ein von Zephyren getragener, aus Morgenduft und Rosenkelchen gewobener Himmelswagen vorkommen, und, es klingt vielleicht komisch, ist aber wahr, ich konnte mich im Anfang noch immer nicht recht vergewissern, daß wir wirklich die ganze Zeit so bequem und ungenirt fortfahren sollten, sondern ich erwartete fast von jeder Biegung der Straße, von jedem Busch, eine völlige Quantität anderer Reisender zu finden, die sich nun ohne weiteres zwischen und auf uns werfen, und den Wagen bis in die untersten und entferntesten Räume füllen und ausstopfen würden.


Dem war aber nicht so, Jeder behielt unbelästigt seinen Sitz, und ich konnte nur nach den ersten Meilen des wirklich ängstlichen Gefühles loswerden, mich der uns umgebenden herrlichen Natur zu erfreuen.

Zuerst aber eine kurze Beschreibung einer javanischen Post, die wirklich eigenthümlich genug ist einige Worte zu verdienen. Der Wagen ist sechssitzig und ziemlich bequem – der Holländer setzt sich schon aus einer gewissen Art natürlichen Instinkts in gar nichts hinein was unbequem ist – vorn ein einzelner Sitz für den Kutscher, mit seinem großen vergoldeten Backschüssel ähnlichem Hut und hinten ein breiter niederer Auftritt für die Treiber, die einer jeden solchen Post zugegeben sind, und deren Funktionen ich näher beschreiben werde, wenn ich mit dem Kutscher fertig bin.

Der Wagen ist natürlich an allen Seiten offen und nur mit Lederklappen zum Niederschnallen versehen, im Fall es regnen sollte.

Der Kutscher trägt also diesen eben erwähnten Bambusgeflochtenen wohl zwei Fuß breiten, flachen, runden Hut, den er unter dem Kinn festgebunden hat, eine kurze enge Hose, eine weite lange Jacke, und manchmal vielleicht auch noch einen schmalen sarong, auf dessen Beschreibung ich später zurückkommen werde, um die Hüften. Die Rechte führt dabei eine lange Peitsche, die Linke die Zügel; die Art aber eben wie er diese Zügel hielt, ist merkwürdig. Die ganze Hand hat er von den Tauen aus denen sie bestehen, förmlich voll, und ich glaube er würde auf dieselbe Art eben so gut drei wie vier und sechs Gespanne einnehmen. Ich habe auch nie bemerken können, daß er ein oder das andere Thier besonders anzöge oder leite, oder anzuziehen oder zu leiten wünsche; die Pferde wissen allem Anschein nach schon wohin sie gehen und der Kutscher sitzt nur vielleicht da oben, damit es besser und ein wenig symmetrisch aussieht. Das wenigstens war die Ansicht meiner Reisebegleiter, die mich übrigens versicherten, wie im Lande selbst oben und in den Bergen weit bessere und gewandtere Wagenlenker vorkämen.

Die wichtigsten Personen waren aber, beim Antreiben der Pferde, bei dem sich der Kutscher selber sehr passiv verhielt, die beiden mitgenommenen halbnackten Burschen, in kurzen Kniehosen und losen Jacken, Alles natürlich von Cattun, und sonst weiter Nichts auf dem Leib als das unerläßliche Kopftuch, ohne das natürlich keiner dieser Leute auch nur einen Schritt vor seine Thüre setzt. In diesem Kopftuch sind die langen schwarzen schönen Haare derselben mit eingewunden, und es wird meist durch diese mitgehalten, daß es wie eine feste Mütze auf dem Kopf sitzt. Diese stehen wie gesagt, hinten auf, und treiben die Pferde, die fortwährend im Galopp anziehen, ununterbrochen durch ein entsetzliches Gebrüll, eigentlich Stöhnen und Grunzen wie hu! hu! hu! an, in diesem lobenswerthen Schritte zu verharren. Aber sie stehen nicht allein hinten auf, sondern bei jeder Biegung der Straße, bei jeder Brücke, bei jedem Bergauf springen sie ab, knallen mit den kurzen Peitschen, die sie in der Hand haben und rennen oft Viertelmeilen weit neben den in voller Wuth jetzt ausgreifenden Pferden her, mit denen sie nichts destoweniger gleichen Schritt halten. Erst wenn sie diese in vollen Gang gebracht haben, d. h. so, daß die armen in Schweiß gebadeten keuchenden Thiere nicht stärker laufen können, springen sie wieder auf und stöhnen und schreien nun hinten weiter. Die Poststraße durch Java ist vortrefflich angelegt – es ist dieß in alten Zeiten unter einem der früheren Gouverneure, Marschall Dändels, geschehen, der die einzelnen indischen Regenten dazu zwang sie herzustellen, und nur durch seine Grausamkeit und Strenge ein so ungeheures Werk in einem so wilden Lande, in unglaublich kurzer Zeit in etwa drei Jahren, durchsetzte. In den gebirgigen Theilen sollen sich an einigen Stellen die Fürsten geweigert haben etwas ihrer Ansicht nach so Unmögliches auszuführen, er drohte aber sie aufzuhängen, soll auch ein paar davon wirklich gehangen haben, und die Straße entstand – aber viele viele Menschen gingen dabei zu Grunde.

Was sie übrigens besonders in so ausgezeichnetem Stande hält, ist, daß die javanischen Ochsenkarren sie gar nicht befahren dürfen, sondern für diese ist dicht an der Poststraße ein anderer, jetzt in der Regenzeit bös zerfahrener Weg angelegt, auf und durch den sie sich mit ihrem schwerfälligen Geschirr mühsam fortquälen und dabei sehen müssen, wie die stolzen Weißen glatt und bequem auf den durch ihren Schweiß angelegten Nachbarbahnen dahinrasseln. Doch das ist in der ganzen Welt nicht anders.

Die Wege sind nach paalen eingetheilt, d.h. alle englische Meilen ungefähr steht ein weiß angestrichener vielleicht 9 bis 10 Fuß hoher Pfosten auf dem die Zahl der Meilen, von Batavia aus gerechnet, angegeben ist. Diese Paalen sollen noch von der Zeit herrühren, wo die Engländer Java im Besitz hatten und genau eine englische Meilen seyen, mir sind sie aber immer etwas kürzer vorgekommen. Doch wie dem auch sey, viel Unterschied ist zwischen diesen und jenen keinenfalls.

Alle 5 bis 6 Paalen steht eine »Post.« Weitläufige Stallgebäude, wo theils die Regierung theils der indische Regent des Distrikts seine Pferde zum Wechseln stehen hat. Mitten auf der Straße ist an all diesen Orten ein langes von etwa zehn Fuß hohen gemauerten Ständern getragenes Gebäude mit einer breiten Fahrbahn in der Mitte und einer Gehbahn an jeder Seite, mit Ziegeln gedeckt ausgeführt, damit bei Regenwetter die Pferde hier im Trockenen gewechselt werden können, oder auch in der Hitze die Reisenden, wenn sie auf kurze Zeit aussteigen wollen, gegen die Sonne geschützt sind.

An diesen Posten nun, zwischen Batavia und Buitenzorg nämlich, wo auch zu gleicher Zeit eine Menge Inländer mit Früchten, Reis, Gebackenem, Arensaft, einer Art Ingwertrank und andern Erfrischungen sitzen, schwärmt es nun von halb und ganz nackten Kindern, die hier bei Ankunft jeder Post in Masse zusammenströmen, und die unter sie zu werfenden Kupferdeute erwarten – ein Vergnügen, was sich die Passagiere gewöhnlich machen, das Uebereinanderstürzen der kleinen schlanken und gewandten Gestalten mit anzusehen.

Bettler sieht man gar nicht, ausgenommen Blinde, die leider ziemlich häufig vorkommen, und still, gewöhnlich von einem Kind geführt, an der Straße stehen, das Mitleid der Reisenden anzusprechen.

Aber die Gegend, – o das Herz ging mir auf, als ich, von muntern Pferden wie im Sturm gezogen, durch das Neue, Eigentümliche meiner ganzen Umgebung überdieß schon aufgeregt und empfänglich gemacht, an jenem klaren, kühlen, sonnigen Morgen durch das wundervolle Land dahinflog. Ueber mir neigten die wundervollen Cocospalmen ihre fächerartigen stolzen Blätter, die Bananen flüsterten und rauschten, die Blüthen der verschiedenen Frucht- und Zierbäume strömten einen herrlichen Duft aus, und ihre farbig schimmernden Kelche glühten aus dem dunkelschattigen Laub der Mangas und Pompelmuß fast feenhaft hervor, und unter dem Allem, in der dunkeln schützenden Blättermasse tief versteckt, lagen die kleinen luftigen Bambushütten der Eingebornen, wie ein Reh im Walde, und schlanke braune Gestalten bewegten sich langsam und träumerisch unter ihren Palmen.

Viele der Bewohner Batavias, sollten ihnen diese Zeilen vielleicht später einmal unter die Hände kommen, lächeln nun wohl über das was sie möglicher Weise eine »überspannte« Beschreibung ganz alltäglicher und gewöhnlicher Gegenstände nennen würden. Sie müssen aber vor allen Dingen bedenken daß ich erstens eben aus Australien in diese Tropenwelt kam, und dann auch zweitens, von einem ganz anderen Standpunkt aus wie sie, die Javanen in ihren Bambushütten, von dem unendlichen Reichthum ihrer Vegetation umgeben, nicht wie Lastthiere betrachte, die eben nur gut dazu sind die Produkte der Weißen zu ziehen und ihrer Bequemlichkeit Vorschub zu leisten, sondern als Menschen, die Gott so recht aus vollem Herzen lieb gehabt haben muß, daß er sie in diese herrliche, fast märchenhaft schöne Welt hineinsetzte, und bei denen eben diese üppige Vegetation, die ihnen aus freien Stücken Alles bietet was sie in ihrem ihnen von Gott angewiesenen Stande nur verlangen konnten, gerade ein stiller aber deßhalb nicht minder gewaltig redender Vorwurf für die Weißen ist, sie zu harter, in diesem Klima gar nicht bestimmter Arbeit gezwungen zu haben. Spricht man aber davon mit einem Holländer, so wirft er dagegen ein, daß die Eingeborenen früher, unter ihren eigenen Fürsten eben so und vielleicht noch mehr geknechtet gewesen wären als gerade jetzt, und ich will das auch gar nicht in Abrede stellen, aber es waren dann immer ihre eigenen Fürsten, aus ihrem eigenen Stamm und Blut, und eine Besserung ihres Zustandes lag im Bereich der Möglichkeit für sie.

Sind wir nicht auch in Deutschland früher unter Frohn- und Knechtesdiensten gebeugt gewesen? haben die Fürsten und Ritter nicht den Bürger und Bauer mit Füßen getreten, und geschieht das nicht jetzt etwa schon auf eine viel höflichere Art und Weise als in früherer Zeit? es ist also jedenfalls schon eine Besserung unseres Zustandes eingetreten, und die rollende Zeit befreit die Völker – sie wickelt die Kette allmählig ab die um ihre Achsen geschlagen war, nicht fester an, und das mag ein beruhigender Trost für die Völker, und Stoff, recht bedeutender und ernster Stoff zum Nachdenken für die »Fürsten und Herren« seyn.

Was all die armen wilden Völkerstämme der Erde gethan und gesündigt haben, daß sie jetzt auf einmal plötzlich mit europäischen Oberherren und Missionären gestraft werden, ist mehr als ich zu sagen vermag. Weil bei ihnen etwa noch nicht die Druckerpresse und die Dampfkraft erfunden ist oder weil sie keine Pasteten und künstlichen Ragouts essen – oder gar – und das ist wohl das Wahrscheinlichste – weil sie noch immer keinen Frack tragen? Aber wie dem auch sei, unsere Philantropen suchen den Zweck der indischen Cultur nicht etwa darin, daß jeder Mensch glücklich sei, sondern daß jeder Acker Landes bebaut werde, und in dem Sinne handeln sie.

Gott soll mich aber davor bewahren daß ich den Holländern etwa Vorwürfe hier machen wollte, sie behandelten die Eingeborenen härter als es in allen andern Colonien der Fall ist; nein wahrlich nicht, im Gegentheil hab' ich, in allen Ländern die ich bis jetzt bereiste, noch nie eine besser und zweckmäßiger angelegte Colonie gefunden und die Eingeborenen werden nicht etwa mit Geißel und Peitsche zur Arbeit gezwungen, sondern arbeiten ruhig, und ihre eigene Bequemlichkeit immer etwas dabei berücksichtigend, fort, ihr nicht übermäßiges Tagewerk zu vollbringen.

Am augenscheinlichsten war mir das bei denen die an den Straßen, also für die Regierung arbeiteten, und die sich wohl vorsahen kleine bequeme Ladungen Erde und Steine, in einem Schritt der ihnen am besten zusagte, herbeizubringen. Kein Sklaventreiber stand dabei, der sie mit Peitsche und Schimpfworten antrieb, wie in dem »freien« Nordamerika, dem Gott bald den Fluch der Sklaverei nehmen möge; die Arbeit mußte allem Anschein nach nur gethan seyn, und die Beamten erlaubten dafür eine vernünftige und mäßige Zeit. Die Javanen werden im Allgemeinen nicht überarbeitet.

Eines aber ist, worin ich die Holländer noch weit, weit über alle übrigen Völker stelle, und das ist die wirklich tolerante und vernünftige Religionsfreiheit die sie ihren unterworfenen Völkern geben. Diese müssen hier nicht, wie in den meisten anderen Ländern, allein ihre harte Arbeit verrichten, um dann auch noch Tag und Nacht durch Missionäre gequält zu werden, die sie dem Glauben ihrer Väter abtrünnig machen und in die Arme irgend einer »alleinseligmachenden Kirche« hineindrücken wollen, sondern der Holländer überläßt, sehr vernünftiger Weise, die Seelen der Javanen dem lieben Gott, bei dem sie auch am besten aufgehoben sind, und sieht nur darnach, daß die Leute ihre Arbeit thun und seinen Nutzen nicht beeinträchtigen; was sie dann glauben ist ihre Sache und sie mögen das später mit ihrem eigenen Schöpfer ausmachen.

Nichts desto weniger kommen auch Ausnahmen von dieser Regel vor, daß die Javanen nämlich nicht überarbeitet würden, denn unter einem der vorigen Gouverneure, der jetzt allerdings von einer Parthie in den Himmel gehoben wird, hatten sich einige der Residenten solche Erpressungen erlaubt, und die Javanen – ihren eigenen (der Residenten) Nutzen zu fördern die von all den erzeugten Produkten ihre Procente bekommen – dermaßen gezwungen mehr und immer mehr nur Kaffee und Zucker und was sonst in ihrem Distrikt lag zu pflanzen, daß die armen Teufel nicht einmal Zeit genug behielten ihre eigenen Reisfelder zu bebauen, und nun das schreckliche Schauspiel boten, daß Menschen, in einem Land des Ueberflusses, das so reichlich von der Natur gesegnet war, verhungerten. Es soll in mehreren Distrikten damals ein entsetzliches Elend geherrscht haben und einzelne Residenten sind auch, glaub' ich, deßhalb abgesetzt. Der jetzige Gouverneur, der allgemein geachtet und geliebt – von vielen aber auch gefürchtet scheint, geht menschlicher zu Werke und soll besonders die Absicht haben das Zwangsarbeitssystem, wenn auch nicht gänzlich aufzuheben, doch zu mildern. Er wird vielen Widerstand dabei, von Seiten der Pflanzer finden, aber die Menschlichkeit muß doch am Ende siegen.

Auf alle diese Sachen komme ich aber später noch einmal zurück, denn sie führen mich jetzt zu weit von meinem Thema ab; ich will nach Buitenzorg, und da komm ich im Leben nicht hin, wenn ich so fortfahre.

Aus der nächsten Nähe Batavias heraus, wo die dicht am Weg liegenden Landhäuser mit ihren freundlichen Fronten und schattigen dichten Bosquets und die Bambushütten mit ihren Palmen und Fruchthainen und Sirihanpflanzungen die Aussicht nach links und rechts eindämmten, öffnet sich plötzlich das Land zu beiden Seiten, und während in der Ferne die kraterartigen Berge, die das Rückenmark Java's bilden, auftauchen, und deutlicher und schärfer aus ihrer blauen Ferne hervortreten, breiten sich, soweit das Auge reicht, regelmäßig gehaltene, theils mit Wasser gefüllte, theils trocken stehende Reisfelder aus, und zeigen zuerst in ihrer ganzen Fülle das wichtigste Nahrungsprodukt des Landes.

Der Reis ist dem Bewohner Indiens dasselbe was die Brodfrucht dem Südseeländer, die Tarowurzel dem Sandwichs-Insulaner, die Kartoffel dem Irländer, und ich glaube ein Javane könnte sich das Leben eben so wenig ohne Reis wie einer unserer Stutzer dasselbe ohne Glacéhandschuh denken.

Diese Felder geben aber dem Lande ein ganz eigenthümliches Aussehn; mit ihren gleichmäßigen, meist langen viereckigen Abtheilungen, dem schmalen etwa Fuß hohen Rand der rings umherläuft, das hineingeleitete Wasser zu halten, das oben nur wieder durch eine enge Rinne ablaufen darf, und ihren stufenförmigen Etagen sehen sie frapant aus wie eine Parthie zum Verkauf ausgelegter, aufgeschichtete Riesenwaffeln, daß man manchmal nur so hineinbeißen möchte.

Künstlich genug sind dabei die Wasserleitungen angelegt, denn diese bilden ein Haupterforderniß zum richtigen Gedeihen dieses Getreides. Manchmal sieht es fast aus als ob das Wasser den Berg wieder hinanliefe, so dreht und wendet sich der bald hier bald dorthin geleitete Strahl, und jedes Winkelchen, jede Ecke, jeder Vorsprung scheint benutzt, sey es auch um eine Handvoll dieser nützlichen Frucht zu erzielen. Zwei und drei Fuß breite Plätze sind eingedämmt und bewässert, wo gerade der Abhang eines Hügels diesen Platz sonst unbenutzt gelassen hätte, um nur nicht den selbst kleinsten Raum zu verlieren.

Mitten zwischen diesen, natürlich von keinem Baum beschatteten Flächen erheben sich dann hie und da, wie Oasen in der Waffelwüste, kleine lauschige, dicht bewachsene Plätze, über deren niedern Baumwuchs federartige Bambusbüschel schwanken und Areka und Cocospalmen ihre königlichen Wipfel emporstrecken. In ihrem Schatten bergen sie die niederen Bambushütten einzelner Javanen, aber die Hütten selber sind nicht zu sehen, die Laubmasse verhüllt sie gänzlich dem forschenden Auge des Wanderers.

Außer dem Reis baut der Javane für sich selber eigentlich nur noch den Sirih, denn die Arekanuß wächst ihm wild zu, und außer dem Reis ist ihm auch wirklich nur der Sirih, oder vielmehr das Bethelkauen, inniges Bedürfniß.

Der Sirih ist eine Schlingpflanze die zum Pfeffergeschlecht gehört und deren Blatt einige Ähnlichkeit mit unserer Bohne hat. Der Javane pflanzt Bäume an denen er sie hinaufzieht, und er benutzt von der Pflanze nur das Blatt, das er mit der Arekanuß – die kleinen Früchte der Arekapalme, die nicht viel größer als die Muscatnuß wird – und mit etwas Kalk, manchmal auch noch etwas Taback, und eine andere Mischung hinzufügend, kaut.

Es ist dieß die ekelhafteste Angewohnheit die ich je bei einem uncivilisirten Volksstamm – denn die civilisirten Amerikaner kauen Tabak, was dem gleichkommt, – getroffen habe. Ihre Lippen wie ihre Zähne färben sich roth danach, ihr Athem riecht süß widerlich und fortwährend steckt ihnen ein häßlicher Knüllen im Mund, den sie auch gar nicht selten, halbausgekaut, auf den Lippen zur Schau tragen. Sie sagen es conservire die Zähne, das ist aber ein Unsinn, und der Mensch weiß für jede Untugend eine Entschuldigung zu finden, denn alle anderen wilden Volksstämme ohne Ausnahmen haben herrliche Zähne und kauen keinen Sirih.

Die einzelnen Fruchtbaumoasen und ausgedehnteren Reisfelder wurden aber auch hie und da durch größere Anpflanzungen der Regierung unterbrochen. Diese Stellen bezeichnete dann schon immer ein prachtvolles Herrenhaus mit weit dazu hineinführender Allee und ausgedehnten Nebengebäuden. Im Ganzen schien aber doch Reis hier im flachen Lande das am meisten bevorzugte Produkt zu seyn.

Dicht vor Buitenzorg überholten uns ein paar Reisende mit Postpferden – ein englischer Officier aus Indien und ein amerikanischer Kaufmann aus Hongkong. Sie wollten ebenfalls, wie ich, nach Bandong hinauf und einige Tage im Hotel in Buitenzorg bleiben, wo ich sie dann auch wieder fand, und später noch einige Male mit ihnen zusammentraf.

Um halb zehn Uhr Morgens etwa erreichten wir das kleine Städtchen mit seinen blühenden Hecken und wohnlichen Häusern, dicht am Fuß der vollbewaldeten Gebirge. Buitenzorg, das holländische Sanssouci hat wirklich eine reizende Lage und wird seines gesunden Klimas wegen als der Heilplatz Batavias betrachtet. Möglicherweise erhielt es auch daher den Namen, daß die Kranken »außer Sorge« zu seyn brauchten, wenn sie seinen erfrischenden Schatten erst einmal erreicht hatten. Der Gouverneur hat hier einen Palast und hält sich auch einen großen Theil seiner Zeit da auf.

