Am 24. April 1818 hatten wir Ansicht von Sankt Helena.

Nachdem wir am 8. April 1818 (nach unserer Schiffsrechnung) die Tafelbai verlassen, erhielten wir auf der gewöhnlichen Fahrstraße der heimkehrenden Schiffe den Passat am 16., durchkreuzten am 18. den südlichen Wendekreis und erreichten am 21. die Mittagslinie von Greenwich. Hier erst korrigierten wir unsere Zeitrechnung und schrieben, die von Greenwich annehmend, anstatt Dienstag, den 21., Mittwoch, den 22.

Am 24. April 1818 hatten wir Ansicht von Sankt Helena. Unser Kapitän hegte den Wunsch, an dem Felsen des gefesselten Prometheus anzulegen; das ist begreiflich. Die hohen Mächte hatten Kommissare auf der Insel. Es konnte nicht unnatürlich scheinen, daß ein russisches Kriegsschiff sich dem russischen Kommissar (Grafen Balleman) erböte, seine Depeschen zu befördern. Die englische Kriegsbrigg, die über dem Winde der Insel kreuzte, visitierte uns. Der Offizier, der an Bord kam, trat mit gespannter Pistole in die Kajüte des Kapitäns. Nach eingesehenen Papieren gab er uns die Weisung, uns während der Nacht, die zu dämmern begann, in der Nähe der Insel aufzuhalten und am andern Morgen nach Jamestown zu steuern. – Die Brigg machte Signale; der Telegraph auf dem Lande setzte sich in Bewegung; die Nacht brach ein.


Wir segelten am Morgen der Stadt und dem Ankerplatze entgegen. Eine Batterie gab uns durch eine Kanonenkugel, die vor dem Schiffe die Luft durchpfiff, zu verstehen, daß wir nicht weitergehen möchten. – Der Telegraph war in Tätigkeit; eine Barke stieß vom Admiralschiff ab und ruderte auf uns zu. Wir glaubten jener Barke entgegenfahren zu dürfen, nahmen den alten Kurs wieder und erhielten, auf demselben Punkt angelangt, eine zweite Kanonenkugel. Der Offizier, der an unsern Bord gekommen war, erbot sich, uns auf die Reede zu führen. Die Batterie, meinte er, habe keine Befugnis, auf uns zu feuern, und werde es jetzt nicht wieder tun. Wir steuerten mit unserm Geleitsmann wiederum auf den Hafen und erhielten sofort die dritte Kanonenkugel. – Darauf stieg der Offizier wieder in sein Boot und ruderte an sein Schiff zurück, um Mißverständnissen ein Ziel zu setzen, welche nur von der Abwesenheit des Gouverneurs herrühren konnten, der nicht in der Stadt, sondern auf seinem Landhause war. – Mittlerweile lichteten alle Kriegsschiffe, die auf der Reede lagen, die Anker und gingen unter Segel. – Wir warteten bis nach zwölf Uhr; da wir um diese Zeit noch ohne Nachricht waren, strichen wir mit einer Kanonenkugel die Flagge und nahmen nach einer Versäumnis von beiläufig achtzehn Stunden unsern Kurs wieder nach Norden.

Ich bemerke beiläufig, daß nach Seemannsbrauch bei der Art Unterhaltung, welche die Batterie mit uns führte, die erste Kugel über das Schiff, die zweite durch das Tauwerk und die dritte in die Kajüte des Kapitäns geschickt zu werden pflegt. Die Batterie hatte eigentlich dreimal den ersten Schuß, aber keinen zweiten auf uns abgefeuert. Es ist übrigens einleuchtend, daß in dem Verfahren der Wachtbrigg, des Admiralschiffes und der Landbatterie keine Übereinstimmung stattfand; und die Schuld an der Verwirrung, die in Hinsicht unser herrschte, können wir nur dem Gouverneur beimessen.

Ich ward in diesen Tagen eines Mißverständnisses wegen von dem Kapitän vorgefodert. Es kam zu Erörterungen, wobei die liebenswerte Rechtlichkeit des kränklich-reizbaren Mannes in dem schönsten Lichte erschien. Er erkannte, daß er sich in mir geirrt, bot mir die Hand, wollte selber die Hälfte der Schuld auf sich nehmen, ich solle zu der anderen mich bekennen. Und wahrlich, ich mochte zur Unzeit seiner Empfindlichkeit Stolz und Trotz entgegengesetzt haben. Alles, was ich zu dulden gehabt, war vergessen und aller Groll ins Meer versenkt.

Wir sahen am 30. April die Insel Ascension, die wir im Westen liegen ließen. Die Schildkröten, die man auf ihrem Strande zu finden hoffen kann, bewogen uns nicht, eine Landung zu versuchen. – Auf den Bergen ruhten Wolken. Viele Vögel waren zu sehen.

Am 6. Mai überschritten wir vor Tagesanbruch zum vierten und letzten Male den Äquator. Der Tag wurde festlich begangen. – Ich habe von der Komödie, welche die Matrosen aufführten, keine Erinnerung. Da mußte ich wohl nicht mit ganzem Herzen dabeisein.

Wir hatten den Passat verloren und hatten leichte spielende Winde und Windstille. Wir hatten am 5. ein Schiff gesehen, am 8. zeigte sich ein anderes. Am Abend dieses Tages war ein Regen gleich einem Wolkenbruche, und es donnerte stark.

Wir bekamen am 12. Mai den nördlichen Passat, behielten ihn bis zu dem 26., wo der Wind zum Südosten überging, und durchschnitten ungefähr vom 22. bis zum 30. Mai zwischen dem zwanzigsten und sechsunddreißigsten Grad nördlicher Breite und dem fünfunddreißigsten und siebenunddreißigsten Grad westlicher Länge das Meer des Sargasso. So wird geheißen eine weite Wiese schwimmenden, von dem unbekannten Felsenstrande, wo er erzeugt worden sein muß, abgerissenen und von dem weiten Strudel der Seeströmung in die Mitte ihres Kreislaufes zusammengespülten Seetanges, meist von einer und derselben Art. Ich will mit diesen flüchtigen Worten nur dem Laien das gebrauchte Wort erklären. Die Sache selbst läßt dem Gelehrten noch viel zu denken und zu erforschen übrig.

Seit wir die Linie durchkreuzt hatten, nahm die Zahl der Schiffe zu, die wir fast täglich sahen. Wir zeigten oft wechselseitig unsere Flaggen. Am 29. Mai sahen wir eine Flasche im Meere schwimmen, die wir aber nicht aufnahmen. – Was mochte die Schrift besagen, die sie vermutlich enthielt? – Am 1. Juni sprach uns ein amerikanischer Scunner und erhielt von uns Zwieback, woran er Mangel litt.

Wir sahen am 3. Juni 1818 die Insel Flores, die westlichste der Azorischen Inseln, und steuerten von da dem Kanale zu.

Am 5. kam uns ein Schiffswrack in Sicht. Es wurde weiter nicht untersucht. Die Zahl der Schiffe nahm zu; mehrere hielten mit uns denselben Kurs; wir unterhielten uns mit einigen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise um die Welt