Das Bruch

Man teilt das Bruch gewöhnlich in 3 Teile, 1) Oberbruch, von Lebus oder dem Dorfe Reitwein an bis zur Grenze des Oberbarnimer Kreises; 2) das Nieder- oder Unterbruch, von da bis Oderberg; und 3) das Mittelbruch, welches auch als ein Teil des vorigen angesehen wird, und zwischen der alten und Neuen Oder liegt. Man betrachtet diesen dritten Teil als am fruchtbarsten und schönsten des ganzen Oderbruches und er ist mit vielen angenehmen Dörfern besetzt, wovon sehr viele den Beinamen Neu führen, z.B. Neu-Küstrinchen, Neu-Rüdnitz usw., und dadurch ihren Ursprung seit der Verwallung der Oder ankündigen. Die meisten dieser Neudörfer haben Ansiedler mit 40, 60, 90 Morgen Landes zu Bewohnern, welche für jeden Morgen nur einen geringen jährlichen Canon von 1 Taler, auch drunter und drüber geben. Der adligen Güter gibst im ganzen Bruche nur wenige, desto mehr und größere königliche Ämter.

Der Boden im Bruche ist eine fette Damm- oder Gartenerde, welche ihren Ursprung von verfaulten Gewächsen, besonders Wasserpflanzen, deutlich verrät und mehr oder weniger den darunter liegenden Sand, Lehm, Ton, Kies usw. bedeckt. An einigen Stellen liegt der dürre Sand zutage, an andern nur wenige Zoll unter der fruchtbaren Dammerde, daher in der Regel nicht tief geackert wird, weil man sonst die fruchtbare Erde mit der toten zu sehr bedecken würde. Stellen, welche nicht genug fruchtbare Dammerde über sich haben, und daher bei anhaltender Dürre früher oder später die Saaten vertrocknen lassen, heißen Schrinde. Sie finden sich überall mehr oder weniger, und wir sehen in diesem trocknen Jahre viele und große Schrindstellen, wo bereits alles Getreide reif oder wenigstens vertrocknet war, zum Teil auch schon gemäht wurde. Die Ähren waren kümmerlich und das Korn ganz zusammengeschrumpft, oder verklungen, wie es hier sonderbar genug heißt. Je nasser der Sommer, desto weniger Schrindstellen sieht man hier.


Vor der Verwallung baute man wenig oder gar kein Getreide im Bruche, in trocknen Jahren konnte man etwas Hafer säen, so heißt es in einer Urkunde von 1600. Nach der Verwallung warb man vorzüglich Heu, daher auch der große König viel Kavalleriepferde hierher im Sommer auf Grasung schickte. Jetzt wird dieser Heuwerb mit je dem Jahre geringer, und es werden immer mehr Wiesen unter den Pflug gelegt; denn durch die Vermehrung der Gräben wird das Wasser immer mehr abgezogen, oder, wie man hier sagt: das Land wird höher, und wo sonst der üppigste Graswuchs war, da kommt jetzt freiwillig nur spärlich ein Hälmchen hervor. Daher befleißiget man sich jährlich mehr der künstlichen Wiesen, besonders in rotem Klee und Luzern. Die Hauptfrucht des Oberbruches ist die große Gerste, welche größtenteils nach Berlin und Frankfurt verfahren wird. Im Unter- und Mittelbruche gedeihet der Hafer am besten. Roggen und Weizen sind voller Rade, Trespe und anderem Unkraute, geben auch kein so weißes Mehl als Früchte von der Höhe, so heißt alles übrige Land im Gegensatz des Bruches. Die Fruchtbarkeit ist an einigen Stellen sehr groß. Man gewinnt das 16te bis 20ste Korn im Hafer, das 12te und drüber in der Gerste, selbst im Weizen. Im Durchschnitt rechnet man in der Winterung das 5te bis 6te, in der Sömmerung das 7te bis 9te. Es gibt aber auch Zeiten und Stellen, wo man mit dem 3ten und 4ten zufrieden sein muss. Die Viehzucht ist bedeutend, und es gibt außer den großen Ämtern, welche 100 bis 200 Stück Podollscher, auf dem großen Markte zu Brieg in Schlesien aufgekaufter Ochsen fett machen und nach Berlin verkaufen, mehrere Bauern, die 10 bis 30 Stück Landochsen jährlich mästen und ebendahin liefern. Dieser Mästung wegen ist der Bau der Kartoffeln hier ungemein groß. In den letzten Jahren ist aber nichts weiter daran zu gewinnen gewesen, als ein größerer Vorrat von Dung.

