Swinemünde, Bad in der Ostsee

Swinemünde, den 1. Juli 1822

Früh halb 9 Uhr bestieg ich ein für 1 Taler 16 Groschen gemietetes Boot, um über das kleine Haff zu fahren. Der Eigentümer desselben war ein ehemaliger, jetzt in Ueckermünde ansässiger Schiffskapitän, der es mit seinem erwachsenen Sohne, welcher auch schon mehrere Seereisen gemacht hatte, bestieg. Der Vater war in Hamburg während der Belagerung unter Davout um sein Schiff gekommen, welches die Franzosen versenkt oder verbrannt hatten. Er erzählte mir auf unserer ferneren Fahrt, dass er für sein verlornes Eigentum bereits 4.000 Reichstaler durch die preußischen Behörden erhalten habe, aber noch 2.500 Reichstaler erwarte, die er indes durch alle seine Bemühungen bis jetzt noch nicht habe erlangen können. Nach dem jetzigen Werte der Seeschiffe kann er zufrieden sein, so viel für das seinige erhalten zu haben, er war übrigens nicht der gebildetste Mann und verriet große Befangenheit des Geistes und eingeschränkte Kenntnis, aber doch ein gutmütiges Wesen.


Wir ruderten die Uecker hinunter, die hier etwa so breit ist, als die Spree oberhalb Berlin, oder die Oder bei Frankfurt, aber eine bedeutende Tiefe hat, so dass große Seeschiffe sie bis an die Stadt befahren können. Die Ufer derselben waren ganz flach und bestanden aus Wiesengrund. Wir fuhren vor einigen größeren und kleinern Seeschiffen, die am Ufer ankerten, vorbei und sahen an der Mündung ein ansehnliches Fahrzeug, das bei einem frühern Sturm aufs Land geworfen war und als Wrack da lag. Da ich zum ersten Mal die See, wenn auch nur auf einem Binnenwasser befahren wollte, so regte sich beim Anblick des Wracks unwillkürlich eine kleine Ängstlichkeit in mir, dass es unter Umständen mit unserem Schiffchen doch auch übel ablaufen könnte. Mein Kapitän beruhigte mich aber bald wieder. Er trug beim Einsteigen in unser Boot ein Kästchen unter dem Arme, und sagte, auf dasselbe zeigend: Hier ist mein Auge. Ich begriff nicht sogleich, was er damit meinte, bis ich den Kompass erkannte. Es kam mir indes seltsam vor, dass er auf einer so kurzen Fahrt nach einem Orte, den wir deutlich vor uns sahen, diesen Wegweiser mitnahm. Er versicherte mir aber, dass es nötig sei und hinterher sah ich’s ein, denn wir wurden einmal von einer Regenwolke so sehr eingehüllt, dass wir nichts um uns her erkannten. Bei herbstlichem Nebel ist diese Vorsicht noch nötiger.

Der Wind wehte anfangs aus Südost, ward aber bald so widrig, dass wir ganz nach Osten hinfahren mussten und auf der vorragenden Landspitze Alt- und Neu-Warp zu Gesicht bekamen. Hier wendeten wir das Schiff und fuhren wieder westlich. Der schwache Wind, welcher bisher die Ruderer unterstützt hatte, legte sich ganz und diese mussten nun angestrengter arbeiten. Wir sahen indes die Warper Mühle mit scharfem Südwinde umtreiben und bald erreichte derselbe auch uns, so dass das geschwollene Segel unser Boot schneller forttrieb, als ein Pferd traben kann. So urteilten meine Fährleute.

Auf dem Haff segelten Schiffe in mancherlei Richtung; für mich ein ganz neuer Anblick. Ein großes steuerte nach Anklam, ein anderes nach dem Dievenow und Kolberg, ein drittes nach der Swine, und vor einem mit Holz beladenen kleinern und einem andern, das entweder Getreide oder Steine geladen hatte, denn es ging sehr tief, kamen wir nahe vorbei. In sehr großer Ferne zeigten sich Fischerbarken, Tukker genannt, aus Wollin. Sie fuhren nebeneinander, wie denn gewöhnlich je zwei und zwei zusammen fischen, oder in ihrer Sprache eine Matschap machen. Diese Tuckerschiffe haben in der Mitte einen gewöhnlich durchlöcherten Fischkasten zum Aufbewahren der gefangenen Fische, und gehen daher tief, woher sie auch ihren Namen (Taucherschiffe) haben. Sie bleiben meistens 8 bis 14 Tage auf dem Wasser, ehe sie nach Hause kehren. Meine Fährleute sagten, dass sie heut bloß nach ihrer Station gingen, denn zu fischen sei bei Strafe verboten, weil es Sonntag war. Erst nach einer geraumen Zeit kamen sie uns etwas näher. Die Entfernung der Schiffe und aller übrigen Gegenstände setzte ich fast immer zu gering an, und ward darüber von meinen Fährern eines Besseren belehrt. Diese erkannten aus dem Bau der Schiffe und der Richtung ihres Laufes, den Ort, woher sie waren, und wohin sie gingen; Enten und andre Wasservögel sahen sie, besonders der Sohn, mit bloßen Augen besser, als ich mit meinem Glase, das mir oft gar nichts zeigte. Ich ergötzte mich an der stets sich ändernden Ansicht der Ufer mit ihren Vorgebirgen, der Schiffe usw. Die Wasserfläche schien mir etwas gewölbt. Jetzt hatte ich einen Teil meines Reisezweckes erreicht und spottete in Gedanken der Ängstlichkeit derer, die mich von einer Fahrt auf dem Seewasser hatten abschrecken wollen. Der spärliche Regen ward mit dem Winde immer stärker und dieser trieb zuletzt, obwohl das Segeltuch eingezogen ward, das Schiff bei dem Dorfe Kaminke auf den Sand.

Ein ganz kleines Fahrzeug nahm mich und meinen Koffer auf, um uns ans Land zu bringen. Der anhaltende heftige Wind und Regen nötigten mich, in eins der 40 Fischer- und Schifferhäuser, woraus das Dorf, mit Inbegriff von 4 Bauernhöfen, besteht, einzutreten. Es war 1 Uhr, so dass wir 4 Stunden und drüber mit der Überfahrt zugebracht hatten, die bei sehr günstigem Winde allenfalls in einer halben Stunde abgemacht werden kann. Die Wohnstube des Schiffers war reinlich und mit Terrinen, Teeschalen usw. von Steingut ziemlich aufgeputzt. Der Hausvater und die Mutter von 8 Kindern klagten sehr über Mangel an Verdienst. Ich nahm einen der erwachsenen Söhne an, um meinen Koffer nach Swinemünde zu bringen und ging dahin ab, nachdem sich Wind und Regen gelegt hatten. Es war mir doch lieb, von dem Regen nicht auf dem Haffe durchnässt worden zu sein.

Vor einigen Tagen war hier ein gewaltiger Regen gefallen, welcher den Sand vom Abhange des bedeutenden Berges so sehr abgeschwemmt hatte, dass die untern Gärten der Fischer ganz damit bedeckt waren; auch ein Gegenstand der Klage für sie. Ich ging zwischen den Häuserreihen am Abhange des Berges fort und trat nach 20 Minuten bei der Oberförsterei in einen Wald, der größtenteils aus Fichten bestand und sonst ganz angenehm war. Er geht bis auf ein Viertelstündchen hierher nach Swinemünde. Der Sand vor diesem Orte war tief, und es ward mir schwer, ihn zu durchwaten, so dass ich froh war, an den Wohnhäusern endlich wieder festern Weg zu finden.

Swinemünde ist ein freundlicher Ort, aus graden, breiten Straßen bestehend, die bis jetzt ungepflastert sind, auch des Pflasters eben nicht bedürfen, da der tiefe Sand und die weite Entfernung der Häuserreihen keinen Schmutz aufkommen lassen, auch kein großes Fuhrwerk hier ist. Die Häuser selbst sind fast durchweg einstöckig und vor vielen derselben, besonders an dem dreieckigen Marktplatze, stehen frisch grünende Bäume, welchen die Schere eine Würfelgestalt gegeben hat, oben mit einem Knopfe. Der Häuser sind 332, und der Einwohner 3.500. Ich wohne in einem Gasthofe, der nach dem Marktplatze hinstehet, aus dessen Fenstern ich seitwärts die Seeschiffe erblicke. Bis jetzt habe ich mich bloß mit dem Äußern des Orts, der weder Mauern noch Tore hat, und dadurch seine Jugend beurkundet, bekannt gemacht.

Es ist noch kein halbes Jahrhundert, dass Swinemünde ein Dorf war, und ich besuchte den Teil des Orts, der noch jetzt so heißt, seinen eigenen Schulzen, Bauerngehöfte usw. hat. Die daran gebaute Stadt ist beinahe viereckig; die Straßen durchschneiden sich unter rechten Winkeln, und wenn die Häuser auch grade nicht schön sind, so fallen sie doch nicht übel ins Auge, und das Ganze gewährt einen freundlichen Anblick. Hie und da sieht man auch ein stattliches Gebäude, besonders an dem Swineufer. Die Stadtkirche gleicht einem gewöhnlichen großen Hause und hat keinen Turm, - sehr bezeichnend für den Geist der neuern Zeit. Es steht ein Prediger an derselben, welcher jährlich von jedem Hause 18 Gr. erhält, der Küster nur 6 Gr. Die Stadtschule hat einen Rektor mit einigen Lehrern. Übrigens liegt der Ort an dem nordwestlichen Ende der Swine, die hier etwa 100 Ruten breit ist, sich aber südlich von der Stadt merklich erweitert, indem die Ufer der Inseln Usedom sowohl als Wollin sich etwas zurückziehen. Dass die Swine selbst der mittlere Abfluss der Oder, und der von ihr gebildeten beiden Haffe, des großen (östlich) und des kleinern (westlich) sei, ist bekannt. Beide Haffe sind durch keine merkliche Scheide voneinander getrennt, sondern fließen ineinander. Die gewöhnliche Tiefe derselben ist 24 Fuß; doch gibt es auch einige seichte Stellen darin und bei der Fahrt über das kleine erreichten meine Fährleute mit einem 2-fadigen Ruder den Grund. Übrigens hat das Haff süßes Wasser und nur bei anhaltendem Nordwinde dringt das salzige Seewasser ein.

Die meisten Schiffe, welche hier liegen, gehören auch hier oder in Stettin zu Hause, denn dieser Ort wird als der Vorhafen jener Handelsstadt angesehen. Der Verkehr hier ist aber jetzt sehr gering, sowohl wegen des allgemein stockenden Handels als wegen der Vorkehrungen, die man zum Besten Stettins getroffen hat. Daher liegen auch hier viele Seeschiffe müßig, entmastet und schadhaft da, ohne dass eine bessernde Hand daran gelegt wird. Nur ein holländischer Zweimaster ward kielholt und lag zu dem Ende auf der Seite. Der Anblick eines solchen Gebäudes in dieser Lage war wieder etwas Neues für mich, und ich umging das ganze Schiff, um mich sowohl über die Tiefe desselben, die es im Wasser hat, und die ich hier am besten ersehen konnte, zu belehren als auch über die Anstalten am Ufer, die getroffen waren, um das Schiff auf die Seite zu legen. Die Masten, Taue usw. hingen über meinem Kopfe, und auf der andern Seite konnte ich bis an den Kiel des Schiffes gehen.

In einiger Entfernung ward ein Seeschiff und dessen Takelage einzeln versteigert. Eine große Menge Schiffer stand um einen großen und dicken Mann, der ein wahres holländisches Ansehen hatte, auch ganz platt sprach. Er saß mit einer gewaltigen Brille auf der Nase an einem kleinen Tische und las die zu versteigernden Stücke mit starker Stimme her, und wiederholte die Gebote ebenso stark. Das Originelle des Mannes und der winzige Tisch, der mit allem sonderbar kontrastierte, hielt mich eine Zeit lang gefesselt. Da ich indes weder etwas kaufen wollte, auch nicht einmal die Namen der käuflichen Dinge alle verstand, so ging ich bald weiter. So viel sah und hörte ich indes, das alles zu einem sehr niedrigen Preise fortging; eine Folge des schlafenden Handels.

