Kapitel - Erste Fortsetzung

In Bergen ist der Handel mit den Nordländern aber bis jetzt größtenteils reiner Tauschhandel gewesen. Diese brachten ihre Fische und empfingen dafür Waren. Die Jachten, welche, hochgetürmt voll getrockneten Dorsch, gekommen, wurden mit allen möglichen Gegenständen als Rückfracht vollgestopft, und die schlauen Herren von Bergen wussten es stets so einzurichten, dass ihre nordländischen Freunde nie viel bar heraus empfingen, eher wohl in den Büchern noch ein Saldo für das nächste Jahr übrig blieb, welcher durch Fische oder Tran gedeckt werden sollte. — Jetzt hat sich das schon ein wenig geändert, und Klagelieder erschollen so eben in Bergen, dass die Nordländer diesmal nur für einen Teil ihrer Fische Waren genommen, dagegen aber wohl achtzigtausend Spezies bar mit sich nach Haus entführten. In Bergen ist man sehr geneigt, ein solches Betragen als eine Art Felonie zu betrachten. Man ist empört über eine Neuerung, die schweres Unheil droht, denn die Nordländer sind ein Monopol für Bergen, das zu kostbar ist, um es antasten zu lassen. Mit zornigem Spott spricht man von der Weise, wie die Drontheimer und Christiansunder Versuche machen, Nordland mit Waren zu versehen, und mit Hilfe der Dampfschifffahrt jetzt manches in diese fernen Gegenden geführt wird, was sonst aus Bergen kam; aber man weiß sich sicher, dass der Haupthandel doch bei Bergen bleibt, auch auf lange Zeit noch bleiben wird, und darin hat man vollkommen Recht, denn schwerlich werden die Nordländer von Bergen lassen, wo sie so vielerlei Vorzüge finden. Bergens Kaufleute sind in ihrer Weise zärtlich besorgt für die Freunde aus Nordland. Hier ist Geld, und der Handel wird ohne kleinlichen Krämersinn getrieben; es wird auch etwas gewagt, der Unternehmungsgeist fehlt hier nicht. — Wenn die Nordlandflotte im Bergenfjord erscheint, gerät Bergen in Bewegung. Im Laufe des Juli ankern Hunderte jener seltsamen Schiffe an der Tydsk Bro, der deutschen Brücke, den Häusern der Kaufleute gegenüber, wo sie als alte, vielgetreue Freunde mit Jubel empfangen werden. Alsbald beginnt dann auch der Verkehr, zu dessen Vermittlung zwischen Nordländern und Kaufleuten die Makler mit letzteren zusammentreten und den Preis der verschiedenen Fischsorten festsetzen. Dieser richtet sich nach der Menge des Fanges auf Lofoden und der Größe der Nachfrage. Sind viele Bestellungen eingelaufen, ankern viele Spanier und Italiener im Hafen, so steigen die Preise, und die Forderungen der Nordländer durch ihre Freunde, die Makler, erhöhen sich beträchtlich. Endlich wird festgesetzt, was für Rundfisch und gerissenen Fisch, nach der Zolllänge ihrer Größe, gezahlt werden soll, und dieser Preis gilt dann für Alle gleichmäßig. Kein Kaufmann bezahlt mehr oder weniger, es ist die Normaltare für den ganzen Handel. — Nun verteilen sich die Ladungen nach den Verbindungen der Nordländer mit ihren Geschäftsfreunden. Die Fische werden ausgeladen und gewogen; der Verkauf geschieht nach Vaagen. Ein Vaag Fisch ist gleich 48 Pfund. Der Kaufmann schafft den Fisch nun entweder in sein Magazin, oder er befrachtet sogleich die wartenden Schiffe damit, welche den frischen Stockfisch in die südlichen Länder führen. Zugleich beginnt man, die Nordlandyachten mit den bestellten Waren zu beladen.