Reisen 2. Band - Californien

Autor: Gerstäcker, Friedrich (1816-1872), Erscheinungsjahr: 1853
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Leseprobe aus Kapitel 1 - San Francisco im Herbst 1849.

Mit der Einfahrt in das goldene Thor Californiens begann für mich jedenfalls ein neuer Abschnitt meines Lebens; die See lag wieder dahinten und das neue wunderliche Land mit den goldnen Träumen Tausender vor mir. Bald sollte ich mich von all dem tollen Gewirr eines solchen Lebens umrauscht sehen und es wäre eine sehr natürliche Sache gewesen, wenn sich der Mensch, als Vorbereitung zu einer so förmlichen Umwandlung seines ganzen bisherigen Treibens, etwas ernst und überlegend seinen eigenen Gedanken überlassen hätte, nicht so Hals über Kopf in das bunte Chaos einer, in der Geschichte noch nicht dagewesenen Periode, förmlich hineingeworfen zu werden. Weder ich aber, noch ein Anderer von uns, auf dem ganzen Schiff, dachte an etwas derartiges, denn jede Secunde brachte ein neues, immer wieder in sich selbst zerfließendes, sich neu gestaltendes Bild, und das Auge konnte sich nicht satt sehen an alle dem, was ihm in fast zu reichem Maße hier plötzlich geboten wurde. Uns war wie Leuten zu Muthe, die Monate lang in dunkler Gefängnißnacht gesessen haben, und jetzt plötzlich frei und unbehindert in das blendende Sonnenlicht treten – es ist etwas natürliches, daß sie im Anfang an nichts Anderes denken, als nur vor allen Dingen ihre Augen dem neuen starken Licht zu gewöhnen – das Uebrige findet sich nachher schon von selber.

Doch zu unserem Schiff zurück, und der Leser mag mit mir selber die Fahrt und das neue Leben beginnen.

Das »goldene Thor« Californiens ist wirklich ein prachtvoller Eingang für eine so herrliche Bai als die von San Francisco – an beiden Seiten heben sich steile schroffe Felshänge, wie auseinandergerissen durch die Gewalt des dagegen anstürmenden Meeres, empor, und meilenweit hinein führt eine, scharf von schrägabsenkenden Berghalden eingeschlossene Straße, die sich erst an der Nordseite der Bai von der dort vorragenden Spitze ab, auf welcher jetzt ebenfalls eine blühende Stadt Sausilita liegt, nordwärts, verschiedene andere Baien bildend, hineinzieht, und oben, in ihrer letzten Bucht die beiden Ströme Sacramento und San Joaquin aufnimmt.

Gleich rechts, und nur wenige englische Meilen im Innern, liegt ein kleines Fort die Einfahrt zu beschützen und vor uns breitete sich die Contraküste mit ihren braunen, allerdings etwas dürr aussehenden Hängen und einzelnen anderen, darüber noch hinausschauenden Bergkuppen, aus. Bewaldet schienen die Berge nicht, nur auf den Contraküstenbergen standen einzelne Gruppen hoher stattlicher Cedern.

Aber selbst das fesselte unsere Aufmerksamkeit nicht lange, denn wir spähten nach Zelten und Wohnungen am Ufer umher, und wie uns erst die dort weidenden Pferde und Rinder amusirt hatten, so rief bald hier bald da ein Ruf: »dort steht ein Zelt – dort bei den kleinen Büschen« – und da drüben wieder: »da stehen eine ganze Menge – das muß eine Stadt seyn!« und wie die Ausrufe alle hießen, den Blick bald der, bald jener Richtung zu. ...

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Friedrich Gerstäcker

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