Wir durchschritten in der Nacht zum 1. April den südlichen Wendekreis,

Wir durchschritten in der Nacht zum 1. April den südlichen Wendekreis, sahen am 3. eine Fregatte und hatten am 7. und wiederholt am 13. Windstille. Hier war es, wo, mit der Beobachtung des Meeresgewürmes beschäftigt, die Entdeckung des ersten wahren Meerinsektes den Doktor Eschscholtz erfreute. Es ist unserer gemeinen Wasserwanze (Hydrometra rivulorum F.) zu vergleichen, schreitet und springt auf dieselbe Weise auf der Oberfläche des Wassers und kommt zwischen den Wendekreisen in allen Meeren vor.

Wir sahen am 15. viele Seevögel, Fregatten und Pelikane, erduldeten etliche Windstöße und segelten während der Nacht nicht weiter. Der Himmel war dunkel umwölkt, es regnete heftig, und es blitzte in allen Richtungen.


Der Ruf »Land!« regte uns am 16. mittags freudig an. Die Erwartung ist gespannt, wann freiwillig, möchte ich sagen, und nicht auf das Gebot des Seemanns ein Land der Spiegelfläche enttaucht und sich allmählich vor uns gestaltet. Der Blick sucht begierig nach Rauch, der wehenden Flagge, die den Menschen dem Menschen, der ihn sucht, verkündigt. Steigt Rauch auf, dann pocht einem seltsam das Herz. Aber diese traurigen Riffe haben bald, bis auf eine eitele Neugier, alles Interesse verloren.

Es war doch ein großes Fest, als am 20. beschlossen ward, eine Landung auf der kleinen palmenreichen Insel Romanzow zu versuchen. Der Kapitän beorderte den Leutnant Sacharin, den Landungsplatz zu erkunden, und mich, ihn zu begleiten. Ich stieg freude- und hoffnungsvoll in das Boot; wir stießen ab. Wir ruderten ganz nahe der Insel, vom Ufer nur durch die schäumende Brandung getrennt. Ein mutiger Matrose schwamm mit einer Leine ans Land. Er schritt längs dem Ufer, entdeckte Menschenspuren, Kokosschalen, betretene Pfade, er lauschte durch das Gebüsch, pflückte grüne Zweige und kam zu der Leine zurück. – Sacharin deutete mit der Hand nach der Insel und sprach zu mir: »Adelbert Loginowitsch, wollen Sie?« – Ich glaube nicht, daß mich noch einmal in meinem Leben solch peinliches Gefühl durchbohrt. Ich schreibe es zu meiner Demütigung nieder. Was der Matrose getan, war ich nicht imstande zu tun. – Jener schwamm zu uns wieder her, und wir ruderten zum Schiffe. Auf den erstatteten Bericht ward ein Prahm aus allem beweglichen Holze am Bord verfertigt, und wir fuhren am andern Tage in zwei Booten der Insel zu. Die Boote ankerten in großer Wassertiefe zunächst der Brandung; der Matrose schwamm mit der Leine ans Land, und mit Hülfe des Prahms konnten wir einzeln das Ufer erreichen, wo uns die schäumende Welle übergoß. Wir durchwandelten nun fröhlich den Wald und durchforschten die Insel. Wir lasen alle Spuren der Menschen auf, folgten ihren gebahnten Wegen, sahen uns in den verlassenen Hütten um, die ihnen zum Obdach gedient. Ich möchte das Gefühl vergleichen mit dem, das wir in der Wohnung eines uns persönlich unbekannten, teuren Menschen haben würden; so hätte ich Goethes Landhaus betreten, mich in seinem Arbeitszimmer umgesehen. – Daß diese Insel keine festen Wohnsitze hat und nur von andern uns unbekannten Inseln her besucht zu werden scheint, habe ich in den »Bemerkungen« gesagt.

Der Tag, der ohnehin das Osterfest der Russen war, wurde festlich und auf dem »Rurik« mit Kanonenfeuer begangen. Die Mannschaft erhielt doppelte Portion. Wir brachten den auf dem Schiffe Zurückgebliebenen etliche Kokosnüsse mit. Sie zu erhalten, war die Axt an den Baum gelegt worden, ein Verfahren, das mir in die Seele schnitt; zur Sühne hatte man die Axt daselbst gelassen.

In der Nähe der Niedern Inseln, deren Aufnahme uns in den folgenden Tagen bis zum 25. April beschäftigte, ließen sich die Seevögel nur sparsam sehen; dagegen waren die Fliegenden Fische häufig. Hier sah ich auch einmal eine Wasserschlange im Meere schwimmen.

Wir entbehrten schon lange aller frischen Nahrung; das Wasser ward uns am 28. April zum erstenmal zugemessen. Die Portion war aber vollkommen hinreichend, und ich verbrauchte von der meinen nur einen Teil. Ich hätte mich im Notfall mit Seewasser auch begnügt. Ich habe oft auf Exkursionen Seewasser getrunken, ohne Widerwillen und ohne Nachteil; ob es mir aber den Durst löschte wie süßes Wasser, könnte noch gefragt werden. Die häufigen Regengüsse, die besonders in der südlichen Halbkugel uns erfrischten, gaben uns eine erwünschte Gelegenheit, frisches Wasser einzusammeln, wozu unser Zelt eingerichtet war. Solches frisches, gesundes Wasser ist eine wahre Erquickung; denn leider fehlen dem des Vorrats »die nahrhaften Teile« niemals ganz und sind manchmal in unerwünschtem Überflusse vorhanden. – Am 4. Mai regnete es so stark, daß zwölf Fässer Wasser gesammelt wurden.


Begegnung mit den Bewohnern der Penrhyn-Inseln

Ich habe eigentlich zu dem nichts hinzuzufügen, was ich in den »Bemerkungen und Ansichten« über die Penrhyn-Inseln gesagt habe, die wir am 30. April sahen und mit deren Einwohnern wir am andern Morgen verkehrten. Ein solcher Tag mit seinen Ereignissen ist im einförmigen Schiffsleben ein Lichtpunkt, der dessen eintöniges Einerlei belebend durchbricht. Wollte ich wiederholt die empfundene Freude beschreiben, so würde ich in dem Leser eben die Langeweile erzeugen, die sie für uns zu unterbrechen kam. – Wir verhielten uns übrigens dieses Mal leidend, und es war nicht mehr der erste Eindruck. – Ich habe nirgends den Palmenwald schöner als auf den Penrhyn gesehen. Zwischen dem hoch getragenen, windbewegten Baldachin der Kronen und dem Boden sah man zwischen den Stämmen hindurch den Himmel und die Ferne. Es schienen, wenigstens stellenweise, das niedere Gebüsch und der Damm zu fehlen, welche die Inseln dieser Bildung nach außen zu umzäunen und zu beschützen pflegen. Verhältnismäßig zahlreich, stark und wohlgenährt, friedlich und dennoch vertrauend seinen Waffen, unbekannt mit den unsern, war das Volk, das uns umringte; jegliche Familie, so schien es, unter Führung des Alten im eigenen Boote. Sie erhandelten Eisen von uns, das köstliche Metall, und als wir unsern Lauf weiter nahmen, waren sie kaum zu bewegen, von uns zu lassen.

Wir hatten in den nächsten Tagen häufige Windstillen, mit Windstößen abwechselnd, und erreichten am 4. Mai, beiläufig unter 7°30' südlicher Breite, den wirklichen Nordostpassat. Wir sahen in den folgenden Tagen viele Seevögel morgens dem Wind entgegen, bei Sonnenuntergang mit dem Winde fliegen. Die kleine Seeschwalbe (Sterna stolida) ließ sich wiederholt auf dem Schiffe fangen, und wir entließen etliche, denen wir auf pergamentnem Halsbande den Namen des Schiffes und das Datum mitgaben. Es möchte für ein Schiff eine Freude sein, einen solchen Boten in diesem weiten Meerbecken wieder aufzufangen; ließ sich doch in der Chinesischen See ein Pelikan am Bord des »Ruriks« greifen, der von unserer Konserve, der »Eglantine«, kam, wo er sich schon in die Gefangenschaft begeben hatte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt