3. Canoefahrt auf dem Hume.

Als ich zum letztenmal ein Canoe steuerte, war es in Arkansas, den Fourche la Fave hinab, das Canoe aus einem leichten Fichtenstamm gehauen, daß es wie ein Pfeil kaum durch, sondern fast über das Wasser hinschoß. Welcher Unterschied dagegen hier! Mein Canoe war allerdings in den rechten Verhältnissen gebaut, etwa 15 Fuß lang und etwas über zwei breit im Spiegel, und so dünn gearbeitet, wie es das spröde Holz nur immer erlaubte, dennoch ging es tief, sehr tief, der eigenen Schwere wegen, im Wasser, und unser beiderseitiges Gewicht, mit Provisionen und sonstigem Gepäck half außerdem nicht wenig nach.

Die Biegungen des Flusses waren dabei so kurz, und die dadurch angeschwemmten Kiesbänke so hoch und ausgedehnt, daß sie das Fahrwasser gewöhnlich dicht unter den weitesten Bogen des Ufers hinüberdrängten. Dieser war dann natürlich mit überstürzten und halb oder ganz gesunkenen Stämmen und Aesten gefüllt oder wenigstens bedroht, und die Fahrt blieb an solchen Stellen nicht allein ungemein beschwerlich, sondern auch gefährlich.


Unsere Vorräthe bestanden hauptsächlich in hartem Brod oder Schiffszwieback, Thee, Zucker und Salz; mit frischem Fleisch waren wir nur auf meine Büchsflinte angewiesen. Gar bald sollte ich aber ausfinden, daß die Jagd am Murray oder Hume nicht so leicht oder bequem werden würde, wie ich sie mir im Anfang gedacht hatte. Durch seinen gekrümmten und stets von Hindernissen unterbrochenen Lauf hat er nämlich fast gar keine Aehnlichkeit mit den so schönen amerikanischen Flüssen, und an ein leises geräuschloses Hinabgleiten auf seiner Fläche, etwa zu Wasser kommendes Wild zu schleichen, war gar nicht zu denken. Fortwährend mußte ich, oft mit Aufwendung aller Kraft, den im Wege liegenden Snags oder Baumästen auszuweichen suchen, und das dadurch verursachte Geräusch, wie auch schon die nothwendige Bewegung im Boote selbst, hätten jedes etwa herabgekommene Wild verscheuchen müssen. Wie mir jetzt schon schien, waren wir möglicherweise nur auf Enten angewiesen, von denen es allerdings eine sehr große Anzahl und der verschiedensten Arten gab, und ich schoß denn auch, mit sorgsamer Berücksichtigung, schwer wieder zu erlangender Munition, zwei auf einen Schuß, zu unserem Abendbrod und Frühstück.

Die Nacht lagerten wir am linken Ufer, trugen unsere Sachen an Land, und schliefen, trotz einem leichten Regen, der zwischen 12 und 2 Uhr fiel, wahrscheinlich durch die ungewohnte Anstrengung erschöpft, sanft und süß. Der Fluß machte übrigens entsetzliche Krümmungen, und wir waren fest überzeugt, daß wir uns noch nicht sehr weit von Albury entfernt haben könnten.

Am zweiten Tag hatten wir sehr flaches Wasser, und der ewigen Biegungen wegen, in denen das Fahrwasser manchmal ordentlich voller Spieße stak, sahen wir uns sehr oft genöthigt auszusteigen, und das schwere Canoe durch sechs bis sieben Zoll Wasser hindurch zu ziehen. Es war dabei ziemlich frisch, und der Leser kann sich wohl denken, daß solche Fahrt, mit stets nackten und nassen Füßen, auch ihre Schattenseiten und nicht bloß das Romantische eines Streifzugs durch die Wildniß zeigte.

Eine etwas phantastische Hoffnung hatte ich übrigens bei dieser Fahrt, nämlich den Bunyip oder das australische Ungethüm des Murray, von dem in dieser Gegend besonders viel gesprochen wurde, zu sehen zu bekommen, oder in diesem so außerordentlich niedrigen Wasserstand wenigstens seine Spur, und dadurch überhaupt seine Existenz bestätigt zu finden. Bis jetzt lebt er nämlich nur in den etwas abenteuerlichen Sagen und Erzählungen der Blacks, die ihn als ein Ungethüm von der Größe eines kleinen Ochsen mit Pferdemähne und entsetzlichem Gebiß, wie haarscharfen Krallen, schildern. Weiße haben das Thier noch nie gesehen, und die Indianer nennen es Devil Devil in ihrer englisch-indianischen Aussprache.

Existirte es überhaupt, so mußte es an dem Ufer des Murray, oder in den verschiedenen Seen wenigstens seine Spur eingedrückt haben, oder ich konnte vielleicht einmal gar Nachts sein Schnauben und Brausen hören, womit es die furchtsamen Stämme des Murray nicht selten in Angst und Schrecken setzen soll.

Vielleicht entdeckte ich gar noch am Ende sein Gerippe, und dann ging es mir wohl auch wie dem armen Hrn. Koch, dem Mammuthfinder, dem entgegen nachher ein gewisser Galway auftritt, und eine große, weitläufige Geschichte vom Fang des Hydrarchos erzählte. Doch so konnte es mir noch nicht gehen, denn ich hatte den Bunyip noch nicht. Fest entschlossen war ich übrigens, fand ich nur erst einmal die Spur, und wenn es seyn mußte, Wochen daran zu setzen, ein solches Ungeheuer zu erlegen, oder doch wenigstens zu sehen zu bekommen.

Den Nachmittag fing es nun an auf höchst zweckwidrige Art zu regnen, und die Wolken standen so tief und drohend daß sich eine sehr böse nasse Nacht nur zu gegründet befürchten ließ. In dieser Jahreszeit auslaufend mußten wir freilich auch gleich von Haus aus auf so etwas gefaßt seyn, und schwammen ruhig weiter, freuten uns aber doch als wir gerade vor Dunkelwerden eine Hütte am linken Ufer entdeckten. Wir ruderten natürlich rasch darauf los, und fanden dort wenigstens ein Obdach gegen den, wie wir es vermuthet, fast die ganze Nacht wüthenden Sturm.

Am nächsten Tag hatte sich das Wetter etwas gelegt, wenn auch noch dann und wann einzelne Schauer fielen; die Sonne vertrieb gegen Mittag die träufende Wolkenschaar, und erwärmte unsere von Nässe und Kälte halberstarrten Glieder.

Der Fluß blieb sich gleich – Biegungen zum Verzweifeln; oft mußten wir Stunden lang rudern, und das Canoe über Kies und Sand und im Strom liegende Stämme schleppen, um nur wieder fast zu demselben, oder doch wenigstens keine Viertelmeile entfernten Ort zurückzukehren von dem wir ausgelaufen.

Das Einzige was mich dabei interessirte war das Flußbett zu beobachten, und die Schwierigkeiten zu berechnen die sich einer später doch jedenfalls darauf Bahn brechenden Dampfschifffahrt entgegenstellen könnten. Seit Jahrhunderten waren diese unverwüstlichen Gummibäume schon hier eingeworfen und – liegen geblieben, und ich zweifelte nicht im mindesten daß die meisten der Kiesbarren die wir mitten im Strom fanden, weiter nichts als dort eingestürzte Stämme waren, an welche sich mit der Zeit Sand und Kies genug angeschwemmt hatte eine ordentliche Barre zu bilden. An den meisten Stellen besteht das Flußbett auch bloß einzig und allein aus diesem Chaos von Stämmen und angeschwemmten Sand, und daraus starren dann die nackten, zähen und schleimigen Aeste jener riesigen Baumskelette hervor.

Durch diese Stämme nun, die, wie ich schon gesagt habe, am häufigsten im Fahrwasser selber, das heißt in den Biegungen, dem weitesten Bogen derselben vorkommen, geht die stärkste oder vielmehr die Hauptströmung des Flusses, und hier ist auch stets das tiefste Wasser – selten flacher, selbst in diesem außerordentlich seichten Wasserstand, als zwei bis drei Fuß. Ein anderer Canal hat sich aber auch gewöhnlich noch auf der entgegengesetzten Seite des Bettes gebildet, aber natürlich mit weit schwächerer Strömung und seichterm Wasser, manchmal nicht über 4–5 Zoll, und läßt dadurch an sehr vielen Stellen eine kleine Kiesbar als Insel in der Mitte.

