Zweite Fortsetzung

Jetzt besitzen die arabischen Christen Mittel zur Bildung ihrer Kinder in Klosterschulen, deren Stiftung sie der Aufmerksamkeit verdanken, die Europa dem heiligen Lande widmet. Die ersten, welche ein gutes Beispiel gegeben, waren katholische Mönche von dem Orden der Jesuiten, Lazaristen und Franziskaner. Diese erhielten, in Syrien sich niederlassend, unter dem Beistand frommer Wohltäter, in allen Städten Plätze zur Erbauung von Klöstern, bei denen sie Schulen errichteten wo Kinder aller Bekenntnisse und Stände, reicher und armer Leute, unentgeltlich Aufnahme finden: man lehrt sie Religion, Arithmetik, arabische, französische und italienische Sprache; man bringt ihnen von Geschichte und anderen Wissenschaften einige Begriffe bei. Die ärmsten Kinder werden hier unentgeltlich gespeist und gekleidet, und alle ohne Ausnahme mit notwendigen Büchern versorgt, von welchen die arabischen in den Druckereien der Klöster selber gedruckt werden. Man findet sehr gebildete junge Leute aus reichen Familien des Landes, welche in diesen wohltätigen Anstalten erzogen sind. Jetzt ist die griechische Geistlichkeit dem Beispiele der römisch-katholischen Mönche gefolgt und hat, mit dem Beistand wohlhabender Laien ihres Glaubens, ähnliche Institute gegründet.

*) Bei der nahen Verwandtschaft des Syrischen mit dem Arabischen müsste sich dies bald von selbst machen.


Beirut ist von einer baufälligen Mauer und zehn eben so baufälligen Türmen umgeben, die der leichtesten Artillerie wohl nicht länger als eine Stunde Widerstand leisten könnten; ihre eigentliche Bestimmung muss also wohl die sein, zu verhüten, dass etwas eingebracht werde, ohne vorgängige Erlegung eines unmenschlichen Zolles, der für heimische Erzeugnisse eben so hoch ist wie für auswärtige, welche letztere ihn schon bei der Ausladung am Ufer entrichten. Die Einnehmer lauern an allen Stadttoren, so dass arme Bewohner der Stadt und ihrer Umgebungen, seien sie Fischer, Gemüsehändler oder sonst etwas, den Zoll erlegen müssen, ehe sie ihre Ware verkaufen; außerdem dürfen sie diese nicht selbst auf Markt oder Straßen feil bieten, sondern müssen sie in Läden abliefern welche dieses Recht von den Paschas gekauft haben. Ist es bei solchem Drucke des einheimischen Handels ein Wunder, dass kein Schatten von Industrie vorhanden ist, der Land und Volk beleben könnte?

Die Zollämter werden gewöhnlich verpachtet; dies geschieht offenbar, um unmittelbare Berührung mit den ausländischen Kaufleuten zu vermeiden, welche, als unter dem Schutze ihrer Regierungen stehend, über die ohnmächtige Habsucht der türkischen Behörden spotten würden. Der Pächter von seiner Seite bemüht sich auf alle Weise, das Dreifache des von ihm erlegten Pachtgeldes einzulösen, von dem öffentlichen Nutzen gänzlich absehend; so liegt denn die ganze Last unmäßiger Abgaben auf den Eingebornen. — Die Pforte sieht gleichgültig darein, während Ausländer, den Druck der einheimischen Industrie zu ihrem Vorteil kehrend, in Scharen herbeikommen und die Schätze des ganzen Landes beinahe um nichts aufkaufen.

Die Gebirgsbewohner und die Landleute überhaupt, beschäftigen sich mit gar keinem Handwerke; ihre Kunst, das Land zu bauen, ist so erbärmlich, dass sie vor Hunger umkommen müssten, wenn ihnen die Natur nicht kräftigen Vorschub täte. Was sie an Seide, Wolle, Wein und Olivenöl gewinnen, das gehört seit einigen Jahren ausländischen Kaufleuten welche den Bauern gegen einen Zins von 20 bis 24 vom Hundert Geld vorstrecken. Die Eigentümer von Gärten und Grundstücken müssen die Möglichkeit, den an keine Zeit gebundenen Anforderungen der Regierung zu genügen, um hohen Preis erkaufen; darum rühmen sie Ausländer als ihre Schutzherren. Fabriken und Manufakturen im Besitze Eingeborner gibt es sehr wenige, und diese sind noch weit entfernt, vollkommen heißen zu können.

