Fünftes Kapitel - Fahrt durch den Archipel. - Zweite Abreise von Konstantinopel. – Odun Kapussi. – Die Dardanellen. – Der Crescent. Die Ebene von Troja. – Die ionischen Inseln. – Smyrna. – Der Mustasiaberg. – Rhodus: Die Stadt. Die Allerheiligenkirche. Strada del Cavalieri. – Marmarissa mit der englischen und östreichischen Flotte. – Cypern.

Hinter dem Riesenberge auf dem asiatischen Ufer des Bosphorus erhob sich der Mond und beleuchtete das Grab des Herkules, als unser Schiff die Stadt zum Abschied mit einem Kanonenschuß begrüßte, die Anker aufwand und langsam wendend die dunkelblaue Fluth mit den Schaufelrädern theilte und aufwühlte. Es war ein herrlicher Abend. Ich stand am Steuerruder und schickte meine letzten grüßenden Blicke nach der majestätischen Stadt und dem Mastenwald des goldenen Horns. Diese Stadt hat etwas phantastisch Schönes. Alle sieben Hügel, worauf sie gebaut ist, zeichnen sich aus der Ferne deutlich ab, sind mit den bunt angestrichenen Häusern bedeckt, aus denen, gleich Tulpen und Lilien aus einem Moosgrunde, die vergoldeten Kuppeln und Minarets der zahlreichen Moscheen, sowie die große dunkle Cypresse, dieser majestätische Baum, sich erheben. Wie windet sich das klare Wasser des Hafens so schön durch die Häusermassen hindurch, ein wirklich goldenes Horn, ein Füllhorn; denn sammelt sich nicht in den tausend Schiffen, die sich auf seinem grünen Rücken schaukeln, Alles, was der Orient und Occident Kostbares hervorbringt, um es dann zu den Füßen Europa's auszugießen! Leb' wohl, Stambul! wahrscheinlich seh' ich dich zum letzten Mal, die Nacht senkt sich auf dich herab, wie das Leichentuch auf eine theure Verstorbene. Ich nehme noch einzeln Abschied von der hehren Aja Sophia, von Pera und Galatha, wo wir so oft landeten, und von Top-Chana mit dem hölzernen, stattlich aussehenden Palais des Großherrn. Einen schüchternen Blick schickte ich nach dem alten Serail, denn unser Schiff fuhr gerade längs dem stets verschlossenen Thor Odun Kapussi. Ich glaubte die verhängißvolle Kanone durch die Nacht glänzen zu sehen, die zuweilen ihren metallenen Mund öffnet, und es den Wellen ansagt, wenn sich diese Pforte aufthut, und man eines jener unglücklichen Weiber hinausträgt, welches, durch die Anklage der Eunuchen verdächtig geworden, hier in dem weiten Meer ein weites kaltes Grab findet – und neben diesem Thor tönte aus dem schönen Kiosk laute Musik und Gesang; dort tanzten die Sultaninnen und Odalisken vor ihrem Herrn und liebkosten ihn, während eine ihrer Schwestern langsam, langsam untersinkend, ihm fluchte.

Das Dampfschiff, auf dem wir heute fuhren, der Crescent (Halbmond), hatte einen so guten Ruf, und war so vielen Gefahren und Stürmen stets glücklich entgangen, was man sowohl der Bauart des Schiffes, als auch der umsichtigen Leitung unseres freundlichen Kapitäns, des Herrn Anthoin, zuschreiben konnte. Es schien mir beinahe unmöglich, als könne uns mit diesem Schiff noch einmal ein Unglück zustoßen; denn das kräftige, obgleich sehr fühlbare Arbeiten der Maschine, sein leichtes Durchschneiden der Wellen und die beständige Ruhe des Kapitäns gab den Passagieren eine solche Zuversicht, daß man sich den Gesprächen und allen möglichen Zerstreuungen, sorglos wie auf dem Lande, überließ. Das Schiff war vorläufig bis Smyrna bestimmt und hatte nur wenig Leute an Bord. Auf dem Verdeck lagen einige türkische Familien und jede hielt sich von der andern durch grüne, zu diesem Zweck auf dem Schiff befindliche Lattenzäune abgesperrt. Am Steuerruder hatte sich eine einzelne Frau einquartirt, die mit ihrem kleinen Söhnchen, einem allerliebsten Knaben, und in Begleitung eines baumlangen Negers, nach Metelyn reiste. Sie war Wittwe, ihr Mann in der Schlacht bei Nisib geblieben. Der kleine, kaum zwei Fuß hohe Türke nannte sich Hamsa Beg, Herr Hamsa, und trieb sich stets bei uns herum. Jeder gewann ihn in Kurzem sehr lieb, und ich muß gestehen, lange nicht ein so wohlthuendes, liebes Gesichtchen gesehen zu haben. Die Frau Mama dagegen, die sich häufig entschleierte, und uns so den vollen Anblick ihres Gesichts gewährte, hatte, wie die meisten Türkinnen, schlaffe, unangenehme Züge, besonders um den Mund, den ich bei diesen Weibern nie frisch und schwellend gefunden habe.


Gegen zehn Uhr Abends gönnte uns der Mond noch den Anblick der südwestlich vor uns liegenden Insel Marmora, jedoch sahen wir sie nur in schwachen Umrissen, da sich der bei unserer Abfahrt so klare Himmel allmählig mit Wolken überzogen hatte. Auch warf ich noch einen schüchternen Blick nach Südwest, wo in der Bai von Mudania unser gescheitertes Schiff, der Seri-Pervas, lag, und da es etwas zu regnen anfing, suchten wir unsere Schlafstätten auf. Einige nahmen Besitz von den sehr schmalen Betten, Andere, worunter auch ich, wählten sich die großen Sopha's der Damenzimmer. Unserer Gesellschaft vom Seri-Pervas hatten sich noch drei östreichische Offiziere angeschlossen, die den Krieg in Syrien mitmachen wollten; sehr liebenswürdige Reisegefährten, denen ich, sollten ihnen diese Blätter zu Gesicht kommen, hiermit meinen herzlichsten Gruß zusende.