Das wichtigste in Buitenzorg ist aber jedenfalls sein botanischer Garten, der wohl an Mannigfaltigkeit der Gewächse von wenigen der Welt übertroffen werden möchte. Dieser Garten, unter der Aufsicht des Herrn Teismann, gehört mit zum Schloß, um das sich außerdem aber noch ein weiter Park zieht, in dem hunderte von zahmen Hirschen stehen. Ich habe nie so viel Wild auf einer Stelle zusammen gesehen.

Die Post rasselte jetzt durch den belebteren Theil des Städtchens; an einer Art chinesischen Viertels vorbei, war das Hotel de Belle Vue, das einem mit einer Deutschen verheirathenden Holländer gehört, und ich beschloß vor allen Dingen dem sich jetzt hier ebenfalls seiner Gesundheit wegen aufhaltenden Herzog Bernhard von Weimar meine Aufwartung zu machen, und um seine freundliche Vermittlung, eines Passes in die Preanger Regentschaften wegen, nachzusuchen. Ich stak allerdings in einem nichts weniger als courfähigen Anzug, der Herzog war aber nach Allem, was ich bis jetzt über ihn gehört, ein viel zu vernünftiger und liberaler Mann, sich an solche Kleinigkeiten zu kehren, und ich hatte mich darin auch wahrlich nicht getäuscht, denn ich wurde von Sr. Hoheit auf das herzlichste und freundlichste empfangen; ich mußte mich, wie ich war, mit zur Tafel setzen, und wir verplauderten eine recht angenehme Stunde.

Gerade in diesen Tagen war auch ein junger Prinz von Hessen Brachfeldt glaub' ich, in englischen Seediensten, zum Besuch auf Buitenzorg.

Der Herzog sah aber recht leidend aus, und es war ihm, wie ich hörte, schon von mehreren Seiten angerathen, ein nördlicheres Klima aufzusuchen, seine gestörte Gesundheit gründlich wieder herzustellen, und hatte sich nur noch immer nicht entschließen können, das schöne Java zu verlassen. Er war aber nichtsdestoweniger noch ganz lebhaft und selbst heiter, und sprach rasch und lebendig. Gern versprach er mir einen Paß in das Innere zu verschaffen, und ich konnte deßhalb also außer Sorgen seyn.

Die mir bleibende Zeit benutzte ich jetzt ganz besonders Buitenzorg und seinen botanischen Garten kennen zu lernen, und ich kann wohl sagen, ich verbrachte hier recht genußreiche Stunden. Leider bin ich zu wenig Botaniker den Eingeweihten dieser Wissenschaft einen vollen und klaren Blick in jenen Pflanzenreichthum thun zu lassen, aber fest überzeugt, käme einmal so ein recht echter Urbotaniker, so ein Mann, der schon bei einer neuen Pflanze einen tagelangen Marsch nicht scheut, in diesen Garten, er ließe sich an dem einen kleinen Teich, in der Nähe der Orchidäen, die ich hier in nie geglaubter Schöne fand, häuslich nieder, und wäre nur durch Gewalt und Polizei wieder fortzubringen. Auch die Palmen sind schon allein ein Anziehungspunkt für diesen freundlichen Garten – alle verschiedenen Arten der Cocospalmen, Areka, Sago, Aren, Dattel etc. etc. etc. – finden sich hier – die Lotosblume öffnet ihren stillen Kelch, auf dem in jenen Schatten gesenkten Teich, und selbst der materielle Botaniker, der die Pflanzen erst eigentlich in Säcken und Körben zu sehen bekommt, fände hier was sein Herz nur wünschen und begehren könnte, eine vollständige Sammlung aller Gewürzpflanzen vom Pfeffer an – es ist ein wohlthuendes Gefühl da zu seyn, wo Einen nun Niemand mehr hin wünschen kann – vom Pfeffer an, bis zu Muskatnuß, Gewürznelken, Zimmt, Cacao etc. etc. – Herr Teismann hat auch jetzt einen Versuch gemacht, die Vanille hier zur Frucht zu bringen, was bis dahin noch nicht geglückt war, und es ist vollkommen gut ausgefallen.

Bambus wie Rotting (was wir »spanisch Rohr« in Deutschland schulschmerzlichen Angedenkens nennen) sind heimisch auf Java. Der erste wächst zu einer wahrhaft prachtvollen Höhe heran und weht mit seinen federartigen Büschen stolz und majestätisch im Wind, als ob er die Palmen grüßen wollte, die von dem Teiche und den Höhen aus auch zu ihm freundlich hinüber winken.

Der Rotting ist eine Schlingpflanze, und zwar die bösartigste für den Wanderer und Jäger, die sich möglicher Weise nur denken läßt. Sie ist dicht mit langen haarscharfen Stacheln besetzt, dabei weder zu zerreißen noch zu zerbrechen, ja nicht einmal anzufassen, wie also soll man durch Dickichte kommen, die von diesen hunderte von Ellen gewundenen Dornenkronen förmlich verkittet sind? – es gibt da nur ein Mittel – man geht darum hin, und das habe ich auch später in den Bergen einige Male mit Erfolg angewandt.

Außer diesem ungeheuren Pflanzenreichthum der hier, aus allen tropischen und nicht tropischen Ländern zusammengetragen einen eigenen wunderbaren Eindruck auf den Beschauer macht, sieht man aber auch noch in einem Theil des Parks, in der Nähe des Schlosses, eine Sammlung aller möglichen Thiere, wie sie die warme Zone erzeugt und nährt, und diese hatte für mich ein ganz besonderes Interesse.

Das wichtigste Stück derselben war jedenfalls ein außergewöhnlich großer und schöner schwarzer Panther mit dunkelbraunen Flecken, der mit einer gelben ebenfalls gefleckten Pantherin erst kürzlich zusammengesperrt war, und sich in seinen neuen häuslichen Verhältnissen ganz wohl zu befinden schien.

Ein blauer Heulaffe erweckte nach diesem mein besonderes Interesse; im Anfang schien er nicht geneigt uns mit seinem Gesang zu erfreuen, etwas später aber, als ihm unsere Gesellschaft vielleicht anfing langweilig zu werden, erwachte der holde Klang seiner Stimme, und er fing dermaßen an zu heulen, daß mir ganz angst und bange dabei wurde.

Der Herzog Bernhard, der selbst so freundlich war, mich dorthin zu führen, ließ auch an diesem Morgen der Boa Constriktor, ebenfalls ein javanisches Species, ein paar Hühner geben, und wir konnten den gräulichen Anblick eines Schlangenfrühstücks bewundern; es ist das aber nichts weniger als appetitlich, obgleich es der Schlange selber ganz gut schmecken mag.

An eigenthümlichen Thieren waren noch ein balischer Kasuar, mit blauen Ohrklappen und ein Eber, von einer der Inseln des ostindischen Archipels, mit durch die Nase wachsenden Hauern. Außerdem stand aber dort ein großer Drahtkäfig ganz voll Affen, zu dem ich mehrmals wieder zurückkehrte, denn die Thiere waren wirklich zu komisch. Ich habe ein paar Mal förmlich Thränen gelacht über ihr Gehaben, dem gerade das stets ernsthafte und durch nichts außer Fassung zu bringende Gesicht den größten und komischsten Reiz gibt.

Noch waren im Garten selber, in kleinen besonders dazu aufgeführten, käfigartigen Bambushütten eine Menge andere Thiere und Vögel, wie sie im Archipel auf den Molukken, Borneo, Macassar etc., vorkommen; die niedlichsten hiervon aber sind jedenfalls die kleinen javanischen Zwerghirsche, kleine wunderliebe Dinge und wirklich das zierlichste was es in der Art in der Natur geben kann. Sie haben vollkommen die Gestalt und Farbe vom Hirsch, nur ohne Geweih, sind aber höchstens sechs bis acht Zoll hoch. Auch ihre Bewegungen sind genau die des Rothwilds, und die kleinen gespaltenen Hufe zu lieb und reizend.

Java ist überhaupt das Land des Wildes, und wie es vom Zwerghirsch hinauf bis zum wirklichen Hirsch eine Menge Gattungen und Schattirungen hat, bietet es in seinen Bergen und Hochebenen einen wahren Schatz aller erdenkbaren Arten von Bestien, Roth-, Schwarz- und Flugwild.

An demselben Abend bekam ich meinen Paß nach den Preanger Regentschaften.

Am Nachmittag, als ich mit einem der deutschen Herren aus der unmittelbaren Begleitung des Herzogs – im botanischen Garten spazieren ging, hörten wir auf einmal, ganz in der Nähe einen musikalischen Heidenlärm. Nun war ich allerdings schon an dieß chinesische Unglück gewissermaßen gewöhnt worden, ich erschrak wenigstens nicht mehr wenn es mir passirte, hier aber tönten wieder ganz neue, noch nicht gehörte ja oft harmonische Klänge, oft als ob man mit einer Lichtscheere an einen Mörser schlüge, dann aber auch wieder voll und glockenrein klingend zu mir herüber; und dazwischen kreischten Violinen und quiekten Clarinetten und dröhnten die schweren schmetternden Gongklänge. – Es war eine verzweifelte Musik, und wenn auch meinem Begleiter nichts Neues mehr, mir doch viel zu hörenswerth, um nicht die Sache jedenfalls einmal in der Nähe zu besehn.

Wir arbeiteten uns durch die Hecken, die den botanischen Garten von einem der kleinen Grundstücke trennte, durch, und kamen bald zu einem inländischen Fest – die Beschneidung eines Kindes, glaub' ich – wo zwei verschiedene »Orchester« in kleinen auf Ständer ruhende Bambusnester weggepackt, einander ablösten. Es war das auch glaub' ich unumgänglich nothwendig, denn hätte der Lärm nur eine Zeit lang gedauert, dann aufgehört und wieder angefangen, ich glaube man wäre auf der Stelle taub geworden, so aber wurde das Trommelfell in fortwährender gleicher Erschütterung gehalten, und man hielt es aus. Ich kann auch eigentlich, gar nicht sagen, daß ich die Musik hörte, nein ich fühlte, roch, schmeckte und sah sie ebenfalls – es war eine compakte Masse von Ton, ein musikalisches Stachelschwein, wenn ich mich so ausdrücken mag, das allerdings ein Ganzes bildete, aber nach allen Seiten hinausstach, und schmerzte, wo man ihm einen einzelnen Punkt abgewinnen wollte.

Die inländischen Instrumente gingen noch an, aber die Violinen und Clarinetten waren entsetzlich.

Diese inländischen Instrumente bestehen hauptsächlich aus dem sogenannten Gamelang, einem Instrument, das in seinem Princip und auch gewissermaßen in seinem Klang, Aehnlichkeit mit der Glasharmonika hat, nur anstatt aus Glasstreifen aus Metallglocken zusammengesetzt ist. Dieß kommt aber in den größten Variationen und aus dem verschiedensten Stoff gefertigt war. Das hauptsächlichste ist der große Gamelang, der eine bedeutende Anzahl harmonisch gestimmter Glocken enthält, die mit zwei Klöppeln geschlagen werden. Ihr Klang ist, wenn sie gut gearbeitet sind, weittönend und oft sogar wohlklingend, aber die unermüdliche Art, mit der er gewöhnlich bearbeitet wird, greift auch zuletzt die Nerven an, und könnte, glaub ich, Jemanden, der von Kopfschmerzen geplagt ist, zur Verzweiflung bringen.

