Fahrt von Triest nach Singapore.

Am 5. November nachmittags schiffte ich mich auf dem Lloyddampfer „Silesia“ ein. Da alle Passagierkabinen bereits besetzt waren, so wurde mir durch die besondere Zuvorkommenheit seitens der Lloyd-Direktion und des Schiffskapitäns die Kommandanten-Kabine bis nach Port Said zugewiesen. Nach der Ausschiffung mehrerer Mitreisender in Port Said bezog ich dann eine Passagierkabine.

Das Dampfschiff Silesia wurde erst vor drei Jahren zu Newcastle in England erbaut. Es ist 188 m lang und 16 m breit, hat ein Tragvermögen von 3.900 t und einen entsprechenden Ladungsraum. Es enthält Kabinen für 20 Passagiere der I. und II. Klasse, ein Magazin für 950 t Kohle und kann mit 2.500 Pferdekräften arbeiten. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 11 Seemeilen per Stunde verbraucht es täglich 44 t der besten Kohle, die in den verschiedenen Häfen im Preise von 28—40 Kronen, im Mittel also von 34 Kronen, steht. Es belaufen sich daher die Kosten für Kohle auf dem Dampfschiffe Silesia, wenn es seine Fahrgeschwindigkeit einhält, für jeden Tag auf beinahe 1.500 Kronen, für jede Stunde auf 62 1/2 Kronen und für jede Seemeile (1,852 km) auf 5 Kronen. Der Dampfer wird demnach auf der Fahrt von Triest bis Singapore über 40.000 Kronen an Kohle verbrauchen. An diesen Kosten ändert sich auch nichts, wenn billigere Kohle verwendet wird, da der Verbrauch dann ein entsprechend größerer ist. Dazu kommen noch andere Materialien, deren die Dampfmaschine bedarf, wie: 8 t Süßwasser jeden Tag zu dem Mittelpreise von 3 Kronen pro Tonne, wobei das mit dem Evaporator auf dem Schiffe aus dem Meere gewonnene Süßwasser nicht eingerechnet ist, ferner 45 kg Schmieröl zu 2 Kronen, 10 kg Naphtha zu 4 Kronen und endlich 20 kg Soda etc. zu 1/2 Krone, alles auf den Tag berechnet, so dass die Kosten der für die Dampfmaschine nötigen Materialien für jeden Tag auf 1.664 Kronen, für jede Stunde auf beinahe 70 Kronen und für jede Seemeile auf 6,40 Kronen sich belaufen. Der Gesamtbedarf der Maschine von Triest bis nach Singapore beträgt daher gegen 50.000 Kronen.


Der Kapitän des Schiffes Johann Ghezzo leitete dasselbe mit voller fachmännischer Tüchtigkeit, hielt Sauberkeit und Ordnung aufrecht, überwachte mit größter Aufmerksamkeit die Verpflegung und Bedienung der Reisenden und zeichnete sich durch besondere Liebenswürdigkeit aus.

Die Reisegesellschaft in der vereinigten I. und II. Klasse bestand, so wie gewöhnlich, aus verschiedenartigen Elementen, welche verschiedenen Zielen zustrebten. Da war die Gattin des k. u. k. Konsuls in Port Said mit ihren Kindern und ein Angestellter eines in dieser Stadt ansässigen Millionen-Kohlenhändlers mit Familie, die nach Port Said reisten. Ein Dalmatiner, der als Pilot zur Führung der Dampfer im Suezkanal mit dem Range eines Seekapitäns angestellt war, gleichfalls mit seiner Familie auf der Fahrt nach seinem Bestimmungsorte begriffen. Ein Fräulein aus Sachsen reiste nach Colombo, um sich dort mit ihrem vieljährigen Bräutigam endlich zu vermählen; ein junger Triestiner nach Singapore, wo er bei einem italienischen Handlungshaus eine sehr gut gezahlte Anstellung gefunden hatte; vier Kapuziner waren von ihrem Obern als Missionare nach Ceylon und Indien bestimmt und sollten dort ihre fromme, aber oft gefährliche Tätigkeit ausführen. Wie sie mir sagten, haben sie durch fünfundzwanzig Jahre auf keine Ablösung zu hoffen. Endlich war noch ein junger, sehr intelligenter Mann an Bord, namens Josef Aicher. Er fuhr nach Osaka, der größten Fabrikstadt Japans, wo während der Monate März bis Juli 1903 eine große Industrieausstellung stattfinden soll. Als technischer Leiter der österreichischen Abteilung hatte er den Bau der österreichischen Ausstellungsgebäude zu überwachen und war zugleich als Vertreter mehrerer österreichischer Firmen, meist aus der Gruppe der Maschinenfabrikanten der Druck- und Leinenindustrie, tätig. Als solcher hatte er die Ausstellung der verschiedenen Maschinen, die teils durch Dampf, Gas oder Elektrizität getrieben wurden, zu leiten und für ihre Instandhaltung zu sorgen.

Da voraussichtlich in Osaka noch öfter Ausstellungen veranstaltet werden, so möchte ich unseren heimischen kapitalkräftigen Industriellen dringend empfehlen, an einem solchen Wettkampfe Japans mit den Industriestaaten in ihrem und unseres Reiches Interesse teilzunehmen. Die Schiffe des Österreichischen Lloyd verkehren direkt von Triest nach Kobe, einem Hafenplatz in Japan, von wo aus Osaka in einstündiger Eisenbahnfahrt zu erreichen ist. Nähere Aufklärungen über die Zeitdauer der Reise, die erforderlichen Geldmittel, sowie über die Sehenswürdigkeiten Japans können aus meinem im Jahre 1899 bei Karl Gerolds Sohn in Wien erschienenen Buche: „Reise nach Japan“ entnommen werden.

Da ich die Eindrücke der Reise nach Singapore in dem angeführten Werke geschildert habe, so kann ich mich hier kürzer fassen und auf die Reiseerlebnisse sowie auf einige Nachträge beschränken. So bedürfen zunächst meine Angaben über den Suezkanal einiger Vervollständigung.

Die beiden nebenstehenden Bilder zeigen einerseits die ganze Anlage und andererseits einen Teil des Suezkanales. Die Länge des Kanales beträgt 87 Seemeilen oder 161 km, die Breite der Wasserspiegelfläche ist 58 m und die Tiefe des Wassers 9 m. Es dürfen daher die durchfahrenden Schiffe nicht über 8 m Tiefgang haben. Auch die Fahrgeschwindigkeit ist beschränkt. Sie darf nämlich nicht mehr als 5,5 Seemeilen in der Stunde betragen, damit die Uferwände durch die allzubewegte See nicht aufgewühlt werden. Die Durchfahrt der Schiffe wird auch dadurch verzögert, dass sie abwechselnd an den auf je 10 km voneinander entfernten Ausweichstellen Haltpausen zu machen haben, um entgegenkommende Schiffe vorbeifahren zu lassen. Die Bestimmung für die Haltpausen und für das Vorbeifahren der einzelnen Schiffe wird vom englischen Amte in Port Said geregelt und den Schiffskommandanten bekannt gegeben. Die Fahrdauer beträgt demnach 14—20 Stunden.