Diese Baumstämme die jetzt mit ihren Aesten und Zweigen die Hauptpassage hemmen, müssen nun freilich aus dem Weg geschafft werden, soll der Fluß jemals selbst für die kleinsten Dampffahrzeuge schiffbar gemacht werden, sie würden und müßten sonst jedem verderblich werden der versuchen sollte sich durch ihre starren, heimtückischen und oft so sicher und doch so gefahrbringend versteckten Reihen die Bahn zu erzwingen.

Der Murray, unterhalb seiner Verbindung mit dem Murrunbidgee, hat im Verhältniß weit weniger Baumstämme in seinem Bett als das oben der Fall ist, die Biegungen sind dort auch nicht mehr so kurz, und der Fluß ist schon etwas breiter und tiefer. Unterhalb dem Einfluß des Darling ist er fast ganz frei von Stämmen, hie und da zacken aber doch einige Aeste hinein, und er wäre selbst hier wenigstens zu revidiren.

Jenes Holz muß aber sämmtlich, wenigstens im obern Theil des Flusses, durch Menschen oder Pferdekraft, mit Sägen und Tauen entfernt werden, denn dort sind die Biegungen viel zu kurz und das Fahrwasser ist zu schmal den Gebrauch von Dampfschiffen, sogenannten Eradicatoren, zu erlauben, die jedoch weiter unten vielleicht anwendbar wären. Das Entfernen jener Stämme ist auch möglich, und die Amerikaner haben in manchen ihrer Flüsse, z. B. dem Redriver oder Rio roxo, schon bedeutend mehr Schwierigkeiten besiegt. Werden aber die Ufer des Murray je im Stande seyn nicht allein solch bedeutende Auslagen wieder zu ersetzen, sondern auch eine Dampfbootlinie theils durch heraufzuschaffende Bedürfnisse, theils durch hinunterzusendende Producte zu unterhalten? Das ist eine Frage die ich allerdings jetzt nicht beantworten könnte, eben so wenig wie irgend ein Ansiedler am Murray die Garantie deßhalb übernehmen würde. Für jetzt steht es sogar eher aus als ob das Land in seiner entsetzlichen Dürre wenig einen solchen Kostenaufwand rechtfertigen und pecuniäre Aufopferungen lohnen möchte. Nichtsdestoweniger ist es aber auch fähig noch manches zu erzeugen woran bis jetzt, der hohen Transportkosten wegen, noch niemand hat denken können.

Für jetzt beschäftigen sich die dortigen settler oder Stationshalter ausschließlich mit der Viehzucht, und diese wird auch in spätern Zeiten, wenn nicht überhaupt der einzige, doch der Haupterwerbszweig bleiben müssen, aber größerer, ja sogar sehr bedeutender Nutzen ließe sich mehr daraus ziehen, würde die Fracht billiger und bedeutende Versendung möglich.

Von den Schafen wird jetzt fast nichts benutzt als die Wolle, von den Rindern, die sich hier eigentlich zu stark vermehren, fast nur das Fleisch zum eigenen Bedarf der Stationen. Hie und da werden sie auch zu Talg eingekocht, das aber könnte weit eher als ein Mißbrauch wie Verbrauch angesehen werden, und jedenfalls ließe sich das Fleisch dieser zahlreichen Heerden, so bald der Murray wirklich einmal befahren würde, trefflich benutzen.

An den Ufern des Murray gibt es nämlich Massen von kleinen Salzseen, die das vortrefflichste Salz, welches jetzt sogar noch in die Colonie eingeführt wird, enthalten. Der Murray könnte deßhalb eine ungeheure Masse des schönsten Pökelfleisches liefern, sähen sich die Settler an den Ufern desselben nur erst einmal veranlaßt solchen Erwerbszweig zu eröffnen. Das Salz selber könnte dann ausgeführt, Hammelskeulen geräuchert, Häute eingesalzen und überhaupt Artikel verwerthet werden, die jetzt ungenutzt verderben. Aus den Gummibäumen, die zum Räuchern der Hammelskeulen vortrefflich dienen könnten, ließen sich ebenfalls Holzkohlen brennen, und wer weiß ob nicht selbst aus den zahlreichen Lagunen und Seen das Einsalzen der vortrefflichen Fische des Murray einen Handelsartikel liefern würde.