Ich schlief bald ein, wurde jedoch nach ein paar Stunden auf eine äußerst unangenehme Art geweckt, indem das seit Kurzem etwas hoch gehende Meer eine der kleinen Fensterluken aufgerissen hatte und eine Welle hereinsandte, die mich tüchtig durchnäßte; doch lag die Schuld größtentheils an mir selber, denn ich hatte vergessen, den äußern hölzernen Laden schließen zu lassen. Ich verbesserte meine Lage so gut als möglich und schlief den übrigen Theil der Nacht, ohne an mein unfreiwilliges Seebad zu denken.

Als ich am Morgen des 9. Decembers aufs Verdeck trat und rings um mich schaute auf das klassische Land, in das wir wie durch Zauber über Nacht gekommen, war mir zu Muth, wie dem Sohn eines alten Geschlechts, der, ferne von der Heimath erzogen, lange nach derselben verlangt und nun endlich die Berge sieht, welche die Wiege seiner Väter umstanden. Er kennt jeden Hügel, jedes Thal, jeden Baum, und in seinem Herzen tauchen all' die Erzählungen auf, mit denen man den Knaben am lodernden Kaminfeuer unterhielt. Vor ihn treten die Helden, die er damals im kindischen Spiele nachahmte und lieb gewann, vor ihn die Thäler und Gauen, wo die alte Veste gestanden, für die er sich mit Freude hätte todtschlagen lassen. –

Ich stand mit verschränkten Armen und schaute in die Gegend und Alles däuchte mir ein Traum zu sein. Dort stieg die Sonne empor, nicht mehr über den spitzen Thürmen meiner Vaterstadt, nein über dem Rhodope-Gebirge, und der leise Morgenwind, der sich erhob, trug seltsame Klänge an mein Herz. Tönt vielleicht noch immer dort in den Wipfeln der Eichen, unter denen Orpheus seine Euridice beklagte, nachhallend sein Lied?

Hier seh' ich Gallipoli, das alte Gallipolis, die schöne Stadt; keck hängt sie an den Felsen, die ein unverwelklicher, immer grüner Kranz von Cypressenwäldern umgibt. Wie oft wurde Gallipoli zerstört, stets wieder aufgebaut und vergrößert. Strabo erwähnt es als ein kleines Dorf, das gegenüber der Stadt Lampsakus auf dem europäischen Ufer läge. Beide haben demnach die Rollen getauscht, denn dieses, jetzt Lepsak oder Lamsaki, besteht nur noch aus einigen halb zerfallenen Häusern. Von den edeln Trauben und bräunlichen Feigen, womit seine Hügel bedeckt sind, schweifen meine Blicke über die Ebene Kleinasiens, welche der Granikus und Aesopus bewässern; jeder Stein, jeder Hügel ist hier eine Erinnerung. Dort sind die Felsengestade des Cheronesos, da Sestos und das Vorgebirge von Abydos; etwas nördlich von diesen bei der Landspitze von Nigara Burnu, wo sich die beiden Ufer des Hellespont am nächsten treten, baute Xerxes seine Schiffbrücke, setzte Alexander mit seinem Heere nach Asien über; hier, warum soll ich seinen Namen nicht jenem der beiden Könige anreihen, schwamm Lord Byron, der Poet, durch die Meerenge, und dort, wo

– – die altersgrauen
Schlösser sich entgegenschauen,
Leuchtend in der Sonne Gold –

flüstern die Wellen noch heute von der Treue und dem Unglück Hero und Leanders. Mir kam das Alles vor, wie ein ungemein lieblicher Garten, durch den ein klarer Bach fließt, – das ist der ewige Hellespont. Schön ist dieser Garten und würde hundertmal schöner sein, wenn ihm der kleinliche Menschengeist nicht jene kolossalen Zwingthore, die beiden Schlösser der Dardanellen, zu seiner Bewachung gegeben hätte, diese Hellespontpolizei. Unwillkürlich dacht' ich an Deutschland; da steht auch bei jeder schönen Anlage des Geistes und der Hände der Aufseher mit großem Stock und bewacht den harmlos Wandelnden und polizeit ihn. Selbst unser Schiff schien hier zu eilen und blies seinen Unmuth in großen schwarzen Rauchwolken aus, als ihm die ungeheuren Kanonenmündungen der beiden Schlösser, des Kelledil Bahar, das Auge des Meeres, und die Sultanin Kalessi oder große Sultanstadt, so schußgerecht in die Flanken sahen.

Obgleich ich im Ganzen kein Freund der Engländer bin, so habe ich doch stets mit Bewunderung und inniger Freude den Namen des Admiral Elphinston genannt, der im Jahre 1770 nach jener für die Türken so unglücklichen Schlacht bei Tschesme diese Hellespontpolizei so verhöhnte, daß, nachdem er bei ihrer Nase vorbeigefahren war, und jenseits der Dardanellen Anker geworfen hatte, ruhig eine Tasse Thee trank, während seine Trompeter God save the King bliesen, und später mit der Fluth ohne Verlust zurückkehrte.

Unser treffliches Schiff, das neun Miglien in der Stunde machte, führte uns jetzt in kurzer Zeit jenem Gestade näher, dessen Geschichte schon die lebhafte Phantasie des Knaben beschäftigt und gereizt hat, die Ebene Troja's: dort ist schon der Ida, auf dem die Götter rathschlagten, und der Sitz, von dem Kronion das Schlachtfeld beschaute. Dort hob er seinen Arm und nahm bei dem Wettlauf der beiden Helden um Iliums Mauern die Wage zur Hand, warf zwei Loose hinein, und dasjenige Hektor's sank tief hinab. Hier dicht am Saum der Küste zeigen sich die beiden Grabhügel des Patroklos und Achilleus, an denen wir mit feierndem Blick und bewegtem Herzen vorbeiziehen; betrat letzteren doch schon vor zweiundzwanzig Jahrhunderten, dem Helden zu Ehren, Alexander der Macedonier. Wie leid war es mir, nicht alle die Stellen aufsuchen zu können, die Homer so lebhaft schilderte. Hier neben den Grabhügeln war das Lager der Griechen, dort auf der Anhöhe, neben dem jetzigen Dorfe Burnbaschi, stand Priamus heilige Veste. Sogar der kleine Hügel, das Grabmal des Aisyetos, der schon von Homer als sehr alt angegeben wird, läßt sich aus seinen Beschreibungen errathen. Noch jetzt sammelt sich das trübe schlammige Wasser des Simois in einem sumpfigen, mit Schilf bewachsenen Wasserpfuhl, dessen Ausdünstungen Seuchen erzeugen würden, wie zur Zeit jenes Kampfes unter dem griechischen Heere, wenn diese Ufer bewohnt wären. Der klare fischreiche Skamander strömt fort und fort in's Meer; doch hat er sein altes Bett verlassen, und nur einige Vertiefungen zeigen noch seine alle Zusammenmündung mit dem Simois an.

Während ich über das eben Gesehene nachdenkend auf dem Verdeck stand, und noch einmal einen Blick nach dem Grabe jener beiden Helden sandte, um mir die Umrisse des Ufers mit einigen Strichen in mein Taschenbuch zu tragen, und da mein Auge hinüberschweifte zur Insel Tenedos, der jenes Schlangenpaar entsprang, welches Laokoon nebst seinem Sohn umwand und tödtete, sah ich eine große Masse Delphine, welche plötzlich unser Schiff lustig umschwärmten. Das Brausen der Räder schien diese Thiere eher anzulocken, als abzuschrecken, denn dort hielten sie sich meistens auf und schienen das Boot überholen zu wollen. Es war ein vollkommenes Wettrennen; zuweilen hoben sich fünf zu gleicher Zeit aus dem Wasser, und machten lange Sätze in der Luft, um vorzukommen, wobei sie dem Verdecke oft so nahe kamen, daß man sie mit einem Stocke hätte erreichen können. Es waren Thiere von vier bis fünf Fuß Länge darunter. Dies Spiel dauerte beinahe eine halbe Stunde; dann blieben sie, wahrscheinlich ermüdet, zurück, und noch lange nachher sahen wir sie ihre Purzelbäume auf den Wellen machen.

Schon war die Sonne untergegangen, als sich hinter Imbros der Saoke, der Berg von Samothrake, zeigte. Doch warf schon die kommende Nacht die dunkeln Schleier über ihn, wie die Siege über sein Inneres. Mit dem Fernrohr suchte ich auf dem asiatischen Ufer die von Alexander erbaute Stadt Alexandria Troas und fand endlich auch einige Mauertrümmer, die einzigen Ueberbleibsel jener großartigen Niederlassung, die nach der Absicht ihres Gründers ein Stapelplatz werden sollte für den Austausch der Producte Kleinasiens, Thessaloniens und des Peloponnes.

Schon seit Mittag hatten wir Metelyn (Lesbos) gesehen, doch war es bereits ganz dunkel, als das Dampfschiff bei der Stadt gleiches Namens anhielt, um einige Reisende, unter andern auch den kleinen Hamsa Beg, abzusetzen. Nur wenig konnten wir von der Stadt sehen, welche, wie mir schien, die Felsen hinangebaut ist; wenigstens bedeckten licht erhellte Fenster die Berge des Gestades, bis hoch in die Spitzen. Ich hätte gern diese schön bewachsene und reiche Insel bei Tage gesehen, hätte gern einige Blicke gesandt zu dem Geburtsorte von Sappho und Alcäus, aber die Nacht verwehrte es, ersetzte jedoch durch die Schönheit, in welcher sie uns hier erschien, reichlich jenen kleinen Verlust. Nie in meinem Leben sah ich eine reinere, klarere Färbung des nächtlichen Himmels, und als nach einer halben Stunde der langsam empor gestiegene Mond sein volles Licht über uns ausgoß, und rings um uns das Meer und die Inseln nicht taghell, sondern bezaubernd schön erleuchtete, das Schiff in klaren Silberwellen schaukelte und mehrere Miglien weit hinter sich eine breite weiße Spur zurückließ, da fanden wir es alle auf dem Verdeck in der lauen Luft so angenehm, daß keiner sich vor Mitternacht in die Kajüte zurückzog.

Schon in der Nacht gegen Morgen war ich durch das plötzliche Stillstehen des Schiffes in meinem Schlafe gestört worden. Es ist dasselbe Gefühl, als wenn man im Wagen geschlafen hat und auf der Station angekommen ist. Ich richtete mich auf. Doch da es noch ganz dunkel war, legte ich mich wieder auf mein Sopha zurück und schlief noch einige Stunden. Wir waren bei Smyrna angekommen. Früh am Morgen stieg ich auf's Verdeck und vor meinem Blicke lag sie, die schöne Stadt, mit der herrlichen, von malerischen Bergen umgebenen Bucht, deren Schluchten und Ebenen, mit Cypressen, Feigen und Oelbäumen bewachsen, einen lieblichen Anblick gewähren. Schade, daß die Spitzen der Höhen so nackt und kahl sind. Hinter der Stadt liegen auf dem Mastustaberge die grauen Ruinen einer uralten Burg, denn sie steht seit den Zeiten Antigonus, des Feldherrn Alexanders von Macedonien, wurde oft zerstört und immer wieder aufgebaut. Für uns war sie ein Hauptaugenmerk, denn ihr hatten wir bei unserem kurzen Aufenthalt hier einen Besuch zugedacht, um von der Höhe wenigstens einen Blick in diese berühmte klassische Landschaft zu werfen und uns, wenn auch nur flüchtig, umzusehen in dem Vaterlande Homers, Anakreons und Anaxagores.

Wir stiegen an dem Hafenplatz bei dem fränkischen Quartier an's Land, und freuten uns nicht wenig, schon im ersten Augenblick einen Unterschied zwischen den Häusern und Straßen hier mit denen in Konstantinopel zu finden. Statt der kothigen Passage dort ging man hier auf reinlichem guten Pflaster, und man hatte nicht nöthig, in steter Angst zu schweben, daß einem schlecht gebaute Baracken links und rechts auf den Kopf fallen würden, vielmehr sieht das Auge mit Vergnügen auf die hohen, auf europäische Art von Stein erbauten Häuser, die als anständige Gebäude in ziemlicher Entfernung bleiben und sich einem nicht so pöbelhaft auf den Leib drängen, wie jene. Auch das Türkenquartier und die Bazars sehen, wenn auch nicht großartig, doch immerhin freundlicher und anziehender aus, als in der Hauptstadt, sind auch in einigen Artikeln, z. B. Teppichen, Stickereien, Früchten etc. reichlicher besetzt, als jene. Ein Kaufgewölbe im fränkischen Viertel, wo wir einige Kleinigkeiten erstanden, ließ bei der Schönheit und Mannigfaltigkeit seiner Waaren eher vermuthen: man sei in London oder Paris, als in einer türkischen Stadt. Hier fand man von der kleinsten Stange Cire à Moustaches bis zu einem vollkommenen englischen Reitzeuge Alles, was ein elegantes Herz erfreuen kann.

Smyrna haben wir in den paar Stunden, die wir dort zubrachten, sehr liebgewonnen. Es liegt über Stadt und Land ein frischer Reiz, eine üppige Jungfräulichkeit, und wenn mir nicht die zahlreichen hübschen Mädchen, denen man begegnet, mit ihren schwarzen Augen zu gefährlich vorgekommen wären, ich hätte gern einige Wochen hier zugebracht. Ueberall sah man die niedlichen, wegen ihrer Schönheit berühmten Töchter Smyrna's auf den Straßen herumtanzen, oder aus dem ersten Stock Kopf und Herz bedrohen.

Nachdem wir in der sogenannten Schweizerpension sehr gut gefrühstückt, wobei uns eine Bande herumziehender Musikanten Einiges aus verschiedenen Opern zum Besten gegeben, so daß wir uns bei dem Klange der bekannten Lieder in die Heimath versetzt glaubten, bestiegen wir die schon früher bestellten Pferde, um dem Mastusiaberge einen Besuch zu machen. Der heutige Tag hatte uns sämmtlich munter gestimmt, und das Gefühl, den festen Boden wieder unter unsern Füßen zu haben, sogar etwas muthwillig. So courbettirten und galoppirten wir denn durch die Stadt zum Vergnügen manch' schwarzen Augenpaars, das unserm Zuge nachsah und unsern Gruß lachend erwiederte. Vor der Stadt wandten wir uns links über die sogenannte Karawanenbrücke, welche ihren Namen daher hat, weil über sie all' die zahlreichen Waarenzüge gehen, die aus dem Innern des Landes nach Smyrna kommen. Dann ritten wir rechts den Berg hinan auf einem Wege, der sich zuerst durch türkische, mit schönen Cypressen bepflanzte Friedhöfe zieht, bald aber über dürres Heideland sehr steil nach dem Schlosse hinaufwendet. Dieser Pfad, mit vielen und großen Steinen besäet, macht den Pferden das Ersteigen äußerst beschwerlich. Eines derselben stürzte und warf seinen Reiter mehrere Fuß weit hinweg an ein Felsenstück, glücklicher Weise jedoch ohne ihn zu verletzen.

Auf dem Berg angelangt, standen wir lange Zeit und schauten entzückt in das Panorama, das sich vor unsern Blicken aufgethan: zu unsern Füßen die Stadt, bespült von der grünlichen Welle des Meeres, das hier eine Bucht ausfüllt, die man mehrmals mit dem wunderherrlichen Golf Neapels verglichen hat. Da schaute aus duftenden Orangen und saftig grünen Feigengärten Smyrna heraus; uns zur Linken war das herrliche, mit zackigen Felsen durchsetzte Engthal des Meles, das noch jetzt den Namen des Paradieses führt.

Langsam und uns öfters umschauend, erstiegen wir die letzte Klippe des Berges, um zum Gemäuer der weitläufigen Burg zu gelangen. Ein riesengroßer, weiblicher Kopf, in weißem Marmor, halb erhaben gearbeitet, war links neben einem Thore eingemauert. Er soll das Bildniß der Smyrna sein, jener Gemahlin des Arabischen Begründers der Stadt, von der sie auch ihren Namen erhielt. Die Türken machen zuweilen den Spaß, und schießen nach dem antiken Kopf mit ihren Pistolen, wodurch er schon stark beschädigt ist Nachdem wir über Schutt und Gestrüppe in das Innere des Schlosses geklettert waren, zeigte uns der Führer die Stellen, wo eines der prachtvollsten und größten Theater Asiens und der Tempel des Jupiter Acräus gestanden; doch sieht man von allem fast nichts mehr, als schwärzlich graue Steintrümmer, hie und da Marmorblöcke und einige großartige Mauerstrecken. Durch Zufall entdeckten wir hier noch ein sehr gutes Echo, welches drei bis vier Worte deutlich nachsprach.

Wo sich die Bogen einer alten Wasserleitung in das Thal des Paradieses hinabziehen, kletterten wir mit unsern Pferden hinunter, ein Weg, den nur die des Bergsteigens so gewohnten türkischen Pferde machen konnten. Zuweilen blieben sie auch auf Mauertrümmern, bei denen ich mich zu Fuß besonnen hätte, wie am besten hinabzusteigen sei, wandten sich aber immer glücklich durch; nur einmal mußte ich absteigen, um mein Pferd, welches sich zwischen zwei Felsblöcke fest geklemmt hatte, loszumachen. Von Weitem sahen wir noch den Platz, wo der Sage nach der Dichter der Iliade sein Häuschen gehabt haben soll; dann kehrten wir zur Stadt zurück, um uns gleich auf unser Schiff zu begeben, das, obgleich es anfänglich nur für Smyrna bestimmt war, hier einen Befehl vorfand, oder vielleicht denselben auch schon mitgebracht hatte, nach Beirut zu gehen. Es dämmerte schon, als wir die Anker lichteten, und dem schönen Smyrna Valet sagten. Ein plötzlicher Gewitterregen trieb uns frühzeitig in die Kajüte, wo wir uns bei einem Glase selbst gebrauten Punsches noch einige Stunden angenehm unterhielten. Dann legte ich mich hin, und das einförmige Schlagen der Schaufelräder wiegte mich bald in einen sanften Schlaf.

Am 11. December trat ich etwas später als sonst auf's Verdeck; denn ich hatte schon durch meine Fensterluken bemerkt, daß der Himmel nicht so freundlich auf uns herabsah, wie die vorhergehenden Tage. Aus Südwest hatte sich ein ziemlicher Wind aufgemacht und bewarf die Flanken des Schiffs zuweilen mit schäumenden Wellen, das sich aber dadurch auch gar nicht irre machen ließ oder dem Feind auch nur einen Fuß breit wich. Ich habe bei gleicher Pferdekraft nie eine so emsig arbeitende Maschine gesehen, wie die des Crescent. Er machte beständig, sogar gegen den Wind, seine zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Rotationen in der Minute. Das Schiff hatte, wie uns der Kapitän und einer unserer Gefährten, die schon mehrere Fahrten und bei stürmischem Wetter mit ihm gemacht, versicherten, die Eigenheit, nicht wie ein anderes Fahrzeug, bei hoher See die Wellen zu erklimmen, sondern es schnitt gerade hindurch, was denn freilich den Nachtheil hatte, daß die Wogen beständig das Verdeck bespülten. Der Crescent ist in England gebaut und seine Masten und der Schornstein, die schief nach hinten zugestellt sind, geben dem schlanken Schiffe ein keckes, flottes Ansehen.

Vor uns hatte die alte Geschichte wieder ihr Buch in Originalausgabe aufgeschlagen. Wir fuhren gen Samos und Ikaria; erstere, die Geburtsinsel Pythagoras, zeigte sich dem Auge sehr anmuthig; schon der alte Beiname Anthemos, bezeichnet sie als die blumenreiche; dort verlebte nach der Sage, Juno, die Himmelskönigin, den ersten Tag ihrer Kindheit, und wer von uns war nicht in Gedanken schon hier, wen hätte nicht Schiller hieher geführt, wenn er uns erzählt, wie Polykrates seinen Ring in's Meer warf, als das Kostbarste, was er besaß, dem Glück zum Opfer, das ihn mit Gaben überhäufte.

Während wir bei dem Hauptorte der Insel, dem Städtchen Kora, vorbeifuhren, trübte sich der Himmel gänzlich, und ein mächtiger Platzregen nöthigte uns, die Kajüten zu suchen, doch zog das Wetter bald vorüber, und als wir von Neuem das Verdeck betraten, standen hinter uns zwei prachtvolle Regenbogen, aus den dunkeln Gewitterwolken hell hervortretend. Dabei gewährte uns eine Kriegsbrigg, an der wir schon vor einigen Stunden vorbeifuhren, ein gar hübsches Bild; denn wir sahen sie jetzt mitten unter jenen farbigen Bogen stehen, mit ihren schneeweißen Segeln einer Taube gleich, die, vom Heiligenschein umgeben dahin schwebt. Gegen ein Uhr Mittags sahen wir südwestlich die Stadt Pathmos, auf welcher sich die Grotte des Apostels Johannes befindet. Dann fuhren wir um die nördliche Spitze der Insel Kos oder Stanko, das Vaterland Hippokrates und Appelles. Zwischen der östlichen Spitze von Kos und dem Kap Krio zeigte sich das Wasser des Meeres in einem Streifen von vielleicht zwei Miglien rein himmelblau, obgleich der Himmel dunkelgrau bezogen war und die übrige Meeresfläche eben diese Färbung hatte.

Schon seit Mittag hatte uns der Kapitän am fernsten Horizont einen blauen Streifen gezeigt, Rhodus, und ich trat nun beinahe jede Viertelstunde an's Boogspriet, um zu sehen, ob wir auch jener Insel, für die ich von Jugend auf geschwärmt, näherkämen. Viel zu langsam ging mir das eilende Dampfschiff. Schon dunkelte der Abend, und das Land, welches, das Kreuz in der tapfern Hand, der Johanniter so lange dem Halbmond streitig gemacht hatte, wollte nicht näher rücken. Als ich so nachdenkend hinblickend auf dem Anker saß, war mir, als sehe ich einer großartigen Tragödie, Rhodus, zu; der erste Akt hatte uns die Handlung in unendlichen Umrissen gezeigt, hatte uns durch die Erzählung des früher Geschehenen neugierig gemacht, den Ort, wo das Weltdrama spielte, näher zu sehen, und jetzt fiel der Vorhang – hier der Schleier der Nacht, und ließ nur die Gedanken durchdringen, um sich die fernere Scenerie auszumalen. Doch arbeitete unser Schiff während dem Zwischenakte kräftig vorwärts, und als nach einer Stunde der Mond aufstieg und hell durch die zerrissenen Wolken schien, begann der zweite Akt und führte uns in das Innere des Stückes, dessen erste Decoration die Trümmer eines uralten Hafens waren.

Die Form des Beckens konnte man noch eben in seinen äußern Umrissen erkennen. Das Meer wühlte in den Felsenblöcken, die früher gewiß fest zusammengefügt waren. Es war der alte Hafen, auf dem der berühmte Koloß von Rhodus gestanden, jenes Bild aus Erz, das mit gespreizten Beinen, einem Thore gleich, vor der Oeffnung des Hafens stand, und hoch in der einen erhobenen Hand einen Feuerbrand hielt, den einlaufenden Schiffen zum Zeichen. Jetzt traten uns die Lampen der Leuchtthürme, die bisher matt durch den Nebel geschimmert hatten, deutlicher vor Augen. Unser Boot machte eine große Wendung, fuhr mit halber Kraft in den neuen Hafen hinein, zwischen den beiden massiven festen Thürmen des Erzengels und des heiligen Nikolaus durch, und warf neben einer östreichischen Corvette die Anker. Da waren wir denn in dem Hafen von Rhodus, der schönen »Rose,« angekommen, und der Mond war so gefällig, uns die Mauern und Thürme der Stadt so ziemlich zu beleuchten. Der Anblick derselben gewährte uns so gar nichts Türkisches; Alles war solid und fest gebaut, und zeigte, obwohl verfallen, daß kräftige Hände und eine geregelte Kriegskunst diese Werke aufgeführt haben. Man hätte glauben können, vor einer europäischen Festung zu sein, wenn uns nicht über eine der Mauern das Siegel des Orients, eine schlanke Palme, die erste, die wir sahen, entgegen genickt hätte. Wir blieben die Nacht über an Bord; doch kaum ging die Sonne auf, so ließen wir uns nach der Stadt rudern, und stiegen bei dem Hafenthor an's Land. Hier waren der Sage nach noch im sechszehnten Jahrhundert die Gebeine jenes Drachen zu sehen, den der tapfere Ritter des Ordens, Dieudonné de Gozon erschlug, und ihre Größe wurde von den Aus- und Eingehenden bewundert.

Es macht gewiß nicht leicht eine Stadt einen seltsameren Eindruck auf das Herz des Europäers, der ihre Geschichte kennt, als das jetzige Rhodus, die entblätterte Rose. Die Türken, die schon seit 1522 Besitzer derselben sind, waren nicht im Stande, diese Stadt, wie die andern, die ein gleiches Schicksal hatten, so ganz in ihren Schmutz herabzuziehen. Das alte Rhodus mit ganzen Straßen kleiner massiver Häuser und den aus der Ritterzeit herstammenden Festungswerken und Gräben, gleicht einer eroberten und zerstörten Kirche, die der neue Herrscher seinem Cultus gemäß umänderte. Doch wenn er auch da ein Fenster zumauerte, dort ein neues brechen ließ, oder auf die alten kräftigen Thürme ein Spitzdach setzte, wenn er auch die Bilder der Wände auskratzen, die Mauerverzierungen abbrechen ließ und das Ganze mit seinen schmutzigen Händen besudelte; so sieht doch der Wanderer, der ehrfurchtsvoll näher tritt, nichts von den neuen Verunzierungen, sondern seine Blicke fassen gleich das alte ehrwürdige Denkmal, wie es damals gewesen, auf, ohne die Kuckucksblut zu bemerken, die jetzt in dem Nest des mächtigen Raubvogels nistet.

Wir wandelten durch die Gassen, die noch aus den Zeiten der Ritter her mit einem guten Pflaster versehen sind. Das Treiben der Türken, die ihre schlechten Baracken an mächtige Mauern geklebt haben, und Angesichts der Wälle, auf denen die tapfern Johanniter für den Glauben kämpften und starben, faul auf unterschlagenen Beinen sitzen und gedankenvoll den Tabaksrauch von sich blasen, erschien uns ganz fremdartig. Es machte denselben Eindruck, als wenn man in einer unserer Städte die Türken auf einmal Herr und Meister spielen sähe. In allen andern Städten in der Türkei, und wenn sie noch so schön und großartig sind, wie Stambul, Adrianopel, Smyrna etc., paßt doch der Anblick des faulen orientalischen Treibens zu Allem, und wir Europäer waren, wie natürlich, eine fremde Zuthat. Doch, wie schon gesagt, hier in Rhodus ist es ganz umgekehrt. Wir wandelten durch die Bazars, die nirgends fehlen dürfen. Das Einzige, was von den Artikeln, die hier ausgebreitet lagen, uns des Kaufens werth erschien, waren schöne reife Orangen, die ersten, die wir auf unserer Reise gesehen, denn in Stambul waren erst wenige auf den Markt gekommen. Die Stadt Rhodus steigt auf zwei Höhen, die sich nach West und Nord erstrecken, sanft aus dem Meere empor, weßhalb auch alle Straßen von dem Hafen aufwärts laufen. Die alten zerfallenen massiven Gemäuer, die durch die Stadt zerstreut liegen, und an die der Türke sein armseliges Haus gebaut, sind bedeckt mit Epheu und umgeben von frischen Baumgruppen. Der Orangen- und Citronenbaum hatte hier schon Blüthen und Früchte, und die breiten Blätter des Rebenlaubes bildeten schattige Plätze. Auf den Wällen und in den Gräben erwies sich die Natur dem alten Rhodus freundlich und bedeckte das graue Gestein mit grünen Pflanzen und bunten Blumen. An die Einnahme der Stadt durch Soleiman erinnerten noch mehrere steinerne Kugeln, die hie und da umherlagen und wovon einige von einer wirklich ungeheuren Größe waren, denn sie hatten eilf bis zwölf Spangen im Umfang.