— Wenn diese Jachten ihre erste Reise im Frühjahr, mehrenteils Anfang Mai, nach Bergen machen, so bringen sie den Tran, den der Fischfang in Lofoden geliefert, und nehmen dafür Korn, Mehl und Hülsenfrüchte für die Fischer zurück. Bei der zweiten Reise, im Juni, wo sie die Fische hinführen, haben sie einen langen Bestellzettel, aber er ist doch meist nicht lang genug, um diese großen Fahrzeuge zu füllen, in deren ungeheurem Bauch ganze Magazine Platz haben. Eine Nordlandyacht ist ein plumpes, aber interessantes Fahrzeug. Man kann sich vorstellen, dass die alten Wikinger einst in ganz ähnlichen Schiffen, wie diese, vor vielen hundert Jahren die Meere durchstrichen, und dass nichts an ihnen geändert wurde bis zur selbigen Stunde. Die sechzig Schuten und Seerose, mit denen König Olaf Tryggweson zum Besuch seiner Schwester Ingeborg fuhr, ins Wendenland an der Ostsee, und mit denen er dann bei der Rückkehr die mörderische Schlacht bei Svold schlug, welche ihm das Leben kostete, waren sicher keine andere, als solche, ja das berühmte Königsschiff, Orm der Lange, wie könnte man es sich vorstellen, wie anders, als eine dieser mächtigen Jachten, die in unserer Zeit drei und viertausend Vaage Fisch von den Lofoden nach Bergen tragen. Keine schönere Sage gibt es in der Heimskringla, als die von dem tapferen Könige Olaf, der nach so vielen Siegen, bei Svold, nicht der vereinigten Macht der Könige von Schweden und Dänemark, wohl aber dem rächenden Sohne des ermordeten Hakon Jarls, dem kühnen Jarl Eirik erlag. — Und hier bei diesen schwarzen nordischen Fischerschiffen, die Bord an Bord und Steven an Steven in langen Reihen lagen, konnte man wohl der alten Heldenzeit gedenken. — Die Jachten von Nordland haben einen hohen Mast in der Mitte des Schiffes, der mit wenigen Wandten befestigt ist, und ein ungeheures viereckiges Segel trägt, mit dessen Hülfe das Schiff sehr gut und schnell vorwärts kommt, so lange es vollen oder halben Wind hat. Lavieren kann es jedoch nicht; bei jedem Gegenwind muss es still liegen, da aber die Fahrt mit diesen Jachten stets eine Küstenfahrt bleibt, und durchzahllose Labyrinthe schmaler Meeresstraßen, Sunde und Fjorde geht, wo an Lavieren überhaupt nicht zu denken, so ist dies kein großer Übelstand. Das einzige Segel macht die Bedienung leicht, und gewöhnlich sind die größten Jachten auch nur mit sechs bis acht Seeleuten bemannt. Höchst eigentümlich aber ist der Bau des Vorderschiffes, wo der Steven fast bis zur halben Masthöhe emporragt. Dieser lange Steven hindert, ein Bugspriet anzubringen, und überhaupt Segel zu setzen; er gibt den Schiffen auch das plumpe Äußere, dagegen ist er für die Auftürmung der Fische auf dem Deck wohl vielfach nützlich, damit die Ladung gehörig befestigt werden kann. — Wenn in der Blütenzeit des Fischhandels mehre Hundert dieser Jachten in Bergen liegen, alle vollgepackt mit Stockfisch, kann man sich den eigentümlichen Anblick und lebhaften Verkehr wohl denken. Das Geschrei und der Gesang der arbeitenden Matrosen, die Böte, welche den Hafen durchkreuzen, die Wagen und Karren, welche auf- und abfahren, die drängenden Menschen in verschiedenster Geschäftigkeit, und auf Allen liegt der Fischdunst, in welchem jeder gleichsam eingewickelt ist, der wie eine unsichtbare