In der Swine lag der Bagger jetzt müßig. So heißt die Maschine, womit man den Hafen und den ganzen Fahrweg bis nach Stettin hin gereinigt und bis auf 14 Fuß vertieft hat, so dass jetzt alle Seeschiffe ungehindert bis nach jener Stadt fahren können. Sonst mussten die tiefgehenden erst hier erleichtert oder auch ganz ausgeladen werden, wobei die Einwohner des hiesigen Ortes sehr gewannen, die Stettiner Kaufleute aber ebenso sehr verloren. Die Unzufriedenheit der ersteren mit den getroffenen Verbesserungen ist daher groß und einige meinen, dass Swinemünde bald wieder zugrunde gehen oder zum Dorfe hinabsinken werde. Die Zukunft dürfte diese Besorgnisse vielleicht zerstreuen, besonders dann, wenn für den Oderstrom dieselben günstigen Zolleinrichtungen getroffen werden, deren sich jetzt der Elbstrom erfreut.

Die Erbauung des Baggers soll 70.000 Rthlr. gekostet haben. Kupferne Kessel bewegen sich ungefähr ebenso wie bei den alten Schöpfwerken, die ich in jüngern Jahren bei Brückenbauten sah, die schöpfenden Flächen, nur dass die Kesselreihe unten in einer Bogenform gehalten wird, um den Sand des Grundes erreichen und heraufbringen zu können. Er wird oben auf eine schiefe Fläche ausgeschüttet und fällt dann in ein nebenstehendes Boot, das ihn ans Land führt. Auf jeder Seite der Maschine ist eine solche Kesselkette und in der Mitte befindet sich das Dampfwerk, wodurch diese in Bewegung gesetzt werden. Am Ufer lagen einige große zerbrochene Zangen, womit man die Steine aus dem Grunde heraufholt.

Die Reinigung des Fahrwassers ist indes nur das geringere Verdienst, welches sich die Regierung um den Handel und die Schifffahrt hier erwirbt. Weit wichtiger ist der Hafen, welcher gebaut wird, und von dem ich bis jetzt erst gehört habe, dass es ein kleines Riesenwerk sein soll.

Ich hab’ es nun gesehen, dieses Werk, das bloß durch viele vereinte Menschenhände ausgeführt werden kann, und an welchem man bereits seit 4 Jahren baut und vielleicht noch länger bauen wird. In diesem Jahre werden die bedeutendsten Arbeiten an dem östlichen Damme des Hafens gemacht, die bei dem Dorfe Ostswine auf der Insel Wollin anheben. Da ich die Arbeit selbst ebenso gut an dem westlichen Damme sehen konnte, so blieb ich auf der Insel Usedom. Hier hat man bereits 250 Ruten weit ins Baltische Meer hinausgebaut und will noch 50 Ruten weiter mit dem Bau vorgehen. Etwa in der Länge von 100 Ruten macht der Damm einen nach Westen gelegenen stumpfen Winkel. Die Art des Baues ist folgende. Zuerst werden Faschinen mit mäßigen Steinen beschwert, versenkt, und ich stand auf einer Stelle, wo dies bis auf 30 Fuß Tiefe hatte geschehen müssen, da die Ostsee hier sonst nur 10 Fuß tief ist. Aber an dem Punkt, wo man in einem Jahre mit dem Bau aufhört, wühlen die Winterstürme einen Kessel von der angegebenen Tiefe aus, über welchen man sich erst hinwegarbeiten muss, ehe man 10- füßigen Grund wieder findet. Haben die Faschinen und Steine die Wasserfläche erreicht, so werden kleinere Gesteine darauf geschüttet und neunfüßige Pfähle eingetrieben, deren ich auf jeder Rute Länge einen antraf und auf der ganzen Breite des Dammes 18 zählte. Diese Breite beträgt in der Krone 3 Ruten, und am Grunde des Meeres nach Beschaffenheit der Tiefe weit mehr. In der Mitte des Dammes zieht sich gleichsam als Herz oder Seele desselben ein Inbegriff von Faschinen in Wurstgestalt, der Länge nach gelegt, fort, mit kleinem Gestein ausgefüllt. Dieses Herz ist wohl 1 Rute breit. Alsdann werden die größten Steine, die man nur haben kann, so genau als möglich und in gehörigen Abdachungen zusammengefügt, und der Damm ist fertig. Um diese letzte Arbeit zu machen, ist es oft nötig, den großen Kieseln die gehörige Form zu geben und Stücke davon abzusprengen. Dies geht aber, wie ich’s an einer Stelle sah, ziemlich schnell vonstatten. Ein Arbeiter hatte bereits eine Rinne in einen mächtigen Kiesel gehauen und 3 Keile, jeden zwischen 2 eiserne Platten gesteckt, und trieb diese nun ein. Auf einmal gab der Stein einen dumpfern Ton und der Arbeiter versicherte, das hinderliche Stück sei abgelöst; auch sah ich es bald darauf abfallen.

Der Wind peitschte heftig die Meereswellen an den sich etwa 6 Fuß über die Wasserfläche erhebenden Damm; sie brachen sich murrend und verliefen sich in die Fugen der Decksteine, einen Schaum zurücklassend. Zuweilen bespritzten sie mich auch, wenn ich auf der Abdachung ging. Da, wo man für dieses Jahr aufhört und das angefangene Stück des Damms noch vollenden will, luden viele Barken die weit hergeholten Steine aus, andre kamen mit dem frischen Winde an und noch andre fuhren schon wieder ab. Überall sah man ein reges Leben und Wirken, dem Toben des Meeres zu trotzen und ihm einen Zügel anzulegen. Wie kostbar und langwierig der Bau dieses Hafens sein müsse, erhellt schon aus dem Umstande, dass die dazu erforderlichen Steine aus bedeutender Ferne hierher geschafft werden. Ich sprach einen Schiffer, der mit seinem bedeutenden Fahrzeuge nichts weiter als mächtige Kieselsteine von Anklam (5 Meilen zu Lande) hierher gebracht hatte. Die Wasserfahrt dauert, wie er mir versicherte, 2 bis 8 Tage, je nachdem der Wind ist. Alle benachbarten Dörfer und Städte nehmen mehr oder weniger an diesem Hafenbaue teil und liefern Steine dazu.

Der östliche Damm läuft mit dem westlichen größtenteils parallel und ist von diesem 8o bis 200 Ruten entfernt, und wenn das ganze Werk vollendet sein wird, so hofft man einen Hafen zu haben, der an 300 Schiffen die nötige Sicherheit gegen Stürme geben soll. Vielleicht aber dürfte man späterhin die Arbeit immer weiter fortführen müssen, wie einige besorgen, denn die Ostsee tritt mit jedem Jahre zurück, oder spült immer mehr Sand ans Ufer. Ein eben nicht alter Einwohner des Orts, mit dem ich beim Bade zusammentraf, versicherte mir, dass er einige Pfähle am Ufer, über welche ich trocknen Fußes weggegangen war, sonst mit der Büchse nicht habe erreichen können, wenn er auf der Entenjagd vom Lande her darnach geschossen habe.

Am Nachmittage badete ich mich zum ersten Male in der Ostsee. Es kommen jetzt schon mehrere Personen hierher, um das Seebad zu gebrauchen, und auch heute waren wieder einige angelangt, um ihre geschwächte Gesundheit durch das wohltätige Baden im Meere zu stärken. Es fehlt indes noch sehr vieles, um Swinemünde als Badeort zu heben, denn bisher ist dazu sehr wenig, oder eigentlich noch gar nichts geschehen. Man hatte mir die Badestelle zwar ziemlich genau bezeichnet; ich hatte indes Mühe, sie links von dem westlichen Hafendamme zu finden. Sie ist durch gar nichts weiter bezeichnet, als dass einige hiesige Bewohner sieben bis neun Hütten am Ufer errichtet und diese an Badegäste vermietet haben, so dass kein andrer als sie, in diesen verschlossenen Hütten sich aus- und ankleiden kann. Ich sah mich daher genötigt, auf dem äußerst feinen und weißen Sande meine Kleider abzulegen und hierin dem Beispiele mehrerer in der Nähe und Ferne sich badender Junger und Alter zu folgen, ein großer Trupp von Knaben und Mädchen badete sich nicht weit von mir. Glücklicherweise hatte ich mich mit einem Handtuche versehen, sonst wäre ich aller Bequemlichkeiten beraubt gewesen. Eine heranziehende Regenwolke, die sich über dem Meeresspiegel ungewöhnlich ausnahm, hieß mir eilen, wenn ich nicht meine Kleider ganz durchnässt anziehen wollte. Das Meeresufer ist hier so flach, dass ich wohl 150 bis 200 Schritt laufen musste, ehe mir das Wasser nur bis zur Hüfte ging, und dann stieß ich doch wieder auf eine Stelle, wo es mir nur bis an die Knie reichte. Der Wellenschlag war nicht groß und der Salzgeschmack fehlte so sehr, dass ich glaubte, ein gewöhnliches Flussbad zu nehmen. Auch wird die Nähe der ausfließenden Oder in diesem Betrachte stets ein Hindernis bleiben, den hiesigen Ort in die Reihe der vorzüglichsten Seebäder zu erheben. Nur dem, welchen ökonomische Ursachen hindern, berühmtere Örter zu besuchen, ist es zu raten, hierher zu reisen, um sich in der See zu baden, so ungesalzen diese auch ist. Der Aufenthalt hier ist nicht kostspielig. Man kann um einen ziemlich geringen Preis eine Wohnung mieten und sich beköstigen. Alle übrigen Ergötzlichkeiten, welche man in andern Bädern findet, fehlen hier. Man muss sich mit der ziemlich einförmigen und magern Natur begnügen. Wer mehr fordert, der gehe nicht hierher. Die wirklich um der Gesundheit willen hier Badenden finden übrigens ärztliche Hilfe im Orte, wenn sie deren bedürfen. Die Entfernung der Badestelle von der Stadt ist zwar nicht groß; der Weg dahin hat aber auch gar keine Reize, und schwache Personen würden ihn auch nicht gut zu Fuß machen können, besonders wegen des vielen Sandes. Man fährt gewöhnlich dahin, und wer kein eigenes Gespann hat, der wird leicht in der Stadt Gelegenheit finden, eins zu diesem Zweck zu mieten. Öffentliche Vorkehrungen dazu sind hier noch gar nicht getroffen, da die geringe Zahl der badenden Fremden weder diese, noch irgendeine andre Anstalt, die man in den übrigen Bädern findet, bisher nötig gemacht hat.

