Rostock

Rostock, den 12. Juli 1822, mittags 12 Uhr.

Früh halb 8 fuhr ich von Damgarten mit Extrapost ab und bin soeben hier angekommen, zum großen Glück; denn kaum war ich vom Wagen gestiegen, so zog sich ein Gewitter zusammen und mir ganz unerwartet fing es furchtbar an zu regnen. Ich bin also der Durchnässung nur mit Mühe entgangen. Unterweges ward ich zuweilen nur betröpfelt und zuletzt hatte sich der Himmel ganz aufgeklärt. Ich kam wieder durch und vor einigen Örtern vorbei, die sich auf „hagen“ enden, wie gestern; sie hatten sämtlich nichts Anziehendes. Gleich hinter Damgarten kam ich an eine Brücke, dieüber ein Wässerchen geht, welches in einen Binnensee läuft. Hier war die mecklenburgische Grenze. Ich zeigte dem Korporal, welcher das Gitter auf der Brücke öffnete, meinen Pass, zahlte einen Schilling Brückzoll und fuhr weiter nach dem Städtchen Ribnitz, das an gedachtem Binnensee liegt. Auf dem Wege dahin begegnete uns ein Kommando mecklenburgischer Soldaten, welche an gemeldeter Grenze dem Kronprinzen die Ehre machen sollten. Dieser wurde nämlich heut erwartet, und schon gestern fand ich an einigen Orten Pferde für ihn in Bereitschaft stehend. In Ribnitz war seinethalben alles auf den Beinen, und man erkundigte sich bei mir angelegentlichst nach seiner Ankunft, worüber ich so viel Auskunft gab als ich wusste. Das war aber nicht viel. Ich guckte bloß durchs Tor in das Städtchen, denn der Weg ging hart an demselben hin. Eine gute Meile lang fuhren wir durch einen großen, sich weit hinstreckenden Wald, der mit Fichten, Buchen, Eichen usw. schön bestanden war. In Willershagen fielen mir zuerst die Bauernhäuser auf, welche, mit Stroh gedeckt, gar keinen Schornstein haben, und außer der Wohnung für Menschen, noch Ställe fürs Vieh und Scheune enthalten. Sie sehen in ihrer Rauchfarbe, und mit den kleinern Anbauen an der Giebelseite wie Hüttenwerke aus. Man geht und fährt an der einen Giebelseite hinein und zur andern wieder hinaus. Das ziemlich große Dorf Bentwisch kurz vor Rostock enthielt lauter solche Bauernhäuser; nur die Pfarrwohnung zeichnete sich durch Schornsteine und bessere Bauart aus.


Aus der Ferne nimmt sich Rostock mit seinen Türmen und 2.300 Häusern, die zum Teil im Gebüsch versteckt liegen, nicht übel aus. Man fährt einen Sandberg hinab und ist an der Vorstadt, worin viele Kohlgärten sind und einige Gasthöfe, die gar keine üble Miene machten. Dann folgt ein Damm mit schöner Pappelallee bis zur Brücke über den Warnow-Fluss, auf welchem viele Seeschiffe lagen, und so in das Tor der Stadt, welche von 15.000 Menschen bewohnt wird. Die Straßen sind breiter, die Häuser schöner und das Ganze anziehender als in Stralsund. Zwar gibt es auch hier noch viele Giebelhäuser, und der Neue Markt, wo ich abgetreten bin, ist ganz damit umgeben; aber diese Giebel haben doch wenigstens nichts Entstellendes, und ich habe nicht bloß Häuser in neuerem Geschmack gesehen, sondern auch darunter einige prachtvolle. Die Straßen gehen nach der Warnow zu bergab, und ich sah von meinem Zimmer durch eine schmale Gasse und über die niedern Häuser derselben auf die Wiesen jenseits des Flusses.