Hiergegen hörte ich allerdings einen erheblichen Einwand – wenn er nämlich vollkommen ergründet und durchaus erprobt wäre – und zwar von Seiten einzelner Ansiedler selber, daß nämlich das Salz jener Seen sich nicht zum Versalzen von Fleisch und Häuten, auf die Länge der Zeit – also bei weiten Verschiffungen, eigne – und daß damit angestellte Proben unglücklich ausgefallen und die damit eingepökelten Fleischmassen verdorben wären. Einzelne Versuche – und ich glaube erst ein einziger für eine wirklich lange Strecke – mögen damit gemacht seyn, der Murray durchfließt aber einen sehr weiten Landstrich, und diese Salzseen finden sich an sehr verschiedenen Stellen, sind also deßhalb auch sehr wahrscheinlich verschieden gehaltig und jetzt nur noch nicht so genau untersucht worden, weil eben bis jetzt gar keine Aussicht war das Salz von da wo es in Masse gefunden wird fortschaffen und verwerthen zu können. – Dieser Erwerbszweig müßte also deßhalb auch noch jedenfalls erst einer genaueren Prüfung unterworfen werden.

Ackerbau wird der Murray wohl kaum zu treiben gestatten, nicht daß das niedere und überschwemmte Flußland nicht im Stande wäre ziemlich gute Ernten zu tragen, aber das allherbstliche Austreten des Stroms zerstört jedesmal die Ernten, und dazu ist das Thalland nicht breit und fruchtbar genug Levees oder Dämme, wie sie zum Beispiel die Wasser des Mississippi aus den Ufern zurückhalten, zu gestatten. Uebrigens läßt sich im voraus auch eigentlich gar nicht bestimmen was der Murray noch alles fähig wäre zu leisten, da eine Schiffbarmachung desselben auch jedenfalls einen neuen Eifer in seinen Uferbewohnern schaffen, und viele dorthin ziehen würde, die jetzt gar nicht daran denken sich in einem Distrikt nieder zu lassen, der mit der civilisirten Welt nur durch Ochsenkarren in Verbindung steht.

Doch ich schwatze hier über die vielleicht später mögliche Schifffahrt des Murray, und vergesse dabei ganz und gar meine eigene.

Ich will den Leser nicht mit den Daten der allerdings nicht langen, aber desto monotonern Fahrt langweilen, und gleich zum Schluß derselben, zu der traurigen Katastrophe springen. Wie ein Gummibaum dem andern, so sah eine Biegung der andern sprechend ähnlich, fortwährend dabei dieselbe Arbeit mit aus dem Boot springen und das schwere Holz über die Steine schleppen, oder in Mühe und Gefahr den drohenden Stämmen auszuweichen, die an jeder andern Stelle fast unsern Fortgang zu hemmen drohten. Der Weg wurde, eben durch die ungeheuern Biegungen und Hindernisse, so entsetzlich lang und mühsam daß ich mir schon eine ziemlich sichere Berechnung machen konnte wie wir solcher Art – von den Wilden wirklich nicht gefressen – kaum in drei bis vier Monaten im Stande seyn würden Adelaide zu erreichen, als unsere Wasserfahrt auf eine schon lange befürchtete und trotz aller Fatalität noch immer glückliche Art ihr Ende erreichte, und uns zwang unsern Weg zu Fuß fortzusetzen.

Von Indianern waren wir allerdings noch nicht belästigt worden, hatten auch nur erst sehr wenige gesehen, und so ganz in der Nähe weißer Ansiedlungen mochten sich die schwarzen Bursche doch wohl auch ein wenig geniren; wir hielten wenigstens die Nacht nicht einmal Wache, doch ein schlimmerer Feind als die Wilden, sollte uns der Strom bald selber werden.

An einem heitern Morgen, wo wir die Nacht besonders gut geschlafen und uns an einer reichlichen Mahlzeit Enten delectirt hatten, von denen wir sogar noch ein paar auf den nächsten Tag überbehielten, schifften wir uns wieder ein, und ruderten wohlgemuth den hier gerade eine Strecke lang ungewöhnlich offenen Strom hinunter. Unsere Freude sollte aber nicht lange dauern. Plötzlich schien es als ob vor uns der ganze Strom mit einer soliden Masse umgestürzter Baumstämme und Wurzeln völlig blokirt und abgeschnitten wäre, und selbst beim Näherkommen zeigte sich noch keine Durchfahrt, so daß wir vor allen Dingen landen mußten, und ich mich nur, auf den Stämmen hinlaufend, nach einer Oeffnung umsah, durch die wir unser schmales Fahrzeug hindurchlaviren konnten. Ich fand auch eine solche Stelle, die Ein- und Durchfahrt war aber hier so schmal und gefährlich, daß wir mehr als zwei Stunden brauchten, durch diesen fatalen Platz zu schlüpfen, und unser Canoe dabei sich noch obendrein zweimal halb mit Wasser füllte, wobei ich es das einemal besonders mit einer Hand ausschöpfen mußte, während ich das ganze Gewicht desselben, gegen das noch eine starke Strömung drückte, an der andern Hand hängen hatte.

Endlich, und nach schweren Mühen, erzwangen wir uns die Durchfahrt zwischen gährenden Wirbeln und riesigen dunklen schleimigen Stämmen und Stumpfen durch, die hier der gegen sie ankochenden Fluth ingrimmig Trotz boten. Es war ein unheimliches Gefühl ein paarmal so dicht gewissermaßen am Abgrund zu stehen, wo unser Sinken oder Schwimmen immer nur von einer leisen Bewegung des Körpers abhing, und wäre unser Canoe hier gesunken, untergegangen, – wobei das ja oder nein in einem Eimer voll mehr oder weniger einströmenden Wassers lag, – so glaub ich kaum daß Einer von uns das Ufer wieder erreicht hätte. Das tolle Gewirr von spitzen drohenden Aesten war zu arg, und die Strömung hätte uns unrettbar da hinein geworfen. Soweit sollte es aber doch nicht kommen.

Unter dieser fatalen Stelle, bekamen wir wieder, etwa eine Meile Weges, ziemlich freies Wasser und glaubten schon aller Gefahr entgangen zu seyn als wir plötzlich eine Biegung des Flusses erreichten, wo die Strömung rasch und beengt an der rechten Seite durchschoß, während mehrere Bäume dort hinüberhingen, und an dem linken Ufer eine hochangeschwemmte Kiesbank hartnäckig jede Durchfahrt verwehrte.

Ich rannte das Canoe vor allen Dingen auf eine inmitten des Stromes liegende Sandbank, um vorher einmal zu recognosciren wie das Fahrwasser eigentlich aussehe, und schickte zu diesem Zweck meinen Begleiter auf die Bank hinaus. Dieser kam auch bald zurück und versicherte: es sehe hinter dem Baum alles gut aus. Unser Canoe also den Geistern des Murray empfehlend, wurden wir flott, und ich steuerte nun mitten in das hier ziemlich reißende Fahrwasser hinein, das gerade unter dem darüber hinhängenden Baum durchschoß. Unter dem Baum durch ging es auch ziemlich gut, die Bahn war dort, wenn auch kaum drei Fuß breit, doch frei, gleich dahinter lag aber, etwa 6 Zoll unter Wasser, ein anderer Stamm, und ungefähr dreißig Schritte weiter hing ein anderer Baum, den ich von oben an gar nicht hatte sehen können, ebenfalls so tief über das Fahrwasser hinüber daß er dem Canoe nicht mehr gestattete darunter durchzugehen. Ueber den unter der Oberfläche liegenden Stamm kamen wir noch glücklich hinweg, dadurch war aber auch der Fortgang des Canoe, dem zweiten, weit gefährlicheren Baum auszuweichen, total gehemmt worden; dort trieben wir jetzt mit voller Breitseite an, und die ganze Strömung, hier in wenige Fuß zusammengedrängt, preßte gegen unser Canoe, und drückte es trotz allem was wir aufbieten mochten es frei zu halten, halb unter den Stamm.

Ein paar Minuten stemmten wir auf solche Art die Strömung und suchten es nach vorn zu ziehen, dort frei zu werden und wieder in gefahrloses Fahrwasser zu kommen, das sollte uns aber nicht gelingen; plötzlich preßte der Druck des Wassers die ihm nächste Seite etwas nieder, daß ein schmaler Wasserstrahl hineinschießen konnte; ich suchte auf der andern Seite das Gegengewicht zu halten und die bedrohte Seite wieder in die Höh' zu bringen, doch vergebens. Das Wasser hatte einmal Eintritt gewonnen und ließ sich nicht mehr zurückweisen; stärker und stärker quoll es herein, in wenigen Sekunden war unsere kleine Barke gefüllt, und ich weiß mir von dem Augenblick nur noch zu erinnern daß ich nach dem neben mir liegenden Gewehr griff, das wenigstens zu retten.

