Oderstrom, Moheim, Schwedt, Penkun

Hinter diesem Orte verflachte sich der Damm immer mehr, die Gegend ward weniger anziehend, und bald darauf waren wir dem Dorfe Güstebiese gegenüber, das auf dem hohen Ufer in verschiedenen Abstufungen mit seinen neu erbauten und zerstreut liegenden Häusern sich nicht übel ausnahm. Auch hier hatte das Feuer viel aufgeräumt. Wir sahen noch manche Brandstelle. Es leben über 1.000 Menschen in dem viel besuchten Orte, denn hier ist eine Überfahrt aus der Neumark in die Mittelmark und umgekehrt. Am bekanntesten ist dieses Dorf aber wegen des neuen Kanals, der hier anfängt. Der Oderstrom stieß sich nämlich stark an den östlichen Höhen, worauf das Dorf liegt, und hatte daher eine grobe westliche Richtung genommen. Durch den Kanal hat man dem Wasser einen weit kürzern Abfluss verschafft und die Alte Oder trocknet allmählich aus. Da, wo sie sonst floss, ward jetzt Bauholz gezimmert, und auch weiterhin, wo sich von den Frühlings-Überschwemmungen den Sommer hindurch noch Wasser in dem alten Strombette erhält, ist dieses doch ganz seicht. Auch das Fahrwasser im Kanal und oberhalb desselben war es, so dass ein gar nicht stark befrachteter Oderkahn seine Holzladung erleichtern musste. – Dass hier das Mittelbruch anhebt, welches östlich von dem Kanal und westlich von der Alten Oder begrenzt wird, die sich über Wriezen in der Nähe von Freienwalde und über Oderberg hinwindet, ist schon vorhin erwähnt worden.

Wir mussten eine geraume Zeit warten, ehe die Fähre anlangte, und unsern Wagen nebst 3 andern aufnahm. Sobald wir das jenseitige Ufer erreicht hatten, fing auch der tiefe und unfruchtbare neumärkische Sand an, auf welchem wir nur hin und wieder dürftige Kornfelder sahen. Selbst die Fichten hatten an vielen Stellen des Waldes, durch welchen wir fuhren, ein höchst kümmerliches Ansehen. Ein adliges Vorwerk, welches uns zur linken Hand blieb, führte zwar den viel versprechenden Namen: Die neue Welt, war aber nichts weniger als geeignet, zu Auswanderungen in diese Sandwüsten einzuladen.


Wir langten gegen Mittag des 25sten Juni in Mohein an. Dies ist ein Städtchen von anderthalbhundert Häusern und gegen 900 Einwohnern, die sich noch in einer hohen und starken Ringmauer eingesperrt haben. Vor den unbewachten Türen wurden die abgebrannten Scheunen in großer Anzahl, aber ohne große Ordnung wieder aufgebaut, oder waren es schon. Der See, welcher den schlecht gebauten Ort östlich umgibt, hatte, von fern gesehen, eine auffallend hellblaue Farbe, die von dem also gefärbten Sandboden desselben herrührte, wie wir in der Nähe bemerkten. Man fängt in diesem See viel Maränen und verkauft sie hier und in der Nachbarschaft das Schock zu 8 leichten Groschen. Wir aßen zu Mittag ein Gericht derselben und ließen sie uns gut schmecken.

Hinter Mohein wird der Boden merklich besser und wir trafen auf einige schöne Getreide-, sogar Weizenfelder, die von der Dürre nichts gelitten zu haben schienen. Durch einen Wegweiser irregeführt, kamen wir ziemlich in die Nähe der Stadt Königsberg, und auf einem gar nicht erfreulichen Wege endlich wieder glücklich in die große Straße, welche von jener Stadt nach Schwedt führt. Diese ist größtenteils mit Lindenbäumen besetzt und noch ein Werk der letzten Markgrafen, welche ihren Sitz zu Schwedt hatten. Die Baumreihen werden fortdauernd unterhalten und gehen bis zum Dorfe Nieder-Kränig, wo man ins Oder-Tal hinabsteigt. Ein Damm von einer halben Meile, von vielen Wasserschlänken durchschnitten,über welche hölzerne Brücken geschlagen sind, führt zwischen Wiesen bis nach Schwedt. Die Brücke daselbst ist seit dem Brande im Jahre 1806, wodurch den Franzosen der Übergang gewehrt werden sollte, noch nicht wiederhergestellt. Eine Schiffbrücke unterhalb der noch stehenden Joche, ersetzt sie. Die großen Wiesen vor der Stadt, zwischen zwei Armen der Oder gelegen, hatten in diesem Jahre eine reichliche und leicht gewonnene Ernte gegeben. In nassen Jahren muss das gemähte Gras herausgefahren und anderweitig getrocknet werden.

