Wir durchkreuzten am 11. den Äquator.

Wir durchkreuzten am 11. den Äquator. Am 12. zeigten sich viele Seevögel. Auch ein Landvogel soll gesehen worden sein. Ein Delphin wurde harpuniert, der erste, dessen wir habhaft wurden. – Er diente uns zu einer willkommenen Speise. Es ist ein schwarzes, blutvolles Fleisch, erdig und unschmackhaft, aber nicht eben tranig. Ich möchte, wie die Haifische, so auch die Delphine für den Tisch loben; sie kommen zu Zeiten, wo sie nicht zu tadeln sind.

Am 19. Mai, da wir die Mulgraves-Inseln aufsuchten, blies unversehens ein Windstoß dem herrschenden Winde entgegen, brachte die Segel in Verwirrung und zerriß manches Tauwerk. Der Kapitän ward von einem geschleuderten Tau am Vorderhaupte getroffen und sank betäubt nieder. Dieser Vorfall, der Schrecken unter uns verbreitete, hatte glücklicherweise keine Folgen.


Wir entdeckten am 21. ein nur an wenigen Punkten spärlich begrüntes Riff, auf dem nur wenige Kokosbäume sich erhoben. Am 22. kamen uns zwei Boote zierlichen Baues, geschickt gegen den Wind zu lavieren, aus diesem Riffe entgegen. Die Menschen, geschmückt und anmutig, luden uns auf ihre Erde ein, aber im Gefühl ihrer Schwäche und unserer Kraft vermaßen sie sich nicht, uns näher zu kommen. Ein Boot ward in die See gelassen, worauf ich mit Gleb Simonowitsch und Login Andrewitsch Platz nahm, und wir ruderten ihnen entgegen. Aber auch so vermochten wir nicht, ihnen Zutrauen einzuflößen. Sie warfen uns Geschenke zu, eine zierliche Matte und eine Frucht des Pandanus, und entfernten sich schnell der Insel zu, uns einladend, ihnen zu folgen. Das waren die Radacker. Sie beschenkten uns zuerst und schieden bei dieser ersten Begegnung unbeschenkt von uns.

Wir hatten, nach Norden steuernd, den 27. die Sonne im Zenit und durchschnitten am 28. den nördlichen Wendekreis, nachdem wir zweiundvierzig Tage südlich vom Äquator und zwölf Tage nördlich von demselben in der heißen Zone zugebracht. Wir wallten unsern heimischen Sternen zu; vor uns erhob sich der Große Bär, und hinter uns senkte sich das Kreuz.

Wir hatten am 2. und 3. Juni, etwas südlicher, als gewöhnlich die Inseln Rica de Plata und Rica de Oro angegeben werden, ungefähr in derselben Breite wie Mearn, Landzeichen. – Am Morgen des 3. ließ sich ein kleiner Vogel vom Geschlechte der Schnepfen auf das Schiff nieder und ward mit Schaben gefüttert. – Treibholz und Tange schwammen im Meer, das Wasser war außerordentlich trübe, doch fand das Senkblei mit 100 Faden Leine keinen Grund.

Die Kälte nahm zu. Wir waren in dem nordischen Nebel, der sich oft an unserm Tauwerke niederschlug und als pechbittere Quellen längs den Wänden herabfloß. Wir fingen in den ersten Tagen des Juni unter der Breite von Gibraltar zu heizen an und hatten gegen die Mitte desselben Monats, bevor wir die Breite von Paris erreicht, Eis am Bord. Das Meer, in diesem selben Meerbecken zwischen den Tropen dunkel ultramarinblau, ist hier schwarzgrün gefärbt und undurchsichtig. Die Wassertiefe, worin ein weißer Gegenstand sichtbar bleibt, hat sich von sechzehn Faden auf zwei Faden vermindert. Das Treibholz ward nordwärts immer häufiger.

Am 4. ward ein zweiter Delphin von einer andern Art harpuniert. Die Arten dieser uns sehr mangelhaft bekannten Gattung möchten sehr zahlreich sein. Scheint doch fast jegliche Herde, die das Schiff umschwärmt, sich von allen andern durch Farbe, Zeichnung und Größe zu unterscheiden.

Am 6. erschienen rote Flecken im Meer; sie rührten von einem kleinen Krebse her, womit das Wasser angefüllt war.

Seitdem wir nach Norden steuerten, eilten Wünsche und Gedanken dem Schiffe voran der Küste zu, wo wir die Hoffnung hatten, Briefe von der Heimat vorzufinden. Wir selber fingen an, unsre Journale durchzusehen, unsre Papiere zur Absendung zu ordnen und Briefe an unsre Lieben zu schreiben. Ich habe, durch einen Scherz des Kapitäns dazu ermuntert, vom Norden des Großen Ozeans eine nach Breiten- und Längengrad datierte Order ausgestellt, einen Korb Champagnerwein an den Staatsrat von Kotzebue zu expedieren, und der Wein ist expediert worden und angekommen.

