4. Maiao.

Das schlanke Boot, von den elastischen Riemen vorwärts getrieben, schoß förmlich durch das fast spiegelglatte Meer, und schon konnten wir mit bloßen Augen die Palmen am Ufer erkennen. Erst ganz in der Nähe bekamen wir aber die Außenriffe zu Gesicht, die, wie bei allen übrigen Inseln der Südsee, das eigentliche feste Land in einem großen, oft meilenweit entfernten Bogen umgeben, und über die sich die Brandung in weißschäumenden Wogen donnernd bricht. Nur schmale Eingänge sind gewöhnlich in diesen Riffen, um zum Land zu gelangen, und große Schiffe finden nur an wenigen Ankergrund.

Was mich jedoch wunderte, war, daß sich noch nicht ein einziges Canoe blicken ließ, obgleich diese sonst den Schiffen oft auf zehn und mehr englische Meilen in See entgegenfahren sollen. Erst dicht zu der Brandung gelangt, an der wir jetzt hinfuhren den Eingang zu finden, kamen von innen heraus zwei Canoes mit Eingebornen, und weiter oben wurden zu gleicher Zeit noch zwei andere sichtbar, die jetzt auf den Riffen eine kleine Flagge als Zeichen der Einfahrt aufpflanzten.


Die erstern, als sie sahen daß wir nicht zu ihnen hinwollten, und nicht einmal auf ihr Winken besonders achteten, zogen ihre Canoe rasch durch die Brandung, und kamen scharf hinter uns hergerudert. Es waren lichtbraune, kräftige Gestalten, in Cattun-Hemden, ein Tuch um den Kopf, ein anderes noch um die Lenden geschlagen, und ihr freundliches Joranna! Joranna bo-y! tönte schon von weitem zu uns herüber.

Wir lagen jetzt auf den Rudern, sie zu erwarten; auch nicht lange, so glitten sie an unsere Seite, und einer von ihnen, der etwas gebrochen englisch sprach, schien sich der allerdings quer genug herauskommenden Wörter mit ungemeinem Stolz zu bedienen.

Der erste Bootsheader des Alexander Barkley, der sich lange in der Südsee herumgetrieben und die neuseeländische wie die Sandwichs-Sprache verstand, suchte mit Hülfe dieser eine etwas mehr genügende Unterhaltung anzuknüpfen, die Dialekte waren aber zu verschieden, und wir mußten wohl oder übel wieder zu dem das Englische auf eine schauerliche Art mißhandelnden Wilden als Unterhändler zurückkommen.

» Plenty fruit here?« frug der Mate den jetzt dicht an unserer Seite Rudernden.

» Good morni morni,« lautete die freundliche Antwort.

» Plenty fruit?« schrie der Mate zum zweitenmale.

Der Indianer hielt den einen Finger in die Höhe und sagte: » Aita, one mile!«

»Hol dich der Teufel!« brummte der Seemann – »Cocosnüsse?«

» Eh! eh!« rief jetzt freudig begreifend der Insulaner; » heari, heari, too much, too much.«

» Zuviel? eh!« lachte der Mate–»und Bananas?«

» Eh, eh! meja, meja – too much, too much!«

»Und Orangen?«

» Eh, eh-anani, anani-too much, too much.«

»Und Brodfrucht?« – Das Resultat blieb dasselbe; die Leute hatten hier, dieses Burschen Aussage nach, in der That zu viel ( too much) von allen Früchten, und seinen Winken nach, da er uns jetzt über die Erfüllung aller unserer Bedürfnisse vollkommen zufrieden gestellt glaubte, sollten wir ihm nach dem Eingang in dem Riff folgen. Das thaten wir denn auch, und bald darauf stieß der eisenbeschlagene Bug des scharfgebauten Bootes in den weißen groben Korallensand des Ufers von Maiao, wie die Insulaner ihre Insel nannten.

Und so war denn mein Wunsch, mein heißer, lang ersehnter Wunsch erfüllt: über mir wölbten sich die wundervollen, fruchtgefüllten Kronen der Cocospalmen, unter mir brannte der heiße Korallensand, um mich her standen die bronzefarbenen neugierigen Insulaner, und plapperten wild und fröhlich in ihrer wunderlichen Sprache, und ich hatte endlich wirklich das Land betreten, das, seit ich als Kind den Robinson Crusoe – nicht gelesen, nein förmlich verschlungen, einen so unendlichen Zauber für mich gehabt, daß ich die Sehnsucht hierher wohl für Zeiten unterdrücken, nie aber ganz und gar bezwingen konnte.

Und sollten sich nun hier die Bilder meiner Phantasie realisiren? Ein stilles, heimliches Gefühl, das ich bis dahin immer für eine Art Ahnung gehalten, hatte mir stets zugeflüstert: wenn du die palmrauschenden Inseln der Südsee einst erreichst, so hält es dich dort mit unsagbaren Banden, und reißest du dich auch wieder von ihnen los, du mußt und mußt dahin zurückkehren.« War ich im Stande hier, abgeschnitten von jeder Verbindung mit der civilisirten Welt, selbst wenn ich die Meinigen um mich hätte, mich glücklich zu fühlen? Konnte mir die herrliche, üppige Natur vollkommenen Ersatz für alles das bieten, was ich dafür aufgeben mußte?

Lieber Leser, der Gedanke zuckte mir, als ich zuerst das Land betrat, durch Hirn und Seele; ich war aber weit entfernt ihm gerade viel Raum zu geben. Sehen wollt' ich, sehen und genießen, und das Schicksal hatte dann für seine bisherige Leitung mein Vertrauen so vollkommen verdient, daß ich gar nicht im geringsten zögerte, ihm die meines künftigen Lebens ebenso unbedingt wie meines frühern zu überlassen.

Mit dem rasch gefaßten Entschluß ergriff ich den mir nächststehenden, erschreckt herumfahrenden Insulaner ohne weiteres bei seiner rechten Finne, schüttelte ihm dieselbe auf das herzlichste, und setzte den guten Mann durch mein geläufiges Joranna, Joranna bo-y in unbegränztes Erstaunen. Von allen Seiten kamen dort gelagerte Indianer jetzt um uns her, und ihr Willkommen war wirklich so freundlich, wie es nur irgend seyn konnte.

Von dem englisch sprechenden Maiaoer hatten wir indessen auch herausgebracht, daß ein Weißer auf dieser Insel lebe, und während der Mate mit den Insulanern seinen Fruchthandel besprach, und ebenfalls einen Akkord für Brennholz abzuschließen suchte, nahm ich mir einen der jungen Burschen zum Führer, mich zu des Weißen Haus zu bringen, und wanderte mit diesem, der mich sogleich freundschaftlich bei der Hand faßte und seinen Tuba oder Freund nannte (was späterhin seiner Meinung nach unbestimmte Folgen von baumwollenen Hemden, Glasperlen, Tabak, Messern ec haben sollte), landein.

Wir durchschritten ein kleines Dickicht von Pandanus, Casuarinen und einigen andern der tropischen Strandgewächse, die sich meist alle durch ihre wunderlichen, armähnlichen Wurzelfasern auszeichnen, mit denen sie sich nach allen Richtungen hin in den sonst lockeren Korallensand festklammern, und traten dann auf eine ganz offene, von hohen Cocospalmen eingefaßte Korallensandfläche, die eine Lagune, einem kleinen Inlandsee nicht unähnlich, umschloß, und von der, neben dem die Augen blendenden Weiß der Korallen, eine so furchtbare Hitze ausströmte, daß ich die ersten zehn Minuten in der That keinen Schritt vor mich sehen konnte, sondern die Augen total schließen mußte. Erst nach und nach gewöhnten sich diese daran, so daß ich wenigstens im Stande war, die Gegend etwas besser zu überschauen und zu sehen, wo ich mich eigentlich befand.

Es hatte übrigens alle Ursache, hier heiß zu seyn, denn die Sonne stand gerade in diesen Tagen genau im Zenith – sie kam von dem südlichen Wendekreis und wanderte – natürlich und scheinbar – der Linie zu, während wir am Tag vorher, schon 80° Altitude hatten. Selbst die Indianer, doch gewiß an ihr Klima gewöhnt, schienen von den glühenden Sonnenstrahlen auf die weißen Korallen zu leiden, denn fast alle trugen breite Augenschirme von Pandanusblättern geflochten, und denen ganz ähnlich in der Form, die auch bei uns von Augenkranken getragen werden. Meine gute Natur bewährte sich aber auch hier, und obgleich ich den schädlichen Einfluß des blendenden Strahls auf die Sehnerven in dieser Hitze weit mehr empfand, als auf den Schneegefilden der Cordilleren, weil hier noch die Gluth mit dem Strahl korrespondirte, fühlte ich schon nach dem ersten Tag nicht die geringste fatale Wirkung mehr davon, und brauchte nicht einmal einen solchen Schirm zu tragen, obgleich mir der von fast allen Indianern dringend anempfohlen wurde. Ich hatte noch meinen alten, sehr leichten kalifornischen Filzhut, und der that mir auch hier vortreffliche Dienste.

Die Scenerie war übrigens nicht, besonders rühmenswerth, der Blick wurde überall durch den dichten Streifen von Pandanus und Cocospalmen umhemmt, in welchem sich die seichte, förmlich dampfende, Lagune ausbreitet, und der Boden, einzig und allein aus Korallensand bestehend, schien auch viel zu unfruchtbar, eine üppige Vegetation hervorzurufen. Der Himmel spannte sich dabei in wolkenloser Bläue über uns hin, und kein Lüftchen regte selbst die äußersten Wipfel der Bäume. – Es war eine entsetzliche, drückende Schwüle.

Kein Wunder, daß mir die Zunge bald am Gaumen klebte, mein neuer Freund aber, dem ich die Sache auseinandersetzte, als ob ich Zeit meines Lebens nichts anderes gesprochen hätte, als dessen Sprache, wußte dafür augenblicklich Rath. Er stieg, und zwar ungemein geschickt, was ich ihm in seinem läßigen, etwas behaglichen Wesen im Anfang gar nicht zugetraut hätte, auf die niedrigste Cocospalme, die kaum höher als vierzehn bis fünfzehn Fuß seyn mochte, und warf etwa ein halbes Dutzend unreifer, und zum Getränk gerade in diesem Zustand vortrefflicher Nüsse herunter. In diesem Zustand der Reife sind die Cocosnüsse, da sich dann erst wenig Kern angesetzt hat, wirklich übervoll eines süßen, kühlen, herrlichen Wassers, das, sobald das Messer ins Innere dringt, förmlich herausspritzt. Sie halten meistens eine reichliche halbe Flasche, und ein Durstiger kann sich recht gut mit einer einzigen Nuß begnügen.

Den kleinen See umgehend kamen wir zu einem Ausfluß desselben, den wir durchwaten mußten, was ich zum Besten meines einzigen Paares Schuhe, aber sehr zum Entsetzen meiner darauf keineswegs vorbereiteten Füße, über die scharfen Korallenstücke hin, baarfuß versuchte. Wie ich später fand, bildete diese Art Kanal einen andern und zwar besseren Eingang noch durch die Riffe, wo die Boote noch dazu bis dicht an die Fruchtgärten der Eingebornen hätten anlaufen können, und die ersten beiden Canoes hatten deßhalb vollkommen recht gehabt, uns so mit Leibeskräften zu sich hinzuwinken. Hier erreichten wir auch eine förmliche kleine Kolonie unter schattigen Laubbäumen versteckter Hütten, hier zum erstenmal erkannte ich den Reichthum der südseeländischen Vegetation in all ihrer tropischen Pracht und Herrlichkeit, und Stunden lang hätte ich dastehen und das liebliche reizende Bild in mich aufnehmen mögen. Mein Führer aber schien keinem solchen Gedanken Raum zu geben, denn erst, weder durch Schuhe noch Hosen belästigt, sehr ungenirt durch die kleine Lagune oder durch den Kanal, was es nun auch war, hindurch marschirend, hielt er sich nicht einen Augenblick bei den Häusern auf, sondern gab mir nur zu verstehen, der Weiße wohne noch weiter im Lande drinnen.

Es ist merkwürdig, wie rasch sich ein paar Menschen, wenn sie nur wollen, einander verstehen können, denn obgleich ich nur erst ein paar Worte von seiner Sprache kannte, die ich von einem der Harpuniere auf dem Schiff gelernt hatte, begriff ich fast Alles was er sagte, und zwar so, daß es ihm aufzufallen schien und er Fragen an mich zu richten begann. Das war freilich der Probirstein, und ich konnte ihm da nicht antworten.

Bei längerem Aufenthalt aber, sowohl hier, als später, besonders unter den australischen Stämmen, wo man alle zwanzig Meilen fast eine total andere Sprache findet, habe ich etwas bewährt gefunden, das im Anfang zwar paradox genug klingt, aber doch eine tiefe Wahrheit in sich trägt, und mir auch schon von mehreren andern Reisenden bestätigt wurde, nämlich das, daß mich fremde Stämme, mit deren Sprache ich durchaus nicht bekannt war, am allerbesten verstanden, wenn ich deutsch mit ihnen sprach. Mancher lacht nun wohl darüber, und sagt, es ist Unsinn, und doch ist es der Fall, und noch dazu auf die natürlichste Weise in der Welt erklärt. Gebrauche ich nur ein paar Wörter der Sprache, in der ich mich unterhalten will, und was dann zehn gegen eins zu wetten ist, diese wenigen noch falsch oder wenigstens mit unrichtiger Betonung, so leite ich dabei nicht allein den, dem ich mich verständlich machen will, irr, sondern ich quäle mich weniger mit dem Sinn dessen, was ich herauszupressen wünsche, als mit den einzelnen Worten, und Worte wie Bewegungen müssen in diesem Fall einen ganz unnatürlichen gezwungenen und deßhalb gewiß unverständlichen Charakter annehmen. Stelle ich mich aber gleich von Anfang an auf den Standpunkt, auf den ich zuletzt doch gezwungen hinkomme, nämlich daß der Wilde oder Fremde kein einziges Wort von dem versteht, was ich sage, und rede ich dann meine Muttersprache, die mir jedenfalls am geläufigsten ist, so bin ich ziemlich sicher, daß ich dabei nicht allein den richtigen Ausdruck in den Zügen haben werde, den Sinn dessen auszudrücken was ich spreche, sondern mein Körper wird sich auch der Bedeutung der Worte – da ihm die Worte selber zu geläufig sind noch darauf zu achten, anpassen, und der mit dem ich spreche, wird immer leicht aus Mienenspiel und Gestikulationen – wenn ihm die Sache nicht gar zu fern liegt – errathen, ja lesen können, was ich mir sonst nur vergebene Mühe machen würde, ihm mit Worten auseinanderzusetzen.