Schwedt oder Schwet zählt 310 Häuser und gegen fünfeinhalbtausend Einwohner; es liegt am linken Oderufer und war sonst der Wohnsitz einer Nebenlinie des Königshauses, der von der Stadt benannten markgräflichen, welche 1790 mit dem letzten Sprössling Friedrich Heinrich ausstarb. Von jenen frühern Zeiten rührt die Nettigkeit des Orts und seiner Umgegend her. Die Straßen der Stadt sind zum Teil grade und mit schönen Häusern geziert; der Marktplatz ist nicht uneben und die Gebäude der hiesigen großen Tabak-Fabrik, welche der Stadt und Nachbarschaft viel Nahrung gibt, erregen einige Aufmerksamkeit. Die größte Schönheit aber erhält das Städtchen durch das ehemalige markgräfliche Schloss, dicht am Oderstrom und den dabei befindlichen Garten. Ersteres ist jetzt nicht bewohnt und daher etwas baufällig; man besserte eben an dem Innern; letzterer wird gut unterhalten und steht jedem Besucher offen. Vor dem Schlosse ist ein großer Rasenplatz mit mehreren Baumreihen und zu beiden Seiten mit schönen oder doch nicht hässlichen Häusern besetzt. Hier lustwandelten die wohlhabenden Einwohner unter dem Schalle einer kriegerischen Musik, welche von dem Chore des hier in Garnison liegenden Dragoner-Regiments heut, wie an mehreren Wochentagen des Abends aufgeführt ward. Wir ergingen uns ebenfalls ein Stündchen hier und in der freundlichen Nähe. In einiger Entfernung von der Stadt liegt noch ein ehemaliger markgräflicher Garten, welcher den Schwedtern zum weitern Lustwandeln dient. Wir hatten nicht Zeit und Lust ihn zu besuchen; auch war er mir aus frühern Zeiten hinreichend bekannt. Er trägt noch nach früher unrühmlicher Sitte den französischen Namen Monplaisir. Das deutsche Volk hat jetzt so viel über seine Beherrscher gewonnen, das diese sich wenigstens der Sprache desselben nicht mehr schämen, wenngleich noch Spuren genug von dieser ehemaligen Scham übrig sind. Wird die Volksstimme weiter durchdringen?

Am Morgen des folgenden Mittwochs– 26. Juni – trennte ich mich von meinen bisherigen Begleitern, welche die Rückreise antraten und ich fuhr mit einem um 3 1/2 Taler gemieteten Wagen nach dem vorpommerschen Städtchen Penkun. Zunächst ging der Weg nach Vierraden an dem Flüsschen Welse, das bald darauf in die Oder fällt. Der Flecken, von mehr als 1.000 Einwohnern bevölkert, gehört noch zur Mark und ist mit Schwedt durch zwei schöne Baumreihen verbunden. Der Boden zu beiden Seiten derselben ist gut und wird stark mit Tabak bebaut. Die Pflanzer von Vierraden benutzten den gestern gefallenen Regen, der hier stärker gewesen war, als er uns betroffen hatte, um ihre Felder zu bepflanzen. Ich dachte an die Dürre meiner Äcker und an die weit größere Mühe meiner Pflanzer, welche jeden Fleck, wohin sie ein Pflänzchen stecken wollten, erst stark benässen mussten, und wünschte, dass der Himmel dies auch für sie möchte getan haben. Der hier gebaute Tabak wird sehr gesucht, und größtenteils in Schwedt verkauft und in der dortigen Fabrik verarbeitet. Ein alter runder Turm, der jetzt keinen weitern Nutzen gewährt, steht als Denkmal vergangener unruhiger Zeiten am Ende des nahrhaften Fleckens, hinter welchem ich eine Strecke durch gut bestandene Waldung, meistens von Fichtenbäumen und dann über mehrere adlige Dörfer; Vorpommerns fuhr, oft durch die schönsten Getreidefelder, denen die Dürre des Jahres nicht anzusehen war; nur der Flachs und andre Sommerfrüchte hatten darunter gelitten. Auf der Feldmark von Hohen-Selchow fand ich besonders schönen Weizen; doch diese Wintersaat stand überall gut, wohin ich späterhin auch kam, nur sah ich nie so vielen roten Feldmohn darunter als in dieser Gegend Vorpommerns, besonders in der Nähe des Städtchens Penkun, wo stellenweise wenigstens ebenso viel Mohnstängel als Weizenhalme standen. Die Jahreszeit war diesem Unkraut sehr günstig.