Ein kleiner Landvogel (eine Fringilla) sagte uns am 17. das Land an, das sich uns am 18. entschleierte. Ein hohes Land mit zackigen Zinnen, über welche sich aus dem Innern hohe vulkanische Kegel erheben. Der Schnee bedeckt nicht gleichmäßig die Höhen wie in unsern Alpen, sondern liegt fleck- und streifenweise an den Abhängen des zerrissenen Gebürges und steigt an denselben tief zu Tale. Am 18. Juni noch so viel Schnee!


Die Awatscha-Bucht in Kamtschatka

Wir fuhren am 19. in das schöne weite Becken, die Awatscha-Bucht, hinein. Wir wurden von der Berghöhe, die den Nordpfeiler des äußern Tores bildet, telegraphisch nach Sankt Peter und Paul angemeldet; ein Hülfsboot kam uns entgegen. Wir waren durch den schmalen Kanal des Einganges mit günstigem Winde eingefahren, der uns, sobald wir im Innern angelangt, plötzlich gebrach. Es war Nacht, als wir in den Hafen hineinbugsiert wurden. Ein unleidlicher Fischgestank verkündigte uns die Nähe des Ortes. – Die Anstalt zum Trocknen der Fische, das tägliche Brot dieser nordischen Lande, liegt auf einer Landzunge, die den inneren Hafen abschließt.

Hier, zu Sankt Peter und Paul, betrat ich zuerst den russischen Boden; hier sollte ich meine erste Bekanntschaft mit Rußland machen.

Wir waren hier angemeldet und wurden erwartet; wir waren alle namentlich bekannt, die Zeitungen hatten unsre Namen ausposaunt, und was hat man in Sankt Peter und Paul anderes zu tun, als die Zeitung zu studieren! Wir wurden empfangen, wie sich's erwarten ließ. Wir brachten Bewegung in das stockende Leben, und es schien ein Tag über diesen Winkel der Erde, der nicht wie alle übrigen Tage war. Es waren Landsleute, die einander als Wirte und Gäste an diesem abgelegenen Orte, so fern vom eigentlichen Vaterlande, begegneten.

Der Gouverneur, Leutnant Rudokow, sorgte für alle Bedürfnisse des Schiffes, dessen Kupfer besonders schadhaft befunden ward. Er half uns mit den noch brauchbaren Kupferplatten der »Diana« aus, des Schiffes, das Golownin nach seiner Fahrt nach Japan als untauglich, die See zu halten, im hiesigen Hafen zurücklassen mußte. Der Kapitän zog ans Land, und es folgten aufeinander Gast- und Festmähler, wie sie nur in Kamtschatka zu beschaffen waren. Wir erfreuten uns in Kamtschatka der russischen Bäder. Es ist das Erste und vielleicht das Erquicklichste, was die russische Gastfreundschaft anzubieten weiß. Unsere Matrosen wußten sich selbst, wo es erwünscht war, ihr Badezelt einzurichten, und nur unter einem glücklicheren, wärmeren Himmel unterblieb es als entbehrlich.

Am 22. Juni ward auf dem »Rurik« ein Dankfest gefeiert und bei dem Gouverneur zu Abend gespeist. Sonntag den 23. ward nach der Kirche bei uns getafelt. Am 30. war Festmahl beim Kommandanten, wo beim Kanonendonner pokuliert wurde. – Der Wein war nicht eben der vorzüglichste, aber die Gäste, aus allen nur zeigbaren Russen bestehend, waren zahlreich; und nach englischer Sitte, die mehr oder minder überall beobachtet wird, wo salziges Wasser das Land bespült, wollte jeder mit jedem von uns ein Glas Wein trinken, welche Höflichkeit erwidert werden mußte, so daß der Gläser Weines sehr viele wurden. Nach Tische sollten wir das landesübliche Fuhrwerk kennenlernen und zu Schlitten mit Hundegespann auf grünem Rasen, weil schon der Schnee im Tale geschmolzen war, den Abhang des Hügels hinabfahren. Es konnte keiner von uns den Sitz behaupten, was allerdings einige Übung erfordert; abgeworfen, verkrochen wir uns in das Gebüsch, und jeder suchte einen stillen Platz, das Fest für sich allein zu beschließen.

Am 4. Juli speisten wir bei Herrn Clark, einem Amerikaner, der hier, wohin er verschlagen worden, neue Verhältnisse angeknüpft hat. Er hatte das Kap Hoorn nur einmal umfahren, war aber sechsmal, und zum letztenmal vor sechs Jahren, auf den Sandwich-Inseln gewesen. Ich habe die Nachrichten, die er mir von diesen Inseln gab, und das Bild, das er mir von denselben entwarf, vollkommen wahr und treu befunden. Ich sah zuerst bei Herrn Clark ein Bild, das ich seither oftmals auf amerikanischen Schiffen und, durch ihren Handel verbreitet, auf den Inseln und an den Küsten des Großen Ozeans wiedergesehen habe: das von chinesischer Hand zierlich auf Glas gemalte Porträt von Madame Récamier, der liebenswürdigen Freundin der Frau von Staël, bei der ich lange Zeit ihres vertrauten Umgangs mich erfreut. Wie ich hier dieses Bild betrachtete, schien mir unsre ganze Reise eine lustige Anekdote zu sein, nur manchmal langweilig erzählt, und weiter nichts.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt