10. Kapitel - Erste Fortsetzung

Auf dem Prinz Gustav befindet sich eine den Umständen nach gute Restauration, wo man Beköstigung an warmem Frühstück, Mittag- und Abendbrot» für den festen Preis von einem Speziesthaler erhält. Kaffee und alles Getränk muss besonders bezahlt werden; man kann daher annehmen, dass jeder Reisetag durchschnittlich 2 bis 2 1/2 Thlr. kostet, wenn man keine extraordinären Ausgaben an Champagner u. s. w. macht.
Ich war bald eingerichtet in dem engen Raume der Herrenkajüte, welche zehn Betten enthält, da das Schiff zu schmal ist, um Kabinette zu haben. Dies hat natürlich große Unannehmlichkeiten, wie denn überhaupt der Prinz Gustav weder zu den bequemsten, noch zu den elegantesten Dampfbooten gehört. Aber wir vergaßen die kleinen Leiden in dem Bewusstsein der Notwendigkeit, sie zu ertragen, und bald befanden sich Befreundete zusammen, welche zur gegenseitigen Erleichterung der Zeitverhältnisse beitrugen.

Auf meiner Reise nach Drontheim hatte ich die Bekanntschaft des Pfarrers von Kautokaino gemacht, der Seelenhirt des letzten christlichen Kirchspiels Europas, auf Mageröe am Nordkap, tief in Finnmarken und am Porsanger Fjord ist. Dieser Herr Zedlitz, Sohn des verstorbenen, noch jetzt in Norwegen sehr beliebten Liederdichters, kehrte nach längerem Urlaub in sein Wüstenamt zu seinen lappischen Gemeinden zurück, und diesem werten Freunde habe ich mancherlei Aufschlüsse über Land und Leben, wie seiner Gesellschaft manche frohe Stunde zu danken. Überhaupt ist aber hier wohl sogleich zu gedenken, wie sehr sich auch bis in den fernsten Norden Bildung und herzliche Sitte mit freundlicher Teilnahme für die Fremden wohltuend vereint. Mehre liebenswürdige Damen befanden sich an Bord, auch manche unterrichtete Beamte, Sorenskriver und Voigte, welche mir Belehrung erteilten, endlich der Kapitän des Schiffes selbst, Herr Klüver, der in jeder Weise den Aufenthalt an seinem Bord angenehm zu machen wusste und ein sehr genauer Kenner des Landes und Meeres ist, das er seit sechs Jahren befährt.


Der Trondhjemfjord hat manche reiche und fruchtbare Ufer und ich sagte schon, dass hier mehrere alte Familien noch jetzt auf den Gütern ihrer Ahnen leben. Je weiter man aber gegen den Ausgang gelangt, je felsiger und dürrer wird die Küste, welche zuweilen einen wilden Anblick durch die zahllose Menge niederer, nackt übereinander geworfener Felskuppen erhält, an denen keine Spur einer Vegetation sich entdecken lässt. Dann und wann heben sich auch aus den Fluten Klippen empor, kleine Plateaus bildend, auf denen aufgerichtete und in Kreise gestellte Steine, Andenken alter Taten und Siege, Thingstätten und Kämpferplätze anzeigen. Holme werden sie genannt. Auf ihnen wurden die Zweikämpfe ausgefochten, und der Ausdruck: einen Holmgang machen, kommt allzuoft in den alten Überlieferungen vor.

Die Ufer dieses Fjords könnten jedoch, wie manche andere Stelle im Lande, weit besser angebaut sein, denn es fehlt ihm nicht an fruchtbarem Boden, wenn nur der Fischfang nicht wäre. Viele Bauern aber vernachlässigen den Landbau und beschäftigen sich lieber damit, auf den Klippen Fische für die Kaufleute zu trocknen und zu beaufsichtigen. Damit können sie in guten Jahren wohl hundert Spezies und mehr verdienen; allein dieser Verdienst ist schwankend und der Boden bleibt ohne Ernten.

Hier trat uns auch die Tierwelt des nordischen Meeres entgegen. Über die schäumenden Wellen des Fjords flatterten Schwärme von kleinen wilden Enten, welche vor dem Dampfschiffe flohen. Das ängstliche Geschrei der grauen Meergänse mischte sich mit dem Brausen des Sturmes; schnelle schwarze Taucher verbargen sich vor den forschenden Augen der Menschen, oder Scharen großer grauer Möwen stürzten wild und kreisförmig über die Wogen hin und ließen sich von ihnen schaukeln. Am anziehendsten in diesem Schauspiel, das sich oft wiederholte, waren aber für mich die Eidervögel, welche ich zum ersten Male sah. Sie waren leicht zu erkennen an ihrem schwankenden Flug und an der Art, wie sie gleichsam über die Wellen hinhüpften, deren Spitzen ihre Füße berührten. Sie können nicht weit fliegen und tun es auch nicht, denn ihre Furcht vor den Menschen ist keineswegs groß. Es ist, als wüsste das Tier, dass es ein geschütztes sei, weil es ein nützliches ist; denn in der heutigen Welt heiligt und schützt der Nutzen allein die Tierwelt. — Die Eiderente ist nicht viel größer, als unsere Ente, das Männchen weiß und schwarz mit schönen grünen Kopffedern, das Weibchen von bräunlicher Färbung.

Von Trondhjem aufwärts durch ganz Nordland lebt sie an den Küsten in großer Zahl, und dass ihre Federn ein wichtiger und kostbarer Handelsartikel sind, weiß man auch bei uns. Dagegen ist es ein häufig vorkommender Irrtum, dass der Eidervogel auf Klippen oder unzugänglichen Felsenwänden niste, an welchen sich die Fänger an Tauen herablassen müssten. Dies ist eine Verwechselung mit dem Lundvogel (alca arctica), dem großen Polartaucher, der seiner Federn wegen eben so eifrige Nachstellungen erleidet und in der Tat auf jene Weise gefangen wird.

Das Tier sitzt truppweise in Felsenlöchern hoch über dem Meere und seine Jagd ist allerdings sehr gefährlich; denn oft muss der Jäger an platten Felsen niedergelassen oder auf einem Brett über Abgründe geschoben werden, um einen schmalen Felsenabsatz zu erreichen. Mit einer Stange, an der ein Haken befestigt ist, wird der Vogel aus den Felsspalten gezogen, und ist diese zu tief, so hat man, namentlich auf Lofoden und Loppen, kleine abgerichtete, immer halb verhungert und dünn gehaltene Hunde, welche man in die Löcher schickt. Der Hund packt den ersten der Vögel, die anderen, welche in einer Reihe sitzen, beißen sich in den Schwanz ihres Vordermannes fest, so wird die ganze Kette herausgezogen, vom wartenden Jäger abgewürgt und am Felsen nieder in das Boot geworfen. — Der Lundvogel, der Lomm und das ganze Alkengeschlecht ist dumm, und nur im Wasser, beim Tauchen, meist sehr bebend. Die Jäger schlagen sie daher auch mit den Stangen im Fluge nieder, und in der Frühjahrzeit lassen sich in wenigen Stunden oft mehre Hundert töten, deren abgestreifte Bälge das Material zu manchen hübschen Federarbeiten liefern. Man macht von diesen glänzenden feinen Federn Tücher für Damen, Westen, kurze Mäntel, und bezahlt sie hoch; die Dunen werden aber, wie die der Eidervögel, gesammelt und verkauft.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise durch Skandinavien. Band 2