In Damaskus webt man seidene, halbseidene und baumwollene Stoffe, auch einige wollene; außerdem gibt es fast in jeder Stadt Gewerbeleute die seidene Schärpen anfertigen. Jaffa hat zwei Seidenfabriken. Aber alle die Erzeugnisse Eingeborner sind größtenteils grob, sehr selten mittelmäßig, werden wohlfeil verkauft, und ausschließlich an Ort und Stelle verbraucht.

Die übermäßige Menge der Abgaben ist die vornehmste Ursache des kläglichen Zustandes der Industrie bei einem Volke, das, im wahren Besitze seiner so ergiebigen Heimat, ein Muster des Kunstfleißes sein könnte, dessen Vorfahren die ersten Aufklärer der Menschheit, die Lehrer des Handels und der Seefahrt waren.

Außer der bekannten Kopfsteuer (dem Charadj), welche nur auf den unterworfenen Andersgläubigen lastet, außer der allgemeinen Grundsteuer und Abgabe von allen unbeweglichen Dingen, die Einkünfte geben, und welche Salgin heißt, bezieht die Regierung noch den sogenannten Usul von sämtlichen Erzeugnissen des Gewächs- und Tierreichs, von den Ackerbauern und Hirten; ferner den Resm von allen Handarbeiten; die Handarbeiter insbesondere müssen ein Zehntel von dem abgeschätzten Wert ihrer Arbeiten entrichten; endlich nimmt das Zollamt ein Zehntel von jedem Erzeugnisse der Natur oder Menschenhand, wenn es aus einem Orte nach einem anderen befördert wird, wenn auch beide Orte in den Grenzen eines und desselben Kreises liegen. Zu dem Allen muss der Handwerker das notwendige Material seiner Arbeiten vom Pascha annehmen, wenn es in den Vorratshäusern der Regierung sich befindet; auswählen ist nicht gestaltet und feilschen eben so wenig; Weigerung aber wird bestraft. Die zum Ankauf erforderliche Quantität bestimmt der Verkäufer.

Alle Ausländer sind im türkischen Reiche freier als die Vögel unterm Himmel; daher befindet sich der ganze äußere und innere Handel Syriens in ihren Händen. Eine kleine Zahl Eingeborner, die „Bevollmächtigte" heißen, ist bei den umfassenden Geschäften derselben beteiligt; eine noch geringere Zahl, die unter dem Schutz der fremden Konsulate steht, handelt auf eigne Rechnung; die Bemühungen beider Klassen haben Erfolg, da sie vom Druck der Regierung unberührt bleiben. Alle übrigen Untertanen, Christen wie Muselmänner, können ihren mühseligen Erwerb nicht als unveräußerliches Eigentum betrachten.

Obschon es in Syrien, außer Paschas und Truppen, gar keine Türken gibt, so bildet es doch immer eine Provinz der Pforte und sollte derselben Ruhe genießen und eben so blühend sein wie die übrigen Provinzen dieses Reiches (wenn diese unter dem Schütze der neuen Einrichtungen in der Tal so glücklich sind); aber mit den Gebirgsbewohnern sich zu vertragen wäre für keine Nation eine leichte Sache, und am wenigsten für den heutigen Türken, der im friedlichen Kaffeehause gar tapfer seine Nargile raucht, aber nach den unzugänglichen Festen des Libanon mit Schaudern blickt und mit dem brünstigen Gebete, dass es ihm nicht beschert werden möge, an den Adlern der Felsen seine Kräfte erproben zu müssen. Dafür ist er in den Mauern der von Batterien geschützten Stadt ein hochmütiger Zwingherr. Wehe aber den Gebirglern, die sich in die Ebene hinablassen! die türkische Obrigkeit schlummert nicht und presst sie aus, wo und wie es angeht, auf gesetzmäßige und gesetzwidrige Weise, ohne zu bedenken, dass solches Verfahren ihr selber größeren moralischen Schaden als materiellen Nutzen einbringt.