Von hier ab schienen wir auch die größte Hitze unseres Weges hinter uns zu haben, denn wir erreichten endlich nach einer kurzen Strecke am Rande eines kleinen Busches oder Hügelabhanges hingehend, den kühlen erfrischenden Schatten eines dichten Cocoswäldchens, und nun über alte ausgetrunkene Cocosnüsse und abgeworfene Hülsen und Blättern, die den Boden an manchen Stellen einen Fuß hoch bedeckten, hinstolpernd, kamen wir zu einer niederen aber sehr dichten und eine Rohrhütte rings umschließenden Fenz, über die ein paar treppenartig aufgestellte Blöcke, aus Cocosstämmen geschnitten, den Uebergang gestatteten. Hier wohnte, der Aussage meines Führers nach, der Weiße, und von einigen Hunden angebellt, fand ich mich wenige Minuten später in der Hütte, von einer ganzen Schaar ausgewachsener und nicht ausgewachsener Indianer umgeben, schon häuslich eingerichtet, auf einer Seekiste, und tauchte Brodfrucht in Salzwasser und Cocosmilch, als ob ich von Jugend auf nichts anderes gethan, und mit diesen Nahrungsmitteln statt Mehlbrei und später anderen, darauf folgenden Genüssen aufgezogen wäre.

Der Weiße war – wie ihn die ersten drei Worte verriethen – ein Schottländer, hier mit einer Indianerin verheirathet, und ein würdiges Exemplar der verschiedenen, über die Inseln der Südsee zerstreuten Europäer, deren Mehrzahl sicherlich aus Wallfischfängern glücklich entsprungenen Matrosen besteht. Diese lassen sich dann, mit dem müßigen behaglichen Leben dieser Inseln vollkommen einverstanden, hier nieder, nehmen eines der eingeborenen und noch dazu oft wunderhübschen Mädchen zur Frau, und gewöhnen sich endlich so an ein Nichts- oder doch Sehrwenigthun, daß sie für kein anderes Leben mehr passen und das ihrige in späteren Jahren mit vollkommen zufriedenem Gemüth und dicken Beinen (denn die Elephantiasis schließt Europäer keineswegs aus) beschließen.

Er nahm mich übrigens auf das freundlichste auf, und sein Frühstück, das er mir von den lang ersehnten Früchten dieses schönen Landes vorsetzte, schmeckte mir besser und war mir in diesem Augenblick willkommener, als mir das leckerste und reichste Mahl mit den kostbarsten Weinen und Confitüren gewesen wäre. Die Brodfrucht war mehlig und süß, die Cocosnuß, welche die Stelle des Kaffees vertrat, frisch von der Palme gepflückt, und die Bananen und Orangen die daneben lagen saftig und zuckerreich; konnte es etwas Herrlicheres für einen, jetzt wieder volle sechs Wochen an Seekost gewöhnten Magen geben? Ich ließ dem Mahl aber auch volle Gerechtigkeit widerfahren, und der Schotte mußte drei oder viermal einen ordentlichen Ansatz nehmen, aus mir heraus zu bekommen wer ich sey, wie ich hieße, wo ich herkomme, wo ich hin wolle, was ich treibe, und von welchem Schiff ich fortgelaufen wäre.

Vor allen Dingen suchte ich ihn über den letzteren Punkt zu beruhigen und gab ihm dann in flüchtigen Umrissen einen Theil meiner Biographie, soviel ich gerade für nöthig fand. Das angelangte Schiff schien ihn aber sehr bald weit mehr zu interessiren als ich selber, was ich ihm auch gar nicht verdenken konnte, und als ich ihm sagte daß es ein Boot gelandet habe Früchte und womöglich auch Holz hier einzunehmen, was auf den Sandwichsinseln enorm theuer war, zog er sich rasch an und erbot sich mich »zum König zu führen,« dem ich, wenn ich eine Zeitlang auf der Insel bleiben wollte, erst vorgestellt werden und seine Erlaubniß dazu einholen mußte. Er selber wolle dann zugleich die Leute vom Schiff besuchen, um ihnen zu dem zu verhelfen was sie zu haben wünschten.

Die Hütte in der er wohnte glich ganz den andern, die ich schon bei dem ersten Canal auf der Insel gesehen hatte, nur verriethen manche Kleinigkeiten, daß ein Europäer darin hause. So war in der einen Ecke des Hauses ein großes Bett mit einem Mosquitonetz darüber placirt, in einer anderen stand ein schmales Bücherbrett mit drei oder vier Gefachen und staubigen Büchern, die aber, wie ich mich bald überzeugte, meistens Bibeln, Gebetbücher und Traktate waren, und wie es schien, seit einer bedenklich langen Zeit nicht abgestaubt seyn konnten. Mac Ising war kein Freund vom Lesen, wenigstens solcher Literatur. Ein paar Seekisten, wie sie Matrosen gewöhnlich an Bord von Schiffen haben, standen ebenfalls an verschiedenen Seiten, und eine alte Matrosenjacke – »für naß Wetter« ein »Südwester« und mehrere andere Kleidungsstücke, gaben der Wohnung ein keineswegs indianisches Ansehen.

Seine Frau war eine hübsche junge Indianerin, mit lebendigen feurigen Augen und vollem schönem Körper, aber einem verkrüppelten Fuß, und er gab mir auch später die Ursache an, »weßhalb er eine Frau mit einem solchen Fuß« geheirathet habe.

Vor allen Dingen machten wir uns aber jetzt erst einmal auf den König zu besuchen, und mir lag selber daran mit meinem Aufenthalt so rasch als möglich in's Reine zu kommen und einen Platz zu finden, wohin ich meine Sachen vom Ufer aus schaffen konnte.

Die Residenz war gerade dort, wo ich die niedern freundlichen Hütten unter dichtlaubigen »Wi-Bäumen« wie sie die, Indianer nannten, hatte stehen sehen, und Se. Majestät, der Vicekönig von Maiao (denn der König selber wohnt auf Huaheina, zu welcher Insel Maiao ebenfalls gehört) waren zu Hause, und gaben uns augenblicklich Audienz.

Se. Majestät lagen auf einer Art Sopha von Bambusrohr, den Kopf im Schooß seiner Schwiegertochter, und diese war allem Anschein nach gerade beschäftigt das, sicherlich hier erst ganz kürzlich eingeführte Gall'sche System an ihm zu studiren, denn sie beobachtete den vor ihr liegenden Kopf auf das sorgfältigste, und theilte an verschiedenen Stellen die Haare, um die Erhabenheiten und Vertiefungen besser erkennen zu können. Bei unserem Eintritt ließ sie aber ihr Studium seyn und der König stand auf, kam uns entgegen und schüttelte uns herzlich die Hand.

Mein Schotte stellte mich ihm jetzt vor, und ich fand Gnade vor seinen Augen; nicht einmal eine gewisse Summe, die, wie mir mein Begleiter sagte, auf den meisten dieser Inseln erlegt werden müsse, dem König gewissermaßen eine Garantie zu bieten, daß der Fremde selber Geld habe und ihnen nicht zur Last fallen würde, war nöthig; ich wurde als Besuch freundlich angenommen. Der Schotte meinte dabei, »er habe bloß für mein Wohlverhalten gutsagen müssen.«

Die Gesetze auf dieser kleinen abgeschiedenen Insel waren, meines weißen Gastfreunds Versicherung nach, ausgezeichnet. – Spirituose Getränke durften unter keiner Bedingung eingeführt werden – Abends war es Niemanden erlaubt umherzustreifen. Diebstahl kam sehr selten vor, und das moralische Verhalten des Stammes überhaupt sey ausgezeichnet.

»Apropos« – unterbrach er sich dann – »hat Ihr Schiff Spirituosen an Bord?«

»Ja, ich glaube, Genevre in Kisten.«

»Ah, dann kann ich ja wohl eine Kiste davon an Land bekommen?«

»Aber wie, wenn es verboten ist?« –

»Oh, wir schmuggeln es mit unter Ihren Sachen ein.«

»Aber wenn das ruchbar wird, wie es gar nicht anders seyn kann? Ich möchte mich dadurch schlecht bei den, in dieser Hinsicht gewiß sehr vernünftigen Indianern empfehlen.«

»Oh, ich habe ja für Sie gut gesagt, und will das schon ins Gleiche bringen.«

Ich konnte nicht gut etwas dagegen einwenden – wollte er übrigens Spirituosen ans Land schaffen, so sollte das auch seine Sache bleiben, ich beschloß auch nicht das mindeste, weder in Wort noch That damit zu thun zu haben, noch weniger aber von dem auf solche Art eingeschmuggelten Branntwein zu trinken.

Unterdessen waren die Leute aus dem Boot, die nur eine Wache dabei zurückgelassen hatten, ebenfalls herangekommen, und der alte Harpunier kaufte oder bestellte vielmehr, was er an Früchten haben wollte, und trug den Leuten auf es ihm zum Boot zu bringen, wo er sie mit Tabak, Messern oder anderen Kleinigkeiten, was sie gerade brauchten oder zu haben wünschten, bezahlen wollte.

Se. Majestät hatten übrigens selber den Wunsch ausgesprochen an Bord zu gehen, und sich das Schiff einmal anzusehen, und versprochen ebenfalls hinunter an die Landung zu kommen.

An der Landung, als wir in großer Procession dorthin zurückgezogen waren, bildeten der alte Seemann mit den um ihn herstehenden Indianern, die alle mögliche Früchte und Muscheln angeschleppt brachten und begierig das meiste dafür zu erlangen suchten was sie erlangen konnten, während der Mate ebensowenig zu geben wünschte, eine höchst interessante Gruppe.

Der alte Harpunier saß unter einem dicht schattigen Pandanusbaum, ein paar Packete mit deutschem Kautabak, einige Messer, etwas Cattun, einige Fischhaken ec neben sich, während die Eingeborenen einzeln mit kleinen Körben, die sie rasch aus einem einzigen Blattzweig der Cocospalme flechten, zu ihm hinantraten und ihm den Inhalt anboten. Das meiste von diesem waren Brodfrüchte, Bananen, Orangen und Fische – und einige recht hübsche Muscheln brachten sie ebenfalls, und als der König endlich den Strand erreichte, war der Handel schon so ziemlich abgeschlossen und die Gegenstände ins Boot geschafft.

Dicht daneben wo das Boot lag, war ein kleines Häuschen, in einfachster Art aus Pfosten, ein paar Querleisten und einem ziemlich guten Dach errichtet, in dem einige Familien einer benachbarten Insel provisorisch ihren Aufenthalt genommen hatten; dorthin hatte ich indessen mit Hülfe der Leute und einiger Insulaner, die mir willig dabei zur Hand gingen, meine Sachen: Koffer, Hängmatte, Cither, Gewehre und Naturalien, gebracht, und mein Schottländer, der mich bei Seite genommen, um mir anzuzeigen daß er heute Abend wieder zurückkehren würde, meinte, »er wolle diese Gelegenheit an Bord zu gehen nur einmal benutzen, einen Kleinen zu trinken,« und wunderte sich dabei daß er eine so sonderbare Natur habe, nie eigentlich zu wissen wenn es ihm am besten schmecke, – die Zeit nämlich, wo er aufhören müßte, wonach es denn manchmal käme, daß er etwas in den Kopf kriegte – betrunken würde er aber nie.

Mich wollten sie auch wieder mitnehmen; ich war aber froh endlich einmal festes Land betreten zu haben, das Leben der Indianer selber kennen zu lernen, und lehnte die Einladung ab.

Die Einschiffung geschah gleich danach – Se. Majestät mit dem Schotten setzten sich neben den alten Seemann in die Jolle, und die Bootssteuerer, ihr Boot jetzt tief geladen, schoben vom Land ab und strichen kräftig aus, über die spiegelglatte See, dem etwa vier englische Meilen entfernten Schiffe zu, während ein kleines Canoe, ebenfalls noch schwer beladen mit all den Früchten, welche die Weißen für jetzt nicht hatten kaufen wollen, nachruderte, den Rest noch an Bord abzusetzen, und ihr Oberhaupt mit dem weißen Mann dafür zurückzunehmen.

Natürlich benützte ich meine Zeit nun auch, so viel als möglich von all dem Neuen zu sehen, das mich so plötzlich umgab, und fand gerade an diesem Tage eine der passendsten Gelegenheiten einen großen Theil der Bewohner der Insel nicht allein zusammen zu treffen, sondern auch in ihrem ganzen Wesen und Betragen kennen zu lernen.

Während unserer Audienz beim König schon war nämlich gemeldet daß ein Segel in Sicht käme, und wahrscheinlich ein schon länger erwartetes Boot sey, das eine Anzahl ihrer Verwandten und Freunde von einer benachbarten Insel bringe, und eine förmliche Schaar von Insulanern, von denen vielleicht auch ein Theil mitgekommen war den weißen Fremden zu sehen, den das Schiff ihnen da lassen wollte, versammelte sich an der Landung. Als aber das kleine Fahrzeug mit der schwachen Brise näher und näher kam, und bestimmte Zeichen von Bord aus sie nicht länger in Zweifel ließen daß es das erwartete Boot sey, da ging der Jubel an, und es war erstaunlich, wie lebendig die sonst so gleichgültigen Wilden plötzlich wurden, und wie sie winkten und sprangen und sich über die Ankunft der Freunde einer förmlichen Ausgelassenheit hingaben. Kaum lief aber das Boot (eine kleine Art Cutter mit einem Mast, von vielleicht sechszehn bis achtzehn Tonnen Gehalt) in die Einfahrt selbst ein, kaum berührte der Bug den Grund, als fast sämmtliche Passagiere über Bord sprangen, und die Art wie sich jetzt die lang getrennten Freunde begrüßten, war wohl eigenthümlich, aber jedenfalls herzlich, und hatte etwas ungemein Rührendes.

Die eigentliche Begrüßung aller dieser Inseln, der Sandwichs- sowohl als der Gesellschaftsgruppen und der Nachbareilande ist allerdings, wenn man es so hört, wohl nicht gerade romantisch, denn sie besteht in nichts weniger oder mehr, als im Aneinanderreiben der Nasen, das sie mit geringerem oder größerem Eifer vornehmen, je nachdem ihre Zuneigung sich darin aussprechen soll. Dieß Nasereiben war denn auch zuerst hier das allgemeine und die Leute sahen sich dabei mit einem Ernste, ja einer Rührung in die Gesichter, daß ich im Anfang fast laut auflachen mußte. – Die eigene Trennung von den Meinen griff mir aber selber zu sehr ins Herz, und war die Sitte auch wunderlich, sie entsprang ja doch aus einem innigen Gefühl der Liebe und Zuneigung, und wo die wahr und unverfälscht auftritt, mag sie sich äußern so wunderlich sie will, wird sie immer auch wieder zum Herzen sprechen.

Nachdem dieser erste Gruß aber vorüber war, bildeten sich die verschiedenen Familien in einzelne Gruppen, und in allen standen die zurückgekehrten Männer steif und unbeweglich, und hielten mit ihren Armen die Frau umfaßt, die sich dicht, dicht an sie anschmiegte, und ihren Thränen – aber Freudenthränen waren es – freien Lauf ließen. Die Männer wollten meist alle fest und ungerührt scheinen, aber die Muskeln des Gesichts verriethen, was in ihnen vorging.

Eine Gruppe werde ich nie vergessen. Sie bestand aus einem jungen schlanken Mann, und seinem Weib und Kind. Die Frau schmiegte sich, den Kopf unter seinem Schultertuch verbergend, dicht an ihn an, und nur ihr leises Schluchzen und das Zittern ihres ganzen Körpers verrieth die innere Aufregung. Der Mann hielt den linken Arm fest um sie geschlungen, während er mit der rechten ihre eine Hand gefaßt hielt. Charakteristisch saß dabei das Kind, ein kleiner Bursche von etwa drei Jahren, zu ihren Füßen. Jedenfalls hatte er schon alles Mögliche versucht am Papa hinaufzukommen; aber es bis jetzt noch total unmöglich gefunden; bessere und gelegenere Zeit also ganz geduldig abwartend, saß er jetzt, das eine kleine Bein um des Vaters Fuß geschlungen, damit ihm dieser unter keiner Bedingung wieder entwischen könnte, auf der Erde, lehnte seinen kleinen Kopf an Vaters Bein, und verzehrte indessen ganz gelassen eine Apfelsine.

Hier fand ich auch Gelegenheit die Tracht der Eingeborenen näher zu beobachten, die sich allerdings in etwas von der der Sandwichs-Insulaner unterschied. In Honolulu z. B. trugen die Frauen und Mädchen fast sämmtlich den langen weiten Cattunrock, der ihnen (ohne Taille) von den Schultern bis auf die Füße herunterfiel; hier sah ich den Rock nur bei sehr wenigen. Alle trugen dagegen ein Lendentuch – meist von Cattun, bei einigen aber auch von dem früher gebräuchlichen Tapa – das sie einfach um die Hüften schlugen und an der einen Seite, mit einem eingeschobenen Zipfel, befestigten. Außerdem tragen sie noch ein anderes Tuch, das, indem sie es auf der rechten Schulter oder auch vorn auf der Brust mit den zwei oberen Zipfeln zusammenknoten, den oberen Theil ihres Körpers jedoch nur sehr unvollkommen bedeckte.

Schuhwerk trugen weder Männer noch Frauen, und die Kinder bis fünf und sechs Jahren gingen bis an den Hals barfuß.

Dem Stamm nach unterscheiden sich diese Insulaner übrigens wesentlich von den amerikanischen Indianern, wie den westlicher gelegenen Malayen, oder gar den australischen Wilden; von diesen dreien würden sie noch immer eher der malayischen Race gleichkommen, obgleich auch diese, als zu einem ganz andern Stamm gehörig, angesehen werden muß, und überhaupt wüßte ich keine andere Race mit der ich sie so vollkommen vergleichen könnte, als der kaukasischen. In ihren verschiedenen Gesichtsformen, wie wir sie ja auch genau so bei uns selber haben, sind die der kaukasischen Race stets die vorherrschenden, und das dunkle, seidenweiche oft lockige Haar mit den freien offenen Stirnen, den klaren Augen, den edlen Nasen und feingeschnittenen Lippen würde sie oft den schönsten Exemplaren dieser Race anreihen. Nur die Haut ist dunkler als bei uns, oft ziemlich braun, aber mit den dunklen Augen und Haaren hat mir das oft mehr ein Vortheil als ein Nachtheil geschienen.

Die leichte Tracht, zu denen sie nur in höchst seltenen Fällen gar grelle und schreiende Farben wählen, fällt ihnen malerisch über die schlanken Glieder, und das Elastische, Graciöse ihrer Bewegungen verleiht ihnen einen hohen, weil natürlichen Reiz.

Frauen und Männer schmücken sich dabei nur höchst selten mit den häßlichen Glasperlen, sondern meist immer mit den duftenden Blumen und Kräutern ihrer Inseln, und man findet selten ein Mädchen ohne Kranz in den Haaren, den sie alle auf das Geschmackvollste zu ordnen wissen. Große rothe und weiße lilienartige Sternblumen (die rothe hibiscusrosa sinensis, dieselbe Art die auf Java soviel gezogen wird – die weiße mit starken Blättern wie die Lilie, aber genau dem Geruch wie unsere Narcisse) benützen sie am liebsten in den Ohren, und das lange schwarze Haar salben sie mit wohlriechendem Cocosnußöl. Was ihnen aber noch vor allem andern Reiz verleiht ist ihre ungemeine Reinlichkeit, und was könnten nicht in dieser Hinsicht die Bewohnerinnen der Pampas von ihnen lernen. Ausnahmen gibt es natürlich auch bei ihnen, aber es waren denn auch immer wirklich Ausnahmen, im schärfsten Sinne des Worts.

Eine Eigenthümlichkeit habe ich übrigens im Bau der Indianerinnen gefunden, die in anatomischer Hinsicht merkwürdig ist. Sie sind nämlich, was die Breite ihrer Schultern und Hüften betrifft, genau so gebaut wie die Männer, und da die Tracht – auf Maiao wenigstens – bei beiden Geschlechtern fast eine und dieselbe war, konnte ich, wenn ich ein paar von ihnen in einiger Entfernung vor mir hergehen sah, wirklich nie unterscheiden, ob es Männer oder Frauen waren. Sie hatten ohne Unterschied breite Schultern und schmale Hüften.

Ich bildete übrigens an diesem Tag, als nun wirklich die ersten Begrüßungen, das erste Willkommen zwischen den Familien vorüber war, mit meinem Gepäck den Mittelpunkt ihrer Unterhaltung, ihrer Bewunderung und nachdem die Neuangekommenen vor allen Dingen einmal von dem unterrichtet waren, was sie über das Schiff und mich nothwendiger Weise wissen mußten, machten sie sich alle zusammen über die Einzelheiten her. Sie waren in der That wie Kinder, die zum erstenmal in ihrem Leben in eine Nürnberger Spielwaarenbude kommen, und nun gar nicht wissen wo sie zuerst beginnen, was sie zuerst anstaunen sollen.

Ein californisches Pantherfell, das ich auf meinen Koffer geschnallt hatte, nahm mit seinen scharfen Krallen und dem langen Schwanz ihre Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch. Von einem solchen Thier schienen sie sich gar keinen Begriff machen zu können, und sie befühlten besonders die Tatzen auf das aufmerksamste. Ein wahrer Jubel entstand aber, als ich einen der jungen Burschen – allerdings mit unendlicher Mühe – endlich dazu brachte niederzuknieen und das Fell über sich hinzuhängen, wodurch sie nicht allein die Dimensionen des Thieres deutlicher erkennen konnten, sondern auch noch einen Hauptspaß nebenbei hatten. Der Junge wollte nachher auch sehen wie es ausschaute, und ein anderer mußte seine Stelle einnehmen – und dann wollte er wieder drunter, weil er wahrscheinlich glaubte daß er es natürlicher gemacht hätte, und dann wünschte ein anderer den Spaß auch einmal zu haben, und zuletzt schlugen sie sich fast um die Ehre.

Das Pantherfell wurde aber, nach einem halbstündigen Umherhetzen damit, augenblicklich an die Seite geworfen, als ich ein paar Flaschen mit Schlangen und Eidechsen, Käfern, Spinnen ec, die schon das Erstaunen der Sandwichs-Insulaner in so hohem Grade erregt hatte, herausholte, und die Bestien brachten hier wirklich eine noch weit größere und gewaltigere Wirkung hervor. Selbst die Männer zeigten sich erst schüchtern, dem Glase gegenüber, berührten es leise mit der Hand, und zuckten mit dem Arm zurück, wenn ich die Flasche gegen sie bewegte – sie lachten dabei verlegen und schienen sich zu schämen daß sie nicht mehr Courage hätten, und die Frage wurde mehrmals gegen mich laut, ob die Bestien auch wirklich mati oder todt wären. Die Frauen und Mädchen konnten aber nur gegen wiederholte Versicherung gänzlicher Gefahrlosigkeit – von meiner Seite durch sehr ausdrucksvolle Pantomime, von der der Eingeborenen durch Lachen und mündliche Betheuerungen – bewogen werden in »Sprungnähe« der alkoholosirten Spinnen, aber besonders der Schlangen, zu kommen, und die geringste Bewegung des Glases trieb sie in wilder Flucht in die Büsche.

Es war aber auch kein Wunder, denn Schlangen und solche Bestien überhaupt hatten sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen; da es nur eine kurze kleine und sehr zierliche Art von Eidechsen, wie das sogenannte Centipede oder den Tausendfuß – die erstere harmlos, den zweiten, wenn nicht tödtlich, doch sehr bösartig – auf der Insel gab – und war der Tausendfuß schon so giftig, was für entsetzliche Bestien mußten dann die, so vielmal größeren Schlangen seyn.

Nächst dem kam meine Cither. Es versteht sich von selbst, daß ich spielen mußte, und ein dichtgedrängter Kreis lagerte bald um mich her. Das Stimmen des Instruments machte ihnen jedenfalls das meiste Vergnügen – sie horchten demselben eine Weile in der gespanntesten Erwartung, und als ich fertig damit war, begannen sie von neuem mich zu bitten, ich möchte ihnen doch noch etwas spielen. Der eine Insulaner, der ein wenig englisch sprach, machte den Dollmetscher dabei, und ein sonderbar scharf ausgestoßener Schrei, der ein Stück weiter die Küste hinauf beantwortet wurde, brachte noch drei oder vier Frauen und Männer mehr auf den Platz.

Die Musik entsprach aber schwerlich ihrer Erwartung; die leisen weichen Töne waren wohl nicht nach dem Geschmack der Wilden, die mehr die rauschende, geräuschvolle lieben, obgleich sie sich aber über das Neue und Sonderbare des Instruments selber sehr zu amüsiren schienen.

Eines aber freute mich, bei ihnen zu finden, um so mehr, da es mir einen sicheren Beweis gab, daß sie vollkommener Cultur fähig waren. Diese uncivilisirten rohen Insulaner der Südsee betrugen sich, während ich ihnen deutsche und schottische Melodien vortrug, genau so, wie sich unter gleichen Verhältnissen ein Cirkel der haute volée in Deutschland, England, Frankreich oder irgend einem anderen vollkommen civilisirten Land betragen haben würde. – Zuerst drangen sie sämmtlich auf das ungestümste in mich, zu spielen, und sobald ich angefangen hatte, unterhielten sie sich auf das lebhafteste und lauteste miteinander, bis ich endete, und sie mir nun, obgleich ich, fest überzeugt bin, daß die Hälfte auch nicht die Probe gehört hatte, auf die verschiedenste Weise ihren Beifall zu erkennen gaben.

Nach der Musik, oder eigentlich schon während derselben, kam der Deckel meiner Jagdtasche an die Reihe, der schon den Gauchos als etwas ganz besonderes erschienen war. Mit der Haut von Rehläufen gedeckt, an denen zum Zierrath die hinteren Klauen – wie wir das sehr gewöhnlich auf Taschen haben – gelassen waren, schienen sie sich auf das Verzweifeltste den Kopf zu zerbrechen, woher die wunderliche Haut komme, und trotz all meinen plastischen Beschreibungen konnten sie sich nicht erklären, was zu diesem merkwürdigen ausländischen Gegenstand den Urstoff geliefert habe.

Ebenfalls erstaunt, aber doch lange nicht so wie über das frühere, zeigten sie sich über mein Taschenteleskop, das ich umhängen hatte. Als ich es auszog, und den ersten von ihnen aufforderte, hindurchzusehen, sprang er ein paar Schritte zurück, streckte die Hand vor, lachte und, machte ein Gesicht, als ob er hätte sagen wollen – »Ne Alterchen, so dumm sind wir auch nicht.« Vergebens waren im Anfang alle Vorstellungen vom Gegentheil, nur mit unendlicher Mühe gewann ich zuletzt das Vertrauen des Muthigsten von ihnen so weit, daß er sich, aber fortwährend zum Sprung halb abgewandt, ein wenig niederduckte, und in vier bis fünf Zoll Entfernung in das Glas hineinschaute – er erwartete jedenfalls, daß irgend etwas Entsetzliches daraus vorspringen müsse. Die Männer bekam ich endlich dazu, und sie freuten sich unendlich über das Glas, aber die Frauen waren unter keiner Bedingung dazu zu bringen. Erst als ich es zuschob und umhing, kamen sie wieder näher.

Die californischen Bogen und Pfeile, von denen besonders die letzteren in einem zum Köcher benutzten abgestreiften Fuchspelz staken, fesselten sie, dann mein Gürtel mit dem Messer, und es fehlte in der That nicht viel, so hätten sie mich von innen nach außen gedreht, um noch mehr Seltenheiten aufzufinden.

Tabak und Glasperlen, die ich unter sie vertheilte, und über die sie sehr entzückt waren, machte sie mir bald zu noch besseren Freunden, und einige würdige Matronen zwischen zwei und dreihundert Pfund nahmen sich liebevoll meiner an, und begannen mich in die Geheimnisse ihrer Sprache einzuweihen, ja wollten mich später sogar tanzen lassen, was ihnen aber nicht gelang. Ich bekam dazu Cocosnußmilch zu trinken und geröstete Brodfrucht zu essen, wurde sogar zu rohem Fisch und Salzwasser eingeladen, und befand mich vollkommen wohl und behaglich.

So vergingen mir unter all dem Neuen und Wunderlichen die Stunden wirklich wie im Flug, und die Sonne sank tiefer und tiefer am Horizont, ohne daß weder Canoe noch Boot von dem weiter draußen liegenden Schiff abgestoßen und dem Lande zu gekommen wäre. Da aber auch schon der Schotte mit den Eingeborenen besprochen hatte, daß mein Gepäck zu seinem Hause geschafft werden sollte, und viele von ihnen dort in der Nähe wohnten, die jetzt dahin zurückgingen, nahmen diese nun, ohne weitere Bemerkung, mein verschiedenes Gepäck auf, ordneten es so, daß sie es, je zu zweien an einem Stock zwischen sich tragen konnten, und marschirten damit los. Die Kleinigkeiten konnte ich aber nicht dort auflegen, denn darum rissen sich jetzt bald sowohl Kinder wie Große, das Eine die Cither, das andere einen Bogen, ein drittes den Köcher mit den Pfeilen ec zu tragen, und selbst mit den eingemachten Schlangen und Eidechsen waren sie jetzt so vertraut geworden, daß ein kleines Mädchen die Flasche auffaßte und förmlich damit ausriß, nur daß sie ihr nicht wieder weggenommen würde.

Am Rand des kleinen Binnensees hin, auf dessen weißem Korallensande sich eine Unmasse von Landkrabben eines Abendspaziergangs erfreute, und bei unserer Annäherung mit drohend erhobenen Scheeren seitwärts in das seichte Wasser hineinwackelte, schritten wir rasch hin, und erreichten gerade vor gänzlicher Dunkelheit das dichte Cocoswäldchen, durch dessen düstern Schatten hin wir nur noch eben den Weg fanden. Im Haus brannte schon Licht – eine halbe Cocosnuß mit dem Kern darin, in dessen Mitte ein Docht in Cocosöl stak, und einen ziemlich hellen Schein verbreitete – und die Bewohner lagerten auf Matten um ein kleines Feuer her, das in der That nur entzündet war, um durch seinen Rauch die Schwärme von Mosquitos zu vertreiben, die uns jetzt von allen Seiten umgaben, und mich mit ihrem scharfen Summen in süßer Erinnerung an die Ufer des Mississippi zurück versetzten.

Einer der jungen Leute hatte unterwegs in der kanalartigen Lagune, die wir unfern des Königs Haus passiren mußten, eine große Krabbe, eine Art Seespinne von wohl fünf Zoll im Durchmesser gefangen, und diese jetzt zu braten, legten sie das arme Thier lebendig wie es war, auf ein paar nothdürftige Kohlen, wo es sich wenigstens zehn Minuten abmartern und quälen mußte. Kein einziger von Allen schien daran zu denken daß es Schmerz leiden müsse, denn ich bin überzeugt, die so gutmüthigen Menschen hätten es sonst gar nicht gethan.

Natürlich wurden hier meine Sachen noch einmal von vorn durchgemustert, da wir aber alle ziemlich müde schienen, machte die Hausfrau Anstalt zu Bette zu gehen, und ich spannte auch – während die Eingebornen mir erstaunt zusahen – meine Hängematte zwischen zwei Pfosten des Hauses auf, warf meine Decken hinein, mich dazwischen und hoffte bald, trotz allen Mosquitos, sanft und süß eingeschlafen zu seyn. Darin sollte ich mich aber doch vorerst noch geirrt haben, denn waren sämmtliche Bewohner der Hütte, die sich um mich sammelten, sobald ich nur die Hängematte aufrollte, schon erstaunt gewesen, als ich das wunderliche Ding zwischen zwei Pfosten der Hütte aufspannte, so erreichte ihre Ueberraschung den Höhepunkt, als ich selber hineinsprang, und das erste, was ich gleich darnach thun mußte, war, wieder hinauszuspringen, denn die ganze Familie wollte ebenfalls hinein, und die Nachbarn und der Nachbarn Verwandte, und dann ließen sie sich schaukeln und lachten und jubelten und wußten wirklich gar nicht, was sie aus lauter Vergnügen Alles angeben sollten.

Eine volle halbe Stunde hatten sie so herumgetollt, abwechselnd eins in der Hängematte, und ein anderes meine californische Serape umgehangen, bis sie sich endlich zufrieden gaben; einen ruhigen Augenblick benützend, sprang ich dann selber wieder hinein, und durch die Aufregung des Tages sowohl, wie durch die ungewohnte Bewegung und Temperatur ermüdet, sank ich bald, trotz allen Mosquitos der Welt, in einen festen, wohlthuenden Schlaf.

So leicht sollte ich aber nicht davon kommen. Es mochte etwa zwischen 10 und 11 Uhr seyn, und meiner ersten Müdigkeit war ungefähr Genüge geschehen, als neue Truppen ins Feld rückten, und ich von solchen Massen dieser geflügelten Quälgeister und an so verschiedenen Theilen meines Körpers angegriffen wurde, daß ich endlich wohl aufwachen mußte, und nun war an Einschlafen nicht wieder zu denken. Ich quälte mich mit ihnen die ganze Nacht herum, und nur gegen Morgen fiel ich wieder in einen unruhigen Halbschlummer, den ich ebenfalls nicht lange genießen sollte.

Ich träumte – Gott weiß was; von den kleinen »scharfgesichtigen« Bestien gepeinigt, wird Niemand einen gesunden, vernünftigen Traum austräumen können; sie stacheln die Phantasie, daß sie wie ein wildes Roß über Teich und Gräben, von Bild zu Bild, durch Zeit und Räume springt. Plötzlich fühlte ich mich an der Schulter gerüttelt, und fest überzeugt, daß das kein Mosquito seyn könne, schlug ich die Augen auf. Durch die Rohrwände der Hütte brach der graue dämmernde Morgen, und vor meiner Hängematte stand – wer anders als mein ehrlicher Schotte, im höchsten Grade menschlicher Seligkeit. Er war sternhagelvoll, aber jedenfalls noch von gestern; denn einen so ausgezeichneten Rausch hätte er sich in den kurzen Morgenstunden noch nicht antrinken können.

An Liegenbleiben meinerseits war nicht mehr zu denken, das ganze Haus mußte heraus, und ich erfuhr jetzt mit wenigen Worten das Resultat seiner gestrigen Entdeckungsreise an Bord des Wallfischfängers.

Er hatte von dort, als mir zugehörig, eine Kiste Genevre mitgebracht, und so gut dieselbe, für mich natürlich, verwahrt, daß er es möglich gemacht seit gestern Abend 10 Uhr, wo er seiner Zeitrechnung nach etwa wieder festes Land betreten, von den zwölf Flaschen in der Kiste – mit einigen Freunden natürlich – neun und eine halbe auszutrinken, oder acht und eine halbe nur, wie er mich hoch und theuer versicherte, denn er schwur bei allen Heiligen auf, über und unter der Insel, daß nur elf Flaschen in der Kiste gewesen seyen. Zwei und eine halbe Flasche waren also noch vorräthig, und er schien nicht übel Lust zu haben, diese den andern nachzusenden, seine Natur weigerte sich aber hartnäckig weitern Proviant an Bord zu nehmen, und er bat mich also nur noch, ihn nach etwa einer Stunde zu wecken, da er es übernommen habe, dem draußen liegenden Schiff innerhalb 48 Stunden 6 Klafter Holz zu liefern. Dann streckte er sich auf eine Kiste aus, und war gleich darauf sanft eingeschlafen.

Nach zwei Stunden glaubte ich, daß es ungefähr Zeit seyn und er, wenigstens einen Theil seines Rausches, ausgeschlafen haben möchte. Ich machte einen Versuch ihn munter zu bekommen, aber vergeblich. Seine Frau rüttelte eine Weile, an ihm herum, dann sein Schwager, dann ich wieder – Gott bewahre, er rührte und regte sich nicht, und ich überließ ihn endlich ruhig seinem Schlummer.

Nach so langem Aufenthalt zwischen Spaniern und Indianern fing ich nämlich endlich selber an mir einen Theil von deren so lobenswerther Geduld zuzueignen. Pacienia, sagt der Südamerikaner und Californier, und der Indianer sagt gar nichts, und beide lassen die Welt eben gehen wie sie geht, und werden, wenn auch mit jedem Tag älter, doch nie ungeduldig. Diese Ruhe auch bei außergewöhnlichen Fällen, die mich im Anfang manchmal fast zur Verzweiflung gebracht hatte, fand ich nach und nach ganz an ihrem Platz, ja sogar als einen unberechenbaren Vortheil oft, und mir dasselbe auch in diesem Falle, wie das Betragen der Uebrigen zum Muster nehmend, ließ ich den alten Schotten, trotz seinem eingegangenen Contrakt, ruhig fortschlafen, ja es lag, zu meiner Schande muß ich es gestehen, sogar eine gewisse Art von Schadenfreude darin, mir zu überlegen, wie ärgerlich dem Trunkenen die Geschichte nachher selber werden müßte. – Ich wußte gar nicht daß er sich vollkommen auf der sichern Seite befand, und den Branntwein gewissermaßen als Abschlagszahlung in sich hineingegossen hatte.

Wahrscheinlich hatte aber mein Schotte seiner Familie ebenfalls Auftrag gegeben ihn zu wecken, denn Frau und Schwager bemühten sich noch verschiedenemale ihm die Schulter auszurenken. Endlich gaben sie es auf, und die Frau saß eben ganz ruhig am Feuer und steckte sich eine vorher sorgfältig zurecht gedrehte Cigarre an, als mein Schotte plötzlich von selber in die Höhe fuhr, aufsprang, auf seine Frau zuging und der allerdings etwas Ueberraschten rechts und links zwei-, drei-, vier-, fünfmal beide Hände um die Ohren schlug.

Ich saß gerade draußen an der Hütte und mischte mich natürlich in diese Familienscene nicht im mindesten; die Verwandten der Frau sahen ebenso ruhig zu, und es war gewissermaßen wie eine kleine unschuldige Morgenbewegung die sich der Mann machte, um vollkommen munter zu werden. Er kam darauf zu mir heraus; wir frühstückten zusammen, und er versicherte mich dann, er fühle sich jetzt außerordentlich wohl. »Das sey überhaupt nach einer »fidelen Nacht« stets mit ihm der Fall; der Spiritus habe auf ihn nie den mindesten fatalen Einfluß, auch gebe es, wenn er Morgens aufwache, keinen bessern Menschen als ihn.« Ich sah ihn rasch an, denn ich glaubte erst er habe seinen Spaß mit mir, da er aber ganz im Ernst schien, und zum Beweis eine der bis dahin noch geretteten Flaschen vorholte und ringsherum einschenkte, so war ich mit seiner Versicherung ebenfalls einverstanden, weigerte mich nur mit ihm zu trinken, und mahnte ihn jetzt noch einmal an sein Versprechen wegen des Holzes für das Schiff.

»Ja, ja,« sagte er, »Sie haben Recht, nachher wollen wir hinunter gehen.« Er zögerte aber immer noch, und gegen 12 Uhr etwa kam ein Bote vom Strand, der uns meldete, daß die Schiffsboote dagewesen seyen, mehrere Stunden dort gelegen und auf meinen Schotten gewartet hätten, und dann wieder abgerudert wären. Das Schiff hisse jetzt eben die Segel und stehe vom Land ab.

Mein Schotte machte sich nun wieder über den Rest des Genevre her, als er jedoch gerade damit beschäftigt war eine halbe Cocosnußschale vollzuschenken und herumzureichen, kam plötzlich ein kleiner Junge, der wahrscheinlich als Wache draußen gestanden hatte, hereingestürzt und meldete etwas, das wie ich später erfuhr hieß: der Constabel kommt. – Während mein alter Schotte nun, gewissermaßen instinktartig die Flasche die er in der Hand hielt in meine Hängematte, neben der er zufällig stand, hineingleiten ließ, hielt er die gefüllte Cocosnußschale, die doch jedenfalls wenigstens eine Viertel-Flasche, des starken Getränkes enthielt, eine ganze Weile wie unschlüssig in der Hand, als aber der »Constabel« (und bis zu einem Constabel hatten sie's auf Maiao wirklich schon gebracht) die Hütte wirklich betrat, und er doch die Schale, theils aus Angst sie zu verschütten, theils sich der Gefahr bewußt, daß sie jener vielleicht anriechen konnte, nirgends hinsetzen durfte, hob er sie mit seltener Geistesgegenwart an die Lippen, trank sie auf einen Zug, und ohne eine Miene zu verziehen – er stand in dem Augenblick als Märtyr da – aus, und warf sie wie nachlässig in die Ecke.

Der eben gekommene Indianer war wirklich eine Art Gerichtsdiener, was sich mein Schotte mit Constabel übersetzte, und von dem König beauftragt und beeidigt, sowohl Ordnung auf der Insel aufrecht zu halten, als auch auf die strengste Inhaltung der gegebenen Gesetze zu sehen, und obgleich ein Vetter der Frau des Schotten – die ganze Insel war fast weitläufig verwandt mit einander – schien der Gefürchtete doch in einem solchen Ruf der Unbestechlichkeit zu stehen, daß man es nicht einmal wagen durfte ihm die Flasche anzubieten. Trotzdem übrigens, daß sich mein Schotte, ich glaube er hieß Mac Ising, förmlich aufgeopfert hatte den Beamten nicht zwischen Pflichtgefühl und Verwandtenliebe schwanken zu lassen, wäre er dennoch fast entdeckt worden, denn dem »Constabel« fiel natürlich ebenfalls meine Hängematte auf, und er trat hinan, sie zu besehen.

Rührend war dabei die Aufmerksamkeit, die Mac Ising gegen ihn bewies, ihm einen so klaren Begriff als möglich davon zu geben – hätte der Indianer die Decke allein aufgehoben, mußte er ja die Flasche finden – und diese deßhalb geschickt, zuerst unter mein Kopfkissen, und dann, als der Constabel einmal die Serape dem Licht entgegenhielt, mit bewundernswerther Schnelle unter ein nicht weit davon liegendes Stück Tapa bringend, entging er somit für dießmal wenigstens der Gefahr direkter Entdeckung.

Der Indianer sah allerdings die Flasche nicht, wenn er aber wollte, hätte er Mac Ising mit Leichtigkeit auf fünfzig Schritt riechen können.

Müde übrigens mit dem trunkenen Burschen im Haus zu sitzen, nahm ich meine Flinte, wieder nach dem Strand hinunter zu gehen, aber ich wurde ihn dabei auch nicht los, denn er entschloß sich rasch, mich zu begleiten, indem er mich zugleich versicherte, er habe heute Abend der Vorladung einer Gerichtssitzung zu folgen. Er sey nämlich neulich einmal nach Dunkelwerden von einem der Constabler fern von seinem Haus angetroffen worden, und heute Abend werde deßhalb die Jury zusammenkommen. Natürlich war das für mich ebenfalls interessant genug, und wir schlenderten also zusammen nach des Königs Haus hinunter, um so mehr da ich mir vorgenommen hatte, Sr. Majestät ein kleines Geschenk zu überreichen.

Es bestand dieß in einem nicht besonders werthvollen, aber doch ganz gut aussehenden goldenen Ring, und Mac Ising, dem ich meine Absicht mitgetheilt, versicherte mich der König mache sich aus solch einem Ring gar nichts, ich solle denselben lieber ihm geben, er wolle Sr. Majestät dann andere ihm angenehmere Gegenstände dafür einhändigen. Damit war ich indeß, obgleich von seiner uneigennützigen Absicht vollkommen überzeugt, nicht einverstanden, und den Ring wieder zu mir nehmend ging ich mit ihm hinunter zur »Residenz,« wo wir so freundlich wie vorher empfangen wurden. Ich bat dann den Schotten eine kleine Vorrede für mich zu machen und steckte hierauf eigenhändig Sr. Majestät den Ring an den Finger.

Er bewunderte ihn sehr, und schien sich auch darüber zu freuen, mit seinen Nachbarn und Unterthanen aber wahrscheinlich besser bekannt als ich, versicherte er mich durch unseren Dollmetscher »baar Geld« sey ihm lieber als der Ring, wenn ich ihm doch einmal etwas schenken wolle. – Der Schotte steckte sich mittlerer Weile den Ring selber an den Finger.

Soweit hat es die Cultur nun schon richtig gebracht, und die Leute bekommen selbst hierher, von Tahiti aus ihre neu erweckten Bedürfnisse »durch baar Geld« befriedigt.

Ich gab darauf Sr. Majestät zwei Dollars, nahm meinem Gastfreund den Ring wieder ab und überreichte ihn dem König noch einmal; zu meinem Erstaunen zog ihm aber der Schotte denselben jetzt selber vom Finger, steckte ihn sich wieder an, und versicherte mich dann ganz ruhig er habe ihn nun für sich in Anspruch genommen. Das sey hier so Sitte auf der Insel, wenn irgend jemand etwas hätte was einem Freund von ihm gefiel, so nehme es dieser ruhig an sich, und der erste Besitzer werde nie etwas dagegen sagen. Diesen Ring habe er aber eigentlich nur zum Besten des Königs an sich genommen, gewissermaßen um ihn für ihn zu retten, da sonst jedenfalls gleich irgend ein anderer darüber hergefallen wäre. Ich verstand das nicht recht, auch hatte er selber, wie er mich versicherte, sehr viele Freunde auf der Insel, und der Ring gefiel ihnen allen; er behielt ihn aber doch.

Was diese Sitte des Wegnehmens betrifft, so ist sie, wie ich später noch mehrfach fand, gegründet, und es zeigt sicherlich den gutmüthigen Charakter der Eingeborenen: ganz uneigennützig, was dem Freunde gefällt diesem zu überlassen. Der Weiße hatte sich auch in diese Sitte der Eingeborenen wenigstens zur einen Hälfte sehr gut hineingefunden.

Den Tag über, da das Verhör des Schotten erst gegen Abend stattfinden sollte, besuchte ich meine Freunde am Strand, und wurde von ihnen wieder auf das Herzlichste aufgenommen. Ihnen einen Spaß zu machen, schoß ich einige der Strandvögel im Flug, und ihr Erstaunen war in der That unbegränzt als ich mit drei Schüssen drei Vögel aus der Luft, aus übrigens kaum dreißig Schlitten Entfernung, herunterbrachte. So etwas hatten sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen!

Schießbares Wild gab es übrigens auf der Insel außer einigen wilden Enten und einer Art Becassine keines. Die wilden Enten hatte mein Schotte, wie er mich wenigstens versicherte, losgelassen; 250 Stück, wie er sagte, und drei davon hab' ich wirklich gesehen, wo er sie übrigens herbekommen, habe ich nie erfahren können; doch Brutus ist ein ehrenwerther Mann. Er gab mir die Erlaubniß so viel derselben zu schießen als mir beliebe, und die paar Dinger die ich überhaupt auf der ganzen Insel sah waren so scheu, daß sie den Schützen nicht auf dreihundert Schritt hinankommen ließen.

Gegen Abend ging ich zu des Königs Haus zurück und fand hier schon eine große Anzahl der Eingeborenen zu dem beabsichtigten Verhör versammelt. Innerhalb der Fenze entwickelte sich nach und nach der Gerichtshof, während außerhalb derselben, die Frauen und Mädchen saßen und plauderten, und die Kinder in dem scharfen Korallensand Haschens spielten oder mit einander rangen.

Die Jury, aus sieben Mann bestehend, neben denen sich der König, mit dem Rücken an sein Haus gelehnt, niederließ, saß oder lag auch zum Theil auf Matten und studirte vor dem Beginn des Verhörs in einem kleinen gedruckten Büchelchen, das in ihrer Sprache die Gesetze von Huaheine und Maiao enthielt. Aber in der ganzen Versammlung lag nichts Ernstes, nichts Strenges; die Kinder hatten noch keine so rechte Furcht vor der »Polizei« und was dazu gehörte, und spielten und hetzten sich dicht um den Platz her. Ueber die Matten sprangen sie fort, auf denen die Richter thronten, und über Korallen und Sand hin, oder in das schattige Dunkel der dicht darangrenzenden Fruchthaine ging die wilde tolle fröhliche Jagd der kleinen sorglosen, glücklichen Schaar.

Auch die Frauen hatten sich zusammengefunden und lachten und schwatzten mit einander – aber sie bildeten keine Parteien, wie das in anderen Ländern sicherlich genug der Fall gewesen wäre. Die Verwandten des Constabels saßen mit denen des Weißen freundlich und zutraulich zusammen, die Entscheidung des Gerichtshofs eben dem Gerichtshof selber, und nicht ihren eigenen Zungen überlassend. – Kaffee war auf Maiao noch nicht eingeführt.

Das Gerichtsverfahren wies sich aber verschieden von dem aus wie es in andern Ländern gebräuchlich ist. Die Jury nämlich bestand hier auch zugleich aus den Zeugen und Advocaten die für und gegen sprachen, und der Constabel der den Weißen angezeigt hatte mußte seine Sache selber führen. Einer der Geschworenen stand jetzt auf, und trug den Fall sehr ruhig und, wie mir schien, auch einfach vor, der Constabel, ein junger schlanker Mann in einem weißen Hemd, bunten Lendentuch, einem seidnen kleinen Tuch um den Hals und zwei großen weißen Sternblumen in den Ohren, vertheidigte dann sein Verfahren, und der Schotte mußte vor, sich zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Er that das geläufig genug, denn er war der Sprache vollkommen mächtig, und seine Gründe gegen ein solches Verfahren waren, wie er mir sagte, die daß das Gesetz nur solchen Personen verbot noch Abends herumzustreifen die in bösem Verdacht wegen Diebstahl standen und gegen die schon einmal Grund zu solchem Verdacht vorhanden gewesen sey.

Der Constabel sprach hierauf wieder, und zwar sehr lebendig. Ich hatte gar nicht geglaubt daß die ruhigen Indianer einer solchen Aufregung fähig wären, der arme Teufel konnte aber nicht gegen den mächtigeren Weißen, der besonders viel Freunde unter den Richtern oder vielmehr den Geschworenen hatte, aufkommen; drei von diesen nahmen nach einander das Wort; einer in kurzer, sehr gelinder Rede gegen, zwei andere mit Eifer für den Weißen, und das Ganze endete bald darauf damit, daß der Constabel zu den Kosten, einem Dollar, verurtheilt wurde und noch außerdem einen starken Verweis erhielt, so sagte mir wenigstens der Schotte. Den Dollar und das betrübte Gesicht des Constabels sah ich selber.

Uebrigens war Mac Ising damit noch nicht durch, denn es wurde ihm zu gleicher Zeit angekündigt, wie er in einigen Tagen einem andern Verhör seiner gestrigen Trunkenheit wegen entgegensehen möge, und obgleich er mich versicherte sie wagten nicht etwas gegen ihn zu unternehmen und in den Courtverhandlungen sey er viel zu klug für sie, glaube ich doch nicht daß er so ganz ungeschoren davon gekommen sey.

Den Dollar theilte sich übrigens die Jury an Ort und Stelle, und nachdem wir noch eine Weile dort zusammen geblieben waren, wobei mir Se. Majestät selber, als ein Zeichen ihrer Achtung, eine Wassermelone verehrten, wanderten wir unsern verschiedenen Wohnungen wieder zu.

Wie das spätere Verhör des Schotten, wegen Trunkenheit, abgelaufen, habe ich nie erfahren können; hier nach Deutschland zurückgekehrt, hatte ich aber das Vergnügen den Capitän des Alexander Barkley der, nachdem ich ihn verlassen noch eine sehr gute Reise gemacht, und vollgeladen zu Hause zurückgekehrt war, wiederzufinden, und dieser erzählte mir daß der König von Maiao schon sehr unwillig gewesen wäre, als der Schotte das Kistchen mit ans Land genommen hätte, das den Wacholderschnaps enthielt, auch unter keiner Bedingung hatte bewegen werden können selber nur einen Tropfen davon zu kosten. Als sie aber landeten, und obgleich der Harpunier noch gern einige Früchte einhandeln und auch vom König das Versprechen haben wollte, daß er ihnen selber Holz wolle schlagen lassen, hatte er sich schweigend, ohne ein Wort weiter zu sagen, ohne eine an ihn gerichtete Frage zu beantworten, unter ein dort umgelegtes Canoe gesetzt, und finster vor sich nieder gesehen, bis das Boot wieder abgefahren war.

Der nächste Tag war ein Sonnabend, und ich beschloß eine kleine Wanderung über die Insel zu unternehmen. Gleich hinter des Schotten Haus stieg der Berg, der den Mittelpunkt der Insel durch einen mehre englische Meilen langen und höchstens drei bis vierhundert Fuß hohen Hügelrücken bildete ziemlich steil zu der höchsten, vielleicht fünfhundert Fuß haltenden und dicht mit Gebüsch bewachsenen Spitze empor, und diese gedachte ich erst einmal vor allen Dingen zu erklimmen.

Gleich hinter dem Hause hatte der Weiße einen kleinen Garten angelegt, und es bedurfte auch wahrlich hier, wo die Natur alles schon von selber hervorbrachte, was der Mensch zu seinem Leben, und zu einem guten rechtlichen Leben gebrauchte, nur der Anlage, noch außerdem zu ziehen was schon als Luxus betrachtet werden konnte, hätten die mit den Jahren zunehmenden Bedürfnisse nicht auch, besonders zu gewissen Zeiten, größere Anforderungen gestellt.

Die Brodfrucht, das Hauptlebensmittel der Eingeborenen, ist nämlich nicht in allen Monaten des Jahres reif, und gibt nur zwei Ernten, die etwa immer zwei Monate Zwischenzeit lassen. Nun wachsen allerdings noch außerdem eine Masse anderer Früchte, daß man wenigstens in der kurzen Periode zwischen den beiden Ernten keinen Mangel befürchten darf, aber die Brodfrucht ist ja doch das nahrhafteste, und all ihre anderen Surrogate, wie Taro, Yam und süße Kartoffeln, müssen gezogen werden. Der Südsee-Insulaner arbeitet aber nicht gern, und wären seine Anpflanzungen mit nur etwas mehr Mühe verbunden, so würde er sie ruhig unterlassen; da es aber ist wie es ist, je nun, so kommts ihm auch nicht darauf an mit ein paar Stunden Arbeit reichlichen Vorrath an eben den vorgenannten Früchten wie noch außerdem an Wasser- und Zuckermelonen etc. zu haben. Cocosnüsse, Orangen, Tappo-Tappos (eine delicate Frucht von der Größe eines Apfels), Ananas, Bananen, Papayas etc. wachsen übrigens auch ohne weitere Hülfe.

Vor längeren Jahren brachten Schiffe von England, die in Brasilien angelegt hatten, auch den Guiaven-Apfel hierher, und derselbe hat sich jetzt nicht allein über all die Inseln verbreitet, nein, er bildet schon fast das einzige Buschwerk derselben, alles Andere verdrängend und überlaufend, seine Früchte aber, die auch von den Menschen gern gegessen werden, sind das vortrefflichste Futter für das einzige Zuchtvieh der Insulaner – der Schweine. Der reife Apfel ist von der Größe eines Gänseeies, mit dünner citronengelber Schale und rosenrothem, sehr angenehm schmeckenden Fleisch.

Nicht allein die Guiava aber, sondern auch noch mehrere andere Früchte sind von Brasilien hier eingeführt worden; unter diesen die Papaya, eine wunderliche Frucht, die Aussehen und Geschmack unserer Netzmelone hat, aber auf einem Baum und zwar so dicht um den Stamm herum wächst, wie die Beeren des Weinstocks um eine Traube. Dann außerdem der Tappo Tappo – was die Engländer den custard apple nennen – eine herrliche Frucht, die wie der vortrefflichste Crême schmeckt, und noch manche andere, die jetzt theils hier, theils auf den östlicher gelegenen Inseln gedeihen.

Der große Vortheil dieser Insel liegt in Folge ihres gesunden Klima's auch noch darin, daß man von all den Früchten so viel verzehren kann als man will, ohne befürchten zu müssen krank zu werden.

Mac Ising hatte seinen Garten denn auch ganz hübsch eingerichtet, und neben breit angelegten Yam- und süßen Kartoffelbeeten, neben Wassermelonen und Kürbissen junge Brodfruchtbäume, Cocosnüsse und Bananen angepflanzt, um von allem diesem, und zwar dicht am Haus, reichlichen Vorrath zu haben.

Durch den Garten hindurch kletterte ich bei nicht geringer Hitze durch ein dichtes Gebüsch von noch unreifen Guiaven zum Gipfel des Hügels auf, der auf seinem obersten Kamme die knorrigen niedern Stämme der Südsee-Casuarine trug, und hatte von hier aus als Belohnung meines heißen Marsches einen Ueberblick über die Insel mit ihrem meergrünen Binnensee, den palmenbedeckten Korallenbänken, der schäumenden Brandung, die das Ganze in einem weiten Cirkel umgab, und der weiten See, von der aus nach Osten zu die spitzen Gipfel von Tahiti herüberdämmerten.

Das Panorama, das sich hier um mich herbreitete, war in der That wundervoll, und zum erstenmal konnte ich von diesem Punkt aus den wirklichen Charakter dieser Koralleninseln, die nach und nach theils dem Meere entwuchsen, theils durch unterseeische Vulkane emporgehoben wurden, deutlich unterscheiden.