Das Boot war in etwa sechs Fuß Wasser gesunken und alles daraus fortgeschwemmt, da die Kiesbank aber dicht daneben war, gelang es uns das vorn befestigte Seil zu fassen, und mit nicht geringer Anstrengung zogen wir wenigstens das leere Boot, in dessen Boden die langstielige eiserne Bratpfanne und eine Harpune, die sich im Holze festgehakt, allein liegen geblieben waren, aufs Trockene. Die Bratpfanne war übrigens unser Glück; mit dieser schöpfte ich nun das Canoe rasch aus, um wenigstens noch etwas von unseren Sachen zu retten, und sie als Ruder gebrauchend wurde ich wieder flott. Freilich war aber indessen wenigstens eine halbe Stunde vergangen, und ich konnte nur noch das auffischen was an den vorstehenden Aesten in nächster Nähe hängen geblieben war. Zu diesem gehörten zwei unserer leichtesten wollenen Decken, meine kleine Zinnbüchse mit meinen Briefen und Papieren, mein Rock und die Theebüchse.

Mein Begleiter brachte indessen durch Waten, Schwimmen und Tauchen noch einige andere Kleinigkeiten, unter diesen den allerdings fast aufgelösten Brodsack, herauf, und nach etwa zwei Stunden fischten wir nach zehn mißglückten Versuchen und nachdem wir uns endlich aus dem mit Kies gefüllten Brodsack einen Anker gemacht, mit der Harpune meine Jagdtasche auf, in der unser ganzes Pulver, Tabak, Fischhaken, einige Medicinen und sonstige Kleinigkeiten stocken.

Damit schifften wir uns nun aufs neue ein, gingen noch etwa zwei Meilen den Strom hinunter bis wir an einen guten Lagerplatz kamen, und zündeten dort vor allen Dingen einmal ein gutes Feuer an, uns erst wieder zu trocknen und auszuruhen und den erlittenen Schaden übersehen zu können. Leider Gottes war er bedeutend genug, und, was das schlimmste – jetzt unersetzbar. – Unser Pulver war total durchnäßt und unbrauchbar geworden, und sogar unsere Schuhe – eine wirklich interessante Lage in der wir uns befanden – zum Teufel. Ueberdieß sahen wir liebenswürdig aus, kalt und naß wie ein paar gebadete Ratten und barfuß, kaum im Stande unsere wenigen Habseligkeiten ans Land zu tragen um sie dort an der lodernden Flamme zu trocknen.

Vor allen Dingen brachte ich jetzt erst meine Büchsflinte wieder in Stand, schraubte die Pistons los, schüttete frisches Pulver ein – denn das was ich noch im Pulverhorn hatte war wenigstens trocken geblieben – schoß sie ab, ließ sie am Feuer ordentlich austrocknen und lud sie von neuem. Das gethan, spannten wir die Decken zum Trocknen auf und breiteten ebenfalls unseren geretteten Thee vor dem Feuer aus. Das Pulver in den Canistern war aber rettungslos verloren, ebenso das meiste unserer übrigen Sachen, und ohne Schuhe konnten wir nicht einmal unsere Reise zu Fuß fortsetzen – was nun thun?

Geld hatte ich nicht genug bei mir alles von neuem zu kaufen, und ohne Provisionen und Pulver, ohne hinreichende Decken durften wir ja gar nicht daran denken noch mehrere Monate lang in der schlimmsten Jahreszeit auf dem Wasser zu bleiben. Selbst unsere Ruder waren weggeschwemmt, und unsere Situation wäre zum Verzweifeln gewesen, hätte sie nicht auch wieder so unendlich viel Komisches gehabt. Mein guter Muth verließ mich auch nicht einen Augenblick – ich war nun wieder einmal in einem extra « scrape« es die Amerikaner ziemlich passend nennen, und hatte für den Augenblick gar nichts weiter zu thun als zu sehen, wie ich wieder herauskäme.