Durch dieses zwar fruchtbare, aber einförmige Bruchland, wo jede Erhöhung von einigen Zollen schon ein Berg heißt, ging nun unser Weg weiter. Wir sahen auf demselbenüberall gut bebaute, und bis auf die Schrindstellen, üppige Felder mit Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Raps usw. besäet; die Wege, welche bei anhaltender Nässe grundlos werden, waren jetzt fest wie Felsen und größtenteils zu beiden Seiten mit Weiden bepflanzt. Dies ist fast die einzige Baumart, die man hier sieht, seitdem die Eichenwaldungen und Eisbrüche, die sonst bedeutend waren, verschwunden sind und den Kornfeldern Platz gemacht haben. Von Küstrin aus kamen wir zuerst nach Gorgast, früher eine Besitzung des Johanniter Ordens, jetzt königliches Eigentum geworden, ein Dorf von 800 Einwohnern.

Golzow war vor einigen Jahren noch königliche Domäne, und vor der Verwallung der Oder ein bloßes Vorwerk von Lebus; jetzt ist es ein Rittergut. Das Dorf ist seit dem Brande im Jahre 1768 völlig regelmäßig aufgebaut und insofern das schönste im ganzen Bruche. Die Zahl der Einwohner ist jetzt an 900 – vor 4 Jahren erst 730.

Friedrichsaue, sonst ein bloßes Vorwerk, ist jetzt ein selbstständiges Amt, auf welchem gegen 90 Menschen leben. Das benachbarte Dorf Zechin enthält jetzt über 1.000 Menschen, wenigstens 100 mehr als vor 3 Jahren. Das Domänen-Amt Wollup gehörte sonst als Vorwerk auch nach Lebus; jetzt ist es eins der ansehnlichsten k. Ämter, auf welchem gegen 100 Menschen leben. Die Dorfschaft Letschin ist die größte im ganzen Oderbruche; es leben 1.700 Menschen auf ihrer Feldmark zerstreut. Das Vorwerk Kienitz ist seit einigen Jahren aus einer königlchen Besitzung Privateigentum geworden. Hier leben über 120 Menschen und in dem Dorfe Kienitz, hart an der Oder, an 1.000 Menschen.

Wir hatten eigens diesen Umweg eingeschlagen, um mit dem Oberbruche genauer bekannt zu werden, als es auf dem nächsten Wege hätte geschehen können. Wir fanden an der Straße einige neu aufgeführte Gehöfte, die allen billigen Forderungen entsprachen, welche man an eine kleine ländliche Besitzung tun kann. Das Wohnhaus war völlig massiv, mit Ziegeln gedeckt, symmetrisch 6 Fenster breit, mit einer Tür in der Mitte. Wir traten in eine solche Bauernwohnung und fanden darin helle, ausgemalte Stuben mit Spiegel, Wanduhr, Sofa und andern eleganten Möbeln, die man in vielen städtischen Wohnungen nicht ganz unbemittelter Leute vergebens sucht. Alles war reinlich und manches sogar zierlich. Vor dem Wohnhause lag ein zwar noch neuer, aber regelmäßiger 4eckiger Garten mit jungen Obstbäumen, Ziersträuchern und Blumen. Hinter dem Wohnhause war die geräumige, auch 4eckige Hofstelle, auf den drei übrigen Seiten durch Scheunen und Ställe geschlossen. Was uns am meisten auffiel, war der Umstand, dass der Besitzer des Gehöftes, ein gewöhnlicher aber freundlicher Bauer, die ganze Anlage nach seinem eigenen Entwurfe und gezeichneten Plane ausgeführt hatte; Maurer, Zimmerleute und alle übrigen Handwerker hatten bloß nach seinem Risse gearbeitet. Er schien sich auf unsere Verwunderung etwas zugute zu tun, und lächelte bei unsrem Beifall, den wir seiner ganzen Anlage schenkten. Wie er und so mancher andre Bauer der hiesigen Gegend lebt, wohnt und waltet, leben, wohnen und walten viele Edelleute in andren Landstrichen nicht. Hier ist der Bauer bereits Edelmann geworden, und doch haben wir nichts von den bösen Folgen gehört, die manche aus dieser Umkehrung der bürgerlichen Verhältnisse befürchten, und so gern hintertreiben möchten. Ein gewisser Luxus ist unverkennbar im Anzuge; dieser findet sich aber überall im Gefolge der Wohlhabenheit, die sich nicht vor dem Auge des neidischen und habsüchtigen Herrn verstecken muss. Bei dem Dorfe Kienitz erreichten wir den Oderdamm und fuhren auf demselben größtenteils hart an dem Strome entlang, unter andern vor dem Marktflecken Zellin vorbei, der auf dem hohen rechten Ufer der Oder liegt, und über 1.600 Einwohner zählt.