Eine zweite Art desselben besteht aus Metallplatten ganz in der Art der Glasharmonika, nur etwas größer, von sieben bis sechzehn und mehr Platten, und dann wieder haben die ärmeren Klassen, die nicht im Stande sind, die oft sehr theueren Metallinstrumente zu kaufen, dieselbe Art in Holz und Bambus, nach dem nämlichen Princip, wie ich sie schon ähnlich in Deutschland gesehen habe – nämlich förmlich gestimmte Stücken Holz, die auf Strohseilen liegen, und einen ganz angenehmen reinen Klang geben. Der Bambus klingt noch besser und volltönender.

Ein ganz eigenthümliches aber, und ächt javanisches Instrument, ist der aus lauter Bambusstücken bestehende Anklong, der hohl gelassen und unten ausgeschnitten bis er die gehörige Stimmung erreicht hat, nach seiner verschiedenen Stärke gewählt wird, und eine ganz eigene Art von Musik liefert. Zwei und zwei Bambusstücke gehören immer zu einem Theil, und zwölf derselben bilden einen ganzen Anklong – eine Bambusmasse, die ihre vierzig fünfzig Pfund wiegen kann. Zwölf Mann gehören aber auch dabei zum Spielen, und es gibt wirklich nichts lebendigeres, als eine, zu einem Anklong tanzende Schaar Malayen.

Doch genug für jetzt von dieser Musik. In dem Hofraum, in einer großen, überall offenen Bambushütte stand ein langer gedeckter und mit Thee und Leckereien besetzter Tisch, zu dem wir uns, von dem Festgeber freundlichst eingeladen, vor allen Dingen erst einmal niedersetzen und eine Tasse Thee trinken mußten. Sonst bekamen wir aber von dem ganzen Feste weiter Nichts zu sehen, außer noch ein paar ganz hübsche und gewaltig aufgeputzte Mädchengesichter, die hinter einem hölzernen Fenstergitter, aber nur ebenfalls auf sehr kurze Zeit, hervorlauschten.

Trotz der in Batavia deshalb erhaltenen Abschreckung machte ich mich dennoch Dienstag Morgen den 18. November auf, die Preanger Regentschaften zu Pferde zu besuchen. Der Wirth in Buitenzorg verschaffte mir zwei Pferde, eines für mich und ein anderes für meinen Begleiter, einen Malayen, der mein Thier nachher wieder mit zurücknahm und meinen Reisesack trug (denn meine Büchsflinte wollte ich nicht aus Händen geben), und um neun Uhr Morgens etwa, denn das Alles hatte erst können heute besorgt werden, brach ich auf.

Der Preis für die Pferde ist, besonders was den mitgegebenen Begleiter betrifft, charakteristisch – ein »Herrenpferd« – und stolze Katzen sind es – kostet 10 Deut den Paal, etwa einen guten Groschen (ich bitte die »Vereinigten Staaten von Deutschland« hier um Verzeihung wenn ich gesetzwidrig noch nach »alten Groschen« rechne), ein Dienerpferd die Hälfte – der Diener selbst kostet gar Nichts – er ist nicht einmal fünf Deute werth.

Zuerst kam ich mir auch ganz sonderbar auf meinem kleinen Pferdchen vor, und ich glaube ich hätte mich trefflich amüsirt, wenn ich mir selber begegnet wäre; man gewöhnt sich ja aber an Alles, warum nicht auch an einen Ritt durch Java auf kleinen javanischen Pferden.

Gleich von Buitenzorg aus hatte ich indeß wahrlich keine Zeit an irgend etwas anderes mehr zu denken, als an die wahrhaft wundervolle Gegend, die sich rechts und links in weite Ferne dehnte. Zuerst von Buitenzorg aus waren es noch Reisfelder die den hauptsächlichsten Theil der Cultur bildeten, nur wenige Paalen aber davon entfernt fingen die Berge an und hier bekam die Scenerie schon etwas besonders Eigentümliches, durch eine weit ausgedehnte Cochenille-Plantage des Grafen Van der Bosch, die mit ihren breiten, wunderlich gezackten Caktusreihen, von denen ein großer Theil unter beweglichen Schilfdächern stand, mir ganz besonders neu war. Auf dem Rückweg beschloß ich sie jedenfalls zu besuchen.

Bis jetzt war meine ganze Reise durch cultivirtes Land gegangen; Felder und Plantagen, prachtvolle Landhäuser und Bambushütten oder auch kleine indische Kampongs wechselten mit einander ab, hier aber, am Fuß des Megamendong des »Wolkenumhüllten« hörten die Ansiedlungen, hörte die Cultur auf, und ich betrat jetzt zum ersten Mal diese so berühmte, durch Nichts übertroffene javanische Vegetation des Urwaldes.

Der Leser muß aber ja nicht glauben daß ich von hier ab hätte durch den Wald dringen müssen, Gott bewahre, der breite schöne Weg führte mich hier, so bequem als möglich hindurch, und ich hatte weiter nichts zu thun als ihm zu folgen, aber der üppigste Pflanzenwuchs der sich nur auf der weiten Welt denken läßt, dringt bis dicht an die Straße hinan, und überhing hie und da in schwingenden herrlichen Festons den Weg, der so steil aufwärts führte, daß ich abstieg und meinem Begleiter den Zügel gab.

Die Palmen hörten hier auf, wenigstens waren keine in meiner nächsten Nähe sichtbar, dafür aber traten andere und wirklich prachtvolle Bäume in den Vordergrund. Unter diesen hauptsächlich die stattlichen Eichen dieser Berge, der Yamudju und der Rijadji, beides ein paar Bäume mit hochaufschießenden herrlichen Stämmen, die wie hellgraue Riesensäulen in dem dunklen Grün der sie umlagernden Schatten stehn.

Bot aber das Oberholz, durch diese langen geraden Stämme und laubigen Kronen einen wahrhaft großartigen Anblick, so entfaltete das Unterholz dafür auch ebenfalls mit jedem Schritt den wir aufwärts stiegen, neue Reize. Im Anfang war es nur eine verworrene dichte Masse grünen Laubes, aus dem kein, irgend an Form oder Farbe sich auszeichnender Busch besonders hervortrat; Farrenkräuter hatten sich allerdings schon vom ersten Anfang an gezeigt, aber nur nach innen niedrig an der Erde wuchernd, wenn auch ihre einzelnen Blätter eine schöne und scharfabzeichnende Form trugen. Diese stiegen aber, mit uns, höher und höher empor, und noch hatten wir nicht die Hälfte des Megamendong hinter uns, als sie schon wie Palmen gestaltet und bis zu zwanzig und fünf und zwanzig Fuß hoch aus den Dickichten hervortraten, oder in die einzelnen scharf ausgerissenen Schluchten des Berges ihre feingezackten unendlich symmetrischen und zierlichen Kronen hinabschüttelten.

Von hier an beginnt auch der wilde Pisang mit seinen acht tropischen breitblättrigen saftigen Stämmen, und an Blumen zeichnet sich besonders die freundlich rothe badjang tere aus, die wir auch bei uns in Treibhäusern sorgfältig hegen und pflegen, und die hier wild sich den Dornensträuchen in's Haar sticht, und die Wiesen und Waldeshaine schmückt.

Höher und höher stiegen wir, wilder und romantischer wurde die Natur, schlanker und majestätischer die Farnpalme, denn sie verdient jetzt mit Recht diesen Namen, und die Luft wehte kühl und erfrischend über die feuchten Höhen. So erreichten wir endlich, fast mit Sonnenuntergang den Gipfel des »Wolkenumhüllten,« den wir aber heute Abend glücklicher Weise von Wolken und Nebeln frei fanden, daß ich einen Blick in die vor mir sich ausdehnenden von hier beginnenden Preanger Regentschaften bekommen konnte.

Das Panorama, das sich hier vor meinen Blicken entfaltete war in der That wundervoll – weit im Hintergrund die hohen zackigen Gebirgsrücken, die überall ihren vulkanischen Ursprung verrathen, von dem blauen dämmernden Höhenrauch des Abends leise bezogen – rechts der rauchende Gipfel des unruhigen innerlich kochenden Gedé, dicht am Fuße des Berges lachende Flächen fruchtbaren Landes, mit seinen regelmäßig eingetheilten Reisfeldern und den wie Silberfäden dazwischen hinlaufenden Bächen, und links hinüber, über das freundliche Flachland, in den Thälern der hohen sie umschließenden Vulkane, niedere kleine Berge, die auf eigenthümlichste Weise einzelne für sich stehende kleine Hügel bildeten, und genau so aussahen als ob die Erde hier in alten Zeiten gekocht und gegährt, und diese runden Hügel wie Blasen aufgeworfen habe. Und alle diese Hügel-Berge sind vulkanischen Ursprungs und gerade in diesen, die nach allen Seiten hin von Höhlen und Gängen durchzogen sind, haust jene kleine Art von Schwalbe und baut dort im Innern der Erde ihre kostbaren Nester – ein Leckerbissen für das gefräßige Menschengeschlecht.

Ich konnte mich lange nicht losreißen von dem herrlichen Schauspiel, und die Abendnebel stiegen schon feucht und deckend vom Gedé herüber, und fingen an sich wie ein weites Leichentuch über das ganze Thal zu lagern, ehe ich daran dachte daß ich selber noch ein Nachtquartier suchen mußte. Von Westen her stieg nämlich ein dicker regendrohender Wolkensaum auf, und so wenig ich mir daraus mache, wenn es einmal nicht anders seyn kann, draußen zu lagern und Regen oder schön Wetter zu nehmen wie es gerade kommt, so sehr bin ich doch auch dafür, wenn es möglicher Weise seyn kann, bei Unwetter unter Dach und Fach zu kommen, und frug deßhalb meinen Malayen, wo er möglicher Weise glaube, daß wir die Nacht schlafen könnten.

Ueber den Burschen hatte ich mich bis dahin schon gefreut; als er sah daß ich mich niedersetzte und augenscheinlich sein wunderschönes Vaterland, wie es da so im Abendsonnenschein vor uns lag, bewunderte, war er, trotz dem daß es schon spät auf Abend zuging, und wir zum Mittagessen weiter nichts als etwas trockenen Reis und ein paar Pisang, wie man es eben am Wege bekommt, gehabt hatten, ruhig neben mir niedergekauert, ja einmal sogar, als durch eine dünne Wolkenschicht gebrochen, der Sonne Strahlen in ganz eigenthümlicher Weise auf den nächstliegenden Krater fielen und seinen zackigen Gipfel mit einem fast feenhaften Licht übergoßen, deutete er mit der Hand da hinüber und sagte leise und zufrieden – »Ist das nicht schön?«

Ich blickte ihn staunend an, denn ich hatte, aufrichtig gesagt, gar nicht geglaubt, daß einer dieser Burschen an einer Sache, die er täglich vor sich sah, und an die er wahrscheinlich, da er nie andere Gegenden gesehen, gewöhnt seyn mußte, Freude finden, aber seine Augen leuchteten, seine ganze Gestalt hob sich, und ich sah daß er fühlte was er gesprochen.

Nun waren allerdings oben, auf der höchsten Spitze einige Hütten, denn hier gerade begannen die »Preanger Regentschaften« und ein hölzernes Thor, das Abends geschlossen wurde, schnitt sie von der Provinz Buitenzorg ab. Hier stand auch eine kleine Polizeistation, die wahrscheinlich sehr streng mit dem Inländer sind und genau deren Pässe und Papiere revidiren – wenn sie deren haben sollten – den Europäer aber wenig belästigen.

Mein Führer schien aber keine besondere Lust zu haben hier zu campiren, wahrscheinlich sagte ihm die Nähe der Polizei nicht zu, und er versicherte mich, etwas weiter unten, und gar nicht sehr weit mehr entfernt, sey ein vortrefflicher Platz, wo ich bequem schlafen könnte. Mir war's schon recht, ich fürchtete nur mein kleines Pferdchen werde mir zu müde werden, doch hielten die kleinen Dinger viel mehr aus als ich geglaubt, überdieß hatte ich es auch den Tag über sehr geschont, denn ich war den größten Theil des Weges zu Fuß gegangen. So schritten wir denn noch einmal, den nur leise niederführenden Abhang des Berges hinab, rüstig weiter, und erreichten mit einbrechender Dunkelheit die ersten Hütten unten am Fuße des Megamendong.

Aber auch hier wollte mein Gefährte noch nicht bleiben, sondern versicherte mich an der nächsten Post sey der beste Platz zu übernachten. Die war nicht mehr weit entfernt und ich hatte nichts dawider. Als wir jedoch die Post nach etwa halbstündigem, jetzt etwas schärferem Ritt erreichten, versicherte der Posthalter, ein dicker behäbiger Malaye den ich rufen ließ, daß dort ebenfalls kein Raum für uns sey, wir aber ein sehr gutes Haus auf der nächsten Post finden würden.

Das war noch fünf Paalen weiter, und ich hatte nicht die mindeste Lust im Stockfinstern viel weiter zu marschiren, stieg also wieder auf und beschloß an dem ersten guten Baum den ich an der Straße treffen würde, zu lagern; dagegen schien mein Führer aber einen ganz besondern Widerwillen zu haben, und gab mir nicht undeutlich zu verstehen daß ich, wenn ich an der Straße bliebe, am nächsten Morgen, wenn ich aufwachte, von einem Tiger gefressen seyn könnte – das war aber sicherlich nur eine Schmeichelei für den Wald, denn so viel Tiger gibt es hier gar nicht mehr, daß sie die öffentlichen Landstraßen heimsuchen sollten. Ich mußte auch über ihn lachen, denn er sah aus als ob er glaube was er sagte, und da er mir immer wieder betheuerte, die Post sey nur noch »ein ganz klein Stückchen Weg« entfernt, ließ ich ihn gewähren. Wir passirten auf solche Art eine der schönsten Strecken, » Tjipanas« wo der Generalgouverneur von Holländisch Indien ebenfalls einen Lustsitz hat, im Dunkeln, und ich bereute fast dem Willen meines Führers gefolgt zu seyn. Links hinein breitete sich ein weites Thal aus, am Weg hin stand eine lange Reihe Arenpalmen und ich hätte hier gewiß eine reizende Aussicht gehabt, wäre es eben nur Tag gewesen, doch kam ich ja auch wahrscheinlich diesen Weg wieder zurück, und die Gegend lief mir unter der Zeit nicht fort.

Das »ganz kleine Stückchen Weg« dehnte sich aber immer mehr und mehr in die Länge, und es mußte zehn Uhr seyn, als wir endlich die nächste Post erreichten. Hier zu bleiben war ich übrigens ganz fest entschlossen, und wenn nicht bei dem Posthalter, bei mir selber. Das Dach der Durchfahrt bot nämlich vollkommen Schutz gegen den Regen, der jetzt schon leise anfing sich einzustellen, und meine wollene Decke hatte ich hinten auf mein Pferd geschnallt, was wollte ich also mehr? – Etwas zu essen, denn ich fing an verwünscht hungrig zu werden; hiefür schien sich übrigens eine Aussicht zu eröffnen, denn eine Art Aufseher, den wir in der Durchfahrt der Post trafen, erwiederte mir auf meine Frage, daß wir dort übernachten könnten, und führte uns selber noch etwa hundert Schritt von der Straße ab nach einem ziemlich großen, von Lehmmauern aufgeführten Gebäude, aus dessen Bambusthüre uns ein helles Licht entgegenschimmerte.

Dem Gebäude nach hatte ich schon gehofft vielleicht einen Europäer hier zu finden, damit war's aber nichts, der Besitzer desselben war ein Malaye wie die andern, und ein Glück, daß er noch überhaupt Malayisch sprach, denn hier befand ich mich schon mitten im Terrain der Sunda-Sprache, dem eigentlichen Urdialekt dieses Theils des Landes, von dem ich bis dahin auch noch nicht eine einzige Sylbe verstand.

Der Malaye, der Cäsar dieses kleinen Kampongs, nahm mich übrigens auf das freundlichste auf, führte mich in ein großes Zimmer, wohin er einen Tisch und zwei Stühle – jedenfalls schon europäische Cultur – bringen ließ, und setzte mich nicht wenig dadurch in Erstaunen, daß er zur selben Zeit auch eine Flasche mit Genevre und zwei Gläser zum Vorschein brachte.

Die Malayen sollen sonst ungemein mäßig seyn, und fast nie geistige Getränke zu sich nehmen, dieser schien also doch schon etwas civilisirt zu seyn. Allerdings wäre mir in diesem Augenblick etwas mehr Compakteres lieber gewesen, ich hatte einen wahren Wolfshunger, mochte aber nichts sagen, denn ich glaubte, der gute Mann würde sich das denken können und überhaupt irgend etwas Nahrhaftes für uns bereiten lassen, was mir im nächsten Zimmer auch schon vor sich zu gehen schien.

Unterdessen begannen wir Beiden bei einem Glas Genevre unsere Conversation, die noch einsylbig genug von meiner Seite geführt wurde. Er frug mich, wo ich herkomme und hinwolle, was ich treibe etc. etc. – endlich war mein Examen glücklich zu Ende, und ich dachte dabei recht an den Steuermann der Wilhelmine, der mich immer auslachte, wenn ich Malayisch lernte, und mich frug, ob ich meine Vocabeln ordentlich wüßte. Ich brauchte sie wahrhaftig alle mit einander heute Abend, selbst snapang. Nun erzählte er mir auch seinerseits, daß sein Vater ein Deutscher gewesen sey und er selber Scharff heiße, er war auch schon in Holland gewesen, wohin er seinen Bruder begleitet hatte, der noch dort auf der Schule war, und es stellte sich jetzt heraus, daß der gute Mann ein ganz passables Holländisch sprach. Wie ich das hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen, denn bis spät in die Nacht geritten und dann noch mit hungrigem Magen eine volle Stunde Malayisch zu radebrechen, schien sich mit meiner obgleich keineswegs deutschen Constitution, nur sehr schlecht zu vertragen. Wir setzten nun die Unterhaltung, um ein Bedeutendes lebhafter, im Holländischen fort, und er konnte mir manches Interessante von dem Lande selbst und seinen Verhältnissen erzählen. – Sobald wir aber an das Politische kamen, bog er scharf ein – es schien das für ihn ein viel zu zarter Punkt, sich weitläufiger darüber auszulassen. Davon bekam ich aber auch nichts in den Magen und ich wollte schon eine kleine Erinnerung geben, daß ich seit Morgens früh nichts ordentliches gegessen habe, als er plötzlich aufstand, das Licht nahm und mich bat, ihm zu folgen.

»Nun endlich,« dacht' ich und bedauerte schon die Schüssel Reis, über die ich herfallen würde, fand aber bald, daß der Reis für diesen Abend vollkommen sicher seyn sollte, denn der gute Mann führte mich, anstatt an einen besetzten Tisch, an ein mit einer Matratze und zwei Kopf- und einem Kniekissen versehenes Bambusbette und wünschte mir mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt eine gute Nacht.

Das war nicht übel; sagen mochte ich aber auch nichts, er war keinenfalls mehr auf Abendbrod eingerichtet, warf mich daher, mit meinem leeren Magen auf die Matratze und war bald sanft und süß eingeschlafen.

Am andern Morgen brachen wir mit denselben Pferden, denn ich hatte hier keine anderen bekommen können, wieder auf; an dem nächsten Kampong ritten wir aber nicht vorbei und ich hielt dort zum ersten Mal ein richtig javanisches Frühstück. Ich konnte sogar Kaffee bekommen; dieser wird aber dann auf eigene Art zubereitet, denn wenn auch immer heiß Wasser in diesen kleinen Cafés Javanese oder Restaurants de Malay, wie man sie jedenfalls in Deutschland nennen würde, vorräthig wäre, so ist doch keineswegs damit gesagt, daß die Malayen immer Kaffee davon trinken. Das sollte ich an diesem Morgen zu meinem Schrecken erfahren. Ich sah nämlich den Kessel auf dem kleinen irdenen Kamine oder Kohlenbecken stehen, und hielt, als ich vor allen Dingen eine richtige Quantität Reis mit Pfeffer und einige süße Kartoffeln und Bananen in mich hineingearbeitet, ruhig meine Tasse dem dampfenden Gefäß entgegen. Die junge Frau, welche die Wirtschaft besorgte, schenkte sie mir auch eben so ruhig und bereitwillig voll von einer Flüssigkeit, die ich alle Ursache hatte, für reines, unverfälschtes heißes Wasser zu halten. Ich kostete selbiges nun sehr vorsichtig – erstens der Hitze und dann auch des Geschmackes wegen, denn ich hatte bis jetzt nur warmes Wasser gleich hinter einigen Gran Antimonium oder Ipecacuanna getrunken, und als ich mich überzeugte, daß es wirklich nichts weiter wie der reine, nur kochend gemachte Urquell war, versicherte ich sie, ich zöge Kaffee vor. Sie schien auch darin nichts außergewöhnliches zu finden, schüttete das Wasser aus, that etwas gemahlenen Kaffee in die Tasse, goß wieder heiß Wasser auf, und mein Kaffee war fertig.

Der Malaye zog übrigens das heiße Wasser im Urzustand vor, und ich sah jetzt zu meinem Erstaunen, daß noch mehrere hinzukommende Eingeborene zu ihrem Frühstück ebenfalls von ein bis fünf und sechs »Täßchen heiß Wasser« zu sich nahmen. Von der Sprache verstand ich übrigens hier auch nicht das mindeste mehr – es war Alles Sunda und hie und da schien sich selbst mein Begleiter schwer mit ihnen verständigen zu können.

