Güstrow

Güstrow, den 18. Juli 1822.

A ußer mir und dem Postillion war kein Mensch weiter auf dem verdeckten Wagen, der mich die 6 Meilen von Doberan hierher gebracht hat. Ich fuhr unter Regen um 4 Uhr ab, kam durch einige Dörfer, welche reiche Bauern und starke Pferdezüchter enthielten, wie mir der Fuhrmann berichtete, und kam gegen 8 Uhr nach dem Städtchen Schwaan an der Warnow, worin ich nichts Merkwürdiges fand, außer die mir hier zuerst aufstoßende Industrie der mecklenburgischen Postmeister. Es werden nämlich kleine Leitern an den Wagen gesetzt, damit die Reisenden bequemer auf- und absteigen können, als mittelst der eisernen Tritte, und für Kranke, die ins Bad fahren, mag diese Einrichtung gut sein. Dass aber auch jeder Gesunde, der sich der Leitern nicht bedienen muss und will, zwei Schillinge dafür entrichten muss, ist wenigstens auffallend. Denn als ich hier in Güstrow der Dienstfertigkeit des Postknechts zuvorkam und vor dem Ansetzen der Leiter vom Wagen gestiegen war, musste ich meine 2 Schillinge so gut wie in Schwaan zahlen. Sie haben mir 4 Schillinge zu zahlen, rief mir der Schirrmeister ziemlich barsch entgegen.
„Und wofür?“
„Weil ich’s bekomme.“
Weiterhin forderte man sie mir überall als eine dem Postmeister gebührende Einnahme ab. Beim Abfahren forderte mir ein anderer Postbediente wieder 4 Schillinge ab
.„Und wofür habe ich die zu entrichten?“
„Es ist bei uns üblich, mein Herr.“
Auf meine Bemerkung, dass man im Preußischen von solchen Postabgaben nichts wisse, oder doch nicht so geradezu und unhöflich darum angegangen werde, erwiderte der Mann, dass der König von Preußen seine Postbedienten auch gehörig bezahle.
„Also, der Großherzog von Mecklenburg nimmt außer dem üblichen Postgelde noch den Beutel aller Reisenden in Anspruch, um sein Postpersonale zu unterhalten?“
„So ist’s.“
Es würde zur Ehre großherzogl. mecklenb. Postwesens gereichen, wenn diesem Unfuge gesteuert würde.


Der Weg von Schwaan nach Güstrow geht zum Teil an der Warnow fort, welche mir rechts blieb; auf der linken Seite hatte ich Anhöhen, die mir die Aussicht oft beschränkten. Das Land ist ohne großen Reiz, die Früchte standen schlecht, doch näher an Güstrow besser. Diese Stadt liegt an dem Flüsschen Nebel, das bei Bützow in die Warnow fällt. Die 820 Häuser des Orts sind größtenteils schlecht, die Straßen krumm und schmal; nur die Hauptstraßen haben einige Breite und Gradheit; auch findet man einige Häuser ohne Giebel im bessern Geschmack, und eins prangte sogar mit einer Nachbildung des farnesischen Fechters auf dem platten Dache; aber auch die schlechtern hatten oft große geschliffene Fensterscheiben und hinter denselben waren Blumen aufgepflanzt. Das alte Schloss am Ende der Stadt ist zu einer Spinn-Anstalt umgeschaffen, worin 140 Vagabunden, Kinder und Alte zur Arbeit angehalten werden. Ihr Gespinst wird in der Nachbarschaft weiterverarbeitet. Auch werden die Rüstigern zur Ausbesserung der Heerstraßen gebraucht und ich fand diese an mehreren Orten neu gebessert. Der Dom ist eine alte schlechte Kreuzkirche und enthält die Marmorstatuen der alten Herzoge von Mecklenburg aus der Güstrow’schen Linie. Das Schulhaus ist schlecht, und die Zahl derer, die darin von 7 Lehrern unterrichtet werden, beläuft sich auf 200, die der Einwohner auf 6.200. Die Stadt hatte sonst Wall und Graben. Ersterer ist geebnet und schon zum Teil zum Spaziergange umgeschaffen; letzterer soll bleiben, da man seines Wassers bedarf; ich fand ihn aber auf eine große Strecke ausgetrocknet.