Reisen 4. Band - Australien

Autor: Gerstäcker, Friedrich (1816-1872), Erscheinungsjahr: 1853
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Leseprobe aus Kapitel 1

Wieder einmal habe ich festen Grund und Boden betreten, und wie mit einem Zauberschlag hat sich Land, Klima, Boden, Scenerie, Bewohner – kurz alles was die eigentliche Welt bildet, um mich her verändert. Nicht mehr die rauschenden Palmen sind es die über mir wehen, nicht mehr das Brausen und Donnern der Riffe, und das Rascheln und Flüstern der im Winde schwankenden breiten Bananenblätter, nicht das fröhliche Lachen und Singen der immer frohen, sorglosen Tahitier dringt an mein Ohr; – wie eine beschnittene Taxushecke umgibt mich das flache, mit den wunderlich regelmäßigen Bäumen besetzte Land, mit ihren egalen trefflich aufgeführten Häusermassen die Stadt, und die breite irische Brogue und der englische Dialekt ist das einzige, was dem Ohr, für den romantischen Zauber den es verloren, Ersatz bieten soll.

Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. – Australien – Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civilisirten Stadt, hinweg schauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken.

Känguruh – schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger – Schnabelthier – Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume die die Rinde abwerfen, für den gerade von Europa kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblick, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse – Köpfe nach unten natürlich – vorschwebt, und die Farben, wie in einem Kaleidescop rasch wechseln und in einander fließen läßt. Es hat dabei einen ganz eigenen Reiz nur allein einen fremden Welttheil betreten zu haben – so sehr der Mensch mit seines Herzens innigsten Fasern an dem eigenen Vaterland hängt, so sehr wünscht er doch auch ein anderes zu sehen, um sich eben wieder zurücksehnen zu können – wie viel mehr denn wenn dieser Welttheil auch noch gewissermassen zu unseren Antipoden gehört, und die Leute dort eigentlich dem Rechte nach auf dem Kopf stehen müssen, so wir überhaupt schon heraus bekommen hätten wo eigentlich oben ist.

Australien wurde außerdem eine Art Land der Verheißung – ich betrat es hungrig, und ich wurde gespeist (für 1 Schill. 6 D.) ich betrat es– wenn auch nicht gerade nackt, doch in sehr dünnem Anzug und wurde gekleidet (für 3 Pfd. Sterl. 10 Schill.) und das ganze an Bord Steigen machte gleich von allem Anfang einen solch eigenthümlichen Eindruck auf mich, daß ich denselben wirklich nicht besser zu charakterisiren weiß, als wenn ich dem Leser aufrichtig gestehe es hätte gar nicht viel gefehlt, so brach ich mir gleich in der ersten Stunde ein Stückchen Stein irgendwo los, um ein Andenken an diesen Platz zu haben – es war als ob er mir wieder unter den Füßen fort verschwinden müsse.

Mein wirklich rasender Hunger – denn an Bord gab es ja Nichts, wenn ich auch wirklich das »Frühstück« hätte abwarten wollen, machte mich aber zuerst wieder darauf aufmerksam, daß die Sache hier reine Wirklichkeit, und ein Gasthaus gerade der Punkt sey, nach dem ich vor allen Dingen einmal umschauen müsse; damit war der Romantik allerdings schon ein bedeutender Stoß gegeben. Mit der Romantik hat übrigens Sidney auch nur ungemein wenig zu thun, denn wenn an irgend einem Ort der Welt (selbst die Yankee-Staaten nicht ausgenommen, was gewiß viel sagen will) ein reines unverfälschtes Geschäftsleben herrscht, so ist es hier. Pfunde und Schillinge sind die einzigen Worte die, wie eine magische Formel, die Züge der den Fremden überall umgebenden gleichgültigen Gesichter beleben können, und während bei den geschäftigen, speculirenden Kaufleuten die Schillinge zu Pfunden werden, zeigt sich bei dem fremden, unter ihnen herumwandernden Reisenden ein gerade entgegengesetztes Phänomen, was ihn, außerdem daß er sich bei den ewigen Gesprächen von Wolle und Verschiffungen langweilt, auch noch ganz unnöthigerweise praktisch belehrt, wie er ganz und gar kein Kaufmann sey. ... weiter unter Kapitel 1 - Sidney

Friedrich Gerstäcker

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