Waren wir den Tag in Wassergefahr gewesen, so kamen wir die Nacht über fast, zur Abwechslung einmal, in Feuersgefahr. Kalt wie wir waren hatten wir uns den größten Haufen Holz angesteckt den wir nur in der Nähe finden konnten, und das erwies sich zufällig als die Stelle wo neben einem hohlen etwa 16 bis 18 Fuß hohen Baumstamme die Wipfel von drei oder vier trockenen Bäumen niedergebrochen waren. Das Feuer loderte, gegen Abend besonders, lustig empor, und wir mußten sogar das dürre Gras rings darum her abbrennen, damit wir nicht auch noch die Ursache eines Waldbrandes, der auf der Melbourne-Seite schon so entsetzlichen Schaden angerichtet würden. So hatten wir uns in unsere Decken gewickelt und schliefen vortrefflich, und mir träumte ich hätte einen feuerspeienden Berg bestiegen, und sähe den Krater Lava und Flammen ausstoßen, ja ich konnte deutlich sogar das dumpfe Brausen in seinem Innern hören. Gegen Mitternacht mochte es seyn, als ich endlich durch das ganz eigenthümliche, aber fortgesetzte Geräusch geweckt wurde, und als ich die Augen aufschlug, lag ich erst eine ganze Weile, und hätte drauf schwören wollen ich träume fort, denn dicht vor mir sah ich klar und deutlich – wie ein Mensch nur mit offenen Augen und anscheinend vollem Bewußtseyn etwas sehen kann – Flammen und Funken in die dunkle Nacht hinein stieben. – Ich war doch nicht etwa aus Versehen nach Hawaii gerathen.

Als ich etwas bestürzt emporsprang, und nun auch vollkommen munter wurde, sah ich die helle glühende Lohe aus dem alten Stamm, wie aus einem Schlot züngelnd herausschlagen, und die blitzenden Funken hoch auf und über uns hin senden. Damit aber nicht zufrieden, fielen sie auch, von einer leichten Brise getragen, gerade über uns hin, und hatten schon mehr Löcher in unsere Decken gebrannt.

An Schlafen war nun gar nicht mehr zu denken, einer mußte wenigstens fortwährend Wacht halten daß uns die paar Kleinigkeiten die wir aus dem Wasser gerettet hatten nicht auch noch verbrannten, und es blieb nur noch ein Glück daß diese Nacht wenigstens kein Regen fiel, wir hätten sonst alle Strafen des Wald- und Flußlebens mit einem Male durchgemacht.

Am nächsten Morgen hielten wir einen kurzen Kriegsrath; aber es blieb uns dabei eben nicht viel zu berathen. Wir konnten nur einen Weg einschlagen, und zwar den zu Wasser, bis wir entweder ein Haus erreichten und uns dort Schuhe verschafften, oder irgend ein Thier schossen, aus dessen Fell ich uns dann Moccasins gemacht hätte.

So schifften wir uns denn um 9 Uhr etwa auf's Neue ein, und ich ruderte den ganzen Tag, ohne daß wir wieder an irgend eine so gefährliche Stelle als gestern gekommen wären, mit der entsetzlichen Bratpfanne weiter.

Lieber Leser, hast du überhaupt schon einmal mit einer Bratpfanne gerudert? – noch nicht? – nun du hast Nichts dabei verloren, es ist das unbequemste was man sich denken kann, und das schwere Stück Eisen sowohl, wie der unverhältnißmäßig dünne Stiel, lähmt die Hände und ermüdet die Arme. Es war übrigens dieß einer der traurigsten Tage meiner ganzen Reise, denn nicht allein daß ich fast meine ganze Ausrüstung, mit einem Theil meiner kleinen Baarschaft verloren hatte, nein das Bewußtseyn war es besonders was mich niederdrückte, die Wasserfahrt dadurch unmöglich gemacht zu sehen, und wenn ich auch fest entschlossen war, meinen Marsch unter jeder Bedingung zu Fuß fortzusetzen, mußte ich doch nun meinen lang gehegten und liebgewonnenen Plan aufgeben, die stillen Wasser des Murray länger zu befahren.

»Wer weiß wozu's gut ist,« sagte ich mir wohl oft, aber ich wußte es wahrhaftig nicht, und mußte es der Alles lindernden Zeit überlassen, das Ganze zum guten Ende zu führen.

Den Tag über schoß ich wieder ein paar Enten, diese aber zu beschleichen, mußte ich aussteigen und am Ufer mehreremal hinlaufen. Das Gras war dabei hier niedergebrannt und die kurzen scharfen Stümpfe desselben, dem Auge nicht sichtbar aber den weichen Füßen nur zu fühlbar, stachen überall empor und verwundeten mir die Sohlen auf das empfindlichste.