Penkun ist ein ummauerter elender Ort von 152 schlechten und kleinen Häusern, die nach einem vor kurzem gewesenen Brande ebenso schlecht und klein wieder aufgebaut wurden. Er liegt nicht uneben zwischen dreien Seen und hat über 1.300 Einwohner, die größtenteils vom Ackerbau leben. Die Feldmark des Städtchens erstreckt sich sehr weit, nach der Seite hin, von welcher ich kam, wohl eine Meile. Wie ist dabei eine gehörige Benutzung derselben möglich. Für einen Reisenden, der den weit getriebenen Feldbau im Oderbruch nach erfolgter Sonderung der Dörfer und ihrer Feldmarken soeben gesehen hat, ist es ein widerliches Gefühl, einen sonst gar nicht unfruchtbaren Boden, wie er hier und in andern Gegenden Vorpommerns ist, so wenig bebaut und so spärliche Menschenwohnungen darauf zu sehen. Hätten die Abgebrannten von Penkun nicht besser getan, sich außerhalb ihrer hässlichen Ringmauer auf ihrem Grundstücke geräumiger aufzubauen? Aber hier ist noch nicht an Separation der Gemeinheiten zu denken; die Einwohner dieser Gegend des preußischen Landes lieben noch zu sehr, eingepfercht zu sein. Selbst der Kleebau behagt ihnen nicht, obwohl sie Mangel an Futter haben; nach einem teilweise gemachten Versuche gaben sie ihn wieder auf. Dafür bauen sie Linsen als Pferdefutter; man mäht sie grün ab.

Nachdem meine Geschäfte abgemacht waren, mietete ich mir einen Wagen, der mich für zwei Taler nach Stettin brachte. Bei der Abfahrt stieg ein eigener Reisegesell mit auf. – In Halle gab es eine Obsthökerin, allen, die dort studiert haben, unter dem Namen der Frau Gevatterin bekannt. Die gute Frau war gestorben und hatte ihren Erben eine bedeutende Summe in Schuldverschreibungen derer, die sich es in ihrer Bude hatten wohl schmecken lassen, hinterlassen. Einer dieser Erben war es, der mich bat, ihn bis nach Stettin mitzunehmen. Zum Dank für meine Bereitwilligkeit teilte er mir nicht bloß die Liste sämtlicher Schuldner seiner Mutter, der Frau Gevatterin, mit, sondern auch manches Histörchen seiner Reise, die er im Anfange des Mais angetreten hatte, um jene etwas unsichern Schulden beizutreiben. Auf der Liste selbst fand ich in der buntesten Mischung jetzige Staats- und Kriegsräte, Prediger und Schullehrer, Ärzte und Gutsbesitzer, Juristen aller Art usw. Ich sah den Namen manches mir bekannten, sehr geehrten Mannes darauf, den ich hier doch nicht vermutet hätte. Der Empfang, den mein Reiseheld bei allen diesen Herren gehabt hatte, war nicht einerlei gewesen. Einige waren in einer Lage gewesen, dass sie nicht zahlen konnten, und einem bedrängten Schullehrer, in dessen Wohnung die Armut zu Hause war, hatte der Schuldherr die Schuld großmütig erlassen. Etwas beschämend musste dem guten Manne dieser Erlass wohl gewesen sein. Hätte er die Bude der Frau Gevatterin zu Halle gemieden und seine Naschhaftigkeit bezähmt, so hätte er sich diese Demütigung erspart. Andre waren etwas feiner und vornehmerer Art von der Schuld frei geworden, ohne sie zu bezahlen. Sie leugneten Schuld und Handschrift, und wenn es gar zur Klage kam, so bewiesen sie, dass die Schuld gesetzwidrig sei, weil sie in minderjährigem Alter gemacht worden, und das hatten besonders die Juristen getan und dadurch klärlich bewiesen, dass sie mit großem Nutzen die Rechte studiert hatten. Der arme Teufel von Kläger war in solchen Fällen nicht bloß um die ganze Schuldsumme gekommen, sondern auch noch zur Tragung und Erstattung der Prozesskosten verurteilt worden. Daher war es denn gekommen, dass er bei allen schmalen Bissen auf der Reise nicht mehr als 4 Goldstücke und einige Taler Silbergeld bei sich hatte, die er auf mein Antraten in der nächsten Stadt ebenfalls in Gold umsetzen und nach Halle schicken wollte, damit sie ihm nicht etwa unterwegs noch gestohlen würden. Seine Kreuz- und Querzüge hatte er mit einem Taler begonnen und von Halle aus nach dem Brocken gerichtet, wo er die gehoffte Vermehrung seiner armseligen Reisekasse auch wirklich fand. Von Stettin aus wollte er noch nach Hinterpommern, Preußen, Posen, Schlesien, und über Sachsen zurück nach seiner Heimat reifen. Die ganze Summe der Gelder, welche einzufordern er ausgegangen war, betrug gegen tausend Taler – dafür musste doch manche Kirsche und Pflaume vernascht sein. Da er nicht alle Schuldner auf seiner Wanderung erreichen konnte, so hatte er sich wenigstens ihren jetzigen Aufenthalt, Stand usw. gemerkt und den klugen Entwurf gemacht, nach seiner Rückkehr - an sie zu schreiben und im Falle der Nichtzahlung sieöffentlich am den Pranger zu stellen. Ich möchte daher allen Herren, welche von 1800 ab in Halle studiert haben, denn so weit ging die Liste hinauf, und die sich etwa ihrer akademischen Sünden, von denen hier die Rede ist, bewusst sind, wohlmeinend raten, wofern ihnen dies zu Gesicht kommt, ihre verpfändete Ehre je eher je lieber einzulösen. Ich wusste mir etwas damit, dass ich den Schuldherrn manches weit reicheren und vornehmeren Mannes als ich bin, um einen Gotteslohn mit nach Stettin genommen hatte. Er bedankte sich dafür höflichst und trennte sich von mir, um ein wohlfeileres Wirtshaus aufzusuchen, als das war worin ich abstieg.