Für die Ruhe und Wohlfahrt der Bewohner zu sorgen, sollte die erste Sorge des Paschas sein, der mit dem Charakter eines Generalstatthalters von Syrien und Palästina in Beirut residiert; aber in Folge einer wunderlichen Mischung der neuen Einrichtungen mit den Unordnungen der vorigen Verwaltung des Landes, führt er nur einen hochtönenden Titel ohne alle Bedeutung. Das Fach der verschiedenen herrschaftlichen Einkünfte ist von ihm völlig unabhängig und gehört dem Defterdar. Alle türkischen Truppen in Syrien stehen unter den unmittelbaren Befehlen des Serdar, der gleichfalls vom Pascha unabhängig ist. Die ganze Rechtspflege ruht noch immer in den Händen der Geistlichkeit: der Scheich-ul-Islam zu Konstantinopel ernennt alljährlich drei Mullas in Damaskus, Aleppo und Jerusalem; diese vergelten ihm mit ansehnlichen Summen und verkaufen hinwiederum die zu ihrer Verfügung stehenden Subalternstellen an die Kadi's und Nakib's, welche von ihrer Seite mit dem Recht auf gewissenlose Weise Handel treiben.

Der Pascha hat nur die vollziehende Gewalt: in den Städten ist er Vorgesetzter des Gefängnisses, Austeiler der Strafen, Kurator der Märkte und anderer öffentlichen Orte, in den Bezirken und Bergen bedeutet seine Macht noch weniger, weil die Verwaltung dieser ganz abgesondert und den Häuptern der Stämme anvertraut ist. Da wirkt Seine Herrlichkeit nur mittelst Vermahnungen an Aufrührer und Ruhestörer; dahin schickt er in reichem Maße Drohungen, die niemals sich verwirklichen, da er aller notwendigen Mittel zu raschem und entschiedenem Handeln bar ist; denn zu seiner Verfügung stehen weder Geldsummen noch Streitkräfte, wenn man seinen, freilich ungeheuren Gehalt und seine fünfzig Polizeisoldaten (Kawase) abrechnet. Er muss auf die Gewalt seiner (selten überzeugenden) Beredsamkeit rechnen, oder um die Hilfe des Serdar und Mitwirkung des Defterdar anhalten, und, wenn diese verweigert wird, höhere Resolutionen aus Konstantinopel abwarten.

Als Ibrahim-Pascha, der kriegerische Sohn und die rechte Hand Mehemed-Alis von Ägypten, im Namen und zum Besten seines Vaters Syrien verwaltete, war seine erste Sorge die Herbeiführung von Ruhe und Ordnung in den Bergen, als notwendige Bedingung des allgemeinen Wohlstandes. Weil er aber einsah, wie schwierig es war, die fast unzugänglichen Bergbewohner der allgemeinen Verwaltung des Landes zu unterwerfen, so wählte er aus ihrer eignen Mitte die Familie Schaab, die ältesten und berühmtesten der muhammedanischen Emire, und erteilte dem ältesten Glied ihrer vornehmsten Linie das Recht der Erbfolge mit dem Charakter eines Fürsten der ganzen Bevölkerung des Gebirges, welches nur seiner (Ibrahims) persönlichen Macht unmittelbar unterworfen sein sollte. Diese tief ausgedachte Maßregel rechtfertigte Ibrahims Hoffnungen, wie auch der Emir Schaab sein Vertrauen rechtfertigte.

Die Umwälzungen des Jahres 1840 veränderten Alles wieder. Als Ibrahim gezwungen ward, der Pforte ihr älteres Recht auf Syrien und Palästina abzutreten, da musste auch die Familie Schaab, weil sie im Interesse Ibrahims an dem Kampfe eifrigen Anteil genommen, die von ihm erhaltenen Rechte preisgeben. Der abgesetzte Emir Beschir-Schaab lebt unter strenger Aufsicht in Konstantinopel, bemüht sich aber ohne Unterlass um seine Rückkehr nach dem Libanon mit allen früheren Rechten und wiegelt unterdes mit Hilfe seiner Freunde die Gemüter der Gebirgsbewohner auf.

Jetzt ist die frühere erbliche Gewalt der Familie Schaab unter drei Kaimakame verteilt: einen christlichen, drusischen und muhammedanischen. Der erste, Emir Haider, Maronit von Salim, wohnt beständig in Beirut und regiert über den ihm anvertrauten Teil des Gebirges östlich von dieser Stadt; der andere, Ahmed-Rossalan, wohnt auf seinem Landsitze Schjusfat; seiner Gerichtsbarkeit sind ebenfalls viele Maronitendörfer zugewiesen, die südöstlich von Beirut bis Sur liegen. Der dritte, Mustafa-Bei, früher Oberst bei der Garde in Konstantinopel, gebietet über einen unbedeutenden Teil des Libanon an der Uferlinie zwischen Beirut und Tripolis und wohnt in dem Städtchen Djibail am Meere.

Alle übrigen Höhen des Libanon, wie auch die Bergdistrikte des Antilibanon, sind von friedlichen arabischen Stummen, teils griechischer, teils muhammedanischer Konfession, bevölkert; sie stehen unter Scheichen, Emiren, oder geistlichen Oberhäuptern, die sämtlich dem Pascha von Aleppo oder dem von Damaskus untergeben sind, wie die vorerwähnten drei Kaimakame in verantwortlicher Abhängigkeit von dem Pascha von Beirut sich befinden. Diese drei Herren haben über sehr beschränkte Geldmittel und Streitkräfte zu verfügen und ihre Macht ist obendrein durch einen Rat ein-. geschränkt, der aus den hochmütigen und brauseköpfigen vornehmsten Scheichen der einzelnen Stämme besteht, denen die Bevölkerungen ihrer kleinen Gebiete sehr ergeben sind. Der Pascha von Beirut hat keinen Augenblick Ruhe: bald muss er versöhnen, zureden, verheißen, bald drohen und fordern; denn alle diese Scheiche, obschon unter einander verwandt, sind einander feindlich gesinnt, wobei es sich bald um Einkünfte, bald um Erstgeburt u. dergl. handelt. Als nächste Anverwandten der Kaimakame, beneiden sie diese ob des Vorzugs, den ihnen die Pforte bewiesen; und da sie unaufhörlich unter einander hadern, so lassen sie die Einwohner ihrer Dörfer sich raufen, ohne davon Anzeige zu machen. Die Kaimakame, obgleich ohne Mittel zu Züchtigung der Widerspenstigen, müssen der Regierung für die Unordnungen in ihren Gebieten Rede stehen. — Die Scheiche der Drusen bedrücken und berauben die ihnen untergebenen Maronitendörfer auf eine unbarmherzige Weise; die Letzteren wieder krümmen sich nicht leicht vor der Tyrannei und wollen nicht einmal das Schuldige ohne Kampf und Blutvergießen abgeben. So vergehen nicht zwei Wochen, ohne dass es im Gebirge zu Exzessen kommt.

Generalstatthalter von Syrien ist gegenwärtig Essad-Pascha, ein Greis von wenigstens 65 Jahren. Er ist noch sehr frisch und rüstig; der trockne und finstere Ausdruck seines Gesichts nimmt das erste Mal nicht für ihn ein; aber sein schweigsamer Ernst, die beständige Ruhe auf der gerunzelten Stirn und der silbergraue Bart erwecken unwillkürlich Ehrfurcht. Essad war ein tapferer Mitkämpfer Sultan Mahmuds, als es verjährte Vorurteile zu besiegen und Missbräuche abzuschaffen galt; er hält es aber noch mit dem alten Henkerverfahren, wenn ein Aufruhr zu unterdrücken ist. Auch in seinem Privatleben, seinen häuslichen Gewohnheiten, ist er, was seine Voreltern gewesen; er liebt den Luxus und gedankenlose Behäbigkeit, oder was wir geradezu Faulheit nennen würden. Wie wichtig auch die Angelegenheiten seien, die man ihm vorträgt, wie lebhaft und glühend der Vertrag selber; seine Kaltblütigkeit verlässt ihn keinen Augenblick; er antwortet trocken, kurz und unbestimmt: seine eine Hand hält den langen Tschubuk, während die andere ruhig den grauen Bart streichelt; es scheint als wär er unempfindlich gegen Vorteil und Nachteil des Staates, und noch mehr des Landes das seiner Verwaltung anvertraut ist. Bei dem Allem ist Essad noch einer der verständigsten Regierer in der Türkei: er versteht es, die Wahrheit und gute Ratschläge von den schädlichen Eingebungen des Eigennutzes zu unterscheiden.

Halil-Pascha, der Großadmiral, zeitweilig in Beirut residierend, ist nach Syrien geschickt worden, um Ruhe und Ordnung im Gebirge einzuführen. Das hochwichtige Amt unmittelbarer Verfügung über alle nautischen Streitkräfte des Osmanischen Reiches lässt uns in ihm einen Mann von umfassenden Kenntnissen voraussetzen, einen Seemann, den vieljährige Erfahrung befehlen und mit den Elementen kämpfen gelehrt: sein gegenwärtiges Amt aber gibt uns das Recht, in ihm einen aufgeklärten Staatsmann zu sehen.

Halil-Pascha verdankt alle seine Ehren, wie seinen Titel „Durchlaucht," der verstorbenen Tante des heutigen Sultans, deren Ehemann zu sein er das Glück hatte. Jetzt ist er etwa fünfzig Jahr all, sieht aber jünger aus als vierzig. Kaum von mittlerer Größe, hat er eine starke Beleibtheit. Er war einmal in Frankreich, dann in Petersburg; daher man in seiner Lebensweise und seinem Umgang mit Menschen eine anmutige Mischung asiatischer Üppigkeit mit dem verfeinerten Geschmack Europas bemerkt. Seit seiner Ankunft belebte sich Beirut etwas durch Paraden, Festlichkeiten, Feuerwerke. Seine Militärmusik ist vorzüglich: auch scheint Halil-Pascha gewöhnt, beim Essen, Einschlafen und Erwachen sich etwas vorspielen zu lassen.

Halil hat sich hinter der Stadt eine kleine Villa erbaut, wo er nach seinen Spaziergängen ausruht, die eben so häufig und glänzend sind, wie seine Umritte durch die Stadt. Vor ihm her zieht ein Haufen Kawase mit Musik; hinter ihm kommt eine zahlreiche Suite und den Schluss des Zuges bildet eine Kompagnie Soldaten in Paradeuniform. Man könnte Seine Durchlaucht eher für einen reichen reisenden Privatmann, den Besitzer eines unerschöpflichen bezauberten Geldbeutels, ansehen, als für einen Großbeamten, welcher den Zustand einer ganzen Provinz zu verantworten hat.

Nemik-Pascha und Reschid-Pascha, unter deren Befehlen die türkische Armee in Syrien steht, sind bekannt wegen ihrer Tapferkeit im Felde und ihrer feinen, in Paris erworbenen Bildung. Mit Reschid hatten wir unlängst Gelegenheit, bekannt zu werden und der Kriegsbefehlshaber entsprach ganz unseren Erwartungen.

Obwohl die arabischen Bewohner Syriens wegen Verschiedenheit des Glaubens und der Meinungen einander als feindliche Parteien gegenüberstehen, so zeigen sie uns doch auffallende Übereinstimmung in Sitten, Gebräuchen, Leidenschaften und natürlichen Anlagen. Die allgemeinen, auszeichnenden Züge ihres Charakters sind kriegerischer Sinn, Gastfreiheit und Neigung zum Handeln. Ihre Ehrfurcht vor dem Alter ist so groß, dass z. B. der jüngere Bruder den älteren ehrt, wenn dieser auch von Seiten seiner Aufführung es gar nicht verdient. Eben so beweist man Krüppeln und Blödsinnigen große Ehrerbietung. Der rohe Lastträger, der mit seiner Last dem glänzenden Zug eines Paschas kaum ausweicht, tut dies immer, wenn er einem Verstümmelten begegnet. Die Liebe der Eltern zu den Kindern ist eben so unbegrenzt, wie die Ehrfurcht dieser vor jenen.

Man könnte hiernach mutmaßen, dass das Weib in seiner Familie wie in der Gesellschaft eine hohe Stelle einnehme, dass erstere im Weibe ihre irdische Vorsehung erblicke und letztere, die physische Schwäche des anderen Geschlechtes ehrend, ihm ehrerbietige Aufmerksamkeit beweise. Es ist aber das Los der Weiber im Gegenteil ein sehr trauriges; ohne physische und sittliche Freiheit, genießt die Frau weder der heiligen Mutterrechte, noch der Achtung die einer Gattin zukommt; in der Meinung der Gesellschaft ist sie wenig mehr, als ein nützliches Tier; der Mann sieht in ihr eine Sklavin die seinen Gelüsten ohne Widerrede dienen muss; er hat ihre Existenz gekauft. Auch der christliche Syrer hält sich an die muhammedanische Sitte, sein Weib zu kaufen; nur bezahlt er viel weniger für sie.

Das Weib führt hier nur ein physisches Leben; die schöne ideale Seite des Lebens ist ihr verhüllt; und fühlt sie einmal in sich das Dasein einer unsterblichen Seele, so ist dies wahrscheinlich erst in den letzten Augenblicken der Fall, wann der Todesengel, den dichten Schleier der Unwissenheit hinwegziehend, der sie von ihrer Geburt an umzog, ihre Blicke mit der Erkenntnis einer geistigen Welt erleuchtet.

