Reisen 3. Band - Die Südsee-Inseln

Autor: Gerstäcker, Friedrich (1816-1872), Erscheinungsjahr: 1853
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Leseprobe aus Kapitel 1 - Von San Francisco nach Honolulu.

Ade Kalifornien – angenehmes Gefühl das, wieder einmal auf dem alten Steckenpferde zu sitzen – hui wie das schaukelt. Der Grundschwell, der hier in dem niederen Wasser, von der gewaltigen Strömung bald hinaus bald hineingeärgert steht, gehört zu den schlimmsten in der Art, und kaltes stürmisches Wetter dienen dann gerade nicht dazu, den Aufenthalt auf einem, eben in See gehenden Schiff, noch dazu bei vollkommener Dunkelheit, zu einem angenehmen zu machen.

Während dem ewigen Wenden lagen auch natürlich alle Brassen von den Nägeln herunter und an Deck, man konnte keinen vernünftigen Schritt mehr thun und die Befehle des »Alten« klangen so heiser und ängstlich – hol's der Henker ich geh hinunter, dacht' ich bei mir selber, sagte dem Capitän gute Nacht, von dem ich keine Antwort kriegte, stürzte die Treppe halb hinunter, denn der Platz war mir noch fremd, und die Sohlen oben naß geworden, trank unten ein richtiges Glas Brandy und Wasser, und legte mich in meine Coje, dem tollen Gewirr an Deck zu entgehen. Zu sehn war nichts mehr, und wenn man nicht gleich von vornherein mit zugreifen will – eine Sache von der man dann nicht einmal sagen kann ob sie's Einem groß Dank wissen – geht man lieber aus dem Weg. Zum Zusehn brauchen sie in solcher Zeit Niemand an Deck.

Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte – aber eingenickt war ich, als ich plötzlich durch einen furchtbaren Stoß, den das Schiff bekam, geweckt wurde und zugleich mit beiden Füßen aus der Coje fuhr. Wer einmal in seinem ganzen Leben gefühlt hat, wie sein Fahrzeug mit dem Kiel den Sand berührt, vergißt das nun und nimmer wieder. Man fühlt das auch nicht mit den Füßen etwa, auf denen man doch steht, oder hört es, nein, es ist eine ganz unbeschreibliche Empfindung, an der jeder Nerv des ganzen Körpers, jede Ader, jede Muskel gleich theilnehmend zu seyn scheint. Das Gefühl zuckt durch das Rückenmark bis in die entferntesten Fingerspitzen, und das Herz steht still in dem Augenblick, der Athem stockt. Es ist fast als ob man dabei mit zu derselben Masse des Schiffes gehöre, und gehört auch in der That dazu, denn die Erschütterung, die von dem Sande dem Kiel mitgetheilt, von diesem durch die Poren des Holzes aufwärts schießt, findet in den Nerven unseres Körpers eben gleiche Ableiter, und rückwirkend kann ich auch, glaub' ich, mit Fug und Recht behaupten, daß ebenso das Schiff selber wie ein fühlendes Wesen fast – in seine innersten Tiefen erzittert, vor der drohenden Gefahr. – Oder glaubst du etwa nicht, lieber Leser, daß das wackere Schiff selber empfindet, was ihm droht, oder wie es sich bewegt? – frag dann die Seeleute selber, Leute, die ihre ganze Lebenszeit an Bord zubringen und zugebracht haben, was sie darüber denken, darüber sagen, und du wirst bald erfahren, daß diese magnetische Kraft dem Schiffe nicht blos in dem Augenblick wird, wo es mit einem dritten festen Gegenstand in Berührung tritt – obgleich ich nicht leugnen will, daß es sich dadurch verstärken mag, sondern ihm immer eigen ist, und den Matrosen sein Fahrzeug auch deßhalb als ein vollkommen selbstständiges Wesen erscheinen läßt, mit dem er sich oft unterhält und zu dem er eine förmliche, fast rührende Zuneigung gewinnt, wie sie unter anderen Umständen kaum denkbar wäre.

Die englischen Matrosen geben dem Schiff sogar das weibliche Geschlecht – aus einem Grund freilich, wie Manche boshaft behaupten wollen, der gerade nicht schmeichelhaft für dasselbe wäre – daß die Takelage nämlich oder der äußere Aufputz, Segel und was dazu gehört, mehr koste, wie das Schiff selber – doch das ist maliciös. ...

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Friedrich Gerstäcker

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