In einer halben englischen Meile Entfernung etwa, rings um die Insel her, und wie es von hier aussah, auch nicht an einer einzigen Stelle unterbrochen, zog sich ein weiter weiß schäumender Kranz von Wogen – die Brandung, die über die Korallenriffe sprang und in zornigem Spiel die scharfkantigen starren Dämme zu bewältigen suchte, und wenn auch immer und immer wieder zurückgeworfen, den Angriff doch in unermüdlichem Grimme erneute. Eigenthümlich war zugleich der Unterschied in der Färbung des Meeres, inwendig und auswendig von den Klippen; die äußere Seite, wo der Ocean seine Wogen heranwälzte, lag tief dunkelblau, und oft ist bis dicht zu diesen Klippen das Meer sechs- bis achthundert Fuß tief, während die innere vollkommen glatte und selbst ungekräuselte Fläche des Binnenwassers, scharf begrenzt durch den schneeweißen Schaumstreifen, eine lichtgrüne durchsichtige Färbung hatte. Hier aber war das Kolorit nicht gleich, da die Tiefe dieses Binnenwassers, indem hie und da die Korallen selbst bis an die Oberfläche emporragten, doch mit ein, zwei und drei Faden Wasser wechselten, und selbst durch die unten vorschimmernden Korallenblöcke ein ganz eigenthümliches Licht erhielt.

Rings umher nun, nach welcher Richtung mir auch immer das ziemlich dichte Laub der Casuarinen einen freien Blick gestattete, war dieser grüne Wasserstreifen von einem dunklen Saum schattiger Palmen und Pandanus begrenzt, an manchen Stellen aber auch nur durch einen Saum, der sich, vielleicht fünfzig Schritt breit, wie eine Art bewachsener Damm daran hinzog, und in seinen inneren Bogen wieder eine der gewöhnlichen, aber in dem Sonnenlicht von den wunderlichsten Farben blitzenden Lagunen umgab.

Der weiße Korallensand, theils von dunkleren Schichten desselben Materials durchschossen, der hier kaum tiefer als zwei bis sechs Fuß aus der glasartigen Fluth emporblitzte, gab dieser nicht selten das Ansehen eines grünlich, blau und gelb blitzenden Spiegels, von dem man gar nicht recht genau bestimmen konnte, ob er die Gegenstände aus sich selber hervorrief, oder nur äußere Eindrücke wieder gäbe, und die Schattirung aller dieser Farben lief hinaus bis in das reinste schneeigste Weiß des Korallensandes selber, der am Rande dieser Lagunen so mit dem Wasserspiegel verschwamm, daß man den letztern nur noch an dem Blitzen und Funkeln erkennen konnte.

Dem Auge gegenüber dehnte sich der dunkle Horizont, auf dem ich auch nicht ein einziges Segel erkennen konnte; nur von dünnen Nebelschichten umzogen winkte aus der Ferne, gen Osten hin, die Spitze Tahitis und wohl auch Imeos, wenigstens kam es mir so vor, als ob ich nach dorthin Land erkennen könnte.

Von der Insel selber konnte ich weiter nichts übersehen als eben das flache Land derselben, den reinen Korallenboden, der sich besonders nach Osten, Norden und Süden hin am weitesten erstreckte, während im Westen die Hügel, mit Ausnahme eines sehr schmalen Streifens, bis dicht an die See reichten. Der Baumwuchs hier oben war aber zu dicht, um mehr unterscheiden zu können, und nur hie und da glänzten viereckige Felder lichterer Färbung – kleine Stücken Zuckerrohr, wie ich später fand, und einzelne Gärten mit süßen Kartoffeln und Bananen bepflanzt, daraus hervor.

Zu all diesen Inseln scheint ein vulkanischer Ausbruch, der den ersten Hügel aus dem Meeresgrunde heraushob, auch den ersten Grundstein gelegt zu haben, denn nur die Hügel bestehen theils aus Basalt, theils aus einer andern Masse vulkanischen, jedenfalls gebrannten Gesteins, aber selbst auf den höchsten Kuppen dieser Inseln sollen eben solche korallenartige Gesteine gefunden werden, wie in der See selber, und da dieses Thier, wenn die Koralle wirklich von einem kleinen Thier gebaut wird, wie Manche außer allen Zweifel setzen wollen, nur in der See oder von Seewasser bespült leben kann, so müssen wohl die Inseln aus der Tiefe des Meers durch irgend eine gewaltige Kraft emporgehoben seyn.

Ein anderer Beweis ist die eigenthümliche Bildung dieser Lagunen, die durch das stete Wiederkehren derselben fast etwas Regelmäßiges erhält; die Koralle umschließt nämlich gewöhnlich in einem weiten Bogen eben eine solche vorher schon beschriebene Lagune, oft förmliche Hufeisen bildend, und wenn auch das Innere desselben fast stets mit einem beinahe die Oberfläche erreichenden, oft aber auch tiefer liegenden Boden ausgefüllt ist, steigt uns beim Anblick desselben unverdrängbar der Gedanke auf, daß diese Lagunen eigentlich nichts anderes seyn könnten als alte Krater dort unten schlummernder Vulkane, die in alten Zeiten hier ihrem Herzen einmal ordentlich Luft gemacht, und die neue Insel ins Leben gerufen hätten.

Jetzt zwar liegt das nun Alles still und ruhig von der salzigen sonnblitzenden Fluth und den weichen Massen der arbeitenden schaffenden Koralle bedeckt. Der Mensch hat seine Hütten bis um den Rand des früheren Abgrunds gebaut, die Spuren selbst sind fast verschwunden, von dem früheren Grimm und Toben der furchtbaren unterseeischen Gewalt, die sich nun, zum Heil der Bewohner dieser Inseln, im Norden und Westen neue Bahnen gebrochen und auf Haway, wie in den indischen Gewässern ihren nöthigen Ausfluß gefunden hat, wo sie, wenn es ihr einmal da unten zu warm wird, hinauswirft, was sie hindert, und durch eine Art Aderlaß dem allzudicken Blute die Hülfsquelle öffnet. – Wenn aber die Gluth doch einmal wieder ihre alte Bahn finden sollte, wenn sich hüben und drüben die Luftlöcher verstopften, oder des feurigen Stoffes zu viel würde da unten, selbst durch einen Kilauea ins Freie zu schleudern, hei, wie da die feste Korallendecke krachen und bersten und die Fluth aufkochen würde über dem neuen, unwillkommenen Gast. – Wildes Gähren und Brausen in der Tiefe, aus den Wellen selber empor steigt es in Flammen und Rauch, und ein Feuerstrom durchschöße den sonnigen Plan, eine Wüste zurücklassend, wo er ein Paradies gefunden.

Die Insulaner wohnen auf diesem Vulkan, und leben glücklich und sorglos, – aber thun wir es anders? – der Mensch wandert in der ganzen Welt seine Bahn still und sorglos in's Blaue hinein – er sieht eine breite Straße vor sich, der er folgt, und denkt nicht daran, daß ihn vielleicht schon der nächste Schritt in einen Abgrund schleudern kann. Rechts und links sinken sie neben ihm hinab, er achtet es nicht, sein Pfad ist sicher, bis auch er von der Tiefe verschlungen wird – und der Nachbar geht ruhig an ihm vorüber.

Ich hätte mich gern hier oben eine Zeitlang gelagert, die Mosquitos schienen aber selbst bis zu dieser Höhe ihre Wachtposten zu haben, denn kaum angelangt, fand ich mich auch schon von ihnen umsummt und angegriffen, und an ein ordentliches Ausruhen war gar nicht zu denken.

Die obere Kuppe des Hügels war allein von Casuarinen bewachsen, die Guiaven reichten aber bis dicht darunter, und erst mehre hundert Fuß weiter unten begannen die übrigen Fruchtbäume. Nach kurzer Rast machte ich mich also wieder auf, an der andern Seite des Hügels niederzusteigen, und fand mich bald in einem förmlichen Wald von Brodfruchtbäumen, die mit Bananen, Orangen, Citronen und Papayas dicht unterwachsen waren; Cocospalmen kamen erst an den niederen Hängen vor, denn diese Palme sucht am liebsten den Seestrand, obgleich sie manchmal auch auf recht hohen Hängen steht, dann aber jedenfalls dichtbei Wasser verlangt.

Hier oben schien ein förmlicher Garten angelegt gewesen zu seyn, oder vielleicht noch zu bestehen, nur daß das Ganze auf das Entsetzlichste mit allen möglichen Schlingpflanzen und Winden durchwachsen war, und sich hie und da einzelne Beete von süßen Kartoffeln wirklich nur errathen ließen, während die Melonenranken, mit dem Gewirr, das über sie hinlief, eine förmliche feste Decke oder Masse bildeten. Die Indianer arbeiten nicht gern, und es ist wahrlich schon viel von ihnen, irgend etwas zu pflanzen, das hätte der liebe Gott ebenfalls recht gut selber besorgen können, aber dann auch noch Unkraut auszujäten, nein, das konnte kein Mensch von ihnen verlangen.

Als ich das niedere Land wieder erreichte, fand ich mich in dem fruchtbarsten und auch am besten cultivirten Theil der Insel. Zuckerrohr gedieh hier vortrefflich, und hie und da an den Hütten standen lange Beete mit Ananas. Ein ziemlich gut angelegter Weg führte unten am Hügel hin durch das flache Land, und diesem folgend erreichte ich bald die größeren Ansiedelungen, unter denen sich sogar einige ganz stattliche Häuser zeigten.

Wo mich übrigens die Bewohner vorbeipassiren sahen, riefen sie mich an, und ihr gutmüthiges Lachen und Winken lud mich fast in jede Hütte. Wahrscheinlich hatte es sich auch ausgesprochen, daß ich wunderlichen Schmuck und andere Sachen bei mir führe, die ich nicht verkaufe, wie die anderen Weißen gewöhnlich machten, sondern verschenke, und die Frauen insbesondere fingen an sich nicht mehr für die Rehläufe auf der Jagdtasche, sondern für das was drinnen stak, zu interessiren. Aber ihre Gutmüthigkeit schien doch immer durch – kein unbescheidenes Wort brachten sie über die Lippen, und wo ich auch eintrat, kamen sie mir vor allen Dingen mit einer jungen Cocosnuß entgegen, meinen Durst zu löschen. Nur wenn ich die Tasche öffnete, leuchteten ihre Augen, und die Kleinigkeiten bewundernd die ich ihnen zeigte, gaben sie mir dieselben jedesmal wieder, ohne eine Bitte zurück, bis ich ihnen deutlich machte daß sie behalten möchten was sie hielten, und ihr freundliches Lächeln, der Glanz ihrer Augen wie das herzliche Joranna kündeten, wie sehr sie sich darüber freuten.

Hier traf ich auch eine alte Bekannte, Sr. Majestät Schwiegertochter, und entzückte ihre Königl. Hoheit mit einem paar Glascorallen-Ohrringe.

Um mir das Delicateste zu bringen was sie hatten, holten sie mir in mehren Hütten eine Art Poe, das große Aehnlichkeit mit dem der Sandwichsinsulaner hat, und auch wie dieses, nur anstatt aus der Tarowurzel, hier aus der Brodfrucht bereitet wird. Wie schon gesagt, gibt die Brodfrucht zwei Erndten, läßt aber zwischen beiden einige Monate, in denen die Früchte noch nicht können genossen werden, und um diese nun, die sich frisch nur sehr kurze Zeit halten, bis zur nächsten Erndte überzutragen, lassen sie dieselben in einer eigends dazu bereiteten Grube förmlich gähren, wodurch sie einen ziemlich festen Brei oder Teig abgeben und einen säuerlichen Geschmack bekommen. Die Insulaner lieben das leidenschaftlich, ich selber konnte mich aber nie damit befreunden.

Langsam endlich in der kleinen Ansiedlung, die hier ihren Mittelpunkt hatte, weiter schlendernd, kam ich zu einem ziemlich geräumigen offenen Platz, und fand zu meinem Erstaunen eine Kirche. Es war ein langes luftiges Gebäude mit Bänken und einem etwas erhöhten Pult; die Luft hatte überall freien ungehinderten Zutritt, und der innere Raum war sicherlich hinlänglich, sämmtliche Bewohner des kleinen Eilands in sich zu fassen. Auf dem Pult lag eine Tahitische Bibel und vor der Kirche war ein kleines hölzernes Gestell angebracht, in dem eine alte Schiffsglocke hing.

Wie ich später erfuhr, wohnt der Missionär, zu dessen Parochie diese Insel gehört, auf einer der größern Inseln, und kommt nur gewöhnlich jährlich ein Mal hierher, Kirche zu halten und seine Gemeinde zu revidiren, zu taufen was zu taufen ist, und zu trauen. Inzwischen predigt einer der Eingebornen, der zum Missionär oder Mi-to-na-re, wie die Eingebornen sagen, angelernt worden war.

Von hier ab führte ein sehr betretener Fußpfad um den westlichen Theil der Insel herum, und diesem jetzt langsam folgend, und nur manchmal unter einer der schattigen Cocospalmen eine Weile lagernd, die herrliche Vegetation zu bewundern, wurde ich plötzlich durch erst einzelne und später förmliche Trupps geputzter Mädchen und Frauen überrascht, von denen die meisten unverkennbare Gebetbücher oder Bibeln in den Händen trugen; bald darauf hörte ich auch die Glocke läuten, meinem Taschen- und Tagebuch nach war aber heute erst Sonnabend, und da sich die Leute hier doch sämmtlich zum Christenthum bekannten, mußte jedenfalls auf einer Seite Confusion seyn. Mein Schotte löste mir später das Räthsel.

Die Missionäre, welche hier zuerst den Sabbath eingeführt hatten, waren um das Cap der guten Hoffnung herumgekommen, wodurch sie, als sie den 180. Grad der Länge, wo die östliche und westliche Länge zusammenstößt, überschritten, natürlich einen Tag gewannen. Mit der Navigation aber total unbekannt, achteten sie nicht darauf, behielten ihre in England angefangene Zeitrechnung bei, und schrieben also Sonnabend, wo sie hätten Sonntag schreiben sollen. Als sie später ihren Irrthum ausfanden, wollten sie den Tag nicht mehr überspringen, bis die Franzosen nach Tahiti kämen, und wenigstens auf dieser Insel, wie auf dem gegenüber liegenden Imeo, durch einen Machtspruch die rechte Zeit einführten. Die übrigen Inseln behielten aber noch ihre alte Zeitrechnung bei. Fast alle die Kirchgänger redeten mich an, und mir that es in der Seele weh ihre Sprache nicht zu verstehen, mich mit den lieben freundlichen Menschen ordentlich unterhalten zu können, aber jeder hatte wenigstens einen kurzen Gruß, einen freundlichen Blick für mich, und offen und zutraulich schauten sie dabei aus den klaren freien Augen.

Ein wenig, einzelne Worte und Bedeutungen verstand ich aber doch, und lernte mehr und mehr, denn die Frauen besonders ließen es sich keine Mühe verdrießen, nur selbst unaufgefordert die Namen der verschiedenen Gegenstände zu nennen, und nur dabei zu beschreiben und zu erklären, was ich etwa Sonderbares und Eigenthümliches finde, und mit mehr als gewöhnlicher Aufmerksamkeit betrachtete.

