Erste Fortsetzung

Die erste Stelle unier den tierischen Bewohnern Syriens kommt von Rechtswegen den Eseln und Maultieren zu, welche alle Mühen des Menschen teilen. Die Pferde zeichnen sich durch Kraft, Behendigkeit und Schönheit aus, auch sind sie ziemlich wohlfeil; doch bedienen sich ihrer nur die Vornehmen des Landes, Europäer und Reisende. Das Hornvieh ist von tüchtigem Schlage, wird aber in geringer Zahl gezogen und nur zum Feldbau verwendet. Aus der Kuhmilch bereiten die Eingebornen ziemlich gute Butter und kleine weiße Klumpen von schlechtem versalzenem Käse. Die Schafe geben den Merinos an Güte nichts nach; im Innern und in den Bergen finden große Herden derselben fette Weideplätze. Ihre Wolle schickt man in großen Ballen nach Europa, von wo sie oft in allerlei Formen teuerer und wohlfeiler gewebter Stoffe zurückkehrt, um die lässigen Eingebornen zu beschämen. Aus der Schafmilch machen die Syrer ebenfalls Butter und Käse.

Die im Überfluss gewonnene Seide hat mit der Wolle gleiches Schicksal. — Kamele unterhält man in großer Anzahl; sie sind aber teuer, weil sie zum Transporte der Lasten und Waren allgemein gebraucht werden.


Von wilden Tieren gibt es viele Eber (in Bergen und Wäldern), auch Hasen, Kaninchen u. dergl. Das Chamäleon ist in Gärten keine Seltenheit: es ist eine Art Eidechse, aber ohne Schwanz (?) und einem Frosche ähnlich;*) sie springt nicht, läuft aber sehr schnell, klettert leicht auf Bäume, und nimmt willkürlich verschiedene Farben an, die sie mit jedem Augenblicke wechselt. — Gazellenherden können für zeitliche Besucher der üppigen Weideplätze von Palästina gelten. Schakale sind sehr zahlreich; bisweilen trifft man auch Parder. Die Bewohner Syriens lieben nicht beschwerliche und gefährliche Jagden; aber viele Araber der Wüste, deren ganze Habe in ihrem Pferd und ihrer langen biegsamen Lanze besteht, lassen sich auf solche Abenteuer ein und kommen so in den Besitz junger Parder, die sie alsdann in Städten ziemlich teuer verkaufen. Hat der Beduine das Lager eines Weibchens aufgespürt, so lauert er wohl ein paar Tage lang im Hinterhalt, bis die Tigerin sich einmal entfernt hat, um Nahrung zu holen; dann bemeistert der kühne Jäger sich der Jungen, steckt sie in einen Sack und bringt sie auf seinem Pferde heim. Oft kehrt die Tigerin, als ob sie ein Unheil ähnele, sehr bald zurück, verfolgt mit verzweifeltem Brüllen die frische Spur des Räubers und holt ihn ein. Dieser wirft ihr eines der Jungen zu. Die erfreute Mutter trägt es eilig in ihre Höhle und kommt wieder, ein anderes abzuholen. Auf diese Weise reitet sie zuweilen einige ihrer Kinder, zuweilen alle, von der Knechtschaft. Je weniger Parderkätzchen also der Jäger gefunden, desto zweifelhafter sein Erfolg, desto gefährlicher seine Flucht, weil die Tigerin, wenn sie ihr letztes Kind befreit hat, nun wiederkommt um an dem Feind Rache zu nehmen.

*) Das Chamäleon ist nicht ungeschwänzt, sondern mit einem Wickelschwanze versehen. Es bildet die Zunft der Wurmzüngler (vermilinguia).