Hier möchte ich übrigens vor allen Dingen dem Leser ein paar Worte über den Ausdruck Sunda sagen. Obgleich die ganze Insel auf den Karten und auch im Allgemeinen Java genannt wird, so ist das keineswegs der Name, den der Eingeborene seinem Lande selber gibt; Djava heißt nur die östliche Hälfte der Insel, die westliche dagegen Sunda, wovon auch die Sundastraße ihren Namen bekommen. Die Malayen sind jedenfalls in späteren Jahrhunderten auf alle diese Inseln im indischen Archipel gekommen und haben sich im flachen, der Seeküste nächsten Lande angesiedelt. Die Sundasprache ist auch vollkommen von, der malayischen verschieden; noch schwieriger aber zu lernen und für den Europäer fast ganz unmöglich soll die wirklich djavanische Sprache seyn, da sie sich wieder in sich selbst in drei, total von einander verschiedene Dialekte theilt.

Die Djavanen haben es nämlich in der Höflichkeit noch weiter gebracht als selbst die Deutschen und Franzosen, und sogar unsere europäischen Höflinge, so unglaublich das auch im Anfange klingen mag, könnten da noch etwas lernen. Der Djavane hat, wie schon gesagt, drei Sprachen, die aber nicht von verschiedenen Distrikten des Landes, sondern von dem Stande der Sprechenden selber abhängen, und nicht etwa dabei die Erleichterung bieten, daß jeder Stand dann auch nur seine eigene Sprache zu lernen brauche, sondern alle drei, von allen drei Ständen, dem Hof und Adel, dem Mittelstand und dem Proletariat verstanden und gebraucht werden müssen.

Jede Klasse spricht natürlich unter sich ihre eigene Sprache, redet aber der »Geringere« den Vornehmen an, so muß das in dessen Sprache geschehen, wie es denn natürlicher Weise dem Vornehmen gar nicht einfallen würde, anders als in der »geringsten« Sprache zum Knechte zu reden. Dasselbe Verhältniß findet zwischen Mittelständen und Vornehmen und Mittelständen und »Pöbel« statt und es soll ungemein streng darauf gehalten werden, jedem das Seine in dieser Hinsicht zu geben.

Etwas ähnliches haben wir allerdings in Deutschland, an den Höfen wird meistens französisch gesprochen und man spricht gewöhnlich gar nicht zum gemeinen Mann, und wenn das je einmal geschieht, natürlich in der geringeren Sprache deutsch; das Volk hat nur erst einmal französisch geantwortet.

Im Malayischen hat man bei den Pronomen kitagoewa und saya einen ähnlichen Unterschied, aber keineswegs so streng und so genau beobachtet.

Die Gegend, durch welche wir an diesem Morgen ritten, wurde wirklich mit jeder Meile schöner, und nicht satt konnte ich mich an der wundervollen Scenerie, der wahrhaft paradiesischen Vegetation sehen, als wir über eine kleine Hügelreihe hinüber in das Tjanjorthal hinabritten, und uns dem kleinen Binnenstädtchen Tjanjor näherten.

Etwas Reizenderes kann man sich wahrlich nicht denken, als dieses kleine, dicht in Palmen und hundert Arten von Fruchtbäumen versteckte Städtchen. Statt der Mauer umgab eine dunkelgrüne, festbelaubte Hecke das Ganze, und ein breites weißes Thor am Haupteingang konnte Abends verschlossen werden. Die sämmtlichen Straßen bestanden aber aus gleichmäßig niedergehaltenen, etwa vier Fuß hohen und glatt beschnittenen Hecken der rothen »Schuhblume,« wie sie dieselbe in ihrer Sprache nennen Kampang sapatu, der Hibiscus-Art – rosa sinensis – die mit ihren herrlich tiefrothen großen Kelchen gar freundlich gegen das dunkle Grün der Hecken abstachen. Jede Hecke umschloß einen Garten oder doch dicht mit Palmen und Fruchtbäumen bewachsenen Hofraum, und aus Blüthen und fruchtschweren Zweigen heraus schimmerten die hellen Bambusdächer der Javanen, oder klangen manchmal die leisen melancholischen Töne eines Anklong oder Gamelang heraus.

Etwas weiter nach dem Haupttheil der Stadt zu waren es aber nicht mehr Gärten allein, die wir trafen, sondern hie und da öffneten sich schon kleine Frucht- und Gemüseläden, und aus der Straße zogen schwerbeladene Lastträger mit Reis und in Matten eingepackten Paketen, oder Früchte und Gebackenes feil bietend, hin und her. Noch weiter hin fingen die chinesischen Kaufläden an; wie Buden standen die niederen Gebäude, die Laden, Wohn- und Schlafzimmer bildeten, dicht beisammen, eine Veranda in Front und die ganze Straßenreihe mit einem schmalen Ziegeldach gedeckt.

Es war noch früh am Tag, kaum etwa zehn Uhr Morgens; ich stieg also in einem dort gehaltenen holländischen Hotel ab und benützte dann die Zeit bis zum Lunch, in der »Stadt« ein wenig umherzuschlendern.

Tjanjor ist gewissermaßen eine Residenz, denn der erste Beamte der »Preanger Regentschaften,« der in Holländisch Indien für jeden einzelnen Distrikt den Namen »Resident« führt, hat hier seinen Aufenthalt. Natürlich liegt in allen diesen Plätzen Militär, und mein Glück wollte, daß die malayischen Soldaten gerade von einem holländischen Sergeanten eingeübt exercirten. Ich sah den uniformirten Burschen eine ganze Zeit lang zu, wie sie mit ihren bloßen braunen Füßen den Boden stampften, und rechts und links von einander unterscheiden lernten. Der Corporal war ein gar freundlicher Mann – als er bei mir vorbeimarschirte, nahm er, ächt militärisch und herzlich grüßend, die Mütze ab.

Die Tracht der Eingeborenen ist etwas von der Batavia's verschieden – wenigstens die der Frauen. Im niedern Lande schlagen sie ihren sarong so hoch unter den Armen durch, als sie ihn bekommen können, und nehmen ihn auf diese Art über die dadurch niedergepreßte Brust weg, was sie selbst thun, wenn sie noch eine leichte Cabaye von Kattun darüber tragen. Die Mädchen und Frauen der Preanger Regentschaften haben aber nur zum geringen Theil diese häßliche und entstellende Mode; sie schlagen ihren sarong einfach um die Mitte des Körpers und lassen die Brust entweder ganz frei, oder tragen auch hie und da ein Tuch über die Schultern, das an einer Seite vorn, oft ganz malerisch, herüber fällt. Ihr Haar flechten sie in einen Zopf und stecken es am Hinterkopf mit einem Kamm fest.

Leicht läßt sich dabei erkennen, welcher Theil der Kleidung original und welcher ihnen durch die Europäer gebracht ist – der erste ist durchgängig von ihren selbstgearbeiteten Stoffen, der zweite von europäischem Kattun. Zu diesen gehören alle die Cabayen oder Ueberzieher.

Den wichtigsten Theil ihrer Kleidung macht jedenfalls der sarong oder das Lendentuch aus, das bis auf die Füße hinuntergeht, und dem sie die zierlichsten Muster auf so sinnreiche als eigenthümliche Weise geben. Das Zeug, was also gezeichnet und gefärbt werden soll, hängt der Arbeiter über ein einfaches Gestell, setzt sich davor und beginnt mit einer kleinen dünnen Kupferröhre, die fast so scharf wie eine Feder ausläuft, auf das weiße, vor ihm hängende Tuch zu zeichnen. Neben ihm steht nämlich ein Kohlenbecken, auf dem besonders zu diesem Zweck gemischtes Wachs fortwährend in flüssigem Zustand erhalten wird, und an der Kupferröhre ist ein kleiner Behälter, fast wie eine Art Pfeifenkopf, der mit der Röhre in Verbindung steht und, wenn mit heißem Wachs gefüllt, eben nur so viel aus der auf dem Tuch hinfahrenden Röhrenspitze entweichen läßt, als nöthig ist, einen langsam gezogenen Streifen zu decken.

Decken soll aber eben das Wachs, denn die Arbeiterin – es wird größtentheils nur von Frauen betrieben – überzieht alle jene Stellen mit Wachs, die sie, wenn das Tuch nachdem gefärbt werden soll, nicht colorirt haben will, und die die nämliche Farbe behalten sollen, welche der Stoff in diesem Augenblick hat. Natürlich muß aber die Zeichnung von beiden Seiten gleichmäßig aufgetragen werden, sonst würde es nachher von unten herauf immer wieder durchfärben, und die Arbeit wird dadurch nur so viel mühseliger und langwieriger. Ist nun die Zeichnung über das ganze Tuch, und an beiden Seiten vollendet, die vollständig aus freier Hand aufgetragen wird, und bei der ich manchmal das ungemeine Augenmaß und die wirklich geschmackvollen Arabesken bewundert habe, dann kommt das Tuch, mit dem Wachs darauf, wie gesagt, in die Farbe. Soll aber hiernach noch eine andere Schattirung aufgetragen werden, so beginnt auf's Neue die Arbeit mit dem Wachs, und der Stoff wird dann noch einmal übergefärbt.

Batavia ist wenig berühmt für diese Arbeit, die schönsten und theuersten Sarongs kommen aus Samarang und überhaupt den östlichen Theilen, wie Surabaya, Solo etc., und man sieht von dorther Arbeiten in dieser Art, die wirklich in Erstaunen setzen.

Ein feststehendes und immer wiederkehrendes Muster, wie der andere Theil auch gezeichnet sey, sind zwei Reihen von oben nach unten laufender spitzer Felder, die sich mit ihren Spitzen gerade so entgegenstehen, wie die Zeichnung bei dem »Puff« Spiel im Inneren unserer Schach- oder Damenbreter. Die Hauptsachen, die sie in diesem Theile Javas, auf solche Art arbeiten oder » badeken« wie es genannt wird, sind eben diese sarongs oder Lendentücher, dann die Kopftücher, und hie und da eine Art langer Shawls, was sie aber jedenfalls den Europäern abgesehen haben, denn nur auf diesen Shawls, was bei den sarongs, als rein indischer Tracht, nie der Fall ist, habe ich die türkischen Palmenmuster gesehen.

Im Osten durchweben sie übrigens auch diese sarongs mit Gold, und zwar auf eine so geschmackvolle und kostbare Weise, daß ein einziger oft mehre hundert Gulden kosten soll.

Was die Tracht der Männer betrifft, so ist diese höchst malerisch, besonders hier oben in den Bergen, unter den schön und schlank gebauten jungen Leuten des Sunda Landes. Gewöhnlich tragen sie kurze, enganschließende Hosen von buntem, meist klein carirtem inländischem Zeug, manchmal auch noch einen schmalen sarong darüber, kein weiteres Hemd und nur eine kurze, vorn offene leichte Jacke, ebenfalls von lebhaften Farben. Um den Kopf schlagen sie, turbanähnlich, das meist braun mit dunklen Mustern »gebadeckte« Kopftuch, und an der linken Seite hängt stets, vom kleinsten Knaben an, der »Khris,« ein von ein bis zwei ein halb Fuß langes Messer oder Schwert mit damascirter Klinge und nach vorn gebogenem, pistolenhaftartigem Griff, in hölzerner, meist buntverzierter Scheide. Sein Hut ist, wie schon gesagt, flach, rund, etwa anderthalb Fuß im Durchmesser, gewöhnlich vergoldet oder bunt lakirt, und wenn er ihn, bei diesem Schwert, an dem Kinnband über der Schulter trägt, sieht er vollkommen aus wie ein runder Schild, und giebt den Gestalten etwas ungemein freies, kriegerisches.

Dem widerspricht aber ihr ganzes Benehmen auf das gründlichste. – So schlank und gewandt der Eingeborene ist, so kräftig und abgehärtet seine Glieder sind, so feurig und lebendig sein Auge blitzt und leuchtet, wenn er mit seines Gleichen verkehrt, so scheu und knechtisch schlägt er das schöne dunkle Auge nieder, wenn er dem Europäer dort im Binnenlande begegnet. – Schon hundert Schritt vorher nimmt er den Hut ab, aber er grüßt den Vorbeiziehenden nicht mit Wort oder Blick – das wagt er nicht, nein, trüb und schweigend zieht er vorüber, und der Weiße erwiedert diese stumme Ehrfurchtsbezeugung weder mit Blick noch Geberde. Es sind Knechte und Herren, die sich begegnen, und zwischen ihnen herrscht Furcht und Demuth auf der einen, wie Stolz und Geringschätzung auf der andern Seite.

Mich haben andere Europäer versichert, daß man sich an das knechtische Wesen der Leute vollkommen gewöhnte, und das mag seyn, die Monate aber, die ich in Indien zubrachte, war es mir stets fatal, und that mir in der Seele weh. Die Holländer behaupten übrigens, es sey unumgänglich nothwendig, sie in diesem Zustand von Unterwerfung zu lassen. – Java zählt viele Millionen von Eingeborenen, und nur wenig Tausend Europäer, und fühlte erst einmal der Javane seinen Werth, so wäre es leicht um eine jetzt sehr einträgliche Besitzung geschehen. Von ihrem Standpunkt aus haben die Holländer vollkommen recht, ich sehe aber dabei immer mehr ein, daß ich selber zu einem sogenannten »Volksbeglücker« nicht so recht passe. Dieß knechtische Wesen sollte ich weiter im Lande drinnen auch noch viel stärker und auffallender finden, so daß mir zuletzt das bloße Hutabnehmen und Stehenbleiben wirklich selber wie eine bloße Höflichkeitsform vorkam.

Außerdem haben die Inländer noch eine ganz besondere Furcht oder Scheu vor den Weißen, die sich, selbst bei längerem Bekanntseyn mit ihnen, schwer besiegen läßt. Bei den Männern geht es noch, sie halten wenigstens Stand, die Frauen aber ziehen sich meistens bei der Annäherung eines Europäers in ihre Hütten zurück, und die Kinder kneifen oft mit einem Zetergeschrei, und wie von dem größten Entsetzen erfaßt, nach allen Richtungen aus – ja ich habe sie in die Hecken und Büsche auf allen Vieren hineinkriechen sehen, als ob das Leben davon abhänge, nur nicht einem Weißen, von denen ihnen doch gewiß noch keiner ein Leid gethan hatte, auf der Straße zu begegnen. Die Scheu muß ihnen jedenfalls von ihren Eltern eingepflanzt und in ihnen genährt seyn.

Den Tag über blieb ich in Tjanjor, bestellte mir auf den nächsten Morgen mit Tagesanbruch frische Pferde, und fand auch schon vor Sonnenaufgang Alles für mich bereit, meinen 'Ritt nach Bandong fortzusetzen. Die heutigen Pferde waren aber bedeutend besser als die gestrigen, und ich sah, als ich kaum im Sattel saß, daß ich einen zwar kleinen aber so kräftigen und muthigen Hengst unter mir hatte, wie ich noch je geritten.

Es war dieß, wie mich der Wirth versicherte, ein Macassar Pferdchen, woher die besten und stärksten Thiere kommen. Ueberhaupt findet man auf Java das wunderlichste Gemisch von Pferden, was man sich möglicher Weise nur denken kann. Nach Batavia besonders beziehen die Holländer viele und ziemlich starke Pferde von Sidney, die dann auch mit einem sehr hohen Preis bezahlt werden. Nächst denen bekommen sie aber ebenfalls recht gute und kräftige, wenn auch kleine Thiere von Macassar und der Sandelholz (einer östlich von Java liegenden) Insel. Die schlechtesten und billigsten sind die javanischen Pferde selber – kleine schwache erbärmliche Dinger, von denen man oft einzeln zu vier und sechs Gulden das Stück kaufen kann. Dennoch sind sie rasch und lebendig dabei, und ich habe sie manchmal große schwere Javanen und Chinesen, die auf ihnen sitzend mit ihren Füßen den Boden fast berührten, in raschem Trabe dahin tragen sehen. Sie halten das aber nicht lange aus.

Der Bursche, den ich mitgenommen, ritt ebenfalls einen nur etwas kleinern Hengst, und schien sich, als er in den Sattel förmlich kletterte, weder mit dem Thiere selber, noch mit meinem Reisesack so recht befreunden zu können; sein weiter bambusgeflochtener Backschüsselhut saß ihm ebenfalls keineswegs recht fest, und es bedurfte einiger Anstrengung von Seiten umstehender Eingeborener, ihn in die gehörige Balance zu bringen und den Reisesack so zu placiren, daß er ihn halten konnte.

Als ich ihn »klar« sah, ließ ich meinem Thier die Hacken fühlen, denn Sporen trägt hier Niemand, und im Galopp flog es davon die noch stille, schattige Straße entlang.

Etwa hundert Schritt hinter mir drein folgte der Bursche mit dem Reisesack.

Als ich übrigens das Ende der Straße erreichte, theilte sich diese und führte nach zwei verschiedenen Richtungen ab. Ich wußte nicht, welche ich nehmen sollte, und wartete deßhalb, bis mein Sancho Pansa herankam, dem ich, um ihn zu beeilen, noch kurze Strecke wieder entgegenritt. Bis dahin war er zu sehr mit seinem eigenen Pferd beschäftigt gewesen, als daß er auf meine Bewegungen viel geachtet hätte, jetzt sah er mich aber auf einmal kaum dicht vor sich, als er einen wahren Angstschrei ausstieß, und mit der einen freien Hand so in der Luft herumflankirte, als ob er sich irgendwo festhalten wolle. Lange sollte ich auch nicht über dieses Manöver in Zweifel bleiben, mein Hengst fing an zu bäumen und herausfordernd zu wiehern – der Andere antwortete, und trotz dem scharf angezogenen Zügel flog der kleine Krakehler von Macassar streitesmuthig auf den andern zu und suchte ihn, aufsteigend mit den Vorderfüßen zu hauen und zu beißen. Des Burschen Thier bäumte auch, der Malaye selbst aber schien keineswegs Lust zu haben, sich in solche Händel, die ihn nicht das mindeste angingen, einzulassen. So wie er sah, daß die beiden Thiere zusammen rannten, kam auf einmal der große breite Hut vornherunter, der Reisesack ging nach Starbord und der Bursche selber nach Backbord hinüber, und so, gewissermaßen in drei Theile zerfließend, überließ er den kleinen kampflustigen Hengst ganz sich und seinem eigenen Vergnügen.

Das Pferd, was ich ritt, war glücklicher Weise das stärkste, und sein Angriff so gut gemeint gewesen, daß er seinen Gegner gleich in Schrecken setzte, und als ich endlich im Stande war, ihm den Kopf herumzubringen, keilten die beiden nur noch eine kleine Weile mit den Hinterbeinen auf einander ein, und ließen dann von einander ab. Meinen Burschen hatten indessen die Vorübergehenden wieder zusammengelesen und er kam richtig noch einmal in den Sattel, als ich aber, etwa eine Meile weiter, mein Pferd noch einmal nach ihm umdrehte, dieses wieder wieherte und in die Höhe stieg, und er wahrscheinlich einen zweiten Angriff befürchten mochte, ließ er sich ohne weiteres und vorherige Warnung, gerade wie das erste Mal aus dem Sattel fallen, daß es ordentlich aussah, als ob er Hals und Beine brechen müsse, und war dann durch keine Ueberredungskunst wieder »an Bord seines Pferdes« zu bringen. Ich mußte wirklich noch einen Kuli für das Pferd miethen, da ich nicht riskiren wollte, es durch einen Fremden zurückzuschicken, und der andere Gesell zottelte nun unverdrossen mit dem Reisesack hinter her, und Trab oder Galopp, er war nie weit zurück. Die Erde schien sein eigentliches Element und auf der blieb er.

Die Gegend, durch die wir heute ritten, war zum großen Theil romantisch und wild – steil aufragende dicht bewachsene Kalkberge – tiefe, hie und da mit Farnpalmen bewachsene Schluchten, bunt durch Reisfelder gestreute Fruchtbaum-Oasen, und rechts und links die zackigen Kanten der verschiedenen durch das ganze Land zerstreuten Vulkane.

Hier begann auch schon die gute Jagd, wegen der Bandong, das Ziel meiner jetzigen Reise, berühmt ist. In den Bergen halten sich besonders Rhinoceros auf, und mehre Tiger sollten sich in den letzten Wochen wieder gezeigt haben. Das war tröstlich, und endlich hatte ich nun doch einmal einen Platz erreicht, wo es wenigstens Wild in den Wäldern gab, dem es der Mühe werth ist, zu begegnen.

Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichten wir eine Post, an der wir ein paar Minuten rasten wollten. Es stand hier ein kleines Cabriolet und einige Kulis waren eben emsig beschäftigt, zwei klapperdürre Pferde in den Wagen einzuspannen. Ich frug den Aufseher der Post, der glücklicher Weise Malayisch verstand, ob ein Europäer hier wäre, er schüttelte aber mit dem Kopf, und auf meine Erkundigung, für wen jenes Fuhrwerk hergerichtet sey, gab er mir ganz erstaunt zur Antwort, das müsse ich doch am Besten wissen, da es für mich selber bestellt wäre.

Für mich? – ich versicherte ihn, daß das wahrscheinlich ein Irrthum sey, da ich selber von keinem Fuhrwerk etwas wisse; davon wollte er aber gar nichts hören, und mich und meinen Reisesack fast mit Gewalt in den alten Kasten hineinzwingen. Wäre es ein guter Wagen und ein paar rüstige Pferde gewesen, so hätte es mir Spaß gemacht, ein solches Mißverständniß zu meinen Gunsten einmal zu benutzen, und dem nach mir kommenden Europäer, der hier sicher auf sein Fuhrwerk gerechnet, einen Streich zu spielen, so aber befand ich mich im Sattel viel wohler, und mein kleines Thier, das ich ritt, sah kräftiger aus und war noch munterer und lebendiger, als die beiden Krakken zusammen. So lehnte ich denn die Ehre, in diesem eleganten Gestell zu fahren, auf das entschiedenste ab. Der Alte wollte davon aber noch immer Nichts hören; und ich mußte ihm nun vor allen Dingen meinen Namen nennen, bei dem er, als etwas ganz Außergewöhnlichem und nie gehörten, den Kopf bedeutend schüttelte. – Er versuchte ihn nachzusprechen, das ging jedoch gar nicht, und er verglich ihn nun mit einem andern mit malayischen Zeichen geschrieben, den er auf einem Stück Papier in der Hand trug.