Wolke über der Stadt schwebt, und ihre Nähe eher riechen, als sie selbst sehen lässt. — Die Haufen der trockenen Fische, welche aus den Schiffen geschafft werden, türmen sich zu Bergen auf, was einen seltsamen Anblick gewährt. Die schnellen Bewohner der Tiefe liegen hier hart und verkrümmt, wie Baumäste; was ein lebendiges Wesen war, ist in eine Art Holz verwandelt, und man tritt darüber hin, wie auf einem Knütteldamm. — In Norwegen wird wenig Stockfisch gegessen; wenn es geschieht, wird der Fisch entweder, ehe er gekocht wird, einige Tage eingegraben, oder er wird in Lauge gelegt und darin aufgeweicht; wir in Deutschland essen gewöhnlich den salzigen Klippfisch, und überlassen unseren südlichen Nachbarn allein die Freude, diese Holzstücke, welche Fisch bedeuten, zu verspeisen. — Was aber den Anblick der Nordlandflotte noch interessanter macht, ist der Gegensatz, den sie zu den Seeschiffen bildet, welche ihr gegenüber ankern. — Die hohen, schlanken Masten, der zierliche und stolze Bau, das Gitterwerk der Wandten und die zahllosen Taue, welche wie tausend leichte, graziöse Linien zwischen Meer und Himmel schweben, gehören einer Anzahl Briggs, Schoner, Barkschiffen, Galeassen und Dreimastern, mit voller Takelung, welche mit ihren flatternden, weißen Segeln, ihren ins Kreuz gebrassten Raaen, ihren leuchtenden Stengen und Spieren, ihrer bunten Bemalung und wehenden, farbig wechselnden Flaggen, ein reiches, lebensvolles Hafenbild gewähren. Auch hier wird gearbeitet, auch von hier aus zieht Matrosengesang, Kommandoworte, Geschrei und Lärm über die Wellen. Es wird aus- und eingeladen, Böte umringen die Schiffe und in zehn verschiedenen Sprachen lassen sich die Stimmen hören.

Die Stockfischfahrer nach den Südländern waren aber diesmal sicher nicht allzu lustig und zufrieden. — Einige Jahre lang war der Fisch sehr billig gewesen, dies hatte bedeutende Kauflust erregt, große Nachfrage war entstanden, und viele waren gekommen, um Ladung zu nehmen. Man hatte auch den Versuch gemacht, gleich in Nordland und Finnmarken Einkäufe aus erster Hand zu machen. Hamburger Häuser hatten Agenten bis Hammerfest geschickt, aber diese Spekulation scheiterte, denn die Nordländer benutzten ihre Vorteile und forderten zu hohe Preise. Billig aber muss diese Ware sein, sonst findet sich Niemand, der sie essen mag. Sie ist die Speise der unteren Volksklassen und diese können nicht viel zahlen. — Der Eigennutz der nordischen Handelsleute wird daher auch, wie man fürchtete, die üble Folge haben, dass in den nächsten Zeiten wenig Nachfrage kommt, und die Fische werden dann eben so sehr im Preise sinken, wie sie jetzt hoch stehen.


An solche Prophezeiungen kehrt sich jedoch der Kaufmann nicht; er benutzt die günstigen Umstände, und er hat Recht, jede Konjunktur, wie sie kommt, zu ergreifen. Bergen ist aber der rechteigentliche Fischplatz Europas; denn nicht allein der große Stockfischhandel wird von hier aus betrieben, es ist auch der Stapelplatz für die Heringsfischerei, welche an keinem Orte so ausgedehnte Niederlagen hat, wie hier. — Der Hering und der Kabeljau sind die beiden Meerbewohner, denen die Norweger eine Art Kultus widmen müssten, denn jährlich gewähren sie dem Lande einen reichen Quell des Einkommens, der mehrere Millionen abwirft.

Kaum gibt es ein wunderbareres Geschöpf, als den Hering, dessen Geschichte in den tiefsten Tiefen des großen Salzwassers noch gar nicht so genau erforscht ist, als man meinen mag. Unter allen den kaltblütigen Geschlechtern in beschuppter Haut ist das seine wahrscheinlich das zahlreichste, denn wer zählte die ungeheuren Schwärme, welche jährlich aus den Meerestiefen aufsteigen, an allen Küsten des nördlichen Europas erscheinen, zu Milliarden gefangen werden, zu Milliarden eine Beute der Raubfische und Vögel erliegen und doch immer wieder in der gleichen, zahllosen Fülle zum Vorschein kommen. Der Hering erscheint und verschwindet mit bewunderungswürdiger Regelmäßigkeit. — Lebt er eine Zeitlang in dem hohen Polarmeere, hat er dort in Tiefen, wohin kein Senkblei reicht, seinen geheimen Staat gegründet und zieht er von dort, wie die Reitervölker der Steppen, jährlich aus, um die Meere zu durchschwärmen? Man kann sich solchen Träumen hingeben, wenn man von den Heringskönigen hört, welche die Schwärme anführen und in ihren silberglänzenden Rüstungen ihnen voraufziehen. Die Heringskönige sind Sensenfische, welche zehn Fuß lang werden und häufig, als Prinzen und Herzoge, in Wahrheit den Kreuzzug zu leiten scheinen. — Man weiß nun wohl, dass der Hering im Frühjahr an die norwegische Küste schwimmt, um zu laichen, und wieder abzieht, sobald dies Geschäft verrichtet ist, aber es erscheinen im Sommer und Herbst auch andere Schaaren, entweder von solchen, die nicht Milch noch Roggen enthalten, oder Schwärme von junger Mannschaft, welche vielleicht von fernen Brutplätzen kommt, um ihren Weg in das große, submarine Königreich zu nehmen, wo junge Prinzen der herrschenden Familie sie in die Zahl ihrer getreuen Untertanen einregistrieren lassen.

Zu allen Zeiten aber ziehen einzelne, unermessliche Heere aus, bald nach Schottland hinüber, bald in die Ostsee, bald an Hollands Küsten, bald in die Fjorde der Finnmarken, oder tief hinab an die norwegische und schwedische Küste, durch Kattegat und Sund, und so genau ist der Mensch von ihrem Kommen und Gehen unterrichtet, dass er Alles vorher zu ihrem Empfange vorbereiten kann. — Woher sie kommen, wohin sie gehen, das weiß er freilich nicht, aber den Fischern und Kaufleuten ist es auch genug: sie sind da! und er eilt, diesen Besuch zu benutzen. — Merkwürdig ist es aber, dass eine fast regelmäßige Ab- und Zunahme der Schwärme bemerkt wird, als herrsche darin auch Ordnung und Gesetz; zuweilen auch verlassen sie aus unbekannten Ursachen auf eine Zeit lang oder für immer, manches Mal ganz plötzlich, die bisher stark besuchten Küsten und zeigen sich nicht wieder. So ist es Gothenburg gegangen, wo der Hering früher in zahlloser Menge erschien und jetzt seit einer Reihe von Jahren nichts mehr gefangen wird. Die Fischer an der Küste sind verarmt; dagegen hat der Andrang des Tieres zur norwegischen Westküste, von Bergen bis Cap Lindesnaes, außerordentlich zugenommen. Möglich jedoch, dass sich dies periodisch ändert. Schon in diesem Jahre hatte man eine bedeutende Abnahme gespürt; es wurden hunderttausend Tonnen Heringe weniger gefangen, als im vorigen. Dagegen haben sich einige Streifpartieen wieder in den Gothenburger Schären gezeigt, und vielleicht sind diese von einem mächtigen Heringskönige oder Kaiser abgeschickt worden, welcher nach ihren günstigen Berichten nun im nächsten Jahre eine seiner Horden dahin aufbrechen lässt, weil die Ursachen seines allerhöchsten Missfallens verschwunden sind. Der arme schwedische Fischer jubelt bei diesen Hoffnungen, und Gothenburg, das schwer durch das Ausbleiben des Herings gelitten hat, würde Freudenfeste anstellen und Ehrenpforten bauen, wenn er wieder einzöge. In Bergen und Stavanger bangt man davor aber schon jetzt. Diese Städte haben durch die zunehmende Heringsfischerei ungemein gewonnen, die Ausfuhr hat Geld ins Land gebracht, das norwegische Papiergeld war über Pari