Die häusliche Geflügelzucht ist in gänzlichem Verfalle; das meiste Federvieh kommt aus Zypern, Palästina und Ägypten. Von wildem Geflügel findet sich die Feigendrossel zur Sommerzeit sehr häufig in Gärten; es ist ein kleiner Vogel wie ein Sperling; aber der liebliche und zarte Geschmack seines Fleisches kann mit nichts verglichen werden. Im Winter gibt es Rebhühner, welche man ob der Schönheit ihrer Federn häufig in Käfigen unterhält; ihr Fleisch ist zart und sehr weiß. Schnepfen, von der Kälte aus den Bergen vertrieben, kommen scharenweise in die Gärten von Beirut.

Die Obstarten, in ungezählter Mannigfaltigkeit, sind wohlschmeckend und wohlfeil; unter ihnen kann man die Bananen allen übrigen vorziehen. Das Fleisch dieser gurkenähnlichen Frucht ist durchscheinend gelb, zart und überaus aromatisch, wie das der Ananas. Syrien hat einen Reichtum an Feigen, Weintrauben, Granatäpfeln, Pomeranzen u. s. w. Ganze Haine von Olivenbäumen würden allein schon hinreichen, um alle Bedürfnisse der Eingebornen zu befriedigen, da sie jedes Jahr Öl für mehrere Millionen erzeugen, das größtenteils nach Frankreich ausgeführt wird, wo man Seife daraus bereitet. Äpfel wachsen in Damaskus, sind aber schlecht und teuer; von Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren und anderen Beerenarien hat man hier gar keine Vorstellung. Zirbelnüsse werden in Überfülle eingesammelt. Man behauptet, dass die Frucht der allen Zedern des Libanon keine Nuss war, sondern etwas ganz anderes, und dass sie jetzt nicht mehr vorkommt. Nur drei oder vier alte Bäume sollen noch stehen, die man für echte Zedern erklärt; sie sind aber abgestorben. Viele Gegenden Syriens, besonders die Gärten im Gebirge und die Ebenen von Damaskus und Antiochien, erzeugen Rosen von allerlei Farben in Fülle; die großen roten und sehr wohlriechenden schmecken etwas bitter und beißend; man destilliert einiges Öl und Wasser aus denselben; aber die Blättchen der süßen roten und weißen Rosen geben ein vortreffliches Eingemachtes. Arbusen und Melonen bringt man aus Palästina, Zypern und Ägypten nach Beirut. Andere Küchengewächse sind auch in Fülle vorhanden, stehen aber den russischen an Güte weit nach. Zuckerrohr wächst zwar in den Ebenen, besonders um Saida; allein die Sorglosigkeit oder Unwissenheit der Araber macht dieses kostbare Erzeugnis fast nutzlos; nur an heißen Tagen saugt man gern den süßen Saft aus demselben.

Über die Mineralien kann ich nichts Gewisses sagen. Die Araber und Türken begnügen sich mit dem, was sie an der Oberfläche des Bodens finden. Unter Ibrahim-Paschas Verwaltung wurde ein Steinkohlenlager entdeckt, dem aber die türkische Regierung noch keine Aufmerksamkeit zuwendet. Auch entdeckte man in den Bergen der Drusen — so heißt es — irgend einmal ein Kupferlager; aber die Drusen beeilten sich, seine Spuren wieder zu verbergen, damit die Entdeckung sie nicht neuen Bedrückungen des Paschas aussetzte; jetzt geht das Gerücht davon wie eine Sage im Volke um. Die Berge beider Ketten, als Urgebirge, enthalten Granit, Marmor, und bisweilen Porphyr; auch soll man schon zufällig Edelsteine gefunden haben.

Unter der Bevölkerung Syriens gehurt die erste Stelle den verschiedenstämmigen Bewohnern des Libanon und Antilibanon, die teils Christen, teils muhammedanische Häretiker sind. Man kann diese Völkchen die Seele des Landes nennen; ihnen ist die Aufmerksamkeit der türkischen Regierung zugewendet, mit welcher sie, wo nicht immer, so doch noch auf lange Zeit in Verhältnissen der Unfreundlichkeit und gegenseitigen Misstrauens bleiben werden.