Ich hatte aber indessen diese Auseinandersetzung auch satt bekommen und stieg wieder in den Sattel.

An der Post saß ein Mädchen, die mit ihrem Vater wie es schien, dort vorbeikam und auf den, unter den Schutz angebrachten, Bänken ein wenig ausruhte. Der Vater trug seine gewöhnliche ziemlich schwere Last Reis in zwei vorn und hintenherunterhängenden Büscheln an einem Stock über die Schulter, und seine Tochter hatte ebenfalls eine ziemliche Quantität in ihr Schultertuch gesackt, das jetzt neben ihr auf der Bank lag. Es war dieß das schönste javanische Mädchen, was ich bis dahin und auch später auf Java gesehen habe, und ihr Gesicht hätte jedem Maler, die volle runde Form ihres üppigen Körpers jedem Bildhauer zum unübertroffenen Modell dienen können. Während ich mich noch mit dem langweiligen Kerl um seinen alten Kasten von Wagen herumstritt, nahmen die Beiden ihre schwere Last wieder auf, und das arme Kind keuchte damit den Berg hinunter, wahrscheinlich ihrer Wohnung zu. Schade daß sie nicht meinen Weg gingen, ich hätte sonst wahrhaftig den Wagen genommen, blos diesem Mädchen die Last abzunehmen.

Schon nach Dunkelwerden erreichte ich, ziemlich müde, die nächste Post. Es war den Tag über sehr warm gewesen, und ich fühlte mich heute Abend besonders abgespannt. Ich freute mich auf mein Lager. Der Posthalter war ein sehr freundlicher Mann, setzte mir gebackenen und gekochten Reis vor, süßes Brod und jungen Zucker, Früchte, Kartoffeln und Kaffee, ein gebratenes Huhn und geräucherte kleine Fische, und ich hielt wirklich ein lukullisches Mahl. Und das Bett, was er mir in einer Ecke der Bambushütte herrichtete, war weich und bequem, und ich betrachtete es schon mit sehnsüchtigen Blicken, als ganz plötzlich und dicht, dicht neben dem Haus, nur eben von der dünnen Bambuswand von mir getrennt, die schallenden Töne eines Anklong herüber tönten, und gleich darauf das schrille Singen weiblicher Stimmen mir die höchst traurige Ueberzeugung aufdrang, daß ich mich in der unmittelbaren Nähe einer Bande chinesischer Tänzerinnen befinde, und nun wahrscheinlich die halbe Nacht geduldig ausharren müsse. So viel Nutzen aber als möglich wenigstens von diesem traurigen Vorfall zu ziehen, beschloß ich mir den Tanz erst einmal mit anzusehen, und dann zu suchen, wie ich dem Skandal einer Nacht Schlaf abringen könnte.

Ich ging aus diesem Hofraum hinaus, und in den anderen hinein, und fand hier schon einige hundert Menschen unter einem großen Bambusschuppen versammelt, – ein kleiner niederer Ausbau desselben schien für die Tänzerinnen bestimmt, und links davon, unter dem vorspringenden Dach des nächsten Hauses stand das »Musikchor« etwa drei oder vier Erwachsene, mit den großen Theilen des Anklong, und eine ganze Bande Kinder, welche die kleineren desselben, allerdings als Dilettanten, aber jedenfalls mit ungeheuerem Enthusiasmus (entweder für die Kunst oder für den Spektakel) bearbeiteten.

Der Anklong tönte übrigens eigentümlich genug, mich wohl auf kurze Zeit dafür zu interessiren; zuerst gaben die tiefklingenden Bambusröhren, die fast nach Art der Orgelpfeifen geschnitten waren, den Grundton an, und dann fiel die ganze kleine Bande mit ihrem höher gestimmten aber harmonirenden Theil in wildem Takt in den Baß ein. Sie wechselten dabei ordentlich die Melodie, und ich glaube wirklich, daß dieß Instrument mit einiger Uebung ganz wohlklingend gespielt werden könnte.

Etwas Neues waren mir dabei diese Tänzerinnen, von denen ich schon häufig gehört, die ich aber noch nie selber gesehen hatte. In dem kleinen, von allen Seiten aber offenen und von Zuschauern dicht umdrängten Raum, in dem sie ihre Vorstellung gaben, hing in der Mitte, und zwar bis auf etwa vier Fuß vom Boden, eine Cocosnußöllampe herunter, in der vier Dochte hell und lustig brannten. Um diese Lampe herum, die auch überhaupt eine mythische Bedeutung hat, und bei keiner dieser Vorstellungen fehlen darf, ging der Tanz in unaufhörlichen Reigen.

Die Tänzerinnen waren in ein, wie es scheint, zu diesem Zweck bestimmtes Costüm gekleidet. Ihre Gesichter waren weiß geschminkt, die Haare wohl geölt und mit bunten Bändern und bronze Schmuck durchflochten und besteckt; die Schultern bloß, aber das farbige Kleid, das von einem breiten, rothseidenen und gestickten, nur etwas schmutzigem Gürtel in der Mitte des Körpers gehalten wurde, reichte bis dicht unter die Arme und umschloß und bedeckte die Brust vollkommen. Die Füße blieben natürlich nackt, um Arme und Handgelenke trugen sie aber theils schmale, theils breite vergoldete oder nur bronzene Armbänder. Die Eingeborenen halten übrigens sehr viel von ächten Metallen und ächten Steinen, wissen einen großen Unterschied zwischen ihnen zu machen, und tragen nur höchst selten und ungern etwas Unächtes. Die Chinesen sind darin schon nicht so eigen.

Der Tanz dieser Mädchen war ein langsames und nicht ungraciöses Umherschweben um die Lampe, und die Hauptbewegung dabei zeigte sich wieder als dieselbe, die mir schon bei den chinesischen Schauspielern in Batavia aufgefallen, in der fortwährenden Verdrehung, dem steten Zurückbiegen und Schwenken der Hände. In einer derselben trugen sie aber auch noch, als ein besonderes Hülfsmittel ihres Spiels, einen offenen Fächer, hinter dem sie die meiste Zeit ihr Gesicht verbargen. Es geschah dieß aber, wie mir schien, keineswegs aus einer liebenswürdigen Schüchternheit, denn die schien ihnen ziemlich fremd, sondern mehr wohl, um die überdieß schon gellend genug klingende Stimmen zu verstärken, mit der sie ununterbrochen ihren Tanz begleiteten.

Sie sangen malayisch, oder vielleicht Sunda, denn sie rissen den männlichen Theil ihrer Zuhörer oft zu schallendem Gelächter hin, ich verstand übrigens kein Wort von der ganzen Geschichte, und mußte es ihnen so glauben, daß es spaßhaft war. Vielleicht ging ohnedieß ein Theil davon auf meine Kosten, denn das Wort Tuwan Herr, womit sie alle Europäer bezeichnen, kam sehr häufig darin vor.

Eine volle Stunde hatte ich dem wilden Lärm wohl zugeschaut, endlich schwindelte mir aber der Kopf von dem ewigen Drehen und den das Hirn treffenden Tönen des Anklongs, und ich suchte mein Lager auf, dort vielleicht ein paar Stunden Ruhe zu finden. Aber lieber Gott, wie konnte ich, nur durch ein Korbgeflecht von diesem Heidenlärm getrennt, an Schlaf denken; es war gerade als ob ich mitten zwischen den kreischenden Tänzerinnen läge, und ich warf mich wohl zwei Stunden lang schlaflos auf meiner Matraze hin und her. Endlich konnte ich diesen Zustand nicht länger aushalten und beschloß, noch einmal hinüberzugehen und zu sehen, ob denn diese »Unterhaltung« gar kein Ende nehmen wollte. Ich hätte mein Bett gern im Stich gelassen und mich irgendwo am andern Ende des Kampongs unter einen Baum gelegt; es fing aber an zu regnen, und ich mochte doch auch nicht gerne naß werden.

Drüber war indessen eine kleine Veränderung in den »Abendvergnügungen« eingetreten, insofern als sich auch einige Männer dem Tanze angeschlossen hatten. Ich nenne das hier immer Tanz, obgleich es eigentlich gar kein Tanz war, wenigstens sicher nicht das, was wir in Europa unter dem Namen verstehen. Es war einfach ein untereinander Herumgehen, bei dem es auf die Stellung der Füße auch nicht im mindesten ankam, und nur eine Verdrehung des Körpers das schien, auf das am meisten gesehen wurde.

Der eine von den jungen Burschen, der sich solcher Art diesem Tanze angeschlossen hatte, leistete darin wirklich Vorzügliches, und seine Bewegungen waren das Komischste, was man sich möglicher Weise nur denken kann. Der Leser kann sich einen vollkommenen genauen Begriff von ihm machen, wenn er sich recht lebhaft die Bewegungen eines Menschen denkt, der Nachts in eine stockfinstere Stube hineinkommt, in dieser nach etwas sucht, höchst besorgt ist nicht das mindeste Geräusch zu machen, und nun zu gleicher Zeit die feste Ueberzeugung hat, daß irgendwo im Zimmer ein Fuchseisen aufgestellt ist, in das er mit jedem Schritt hineintreten kann, und das ihm deßhalb natürlich die größte Beunruhigung verursacht und zur größten Vorsicht nöthigt. So ging der Mann, so trat er auf, so schlich er auf den Zehen zwischen den Tänzerinnen herum, und schien einen wahren Todesschreck zu kriegen, wenn er nur irgendwo ein Kleid berührte oder an eine der Bambusstützen der Hütte streifte.

Aber selbst dieß konnte mich nicht lange mehr fesseln; ich war zu müde, und als ich sah daß sich die Geschichte hier nichts weniger als ihrem Ende näherte (denn einer der Aufwärter goß, als ich gerade hinüberkam, eben wieder frisches Oel auf die Lampe), ging ich zu meiner Schlafstelle zurück und warf mich zum zweiten Mal auf's Bett.

Doch auch dießmal umsonst; wie Hammerschläge dröhnten die schwingenden Töne des Anklong an mein so schon überreiztes Hirn, und es war, als ob mir der Kopf von einander gesägt werden sollte. Ich sprang endlich in Verzweiflung auf, ergriff meine wollene Decke und flüchtete durch den Schmutz des Kampongs und bei einem feinen Regen, an das entfernteste Ende des Dorfes, ja noch ein Stück weiter hinaus, wo die Reisfelder schon wieder begannen, und wo ich mich, in meine Decke gewickelt, unter eine einzelne Cocospalme niederwarf. Als ich am andern Morgen aufwachte, war ich durch und durch naß, aber ich hatte doch wenigstens ein paar Stunden herrlich geschlafen und fühlte mich wohl und erquickt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen 5. Band - Java