Der Weg von Penkun nach Stettin erhebt sich zuweilen zu bedeutenden Hügeln und die Gegend war hin und wieder mit Holz bewachsen. Ich fuhr durch mehrere und lauter adlige Dörfer, die eben keine große Meinung von der Wohlhabenheit ihrer Einwohner erregten. In den meisten waren nur wenige oder gar keine Bauern, sondern bloße Taglöhner, und den verfallenen Wohnhäusern, Scheunen und Ställen sah man nur allzu deutlich die Dürftigkeit an, worin diese lebten. Selbst die herrschaftlichen Gebäude hatten eben kein erhebliches Ansehen und standen mancher Hofstelle eines Bauern nach, die ich im Bruche gesehen hatte und doch ist der Boden fast durchweg gut. Ich fand stellenweise die schönsten Weizenfelder und durchweg gute Winterung. Indes der gute Boden allein macht kein Land wohlhabend, es werden auch fleißige und ungebundene Hände dazu erfordert und an diesen scheint es hier bisher noch zu fehlen. Die Fahrstraße war an einigen Stellen so schmal, das sich zwei Wagen schlechterdings nicht ausweichen konnten, und da am folgenden Tage Jahrmarkt in Penkun war, so begegneten uns mehrere beladene Wagen, denen wir ausbiegen mussten. Dabei liefen wir zweimal Gefahr, auf dem erhöhten Rande des Weges umgeworfen zu werden. Die Wegpolizei scheint indes hier überhaupt sehr nachlässig zu sein. Die Fahrstraße war weder mit Seitengraben noch Bäumen bezeichnet und an einer Stelle waren die äußerst tiefen Geleise vom Winter her noch gar nicht eben gefahren. Denn an eine Ausfüllung derselben und der Löcher auf der Straße denkt niemand, wie mir mein Fuhrmann versicherte, der von den gräulichen Wegen im verflossenen gelinden Winter nicht abschreckend genug reden konnte. Man arbeitet jetzt an einer Kunststraße von Stettin nach Berlin. Es ist aber bis dahin nicht viel mehr geschehen, als dass man die Steine dazu angefahren hat. Mein Fuhrmann wagte es nicht, über die gelegte Ebene der künftigen Straße in der Nähe von Stettin zu fahren, weil dies im Winter verboten gewesen war. Er nahm daher einen weiten Umweg über das Dorf Schüne, der mich gewaltig langweilte und erst nach 9 Uhr in der Stadt ankommen ließ.