Spät 7. – Ich habe an der Wirtstafel einige nicht üble Bekanntschaften mit hiesigen Einwohnern gemacht. Man führte mich nach Tische auf den Blücherplatz, wo der Held des Tages in Übergröße steht, sein mächtiges Schwert zur Seite. Das Fußgestell ist von mecklenburgischem Gestein, das Standbild selbst von weißem Marmor. Die vordere Inschrift an jenem: Dem Fürsten Blücher von Wahlstadt die Seinen, wird von einigen als zweideutig getadelt, indem die letzten Worte ebenso gut die Familie des Fürsten bezeichnen können, als die Landsleute desselben, welche doch eigentlich bloß gemeint sind. Die Inschrift auf der Rückseite, welche wie jene, von Goethe ist, lautet so:

In Harren
Und Krieg,
In Sturz
Und Sieg
Bewusst und groß,
So macht er uns
Von Feinden los.

Obwohl Goethe für diese Worte 500 Taler soll bekommen haben, so finden sie einige Rostocker doch beinah umsonst zu teuer und bänkelsängermäßig. Auf den beidenübrigen Seiten des Fußgestelles sieht man in halberhabener Arbeit vorgestellt: die Schlacht von Ligny; wie der Fürst unter seinem Pferde liegt und von dem Genius (mit Nostitz’ Gesichte) geschützt wird, und die Schlacht von Waterloo, wie er zwei Ungeheuer in den Abgrund stürzt etc. Der ganze Platz ist mit Rosen eingefasst und mit Bäumen umgeben, aber nicht regelmäßig. Auch das Haus, in welchem Blücher geboren worden ist, oder vielmehr das zweistöckige neue, welches an die Stelle des alten getreten ist, habe ich gesehen. Es ist anspruchslos.

Die ganze Stadt war wegen der Ankunft des Kronprinzen in Bewegung. Die Staatswagen des Großherzogs zogen durch die Straßen und warteten am Tore, der Erbgroßherzog und seine junge Gemahlin, Schwester des Kronprinzen sowie einige Behörden der Stadt waren im Schlosse, das sich in keinem Betrachte auszeichnet, aber am Blücherplatze liegt, versammelt. Viele Neugierige standen auf dem Platze und den zu ihm führenden Straßen, und ich unter ihnen. Der drohende Regen trieb mich ins Wirtshaus zurück und vielleicht ist keiner geblieben, da ein gewaltiger Wasserschwall vom Himmel stürzte. Mitten in diesem Regen kam endlich der Langersehnte an und fuhr nach einer Stunde über den Hafen nach Doberan.

Als sich das furchtbare Gewitter verzogen hatte, machte ich mit einem meiner neuen Bekannten einen Spaziergang durch die Stadt und um sie. Im Hafen - es ist die Warnow selbst, so breit etwa wie die Spree unterhalb Berlin – lagen wenigstens ebenso viele Schiffe als in Stralsund, müßig und faulten, es konnten ihrer über 100 sein. Eini- ge Dänen mit Butter und Käse, Norweger und Schweden mit Holz beladen, waren hier, wie in Stralsund und Stettin, noch in einiger Tätigkeit. Von der Landseite geht ein mächtiger Wall um die Stadt, dergleichen ich noch nicht gesehen habe. Da er oben mit Linden bepflanzt ist, so gewährt er einen angenehmen Spaziergang. Dieser würde an Umfang gewinnen, wenn man den erstaunlich tiefen Graben zuwürfe; aber man scheut die damit verknüpften Kosten. Außerhalb liegen einige Gärten von Privatpersonen und Gesellschaften, ohne große Wichtigkeit. Die Altstadt am Petritore, durch welches man von Stralsund her eintritt, wird von vielen Gerbern bewohnt und von einem Graben, der die Unreinigkeiten in die Warnow abführt, durchschnitten. Außer der Petrikirche mit einem hohen spitz zulaufenden Turme, gibt’s noch 3 andre mit Türmen, und der Kirchen überhaupt 7. Diese Zahl ist bekanntlich das Wahrzeichen der Stadt, und aus den Reimlein des seligen Hübners noch bekannt. Die Einwohner erinnern den Fremden wenigstens noch scherzweise daran.

Das Universitätsgebäude am Blücherplatze ist ohne äußern Wert, und die Zahl der Studenten nur gering; man zählt jetzt 70 hier. Sie zeichneten sich auf dem Platze durch ihre Tracht aus.

Warnemünde, 2 Meilen von hier, wird von 900 Matrosen, Fischern usw. bewohnt; im Sommer auch von einigen hiesigen Familien. Es versprach mir zu wenig Ausbeute, als dass ich die Reise dahin hätte machen sollen.