Diese Gebirgler sind überaus arbeitsam und mit Leib und Seele ihrem Vaterland ergeben, aber Alle fast unglaublich arm, da ihre Tätigkeit ihnen wenig einbringt: dies liegt zum einen Teil an ihrer Unwissenheit, zum anderen daran, dass sie, als in viele kleine Völker von verschiedenem Glauben zerfallend, einander unaufhörlich bekämpfen, auch mit ihren weltlichen und geistlichen Vorgesetzten, desgleichen mit der Regierung, in beständigem Streite liegen. Von der Ruhe dieser Gebirgler hängt der Wohlstand des ganzen Landes ab.

Wenige Tage nach unserer Ankunft brach im Gebirge zwischen Drusen und Maroniten der Kampf aus. Unlängst hatte auch die Pforte den Großadmiral Halil-Pascha abgeschickt, um Frieden zwischen ihnen zu stiften.

Syrien war von jeher ein Schauspiel der mannigfachsten Ereignisse und Umgestaltungen: auf seinen Bergen und in seinen Steppen wandelten begeisterte Propheten, heilige Verkünder des ewigen Wortes; aber auch grobe und gierige Betrüger säten hier Unkraut in das göttliche Ackerfeld. Bald belebten geistige Bildung und Betriebsamkeit das Land der Sonne, das Vaterland der Rosen, Lorbeeren und Oliven, bald wurde es durch wilde Hirten, Krieger, Ausländer mit Blut getränkt; und neue Besitzer erbauten sich über den Aschenhaufen alter Wohnungen, über den Gebeinen der Unterdrückten, neue Asyle. Von der heutigen Bevölkerung sind nur noch die Beduinen, diese freien Söhne der Wüste, ein treues Bild jener Erzväter, mit denen wir uns als Kinder befreundet haben. Sie nomadisieren in der syrischen Wüste, und keiner von ihnen kommt jemals westlich über Damaskus hinaus. Nur einmal, und zwar schon lange, besuchte eine kleine Abteilung dieses Volkes Saint Jean-d'Acre; es geschah auf Einladung des berühmten Emirs Daher. Sie staunten nicht wenig, als sie hier zum ersten Male den großartigen Anblick des Meeres hatten, und betrachteten voll Neugier und Vergnügen die Schiffe mit ihren weißen Segeln; aber die Stadt gefiel ihnen nicht — sie konnten die Annehmlichkeit eines Lebens nicht fassen, das man in steinernen, unbeweglichen Häusern zubringt, immer an denselben Ort gefesselt, wie die spärlichen Palmen der Steppe. Gleichwohl erzählt jeder Beduine mit Hochgefühl, dass in diesen Einöden die Trümmer der großen Stadt Tadmor stehen, deren Erbauer Salomo er als seinen alten Beherrscher anerkennt.

Alle den Acker bauende Stämme Syriens teilen sich wieder in viele kleine Stammesabteilungen. Sie kämpfen oft unier einander, entweder um die Heiligkeit des Glaubens, oder um das Blut von Angehörigen und Freunden, oder endlich um den Ertrag der Felder. Das auffallendste unterscheidende Merkmal der Stämme ist ihr Glaubensbekenntnis, nach welchem man zuweilen auch die Abstammung des Volkes mit Wahrscheinlichkeit bestimmen kann, ohne jedoch diese Regel auf die zahlreichen Seelen anzuwenden; denn in solche zerfallen die Eingebornen von christlichem wie die von muhammedanischem Bekenntnisse. Unter den Christen sind am zahlreichsten: die Araber griechischen Glaubens; dann die Maroniten, Anhänger des Mönches Maron, der gegen Ende unseres 6. Jahrhunderts die Dogmen des Katholizismus annahm, endlich die Jacobiten, Syrer, Armenier, und wieder Abzweigungen dieser, welche der römischen Kirche sich angeschlossen haben.