Die Syrer fühlen im Allgemeinen eine glühende Liebe zu ihrem schönen Vaterlande und jeder Stamm insonderheit schätzt seine märchenhafte Abkunft hoch und ist stolz auf seine oft eingebildeten Vorfahren, deren Name ihm gleichsam ein erbliches Nationalheiligtum ist. Selbst die Bewohner eines jeden Dorfes lieben ihr heimatliches Tal, ihre väterlichen Hüllen im höchsten Grade, und halten es für eine Ehre, den Namen des Dorfes ihrem Namen beizufügen.

Die syrischen Araber lieben den Ruhm; allein sie kennen die Bedingungen der Ehre nicht. Sie sind kühn, dabei aber umgänglich, höflich und geschmeidig. Der Araber weicht einem Streite aus, kann aber Beleidigungen, selbst unabsichtliche, nie vergeben; er verhöhnt keinen Schwachen, aber keine feindliche Macht erschreckt ihn. Die Drusen, von afrikanischer Abkunft, sind an lobenswürdigen Eigenschaften hinter den übrigen arabischen Stämmen weit zurückgeblieben. Jedes Exzesses fähig, achten sie nicht einmal das Recht der Gastfreundschaft; der Druse kann zwar ein frecher Räuber sein, aber kein braver Soldat, viel weniger ein Mann von ritterlichen Tugenden.

Die Araber Syriens besuchen gern, wie die Türken, öffentliche Orte, wo sie bei Tabak und heißem Kaffee sich gütlich tun. Aber geräuschvolle, lebhafte, einnehmende Gespräche beleben ihre Gesellschaften, welche den langweiligen Zusammenkünften der Türken sehr unähnlich sind; denn in diesen herrscht ein mürrisches Schweigen, das nur von Zeit zu Zeit durch einförmige Erkundigungen nach der Gesundheit und entsprechende Antworten unterbrochen wird. Der Syrer wirkt und schafft, ohne jemals über die Folgen eines übereilten Schrittes nachzudenken. Er geht den Gefahren kühn entgegen, erträgt widrige Schicksale mit Gleichmut, vergisst im Kriege das Bedürfnis nach Erholung, die Qualen des Hungers und Durstes. Allein er versteht es besser, mit Stolz zu dulden als im Glücke mäßig und gegen den überwundenen Feind barmherzig zu sein.

Um von dem Charakter des Morgenlandes ein deutliches Bild zu bekommen, müssen wir alle unsere Vorstellungen umkehren: wo man bei uns anfängt, da endet man dort. Dies gilt eben sowohl von den Schriftzügen als von jedem, selbst dem kleinsten Zuge des öffentlichen und häuslichen Lebens.

Das Erste, was beim Landen an dem Zaubergestade des blütenreichen Ostens unsere staunende Aufmerksamkeit erregte, waren die Friedhöfe. Die Ehrerbietung, welche die Lebenden hier den Verstorbenen beweisen, hat mit unseren europäischen Sitten nichts gemein und verdient in jeder Hinsicht Bewunderung und Nachahmung; sie trübt den ungewohnten Blick wie ein Vorwurf des Gewissens, wie ein unwiderlegliches Zeugnis von der Nichtigkeit einer glänzenden Bildung im Vergleiche mit der Größe und Macht des entfesselten Geistes. Die unüberwindliche Scheu vor Gräbern, welche in den Herzen meiner Landsleute, selbst gebildeter weiblicher Wesen, wohnt, ist einem Syrer ganz unbekannt: bei uns wird ein Verstorbener fast einem schreckenden Gespenste gleich geachtet; hier ist er ein Heiligtum. Man beerdigt die teuren Überreste der Seinigen unter dem besten Baume des zum Hause gehörenden Gartens, oder wenigstens so nahe als möglich den Wohnungen, an einer beliebten Stelle des abendlichen Spazierganges. Daher kann man hier weder in, noch außer der Stadt einen Schritt tun, ohne an den Tod erinnert zu werden.

Begräbnisplätze in den Gärten reicher Häuser sind in ganz Syrien etwas Gewöhnliches, und zwar ohne Unterschied des Bekenntnisses. Nur die Hebräer wählen gern abgelegene Orte und Berghöhlen zu Gräbern: auch pflegen ihre Leichenzüge bei nächtlicher Weile vor sich zu gehen, weil nach der Abwaschung weder der Leichnam noch seine Träger von einem Andersgläubigen berührt werden dürfen; sonst ist dem Verstorbenen, nach ihrer Meinung, der Eintritt ins Paradies verwehrt.

Als wir eines Tages von einem Spaziergange zurückkamen, sahen wir eine eben so schreckliche als wunderliche Leichenfeier: es wurde ein alter Druse bestattet, der in einem Kampfe mit den Maroniten geblieben war. Sein auf einem Brett liegender und mit einem Mantel bedeckter Körper war auf ein Karneol gebunden; ein Mensch führte das Kamel an einem langen Seile, und heulte und schluchzte dazu, wie ein Verzweifelter; hinter her gingen zwei Weiber, die gleich Furien sich gebärdend und gezückte Säbel schwingend, die glänzenden Taten des Verstorbenen mit wilder Stimme besangen. Den Zug beschloss ein halbes Hundert Verwandten und Freunde; auch diese machten unaufhörlich seltsame Bewegungen mit dem ganzen Körper und stießen von Zeit zu Zeit ein durchdringendes Geschrei aus.

Die Christen aller Bekenntnisse begraben ihre Entschlafenen bei ihren Kirchen hinter der Stadt; der in Überfluss vorhandene Marmor gibt Allen die Mittel, über den Gräbern große Fliesen zu errichten. Diese Monumente dienen bei den Leichenmahlen als Tische. Die Katholiken legen ihre Kirchhöfe hinter hohen Mauern an abgelegenen Orten an; die Muselmänner wählen zu diesem Zwecke hohe Uferstellen und überhaupt malerische Orte.

Die Araber, in jeder Nahrung enthaltsam, lieben auch geistige Getränke nicht sehr; daher gibt es an ihren Feiertagen keine eignen Gerichte oder Getränke, noch weniger Überfüllung mit Speisen oder Saufgelage. Immer genießen sie denselben bitteren Kaffee, dasselbe Pilan und fette Hammelfleisch, mit allerlei Obst und Grünem dazu; nur viele Blumen und Süßigkeiten schmücken den Tisch, und der Kaffee wechselt immer mit Kühltränken. Dafür sind aber die Anzüge kostbar, Musik und Lieder verstummen keine Minute, und heitere Spiele beleben Alt und Jung.

Die Geburt eines männlichen Kindes ist eines der frohsten und am längsten sich fortsetzenden Familienfeste; die glückwünschenden Besuche der Verwandten, Freunde und Bekannten, welche Alle für den Neugeborenen Geschenke mitbringen, dauern acht Tage lang: Kaffee und Schorbet, Pilau und Zuckerwaren werden vom Morgen bis zum Abend unaufhörlich herumgereicht. Die Geburt eines Mädchens veranlasst kein solches Entzücken; man feiert sie nur in weiblichem Kreise.

Das Land ist mit einer großen Menge Traditionen angefüllt. Viele derselben erhalten sich in unzähligen Handschriften, die, zugleich mit dem Beruf eines Märchenerzählers, vom Vater auf den Sohn übergehen. Der Märchenerzähler liest im Kaffeehause jeden Abend volle zwei Stunden aus seinem angeerbten Buche; er liest mit starker, lauter Stimme, und macht zu vielen Stellen lange selbständige Bemerkungen, die ihm, wenn sie recht geistreich sind, einen doppelt so großen Zuhörerkreis und folglich auch doppelte Einnahme verheißen.

In Rast-Beirut (s. oben), mehr als eine Stunde von der Stadtmauer, liegt über dem Meer die „Taubenhöhle“, so benannt von den vielen Tauben die in derselben ihre Nester bauen. Außer diesen Vögeln ist Niemand hineingekommen, Niemand hat ihre Tiefen ausgemessen. Das Volk fürchtet sich, des Nachts an der Höhle vorbeizugehen, weil, der Sage gemäß, im hohen Altertum ein unreiner Geist oder böser Zauberer, nachdem er einem der Könige von Berytos seine schöne Tochter gestohlen, sie in den unerforschten Abgrund dieser Höhle führte und ihr daselbst fleischfressende Vögel von scheußlicher Gestalt und ungeheurer Größe zu nimmer schlafenden Wächtern gab. Viele glauben und machen Andere glauben, dass jene Fürstentochter immer noch lebe, aber in ewigem Zauberschlafe liege, auf goldenem und mit Edelsteinen besetztem Lager, deren Schimmer wie Sonnenlicht die Mauern des unterirdischen Palastes erhelle. — Die muhammedanischen Araber halten das Andenken eines alten Scheich Negr sehr hoch, dessen Monument auf einem das Meer überhängenden steilen Felsen, hinter hohen Steinmauern, errichtet ist. Dieser Scheich soll in der Mitternacht seinem Grabe entsteigen und, bis zu den Wolken emporwachsend, die Vorübergehenden oft erschrecken. Dies glauben jedoch nur seine Anhänger.

In der Gegend von Tripoli befindet sich, so sagt man, ein kleines verzaubertes Haus, angefüllt mit Gold und Silber, Perlen und Smaragd. Die Tür bewegt sich von selbst in ihren Angeln, kein Ungeheuer bewacht den Eingang, und wer Lust hat, der kann aus- und eingehen, ohne besorgen zu müssen, dass eine unsichtbare Gewalt die schweren Torflügel auf ewig hinter ihm schließe. Hat er aber von dem kostbaren Inhalt des Häuschens etwas zu sich gesteckt, so werden beim Hinaustreten seine Hände, Taschen oder Beutel augenblicklich wieder leer, und er selbst wird wahnsinnig. Ein Araber der uns dies erzählte, setzte hinzu, irgend ein verständiger Statthalter habe, weil diese Täuschung täglich Menschen zu Grunde richtete, die Tür des kleinen Gebäudes vermauern lassen.

Die Vorurteile grassieren in Syrien, wie anderswo, als epidemische Krankheiten unter dem Volke. Menschen ohne geistige Bildung, aber von glühender Einbildungskraft, bringen die zerstreuten Lehrsätze des Aberglaubens in eine Art von System, zu welchem die große Mehrheit ihrer Landsleute sich willig bekennt. So z. ß. erfüllt das anhaltende nächtliche Bellen eines Hundes den Bewohner des Hauses, vor welchem er verweilt, mit Grausen: er nimmt eine Lampe, sieht verstohlen aus seinem Fenster, und wehe dem armen Hunde, wenn Jener bemerkt, dass er beim Bellen den Kopf zur Erde niederbückt! Der erschrockene Hausherr ladet ohne Zögern seine Flinte, ruft: „es komme über dein Haupt, verfluchtes Tier!“ und eine Kugel fährt in die verwegene Kehle, die es gewagt hat, dem Manne seinen nahen Tod zu verkünden. Richtet der Hund beim Bellen die Schnauze aufwärts, so wartet seiner am Morgen ein leckeres Frühstück, weil er den Besitzer des Hauses vor einem drohenden Unglücke gewarnt hat; dieser aber beunruhigt sich wieder, so dass er mehrere Nächte nicht schlafen kann. Eine Verfinsterung der Sonne oder des Mondes ist alle Mal für die ganze Bevölkerung Syriens ein entsetzliches Ereignis. Das unerwartete Erscheinen verschiedener Vögel auf Häusern und ihr plötzliches Verschwinden bedeutet Unglück. Der Storch, Vertilger der Schlangen und anderen Ungeziefers, ist jedem Hause ein willkommener Gast; das Volk ehrt ihn wie einen guten Genius, und ein Knabe, der nach Störchen mit einem Steine geworfen, wird scharf gezüchtigt. Wenn ein Pferd grimmig den Boden stampft, so fürchtet sein Herr Begegnung mit einem Feinde und trifft Maßregeln der Vorsicht; wiehert es aber und streckt dabei den Hals aus, so bedeutet dies zum Abend Wiedersehen eines Verwandten oder Freundes. Die Ratten gelten in Syrien für Vertraute der Pestilenz.

Wir beklagen, dass es uns nicht vergönnt gewesen ist, einer arabischen Hochzeit beizuwohnen. Was wir von den hochzeitlichen Gebräuchen erfahren haben, ist folgendes. Einige Tage vor der Trauung begibt sich der Bräutigam in Begleitung seiner Freunde und eines Trupps Musikanten feierlich nach dem Hause seines künftigen Schwiegervaters. Die Braut darf Ohrenzeugin von Allem sein, was bei dieser Gelegenheit gesprochen wird, muss aber mit geschlossenen Augen und zusammengekniffenem Munde dastehen. Offiziell sieht sie den ihr zugedachten Mann erst am Tage der Trauung; es ist ihr aber nicht verwehrt, heimlich und verstohlen nach ihm zu blicken, wenn er einmal über die Straße geht.