So waren mir schon an verschiedenen Stellen angebrachte, und mit einer braunen Masse gefüllte Canoes oder Tröge aufgefallen, und ich erfuhr jetzt zum erstenmal, daß diese Masse weiter Nichts als geschabte Cocosnußkerne seien, die in diesen Trögen in die Sonne gestellt würden, um das Oel aus ihnen heraus ziehen zu lassen. Dieß Oel bildete einen bedeutenden Handelsartikel der Inseln, und nach der Pomatugruppe besonders gehen eigends Schiffe, es von den Eingebornen einzutauschen. Die Gewinnung desselben ist dabei einfach genug, und nur das Reiben der Nüsse eine allerdings etwas mühselige und langweilige, aber doch keineswegs schwere Arbeit, die sie sich auch noch so bequem als möglich zu machen wissen, indem sie eine Art eiserner Kratzer an den niederen Sitz gestellt, auf dem sie sich niederlassen, befestigen, und so, mit dem Rücken womöglich noch an einen Baum gelehnt, dieser schwierigen Beschäftigung obliegen.

Was die sonstigen Arbeiten der Insulaner betrifft, so beschränken sich diese jetzt fast einzig und allein auf das Weben ihrer Matten, die sie aus einem, dem Zuckerrohr sehr ähnlichen Halme oder Pandanusblättern, auf geschickte Weise zu bereiten verstehen. Der Stoff ist weich und elastisch, und diese Matten geben ein kühles, angenehmes und reinliches Lager.

Eine weit wichtigere Arbeit hatten sie übrigens früher in der Bereitung des Stoffes, den sie einzig und allein zu ihrer Kleidung gebrauchten, die sogenannte Tapa, die sie aber auch selbst jetzt noch nicht ganz entbehren können, und die deßhalb jedenfalls wenigstens eine kurze Beschreibung verdient.

Die Masse, aus der sie dieselbe herstellen, ist die innere Rinde verschiedener Bäume, besonders der Brodfrucht und des Banian, die Zubereitung selber aber jedenfalls höchst eigenthümlich. Die Rinde wird zu einer teigartigen Masse zusammengeschlagen und dann eine bestimmte Zeit gegohren, wonach sie eine gewisse zähe Festigkeit erlangt, die ein förmliches Ausschlagen des Breies zu einem festen zeugartigen Stoff gestattet. Dieß Ausschlagen geschieht mit viereckigen Klöppeln, die aus den Casuarinen oder einem anderen schweren Holze geschnitzt und mit vier verschiedenen Kerben oder Streifen versehen sind. Die Seite, mit der die Masse zuerst geklopft und gewissermaßen erst auseinander geschlagen wird, was auf einem gefällten und oben geglätteten Stamm geschieht, ist grob gerieft, die zweite etwas feiner, die dritte noch mehr, und die vierte ganz fein – und während dem Schlagen oder »Tappen« von dessen Geräusch »tapa tapa« der Stoff den Namen bekommen, streckt sich der Teig mehr und mehr, und wird dünner und dünner, bis es zuletzt in einen wirklich kattunartigen Stoff ausgeschlagen und getrocknet zum Gebrauch fertig ist. Selbst die Nässe hat später keinen nachtheiligen Einfluß darauf, und getrocknet ist es wieder so gut und weich als früher.

Sie wissen dabei dieser Tapa sowohl verschiedenen Farben zu geben, als sie auch ganz rein herzustellen, und ich habe Stücke gesehn, die so weiß wie die schönste Leinwand waren.

Als die Missionäre aber diese Inseln betraten, brachten sie ihnen auch mit dem Christenthume Cattun und andere bunte Stoffe, die sie um Früchte und Produkte, natürlich für den höchst möglichsten Preis den solch werthvolle Sachen verlangen durften, an sie verkauften. Es ist ihnen das später bedeutend zum Vorwurf gemacht, und sie haben sich damit entschuldigt, daß die Missionsgesellschaften in England ihnen kein Geld schicken konnten, dessen Werth die Wilden nicht gekannt hätten, sondern daß sie derartige Sachen, die zugleich den Eingeborenen nützlich wären, wie Cattun, Messer, Beile, Bibeln, Gebetbücher, Fischhaken, wohlriechende Seife, und andere derartige Sachen gewählt hätten, die Existenz der Missionäre auf den Inseln zu sichern. Es liegt darin auch manches Wahre, und daß ein Theil derselben das mißbrauchte, kann nicht Allen zur Last gelegt werden. So viel aber ist gewiß, manche der Missionäre errichteten förmliche Kaufläden, und forderten für die ihnen gesandten Stoffe Preise, die sie weit über das hinausbrachten, was ihnen von den Missionsgesellschaften daheim zugedacht gewesen. Die Indianer sind aber klug genug das einzusehen, und wo sie es nicht selber waren, kamen Weiße, die sie später darauf aufmerksam machten, daß sie z. B. dieselben Güter an anderen Orten weit billiger bekommen konnten. Der französischen Concurrenz auf Tahiti gegenüber, waren dann auch z. B. die frommen Männer nicht im Stande ihre Handelsinteressen aufrecht zu erhalten, wenigstens nicht mit dem Nutzen den sie verlangten, und sie mußten eine andere Erwerbsquelle suchen.

Doch eben diese neuen Stoffe, die sich die Indianer nun auf eine weit bequemere Art verschaffen konnten, verdrängten ihre alten Arbeiten, was sollten sie sich Tapa ausklopfen, wo sie die Elle Zeug, und sei es um einen halben Dollar, verschaffen konnten – und ihre Frauen hatten jetzt immer Geld – der Müssiggang war ihnen überhaupt von dem Klima selber angewiesen, und als ihre Produkte sogar einen Werth bekamen, für den sie sich die neugelernten Bedürfnisse aneignen mochten, fiel es fast keinem mehr ein, die Hand an irgend etwas zu legen.

Einzelnen Sachen sind sie aber selbst jetzt noch treu geblieben, obgleich sich das auch für spätere Zeiten, wie das übrige, ändern wird – so verfertigen sie noch aus dem Bast der Cocosnüsse starke Seile und Netze, und vorzügliche Fischhaken machen sie aber aus dicken Stückchen Perlmutter, die unten einen starken Finger breit und etwa fünf Zoll lang sind. Rasch durch das Wasser gezogen, in dem sie blitzen und glänzen, hält sie der Bonito und Delphin für einen fliegenden Fisch, und ist leicht bethört.

Größere Fische suchen sie aber meistens mit einer dreizackigen, oft auch vierzackigen Harpune zu erlangen, und stehen dabei mit grenzenloser Geduld und Ausdauer halb oder ganz nackt, und in den vollen Strahlen der Sonne, stundenlang auf den Korallenriffen zwischen der Brandung und dem Ufer, oder fahren auch mit ihren kleinen Canoes langsam in dem flachen krystallreinen Wasser umher, ihre Beute zu belauern.

Diese Canoes sind genau so gebaut wie die der Sandwichsinsulaner, sehr schmal, und mit einem Gewichtholz an der einen Seite, das etwa vier Fuß von dem Canoe so befestigt ist, daß es das Boot durch Widerdruck nach der Seite, wo es sich selber befindet, hinüberzieht oder dort hält, und durch die Entfernung vermehrtes Gewicht, nach der andern Seite abhält überzuschlagen. Diese »Outrigger,« wie sie in der Schiffssprache heißen, geben dem Canoe allerdings große Sicherheit, verhindern aber auch, daß es so rasch als sonst der Fall wäre durchs Wasser gleitet, und machen es unbehülflicher zu regieren. Der Sioux und Tuskarora, der die nördlichen, ebenfalls stürmischen Seen Amerikas mit seinem federleichten, aus Birkenrinde zierlich verfertigten Canoe befährt, würde es verachten in einem solchen Fahrzeug die Wellen langsam zu durchschneiden, während er in seinem eigenen Kahn blitzschnell darüber hinschießt. Diese Canoes entsprechen aber jedenfalls dem Charakter des Eingebornen, sie sind bequem und sicher, und leisten ihm alles, was er von ihnen verlangt; weßhalb sollte er sich nun mit einem zwar etwas schnelleren, aber auch gefährlicheren und mühseliger herzustellenden Sorgen machen?

Was man von »sauber gearbeiteten und zierlich geschnitzten« Canoen und Rudern der Südseeländer hier und da liest, kann sich übrigens keineswegs auf diese Gruppen, oder wenigstens auf ihre jetzigen Bewohner beziehen, denn ihre Canoes sind grob und einfach genug, aus Brodfrucht, Wi-Bäumen, Mangas oder Mapés – die dortigen Kastanien gearbeitet, und die Ruder dabei so primitiv, wie sie ein gewöhnliches, eben nothdürftig zugehauenes Bret nur im Stande ist, zu liefern. Möglich ist, daß sie in früher Zeit mehr Fleiß darauf verwandt haben, jetzt geschieht es aber sicher nicht mehr, und ich habe nirgends auch nur ein einziges geschnitztes Ruder finden können.

Ihrer Schnitzereien wegen sind übrigens besonders die Freundlichen oder Fidschie- und die Neuseeländischen Inseln berühmt.

Besonderes Geschick haben sie ihre dem Klima vollkommen entsprechenden Hütten herzustellen. Sie schlagen in regelmäßigen Entfernungen von einander Pfosten in die Erde, auf welchen die Dachstützen zu ruhen kommen. Rings umher werden, immer etwa ein- bis anderthalb Zoll Luft gewährend, Bambusstöcke oder dünne geschälte Stöcke eingesteckt, welche die Wände bilden, und die dazu bereiteten langen, schmalen und zähen Blätter des Pandanus werden dann über dünne Stöcke gebogen, und so dicht und fest auf die Dachpfosten geschnürt, daß sie vollkommen Schutz gegen den Regen, mag er herabströmen wie er will, gewähren. Ein solches Dach hält wohl vier bis fünf Jahre.

Das Innere solcher Häuser, die übrigens aussehen als ob sie der erste beste Windstoß ohne weiteres mit fortnehmen könnte, ist noch einfacher als das Aeußere. Ein halb Dutzend Matten auf der Erde, ein paar niedere aus hartem Holz geschnitzte Sessel, ein paar Kisten – gewöhnlich solche wie sie Matrosen benutzen – ein paar Kalabassen die ihr Cocosnußöl und mit Cocosmilch vermischtes Salzwasser enthalten, einige zum Trinken hergerichtete Cocosschalen – und das ganze Meublement, der ganze Hausrath ist fertig. Unter den Dachpfosten steckt vielleicht noch ein Ruder oder eine Harpune, an der Ecke hängt vielleicht ein Netz und ein paar Fischhaken, das ist aber auch alles, und dem Luftzug wird in der That nicht das mindeste Hinderniß durch etwa irgendwo aufgehäufte unnöthige Gegenstände geboten.

Sonderbar ist übrigens daß die Indianer der Gesellschaftsinseln, als die ersten, Europäer ihr Land betraten, die Kunst des Netzstrickens nicht allein schon kannten, sondern ihre Netze auch ganz genau mit denselben Knoten und mit denselben Instrumenten strickten wie die Europaer. Die hölzerne Nadel, mit der eingeschnittenen Zunge den Bindfaden zu halten, wie sie die europäischen Fischerleute gebrauchen, hatten sie damals schon, und benutzten sie jetzt noch, während ich dasselbe auch später bei den australischen Stämmen gefunden habe.

Mein Schotte hatte indessen den Rest seines Wachholderbranntweins geleert, und sich selber wieder nüchtern geschlafen; dabei erklärte er mir aber daß er durch den Genuß des langentbehrten Getränks eine solche Sehnsucht nach mehr bekommen habe, nicht den Versuch zu machen, eine neue und gleich stärkere Sendung einzuführen, die ihm dann auch längere Zeit vorhielte, und das Vorhandensein spirituöser Getränke würde dann immer noch auf Rechnung der einen Kiste geschoben, die ja mit dem König selber gelandet worden.

Aber woher es bekommen? – der Wind hatte sich gerade ziemlich westlich gedreht, während hier sonst fast ununterbrochen ein Ostpassat herrscht, und diese günstige Zeit zu benutzen wollte er sowohl, als der König, eine Bootladung mit Schweinen und Hühnern nach dem etwa 70 englische Meilen entfernten Tahiti hinübersenden, und Einer von des Königs Verwandten hatte ein ziemlich gutes Wallfischboot, das zu dem Zweck, und wenn nicht gerade unglücklicher Weise stürmisches Wetter einsetzte, recht gut benutzt werden konnte.

Da war Aussicht auf neues Vergnügen – kamen die Leute zurück und brachten die Spirituosen, dann gab es keinen Frieden mehr auf der Insel, und der Bursche war mir jetzt schon mit seiner ewigen viehischen Trunkenheit zuwider geworden. Ich hätte mich hier sicherlich ein vier oder acht Wochen recht wohl fühlen können, ohne eben den Weißen, so aber hielt ich es auch für mich das Beste, das nämliche Boot zu benutzen nach Tahiti überzusetzen – dort war mir größerer Raum für mein Umherstreifen geboten, und ich wurde nicht durch eine einzige solche Persönlichkeit in all meinen Bewegungen gehindert. Wer wußte dabei, ob er mir nicht die spätere Sendung von Spirituosen, wenn wirklich entdeckt, ebenfalls in die Schuhe schob, wie die erste, und wie undankbar mußte ich dann, wenn auch unschuldiger Weise in den Augen der Indianer erscheinen, die mich so herzlich und freundlich aufgenommen hatten. Ein anderer Grund war aber auch, daß mir eine solche Gelegenheit vielleicht in sehr langer Zeit nicht wieder geboten würde, denn der Schotte hatte allerdings ein größeres Boot, eine Art Barkasse angefangen zu bauen und aus dem Gröbsten auch ziemlich beendet, so daß es ein paar fleißige Männer vielleicht in ein oder zwei Wochen hätten seetüchtig machen können, bekam er aber jetzt den Branntwein so dachte er natürlich gar nicht mehr an arbeiten, und ich konnte nachher wer weiß wie lange auf Maiao sitzen bleiben, deren kleines Terrain mir natürlich nicht einmal gestattete irgend einen ordentlichen Ausflug zu machen. Mein Entschluß war deßhalb bald gefaßt, überraschte aber den Weißen, wie mir schien, keineswegs angenehm, und er versuchte sein Bestes mich zu überreden um dazubleiben, bis sein eignes Boot fertig wäre. – Umsonst, je mehr ich mir die Sache überlegte, desto mehr sah ich ein daß ich recht hatte, und als er endlich fand daß ich auf meinem einmal gefaßten Entschluß beharrte, und mit den Indianern die nach Tahiti gesandt wurden unter jeder Bedingung fahren wollte, machte er mir weiter keine Schwierigkeiten und versprach mir einen Platz in dem Boot mit meinen Sachen zu besorgen.