Die Regenwolke war näher gekommen, und so sehr ich auch eilte, die hohen Dörrn von dem unfruchtbarsten, äußerst feinen und weißen Sande zu erreichen und hinter denselben Schutz zu finden, so überraschte mich dennoch der starke Regenschauer und es blieb mir nichts übrig, als mich hinter einem Heuschober dagegen zu verbergen, so gut es sein konnte. Auf dem weitern Heimwege stieß ich auf die so genannte Plantage, welche ein dem Meere abgewonnener Boden ist, mit Erlen und wenig andern Bäumen bewachsen und bepflanzt. Mehrere Gänge und Wege durchschneiden sich in der Mitte desselben, und hier fand ich ein Karussell nebst einigen offenen Buden und Kegelbahnen. Dies ist der einzige Lustort der Swinemünder, und eine Frau, die mir begegnete, sagte auf meine Rede sehr trocken: „Was wäre Swinemünde, wenn wir dies nicht hätten!“ Es ist indes sehr wenig. Ich fand in dem halben Dutzend Buden nur noch zwei Menschen, die gegen den Regen hier Schutz gesucht hatten. Man soll zuzeiten auch Erfrischungen hier haben können, wahrscheinlich bloß Bier; jetzt war auch dies nicht zu haben, und überhaupt kein Gastwirt zu finden. Sollte die Stadt Swinemünde je zu einem Badeorte von einigem Rufe sich erheben, so würden die dürren Sandwege in der Nähe, die jetzt bloß mit jungen Weidenstämmen bepflanzt sind, von schaffenden Händen eine Umgestaltung erleiden. Der hohe Gollenberg bei dem Dorfe Kaminke, von welchem man eine schöne Aussicht auf die Insel und das Meer umher hat, und auf welchem jetzt ein Kreuz errichtet ist, dient seitdem den Bewohnern des Orts zu entfernteren Lustpartien. Der Ober-Amtmann Krause zu Colbatz, auch hier ansässig, hat sich das Verdienst erworben, auf jenen Punkt aufmerksam gemacht zu haben.

Eins der größten Schiffe, die ich bisher gesehen habe, ist der Georg Wilhelm, welcher so dicht an dem Bollwerke vor Anker liegt, dass ich ihn nach allen seinen Teilen bequem betrachten und vom Lande her besteigen kann. Es ist ein Dreimaster mit 2 Verdecken und wird mit Holz nach Bordeaux beladen. Die Balken wurden durch eine Öffnung im Hinterteil des Schiffes in den untersten Raum geschoben und dort sorgfältig gepackt. Die Öffnung selbst wird nach gehöriger Befrachtung verschlossen. Der Raum war erst mit einigen Balkenreihen gefüllt und ich konnte in demselben noch aufrecht stehen. Der zweite Raum war nicht so hoch. Alles, was ich hier sah, war in einem größeren Maßstabe und schöner gearbeitet, und regte die Vorstellung von der Größe und Pracht eines englischen Admiralschiffes kräftiger in mir an. Die Dicke der Taue und die Länge der Anker fiel mir besonders auf. Auch standen 4 kleine Kanonen auf dem obersten Verdeck. Wäre ich einige Tage früher hierher gekommen, so hätte ich eine schwedische Schaluppe, die zur Übung der See-Kadetten ins Meer aus- und auf einige Tage hier eingelaufen war, sehen und mich von der Einrichtung eines Kriegsschiffes näher durch Anschauung belehren können. Man rühmte allgemein die Bildung und das Benehmen der jungen schwedischen Offiziere. Was mich bei Betrachtung des Georg Wilhelms am meisten wunderte, war, dass es trotz seiner Größe – es ist 70 Fuß lang und 24 breit – nur mit 13 Personen bemannt war, worüber freilich der Schiffsjunge, der mit unter diese Zahl gehörte, gewaltig klagte, und dem Geize der Schiffsherren und Kapitäne beimaß, was doch nur eine Folge der ungünstigen Umstände im Handel ist. Denn da dieser so sehr niederliegt, so ist auch die Fracht nur gering, und da muss an der Equipage gespart werden. Ein dänischer Kapitän von einem nicht viel kleineren Schiffe versicherte mir, dass dasselbe nur mit 10 Personen bemannt sei. Diese müssen bei einem Sturme auf dem Meere alle Hände voll zu tun haben. Vielleicht geht auch unter solchen Umständen manches Schiff verloren, das sonst gerettet werden könnte.

Auf einem Danziger Schiffe, das englisches Salz aus Liverpool geholt hatte und hier löschte, d. h. auslud, hörte ich den einförmigen Gesang der Matrosen, wodurch sie sich die Arbeit in etwas versüßten. Späterhin habe ich den Inhalt eines solchen Gesanges, von dem ich hier kein Wort verstand, erfahren. Er ist ebenso einförmig wie die Melodie, dabei ungesalzen, oder doch nur mit einigen Leichtfertigkeiten gewürzt. Das hier umgeladene englische Kochsalz ging nach Polen, wo die Regierung an dem Verkauf desselben einen ansehnlichen Gewinn macht.

Mein Wirt, er heißt Schnökel, war früher auch Schiffskapitän gewesen und hatte als solcher viele Reisen, besonders nach Petersburg gemacht. Seine ehemaligen Genossen kehrten gern bei ihm ein, und ich machte bei ihm einige Bekanntschaften, die mir nicht unlieb waren. Sein Schwiegervater, der noch den 7-jährigen Krieg mitgemacht hattet späterhin als Zimmermann 80 Seeschiffe und den Bagger hier erbaut hatte, war trotz seines Alters noch ein berühriger Mann. Da er hörte, dass ich von der Gegend Küstrins und Frankfurts käme, so wachten die Erinnerungen an seine Feldzüge unter Friedrich dem Großen lebendig in ihm auf, und er erkundigte sich sorgfältig nach dem Orte Göritz, wo das Heer über die Oder gegangen war, um die unglückliche Schlacht bei Kunersdorf zu liefern. Er war damals zur Bewachung der Brücke befehligt worden und dadurch dem Schicksale entgangen, das viele seiner Gefährten betroffen hatte. Das Alter machte ihn über diesen Lieblingsgegenstand seiner Jugend äußerst gesprächig; wie gewöhnlich.

Da ich am folgenden Tage weiterreisen wollte, so bat mich die Wirtin, mein Zimmer einigen angekommenen Badegästen zu überlassen und die Nacht in einer andern Stube zu schlafen. Ich willigte gern ein, kam aber darüber etwas spät zu Bett. Denn die hiesigen Kaufmannsdiener beratschlagten in dieser Stube über die höchst wichtige Angelegenheit des abzuhaltenden Vogelschießens, und konnten über den Ort, wo es sein, und über den Beitrag, den jeder dazu geben sollte, nicht recht einig werden. Auch ging die beratende Kammer zuletzt etwas uneinig auseinander und überließ mir Stube und Bett.