Die Nacht lagerten wir am linken Ufer und Morgens war der Fluß über zwei Fuß hoch gestiegen. Glücklicherweise hatten wir unser Canoe den Abend vorher gut befestigt gehabt, der Ast, an dem es angebunden lag, stand aber schon unter Wasser.

Mit der Bratpfanne ruhig weiter rudernd, trafen wir endlich gegen Mittag einen Fenz, und bald darauf sahen wir das helle Dach einer der niederen Buschhütten aus dem trostlosen Grün des Waldes vorschauen, die wir mit nicht geringer Freude begrüßten.

Wer aber wohnte hier? – Leser glaubst du an Wunder? – nur ruhig, ich habe auch nicht daran geglaubt, bis ich nicht förmlich mit der Nase darauf gestoßen wurde – und ein Wunder war hier geschehen, und um es dir mehr einleuchtend zu machen, will ich dir erst eine kleine, jedem Deutschen bekannte Anekdote in's Gedächtniß zurückrufen.

Als Mozart eines Tages still und allein in seinem Studierstüblein saß, kam ein Fremder und bestellte auf einen bestimmten Tag ein Requiem bei ihm – es war Mozarts letzte Arbeit – er vollendete das Requiem, starb, und es wurde bei seinem eigenen Begräbniß zum erstenmal ausgeführt. – Der Fremde kam nie wieder – es war ein Engel gewesen.

Leser, der Mann, der hier wohnte, war ein Schuster, und kurze Zeit vorher war ein Fremder zu ihm gekommen, und hatte zwei paar Schuh ( er nannte sie Stiefel) bei ihm bestellt, die er gerade beendigt hatte, und die uns paßten, als ob sie für uns gemacht wären – der Fremde war bis jetzt noch nicht gekommen, sie abzuholen – Leser, wir akkordirten mit dem Mann für die Schuhe – der biedere Mann ließ sich darauf ein, uns dieselben für das Canoe mit Ruder (Bratpfanne) und Theebüchse, mit etwas aufgeweichtem Tabak zu überlassen, und beabsichtigte »für den Fremden« zwei paar andere anzufertigen. – Ich mochte ihn nicht entmuthigen – die beiden andern sind aber sicher nie abgeholt, denn wer hat je gelesen, daß Engel Schuhe brauchten.

Wir blieben dort die Nacht, ordneten dann unser Gepäck, und marschirten am nächsten Tag, trotz meinen aufgestochenen und wunden Füßen, trotz allen Schreckensgeschichten von den Blacks und erst kürzlich wieder verübter Mordthaten, stromab, dem noch, wie die Leute sagten, 700 englische Meilen entfernten Adelaide zu.

Der Marsch selber wäre mir nun freilich ganz angenehm gewesen, hätte ich eben – einen andern Reisegefährten gehabt; dieser war ein blutjunger Bursche, der sich aber gar nichts wollte sagen lassen, und mir, im Fall ich wirklich einmal in Gefahr kommen sollte, auch nicht die geringste Hülfe gewähren konnte. Meine Meinungen konnt' ich dabei nicht mit ihm austauschen, ihm nichts lehren und nichts von ihm lernen; was also nützte es mir jetzt, die Mühseligkeiten und Gefahren, und später auch die Ehre eines solchen Marsches durch die Wildniß mit ihm zu theilen? Nichtsdestoweniger mochte ich ihn nicht gern allein ziehen lassen, und erst an der sogenannten Woolshed, zu Land etwa 120, zu Wasser vielleicht 400 Meilen von Albury, an einer vollkommen sicheren und bewohnten Straße die nach dem circa 180 Meilen entfernten Melbourne niederführte, kamen wir zu einem Verständniß, nach dem jeder seine eigene Bahn verfolgen sollte.

Hier übernachteten wir noch einmal zusammen, und schieden am nächsten Morgen, in Fried und Freundschaft.

Nun aber leichten Herzens schulterte ich meine Büchse und wanderte getrosten Muthes allein in die graugrüne Wildniß trostloser Gumbäume, den wildesten abenteuerlichsten Marsch zu beginnen, den ich noch in meinem ganzen Leben unternommen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen 4. Band - Australien