Den letzten Abend war noch große Versammlung in seinem Hause, denn alle die Frauen und Mädchen der Nachbarschaft kamen herbei die »Sachen« zu sehen, die der »neue Weiße« mitgebracht hatte, und wo möglich natürlich auch etwas davon mit fort zu nehmen. Mein Ruf hatte sich, wie mir der Schotte sagte, schon über die ganze Insel verbreitet, und die Leute wären besonders darüber erstaunt, daß ich Alles was ich von ihnen bekam bezahlen wollte, und auch wirklich bezahlte, während ich fast an alle dabei Geschenke austheilte. – Lieber Gott die Geschenke waren billig genug, denn auf einer Auktion in San Francisco hatte ich für wenige Dollar eine förmliche Masse solcher Sachen bekommen. Mac Ising machte mir aber deßhalb Vorstellungen, und versicherte mich ich verwöhne das Volk so, daß nachher gar kein Auskommen mehr mit ihm wäre.

»Sie glauben gar nicht was das für eine Nation ist,« sagte er einmal unter anderem, in edlem Eifer erglühend, »sie thun gerade was sie wollen, und ein armer Teufel von Weißer ist nachher wie verrathen und verkauft zwischen ihnen – die ganze Bande ist ja untereinander verwandt. Glauben Sie denn auch, ich hätte mir ganz apart eine Frau mit einem lahmen Bein unter all den hübschen Mädchen der Insel ausgesucht, wenn ich nicht meine ganz besonderen Gründe dabei gehabt hätte? – nein old fellow (mein alter Bursche, und in ganz gemüthlicher Stimmung nannte er mich immer so) das hatte sein ganz bestimmtes »wo so« und noch mehr, ich bin sogar fest überzeugt, daß ein Weißer auf diesen Inseln es gar nicht wagen dürfte eine Frau zu nehmen, wenn sie nicht eben lahm ist. – Weßhalb? – weil er nicht ein einziges Mal im Stande wäre sie richtig zu prügeln, sobald sie irgend etwas Unrechtes gethan hat, denn sie wäre im Nu in die Büsche, und nicht sechs Weiße kriegten da ein indianisches Mädchen wieder – aber so kann sie nicht fort, und muß wohl aushalten.« – Es ist erstaunlich auf was ein Mann nicht alles bei der Wahl einer Frau zu sehen hat.

Doch um wieder auf den Abend zurückzukommen, an dem der Schotte glücklicher Weise noch eine lange Unterredung mit dem König hatte, wie er sagte, und erst sehr spät heimkehrte, sah ich die ganze weibliche Bevölkerung der Insel fast um mich versammelt, und ein hannöver'scher oder preußischer Grenzwächter hätte einen verdächtigen Koffer nicht genauer visitiren können, als es die gutmüthigen Menschen hier mit dem meinigen machten. Alles drehten sie von oben nach unten und wenn sie auch um Nichts baten, leuchteten doch ihre Augen von unverkennbarer Freude wenn ich ihnen auch nur die geringste Kleinigkeit gab. Sie schienen dabei fast eine Art Stolz darein zu sehen von dem »Fremden« ebenfalls etwas erhalten zu haben, und Früchte und Fische die sie mir brachten, und sie hatten ja weiter nichts zu vergeben, bewiesen wie gern sie sich dankbar dafür bezeigen wollten.

Das meiste Glück von all meinen Schätzen, so viel sie auch die Glas- und Bernsteinperlen, die Ohrgehänge und Ringe und Schleifen bewunderten, trugen aber eine Partie Pfauenfedern davon, um die sie sich augenblicklich sammelten, und von denen sie gar nicht fortzubringen waren. Vor allen Dingen mußte ich ihnen beschreiben was für ein Thier das gewesen sey, das diese Federn gehabt – denn daß es Federn seyen sahen sie bald genug. Ich mußte ihnen jetzt einen Pfau auf dem sandigen Fußboden malen und that das nach besten Kräften, wie ich ihnen aber das Ausbreiten des Schwanzes beschrieb jubelten sie alle laut auf, denn sie wußten jetzt was ich meinte. Truthühner hatten sie schon gesehen, ja es waren selber einige auf der Insel, und die Unterhaltung wurde jetzt ungemein lebhaft, wie sie sich wahrscheinlich die Pracht des Vogels, den ich ihnen so gut es gehen wollte nach Größe und Form deutlich machte, untereinander erklärten. Da ich nicht mit Unrecht glaubte daß Pfauenfedern schon eher durch die Franzosen nach Tahiti gebracht und dort nichts Neues mehr wären, vertheilte ich sie fast sämmtlich unter die jungen Mädchen, meines Schotten Frau nicht dabei vergessend, und diese ging augenblicklich an ihre Kiste, in der sie Garderobe und Schmuck für den ganzen Haushalt aufbewahrte, und zog zu meinem Erstaunen eine Art Strohhut heraus, wie sie die Frauen bei uns zu Land vor etwa dreißig oder vierzig Jahren getragen haben. Diesen, der übrigens aus dem feinen weißen Faserstoff der Arrowroot gemacht war und die Form etwa einer umgekehrten Kohlenschaufel hatte, nahm sie zu der Cocosflamme, steckte die Pfauenfedern oben drauf, setzte ihn sich auf den Kopf und trat dann mit einem Blick vor mich hin, als ob sie hätte sagen wollen – bin ich nicht ein schönes Frauchen? – steht mir der Hut nicht ganz vortrefflich? – Die kokettste Schöne Europas hätte sich nicht besser dabei benehmen können. Es war auch wirklich eine ganz allerliebste kleine Frau, und der dunkle Teint schadete ihr nicht im mindesten, aber der Hut stand ihr nichtswürdig und würde einen Madonnenkopf verunstaltet haben. Ich sagte ihr das auch, und der Sprache nicht so mächtig, gab ich meinen Abscheu in allen möglichen abwehrenden Bewegungen mit dem wiederholten aita maitai zu erkennen.

Jetzt hatte ich aber die ganze Schaar gegen mich, denn augenscheinlich war dieß unter ihnen verabredet gewesen, mich durch ein solches Vorzeichen europäischer Moden total zu verblüffen und einen glänzenden Triumph über mich zu feiern – der ging nun total verloren, und die Schönen wollten augenscheinlich wissen, weßhalb das nicht schön wäre, und was ich an dem Hut auszusetzen hätte, und mir lag daran zu erfahren, wer ihnen diese schauerliche Mode hier auf die abgelegene Insel gebracht hätte. Darüber sollte ich aber nicht lange in Zweifel bleiben, denn das war richtig der Missionär gewesen, und, wie ich nach und nach herausbekam – was auch ihren Eifer dafür wenigstens in etwas erklärte – betrachteten sie den Hut gewissermaßen sogar als ein Symbol des Christenthums. Wie es aber mit all solchen Symbolen geht, während ich unbewußterweise den Hut belacht hatte, fühlten sie sich in ihrem Glauben verletzt, und was ich von ihnen verstehen konnte, fingen sie an, an meinem eigenen Christenthum zu zweifeln.

Als mein Schotte an dem Abend etwas spät zu Hause kam, erkundigte ich mich vor allen Dingen nach dem Hut und seine Bedeutung, und er erzählte mir, daß die Missionäre – von denen man übrigens keinen Geschmack in weltlichen Dingen verlangen dürfe – die Façon dieses Hutes allerdings und zwar auf den Köpfen ihrer eigenen Frauen mit herüber gebracht, den Indianern aber dabei nur aus dem sehr lobenswerthen Grunde gerathen hätten eben solche Hüte zu tragen, die zugleich schön als auch christlich fromm aussähen (gegen das letztere hatte ich nichts, aber das erstere mußte ich stark bezweifeln), um sie von dem immer noch etwas heidnischen Tragen der Blumen in Haaren und Ohren abzuhalten, was auf andere Weise nicht recht gut – wenigstens nicht durchgreifend – verhindert werden konnte, während sie, wenn sie sich Blumen oder Bouquets, oder selbst Blumentöpfe und Büsche auf den Hut setzten, sie dadurch ebenfalls nur der europäischen Mode folgten. Ich war jetzt im Klaren, und mit den Frauen und Mädchen Maiao's vollkommen ausgesöhnt.

Am nächsten Morgen nun begann ich meine Vorbereitungen zur Abreise, und es war mir eine stille Genugthuung, zu sehen, daß den Eingebornen selber meine rasche Wiederabreise leid that. Viele versuchten auch mich zu überreden bei ihnen zu bleiben, und als ich später vom König Abschied nahm, frug mich dieser durch den Schotten, ob es mir so wenig auf seiner Insel gefallen habe. Leider konnte ich ihm ja nicht durch den Schotten selber den wahren Grund angeben, und hätte ich es gethan, dieser würde sich wohl gehütet haben das worttreu zu übersetzen, was seine eigene Anklage gewesen wäre; so mußte ich mich denn begnügen ihm zu sagen, wie ich ein Schiff in Tahiti zu finden hoffe, das mich wieder in meine Heimath bringe, und daß er ja selber wisse, wie selten von hier aus Gelegenheit sey wieder fortzukommen, wo vielleicht im Monat nur einmal, und manchmal selbst nicht das, Westwind wehe. Darin mußte er mir wohl recht geben, und die Vorbereitungen wurden jetzt rasch getroffen. Fast dieselben Leute, die mein Gepäck hinaufgetragen hatten, trugen es wieder zum Strand, und von allen Seiten brachten sie mir noch Kleinigkeiten, Tapa, Früchte und Arrowrootschmuck herbei, als ein Andenken mit von der Insel fortzunehmen. Unten am Strand kaufte ich dann noch von einer der dort lagernden Familien einige ihrer feingeflochtenen Matten, und für ein Handbeil brachten sie mir ein ganzes Stück Tapa, aus dem ich mir hätte Frack, Hosen, Mantel, Weste und Mütze können machen lassen. Aber auch Früchte vergaßen wir nicht, und ich bekam, obgleich die Reise mit diesem Wind kaum länger als vierundzwanzig Stunden dauern konnte, einen ganzen Korb voll Orangen, gebackene Brodfrucht und wohl ein Dutzend Cocosnüsse zum trinken mit.

Mein Schotte hatte mich mittlerweile mehrmals versichert, und dasselbe auch in meiner Gegenwart den Indianern mitgetheilt, daß er für den kurzen Aufenthalt von mir gar nichts verlange, und »wenige an seiner Stelle würden das thun,« wenn ich ihm aber doch etwas geben wolle, stünde das in meinem Belieben. Durch Ansammeln verschiedener Sachen war mein Gepäck wieder ziemlich unhändig geworden, und da ich doch nur die Büchsflinte führte und keinen besondern Gebrauch mehr für meine Doppelflinte hatte, überließ ich ihm diese zum Andenken mit der nöthigen Munition, und er freute sich sehr darüber. Seine Frau, der ich vorher auch schon einige kleinere Geschenke an Putz gemacht hatte, ließ mir dafür ein kleines Ferkel als Reiseproviant braten. Von diesem verzehrten wir aber schon an dem Morgen die Hälfte, packten dann das andere in einen der kleinen Körbe, welche die Eingebornen so geschickt aus einem Cocosblatt zu flechten wissen, und wanderten dann langsam, einigen Eingeborenen das Hinunterschaffen meines Gepäcks überlassend, nach dem Landungsplatz hin.

Die Indianer, von denen mich drei begleiten sollten, waren aber noch nicht ganz zum Einschiffen fertig, ein Schwein, das sich losgemacht hatte, mußte sogar erst wieder eingefangen werden, und ich vertrieb mir die Zeit indessen, so gut es gehen wollte, bei meinen alten Freunden am Strand, wo mich besonders die eine dicke Frau in ihr Herz geschlossen zu haben schien, und alles Mögliche versuchte, mich noch dazubehalten.

Während wir noch vor der Hütte saßen und Cocosnüsse austranken kam wieder eine kleine Gesellschaft aus dem Inneren, und voran das häßlichste Frauenzimmer, das ich noch auf Maiao gesehen, ein großes braunschwarzes Geschöpf mit halbwolligem Haar, das die Abstammung von einem Neger gar nicht hatte verläugnen können, und ein großes, grellgelb gefärbtes Stück Tapa um die Schultern geschlagen, daß es ihr bis auf die Knie niederfiel, in den Ohren aber trug sie ein Paar von den Ohrringen, die ich am vorigen Abend verschenkt hatte, und in den Haaren staken drei hohe Pfauenfedern, mit denen sie mir, fast wie im Triumph, entgegentrat.

Ich sah mich erstaunt im Kreise um, zu erfahren, von wem sie den Schmuck empfangen habe, und hätte meines Schotten Erklärung, den ich dann darum frug, fast gar nicht mehr bedurft, denn dicht hinter ihr stand eines der kleinen Mädchen, an die ich die Federn gestern vertheilt hatte, aber ohne den Schmuck, mit sehr betrübtem Gesichtchen, und ich sah augenblicklich, daß hier wieder das Recht der »Unverschämtheit,« das die Gutmüthigkeit dieser lieben Menschen dem Freunde einräumt, den Sieg davon getragen hatte. Die alte Schachtel, häßlich wie die Nacht, hatte das arme kleine Ding förmlich ausgeplündert und stolzirte nun noch sogar, ihr zum Aerger und Hohn, vor meinen Augen herum. Aus meinem ganzen Aussehen und dem, was ich ihr darüber zu sagen versuchte, mochte sie aber bald herausfinden, daß sie mir gerade keinen Gefallen damit gethan, und als ich einmal sogar Miene machte, einen Theil der Beute wieder zurückzufordern, wich sie mir aus und drückte sich rasch in die Büsche. Trotzdem aber, daß ich schon alles gepackt und jetzt auch im Boot hatte, schnallte ich doch meinen Koffer noch einmal auf, nahm die letzten vier Pfauenfedern, die ich darin hatte, heraus, und gab sie der armen geplünderten Kleinen, suchte ihr auch noch ein Paar andere Ohrringe, und sah nun, wie die Augen des kleinen Dinges wieder an zu leuchten und zu funkeln fingen, und ich glaube, sie wäre mir in dem Augenblick mit Vergnügen um den Hals gefallen – wenn sie sich nicht höchst unnöthigerweise vor mir genirt hätte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen 3. Band - Die Südsee-Inseln