Fünfte Fortsetzung

Halil-Pascha, der Großadmiral, zeitweilig in Beirut residierend, ist nach Syrien geschickt worden, um Ruhe und Ordnung im Gebirge einzuführen. Das hochwichtige Amt unmittelbarer Verfügung über alle nautischen Streitkräfte des Osmanischen Reiches lässt uns in ihm einen Mann von umfassenden Kenntnissen voraussetzen, einen Seemann, den vieljährige Erfahrung befehlen und mit den Elementen kämpfen gelehrt: sein gegenwärtiges Amt aber gibt uns das Recht, in ihm einen aufgeklärten Staatsmann zu sehen.

Halil-Pascha verdankt alle seine Ehren, wie seinen Titel „Durchlaucht," der verstorbenen Tante des heutigen Sultans, deren Ehemann zu sein er das Glück hatte. Jetzt ist er etwa fünfzig Jahr all, sieht aber jünger aus als vierzig. Kaum von mittlerer Größe, hat er eine starke Beleibtheit. Er war einmal in Frankreich, dann in Petersburg; daher man in seiner Lebensweise und seinem Umgang mit Menschen eine anmutige Mischung asiatischer Üppigkeit mit dem verfeinerten Geschmack Europas bemerkt. Seit seiner Ankunft belebte sich Beirut etwas durch Paraden, Festlichkeiten, Feuerwerke. Seine Militärmusik ist vorzüglich: auch scheint Halil-Pascha gewöhnt, beim Essen, Einschlafen und Erwachen sich etwas vorspielen zu lassen.


Halil hat sich hinter der Stadt eine kleine Villa erbaut, wo er nach seinen Spaziergängen ausruht, die eben so häufig und glänzend sind, wie seine Umritte durch die Stadt. Vor ihm her zieht ein Haufen Kawase mit Musik; hinter ihm kommt eine zahlreiche Suite und den Schluss des Zuges bildet eine Kompagnie Soldaten in Paradeuniform. Man könnte Seine Durchlaucht eher für einen reichen reisenden Privatmann, den Besitzer eines unerschöpflichen bezauberten Geldbeutels, ansehen, als für einen Großbeamten, welcher den Zustand einer ganzen Provinz zu verantworten hat.

Nemik-Pascha und Reschid-Pascha, unter deren Befehlen die türkische Armee in Syrien steht, sind bekannt wegen ihrer Tapferkeit im Felde und ihrer feinen, in Paris erworbenen Bildung. Mit Reschid hatten wir unlängst Gelegenheit, bekannt zu werden und der Kriegsbefehlshaber entsprach ganz unseren Erwartungen.

Obwohl die arabischen Bewohner Syriens wegen Verschiedenheil des Glaubens und der Meinungen einander als feindliche Parteien gegenüberstehen, so zeigen sie uns doch auffallende Übereinstimmung in Sitten, Gebräuchen, Leidenschaften und natürlichen Anlagen. Die allgemeinen, auszeichnenden Züge ihres Charakters sind kriegerischer Sinn, Gastfreiheit und Neigung zum Handeln. Ihre Ehrfurcht vor dem Alter ist so groß, dass z. B. der jüngere Bruder den älteren ehrt, wenn dieser auch von Seiten seiner Aufführung es gar nicht verdient. Eben so beweist man Krüppeln und Blödsinnigen große Ehrerbietung. Der rohe Lastträger, der mit seiner Last dem glänzenden Zug eines Paschas kaum ausweicht, tut dies immer, wenn er einem Verstümmelten begegnet. Die Liebe der Eltern zu den Kindern ist eben so unbegrenzt, wie die Ehrfurcht dieser vor jenen.

Man könnte hiernach mutmaßen, dass das Weib in seiner Familie wie in der Gesellschaft eine hohe Stelle einnehme, dass erstere im Weibe ihre irdische Vorsehung erblicke und letztere, die physische Schwäche des anderen Geschlechtes ehrend, ihm ehrerbietige Aufmerksamkeit beweise. Es ist aber das Los der Weiber im Gegenteil ein sehr trauriges; ohne physische und sittliche Freiheit, genießt die Frau weder der heiligen Mutterrechte, noch der Achtung die einer Gattin zukommt; in der Meinung der Gesellschaft ist sie wenig mehr, als ein nützliches Tier; der Mann sieht in ihr eine Sklavin die seinen Gelüsten ohne Widerrede dienen muss; er hat ihre Existenz gekauft. Auch der christliche Syrer hält sich an die muhammedanische Sitte, sein Weib zu kaufen; nur bezahlt er viel weniger für sie.

Das Weib führt hier nur ein physisches Leben; die schöne ideale Seite des Lebens ist ihr verhüllt; und fühlt sie einmal in sich das Dasein einer unsterblichen Seele, so ist dies wahrscheinlich erst in den letzten Augenblicken der Fall, wann der Todesengel, den dichten Schleier der Unwissenheit hinwegziehend, der sie von ihrer Geburt an umzog, ihre Blicke mit der Erkenntnis einer geistigen Welt erleuchtet.