Wir sahen die Kathedrale, vormals die Kirche des heil. Johannes, von den Türken in zwei Theile getheilt, wovon der eine zum Getreidehaus, der andere zur Moschee benutzt wird. An den Wänden der letzteren hatte man die Gemälde, die dieselben zu den Zeiten der Johanniter bedeckten, mit weißer Farbe überstrichen, aber nicht verlöschen können; denn hie und da sah man noch Figuren in unbestimmten Umrissen hervorleuchten. Nicht weit davon liegt der frühere Palast des Großmeisters, ein großes viereckiges Gebäude, mit Gräben umgeben. Wir gingen nur bis unter das gothische Thor und sahen in den Hof hinein, den eine von Säulen getragene Gallerie im Viereck umgibt. Vor dem Schloß stand eine uralte Platane, von der ich mir ein Blatt abbrach und zum Andenken an Rhodus mitnahm.

Das Merkwürdigste und für den Europäer wirklich rührend ist eine kleine, öde, unbewohnte Gasse, die neben dem Palaste des Großmeisters liegt und noch jetzt den stolzen Namen Strada dei Cavalieri führt; denn hier waren ehemals die Wohnungen der verschiedenen Ritter aller Zungen. Jetzt wohnt Niemand hier; auf dem mit breiten Steinplatten gepflasterten Boden wächst Gras, die Straße gleicht einem Kirchhofe und die kleinen Häuserchen, alle von einander verschieden und jedes nach dem Geschmacke aufgeführt, den der Erbauer aus der fernen Heimath mitgebracht, stehen daneben, wie eben so viele Grabsteine, auf denen, wenn auch nicht der Name des Ritters, der sie erbaute, doch das Wappen desselben, in Stein gehauen, prangt.

Fast jedes dieser Häuser hat eine Treppe vor der Thür; dann gelangt man durch einen dunkeln Gang auf einen kleinen Hof, in welchem Knappen und Dienerschaft wohnten. Die Gemächer der edlen Johanniter selbst im Vorderhause sind nicht sehr geräumig und durch die kleinen vergitterten Fenster sehr dunkel. Die Straße der Ritter, welche ebenfalls bergan läuft, führt oben auf die Höhe des Walles, von wo wir, auf den Trümmern eines zerklüfteten Pulverthurms stehend, die Bollwerke und Thore, welche die französischen, deutschen, englischen und welschen Ritter vertheidigten, sowie das Siegesthor und das athanatische sahen. Auch sahen wir von hier drei Hafen, welche Rhodus hat. Der Boothafen, in welchem unser Dampfboot ankerte, neben ihm die Galeerenhafen, wo sich die Schiffswerften befinden, und der durch das Castell Elmo beschützt wird, und auf der andern Seite der kleine Hafen, wo der Koloß stand und der von einem Klippenvorsprung und der Landzunge, auf welchem der Engelsthurm steht, gebildet wird.

Schon um Mittag rief uns der Signalschuß an Bord des Dampfschiffes zurück. Wir lichteten bald darauf die Anker und wandten uns dem anatolischen Festlande zu, wo die große durch umgebende Gebirge von allen Seiten vor der Gewalt der Winde geschirmte Bucht von Phisco und in deren Grunde der kleine Ort Marmaris liegt, nach welchem heute der schöne natürliche Hafen der von Marmarissa heißt. Schon seit den ältesten Zeiten ist das kleine Marmaris berühmt. Alexander, der es umzingelte, konnte die Bewohner nicht bekämpfen. Sie zündeten ihre eigene Stadt an, erwürgten Weiber und Kinder und schlugen sich durch das macedonische Heer in die Gebirge. Soleiman versammelte hier im Hafen die Flotte, die zur Eroberung von Rhodus bestimmt war, und ebenso die Engländer zu Anfang dieses Jahrhunderts die ihrige, welche, dreihundert Segel stark, wider Aegypten auslaufen sollte. Heute. wo sich unser Dampfschiff von Rhodus nach Marmaris wandte, sah der kleine Ort wieder eine gewaltige Kriegsmacht, die sich vor seinen verfallenen Mauern versammelte, denn die englische Flotte unter Admiral Stopferd, vereinigt mit der österreichischen Escadre, lag da vor Anker.