Unter den muhammedanischen Stämmen sind die sunnitischen Araber und die Drusen besonders zahlreich; letztere vollziehen nur in Stadien die äußeren Gebräuche des Islam, um die Regierung für sich günstig zu stimmen; aber die Grundsätze ihres eignen, ganz eigentümlichen Glaubens halten sie sorgfältig geheim. Sowohl christliche als muhammedanischc Syrer beschuldigen die Drusen des Götzendienstes, behauptend, dass sie zu Ehren eines Ochsen Opfer bringen. Die Araber von der Seele der Schiiten heißen hier Mutaali’s: sie sind ein ehemals mächtiger Stamm. — Nach ihnen nenne ich die Ansaris, Nachfolger irgend eines verrückten Mönches aus dem Dorfe Nasar, in der Gegend von Kufa, der sich für Johannes den Täufer ausgab, und den Rechtgläubigen den Genuss des Weins gestattete.

Die syrischen Städter sind den Gebirglern eben so fremd, wie den unter ihnen wohnenden Europäern, welchen sie als Knechte dienen, um ihres Schutzes wider die Bedrückungen der Regierung sich erfreuen zu können. Zu harter Arbeit sind sie träge, aber mit Schlauheit und gutem Gedächtnis begabt: sie lernen verschiedene europäische Sprachen bald wenn auch schlecht, sprechen; Viele dienen bei den Konsuln und fremden Kaufleuten als Dolmetscher, als Kommissare in politischen und kaufmännischen Geschäften, als Kawase, Seite (Stallknechte) und Bedienten. Andere, Besitzer von Häusern und Läden, führen eine müßige Existenz, mit dem Ertrage dieser unbeweglichen Dinge sich befriedigend; wieder Andere treiben Kleinhandel und wenige Gewerbe; eigentlich arabische Handwerksmeister sind nur in sehr geringer Zahl und sehr träge dazu. Arme Leute geben bisweilen ihre Kinder irgend einem Handwerker unentgeltlich auf einige Jahre in die Lehre und verpflichten sich dabei durch ihr Wort oder kontraktmäßig, während dieser ganzen Zeit ihren elterlichen Rechten zu entsagen.

In Beirut und seinen nächsten Umgebungen zählt man höchstens 22.000 Seelen; dennoch nimmt diese geringe Zahl mit den heimischen Erzeugnissen nicht fürlieb: Obst, Küchengewächse, Getreide, Öl, sogar Salz, dessen Ablagerungen alle Gestade in ziemlich dicken Schichten bedecken, werden entweder aus anderen entlegenen Gebieten Syriens und Palästinas, oder aus Ägypten, England, Frankreich eingeführt; daher sind hier die Preise aller Lebensmittel erstaunlich hoch. Was ist aber schuld daran? das Klima, der Boden, die Einwohner, oder die Regierung? Vermutlich hat Alles einigen Anteil.

Zwölf Jahrhunderte sind verflossen, seit die rohen Schüler des Propheten, Abu-Obeid und Chaled, unter dem ersten Kalifen Abu-Bekr, den Hirtenstab mit dem Schwelle vertauschend, Syrien eroberten; damals flohen Bildung und Betriebsamkeit, fortgescheucht durch breite Ströme Blutes (die würdigen Begleiter der neuen Lehre) zum Lande hinaus; und seitdem sind sie nicht wiedergekehrt, um auch nur auf Augenblicke das schöne, aber verwilderte Land zu beseelen. Die Nachkommen jener fanatischen Eroberer bilden noch heute den vornehmsten Teil der muhammedanischen Bevölkerung Syriens. Mit den Eroberern vermischt, nahmen die Urbewohner deren Sprache an.*) Die alle syrische Sprache hat sich, wie die hebräische, nur in Büchern erhalten; einige christliche Stämme vollziehen in derselben ihren Gottesdienst; aber die Geistlichkeit allein versteht diese tote Sprache, deren Erlernung ihr notwendig ist.