Reise in den Orient – Zweiter Band

Autor: Hackländer, Friedrich, Ritter v. H. (1816-1877), Erscheinungsjahr: 1855
Themenbereiche
Leseprobe aus Kapitel 1

Wie oft schauten wir von der Terrasse unseres Landhauses sehnsüchtig zu dem Libanon empor, dem gewaltigen Riesen, der sich mit dem weißen Haupte und den grauen Gewändern, die unten in's Hellgrüne der Oelpflanzungen und Goldige des Meersandes auslaufen, an die See gelagert hat! O diese mächtigen Bergwände, die wir täglich vor Augen hatten, verbargen uns viel Schönes, wornach wir schon lange getrachtet, und stets waren wir durch verschiedene Umstände verhindert worden, unsere Rosse zu satteln und den »Ritt in's alte romantische Land« zu beginnen. Jedem Zug Beduinen, Maroniten oder Drusen, die sich bei der Stadt gelagert hatten und ihre Pferde packten, um in die Berge zurückzuziehen, sahen wir neidisch nach, besonders seit wir bei unserm Ritt nach dem Kloster Deir Mar Mikael einen Blick in die wilden Schönheiten des Gebirgs gethan, und verwünschten oft die kriegerischen Zeiten, die uns abhielten, ihnen zu folgen. Aber erstlich waren es die Feindseligkeiten zwischen Ibrahim Pascha's Armee und den Türken, sowie kleine Plänkeleien und Scharmützel, die beide Theile zuweilen mit den Bergbewohnern hatten, welche die Wege durch den Libanon unsicher machen sollten, und weßhalb man uns dringend abrieth, nach Damaskus aufzubrechen. Dann waren auch unsere beiden Kranken noch immer sehr schwach, so daß wir sie doch gänzlich auf der Besserung sehen wollten, ehe wir Beirut für ein paar Wochen verließen.

Neben diesen Umständen wurden unsere Reisepläne oft nach den Tagesneuigkeiten geändert. Denn bald hieß es: Ibrahim hat Damaskus endlich Verlassen und will die Armee auf dem Wege über Jerusalem aus Syrien führen; und uns schimmerte die Hoffnung, jetzt endlich die Tour durch das Gebirge beginnen und Damaskus erreichen zu können. Vergeblicher Wunsch! Den andern Tag wußte man aus ganz sichern Quellen, daß Ibrahim der Pforte die Erklärung gegeben, sich in Syrien bis auf den letzten Mann zu halten, und wir machten alsbald Projekte, welcher Weg in jetzigen Zeiten der beste sei, um nach Jerusalem zu reisen, wo wir abwarten wollten, ob uns der Marsch der ägyptischen Armee erlauben würde, von dort nach Damaskus zu gehen.

So thürmten sich von allen Seiten unserer Abreise die größten Schwierigkeiten entgegen und vereitelten unsern sehnlichsten Wunsch, bald das traurige Beirut zu verlassen. Alle Communication zur See war gesperrt; denn außer kleinen Küstenfahrern kamen nur englische Linienschiffe, Fregatten oder Kriegsdampfboote von Konstantinopel und Marmarizza, Depeschen oder Soldaten bringend. Obendrein weigerten sich die Leute, wie unser Dolmetscher versicherte, zum Ritt durch den Libanon ihre Pferde zu geben, und auf dem Wege nach Jerusalem waren, wenn uns auch die Bewegungen der Armeen nicht gehindert hätten, andere Sachen zu bedenken; denn in Saida, Akre und Jaffa sollte die Pest ausgebrochen sein, was dort bei dem Zusammenfluß von türkischen Soldaten, schlecht gekleidetem Gesindel aus den Bergen und halb verhungerten Deserteuren von Ibrahims Armee, kein Wunder war.

Endlich nach einigen sehr unruhigen Tagen, in denen sich unser politischer Horizont noch schwärzer umzogen hatte, mit einem unangenehmen Gewitter drohend, klärte er sich über Nacht fast ganz auf, denn unser liebenswürdiger Freund, der russische Consul, Herr von B., ließ uns eines Morgens sagen, soeben erhalte er einen Reitenden aus Damaskus, der ihm die erfreuliche Nachricht bringe: Ibrahim Pascha habe mit der ganzen Armee die Stadt verlassen und sich gegen Jerusalem und das todte Meer gezogen. Ein Postscriptum seines artigen Billets lud uns auf den Abend zu einer Tasse Thee ein, wo wir die Bekanntschaft eines georgischen Fürsten machen sollten, der ebenfalls Willens sei, Jerusalem und die heiligen Orte zu besuchen und sich wahrscheinlich sehr freuen würde, die Reise in unserer Gesellschaft fortsetzen zu können.

Fast jeden Abend waren wir bei dem freundlichen Consul, und wenn Geselligkeit und Unterhaltung stets die Würze des Lebens sind, so gehörten diese kleinen Soireen in den damaligen Verhältnissen zu unsern köstlichsten, genußreichsten Stunden. Wir hatten in unsern Appartements einen einzigen dreibeinigen Stuhl, den wir nur durch zarte Behandlung und kleine Aufmerksamkeiten dahin bringen konnten, daß er uns nicht plötzlich seinen Dienst aufsagte. Dieses Möbel benutzte abwechselnd der, welcher an dem ebenfalls defecten Tische etwas schreiben wollte. Die Andern mußten beim Essen oder sonstigen Beschäftigungen auf ihren Betten, ich wollte sagen auf den Teppichen kauern, die unsere Schlafstellen vorstellten. Wenn ich noch hinzufüge, daß wir unsern Thee in einer Casserole kochten, die Mittags Suppe und Fleisch beherbergt hatte, so kann mir jeder glauben, daß es für uns kein kleiner Genuß war, an einem ordentlichen Tische auf festen bequemen Stühlen sitzend, guten russischen Thee zu trinken und sich in einem gewärmten Zimmer, ohne zu frieren, angenehm unterhalten zu können. Es war in den letzten Tagen Decembers doch etwas kühl geworden und besonders bei uns draußen fegte die feuchte Seeluft unangenehm durch unsere Zimmer, die keine Glasfenster, sondern nur schlechte hölzerne Laden hatten, so daß wir uns nur erwärmen konnten, wenn wir die Pelze umhingen und auf- und abliefen. ...

weiter unter Kapitel 1