Nachdem wir Rhodus verlassen, hatte sich das Wetter, das den Morgen über klar und freundlich gewesen war, plötzlich verändert und die See ging ziemlich hoch. Um so seltsamer war der Anblick des Hafens von Marmarissa, als wir, nachdem das ziemlich stürmische Meer und die ganz kahlen Gebirge des asiatischen Ufers hinter uns lagen, plötzlich in jener Bucht von frischen grünen Bergen umgeben, auf einem Wasser schwammen, das spiegelglatt und klar, einem großen Landsee glich, und uns mitten zwischen diesen Schiffkolossen sahen, die gleich furchtbaren Riesen in ihrer Höhle, hier im Schlafe neben einander von einem eben bestandenen Kampfe ausruhten. Dies waren die mächtigen Kanonen, welche Beirut beschossen und Acre beinahe vernichtet hatten. Jetzt fuhren wir neben dem Powerful, auf dem der Commodore Napier befehligt und senkten unter seinen Kanonen den Anker. Dort lag die Prinzessin Charlotte; auf ihrem Mittelmast flatterte die Flagge des Admirals Stopford; das herrliche Schiff schien uns Fremdlinge mit seinen hundertundzwanzig Kanonen wie mit eben so vielen Augen neugierig zu beschauen. In ihrer Mitte ankerte die Fregatte Lipsia, auf der sich der junge Erzherzog Friedrich von Oestreich befand. In Allem befanden sich hier dreizehn Linienschiffe, vier Fregatten, vier Briggs, drei Corvetten und vier Kriegsdampfschiffe. Mehrere dieser Fahrzeuge besserten ihre Masten und Takelwerk aus; denn obgleich Admiral Stopford beim Beginn der stürmischen Witterung zu Ende Novembers die offene, sehr unsichere Rhede Beiruts verlassen, so hatte doch der Sturm vom ersten und zweiten Dezember, der auch uns mit dem Dampfbot Seri-Pervas im Marmormeer scheitern machte, stark unter der Flotte gewüthet, mehrere Schiffe leicht beschädigt, eine Corvette ihrer sämmtlichen Masten beraubt, und eine Brigg, vom Sohne des englischen Admirals befehligt, war gänzlich zu Grunde gegangen. Einige Seeoffiziere versicherten uns, wenn das Unwetter noch einen Tag gedauert hätte, wäre die ganze herrliche Armada schwerlich dem Verderben entronnen. Wir blieben noch, bis das Licht des unterdessen aufgestiegenen Vollmonds unserem Steuermann den Weg aus dem Hafen wies, und verließen Marmarissa im Augenblick, wo auf sämmtlichen Schiffen von vollständigen Musikchören der Zapfenstreich ertönte. Es war für uns ein eigenes Gefühl, so viele Stunden von der Heimath den Priesterchor aus Norma zu hören. Am folgenden Morgen lachte uns wieder das herrlichste Wetter. Wir sahen schon in weiter Entfernung die Insel Cypern vor uns. Das Meer war eben wie ein Spiegel, der Crescent arbeitete so wacker vorwärts, daß wir schon gegen eilf Uhr die Insel erreichten und bei Larnaca, eine halbe Seemeile vom Lande entfernt, den Anker warfen. Wir fuhren in einer großen Schaluppe nach der Stadt und ich habe nie das Meer so klar und von so schöner Farbe gesehen, wie heute. Man konnte deutlich auf den Grund schauen und Muscheln und Steine erkennen, die gewiß an fünfzig bis sechzig Fuß unter uns lagen. Unser Kapitän hatte bei dem Agenten der Dampfschifffahrtsgesellschaft eine Depesche abzugeben und wir benützten diesen Aufenthalt von einigen Stunden, um den köstlichen Cyperwein an der Quelle zu versuchen. Der Agent setzte uns eine Flasche, und wie er selbst sagte, vom besten vor; doch konnten wir ihm insgesammt keinen Geschmack abgewinnen. Desto mehr erfreute uns aber der Anblick eines jungen, sehr schönen Mädchens in diesem Hause, im reizenden griechischen Costüm, das unter einer Laube von Orangen saß und mit weiblicher Handarbeit beschäftigt war. Das gute Geschöpf mußte viel von unsern neugierigen Blicken leiden, denn wir hatten lange kein interessantes weibliches Wesen mehr gesehen; und unsere Herzen waren daher so erkaltet, daß wir es wagen konnten, ein paar lange Minuten hindurch das strahlende Feuer ihrer schönen Augen auszuhalten.

Wir streiften eine Weile in der Nähe der Küste herum und trafen zufällig einen deutschen Landsmann; er war ein Schwabe, der in dem Kapuzinerkloster hier die Dienste eines Schneidermeisters, Garderobiers und Haushofmeisters versah. Wir mußten ihm zu den ehrwürdigen Vätern folgen und blieben eine halbe Stunde bei ihnen, worauf uns der Deutsche in eine Locanda führte, wo wir nach seiner Versicherung den köstlichsten Cyprier unverfälscht und von bester Sorte haben könnten. Wir folgten seinem Rath und seiner Führung, ohne das später zu bereuen, denn der klare goldgelbe Wein, der uns dort von einem schönen schwarzäugigen Mädchen credenzt wurde, übertraf an Feuer und Wohlgeschmack Alles, was ich bisher getrunken. Nach einer Stunde kam der Kapitän selbst, um uns aufzusuchen und zur Abfahrt zu mahnen. Er war mit den Gelegenheiten in der Stadt schon bekannt und hatte nicht umsonst geahnet, daß er uns hier an der Quelle des köstlichen Nektars finden würde.

Wir gingen nach dem Schiffe zurück und mußten, obgleich es im December war, die Strahlen der Nachmittagssonne schwer empfinden. Ein öderer, baum- und strauchloserer Anblick, wie aber auch diese Insel von der Südseite bietet, ist nicht leicht zu finden. Der Boden ist weißer Kalkstein, mit Kieselstein und Marienglas bedeckt; doch soll dagegen der nördliche Theil Cyperns, der von hohen Gebirgen durchschnitten ist, der freundlichen, ja sehr schönen Gegenden viele aufzuweisen haben. Wir lichteten gegen zwei Uhr die Anker, und da die heutige Nacht die letzte unserer jetzigen Seereise war, rüsteten wir unser Gepäck, um Morgen früh bei unserer Ankunft in Beirut gleich Alles in Bereitschaft zu haben und das Boot verlassen zu können. Wir hatten eine schöne angenehme Nacht, das Meer war spiegelglatt und ruhig wie ein Teich, nur ein leichter Wind blähte das Segel, das der Kapitän, den Lauf des Schiffes zu befördern, aufspannen ließ.

Das erste Frühlicht des neuen Tages traf uns schon auf dem Verdeck, denn aus der Dämmerung der Nacht begann für uns ein prächtiges ungeheures Schauspiel aufzutauchen. Wir hatten das Ziel unserer Seefahrt erreicht und vor uns lag der schneebedeckte Libanon, zu seinen Füßen das arme zerschossene Beirut.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise in den Orient – Erster Band