gestiegen, der Wohlstand des Ganzen gewachsen. — Der verminderte Fang hat nun schon im letzten Jahre den Cours wieder herabgedrückt, und es lässt sich wohl nicht leugnen, dass, wenn die Heringsfischerei abnimmt, dies für die Finanzverhältnisse Norwegens sehr fühlbar werden wird. So wirkt ein Tiergeschlecht auf Leben und Wohl der Menschen ein, und ganze Länder werden durch sein Kommen oder Nichtkommen erfreut oder in Trauer versetzt. — Der Hering erscheint jährlich drei Male an der Küste von Norwegen, aber der Hauptfang geschieht im Februar. Es ist dies die Frühlingsfischerei, sie liefert die größte Menge und die fetteste, größte Art des Fisches, der Vaarsild, Frühlingshering, genannt wird. — Der Fang geschieht vornehmlich an dem Küstenstriche zwischen Bergen und Stavanger, hauptsächlich um und bei Stromöe, Selböe und den Inseln bis Skudesnaes hinab, am Eingange des großen Buttefjord. Auf diesem Raume sind im Februar wenigstens zweitausend Böte, die mit zwölftausend Menschen bemannt sind, mit Heringsfischerei beschäftigt. Die Fischer begeben sich Ende Januar auf die Inseln hinaus, mieten Plätze und Hütten und empfangen Vorschüsse für ihren Fang von den Kaufleuten, die sie mit dem, was sie nötig haben, versorgen. Alle haben auch wohl das Jahr über manche Schulden schon gemacht, welche auf ihr Konto geschrieben sind, um durch den Heringsfang gedeckt zu werden. Sie tun sich nun in Gesellschaften zusammen und bestimmen die Teilung, fügen sich den gesetzlichen Anordnungen, lassen sich die Fischplätze anweisen, wo sie ihre Netze auswerfen sollen, treffen Verabredungen mit dem Empfänger ihrer Ware und erwarten dann die Heringsschwärme, denen sie ungeduldig täglich bis ins Meer hinaus entgegenfahren, um den lang ersehnten, silberblauen Schein zu entdecken, welcher das Nahen der Beute anzeigt.

Noch ehe jedoch diese Stunde schlägt, verkünden schnelle und fürchterliche Wächter den Heranzug des Tieres. Einzelne Wale streichen an der Küste hin, und werden mit lautem Jubel begrüßt, denn der Wallfisch ist der sichere Verkündiger des Herings. Es ist, als habe er den Auftrag erhalten, den Menschen die Botschaft zu bringen, sich zum Angriff bereit zu machen. Sein Schnauben in der ungeheuren Wasserwüste, seine Fontänen, die aus den Wogen steigen, wunderbare Springbrunnen, welche in den Lüften funkeln, sind seine Sprache: Gebt Acht! wir liefern sie euch, seit bereit und fertig. Hat der Wal seine Sendung vollbracht, so jagt er zurück zu seinen Gefährten, und hilft ihnen, den geängstigten Hering rascher gegen die Küste treiben, wo sich dieser in die Schären zwischen die Inseln und Klippen drängt, und um den grimmigen Feinden draußen zu entkommen, anderen noch schrecklicheren in die Hände fällt. Denn hier erwarten ihn die Fischer mit ihren Netzen. — Jedes Boot hat deren sechs und dreißig, die meisten zwei Faden lang, und einen Faden tief. Mehre werden an einander geknüpft, und man stellt sie in Reihen auf, mit Steinen unten beschwert, und von Holzklammern oben gehalten. — Wären die Netze größer, so würden sie reißen, denn der Hering steht so dicht zusammen, dass wenn der Fang gut ist, in jeder Masche des Netzes auch ein Fisch steckt. Dabei ist seine Menge so ungeheuer, dass er zuweilen eine Wand bildet, welche bis auf den Grund hinab reicht, und von deren Druck nach oben die Boote dann mehre Zoll hoch aus dem Wasser gehoben werden. — Achtzehn Netze stellt jedes Boot, und wirft die andere Hälfte aus, sobald es die erste mit dem Fang herausgezogen. Und während nun jene sich wieder füllt, rudern die Fischer mit den armen Opfern ihrer Schlauheit zum Strande, wo der Kaufmann wartet. Dort werden sie gezählt und ihm überliefert. Schaluppen stehen bereit, in deren Raum die Fische geworfen werden, und sobald die Fahrzeuge gefüllt, eilen sie nach Stavanger oder Bergen.

Dort nun eröffnet sich an der deutschen Brücke ein neues Schauspiel. Arbeiter karren den Hering aus den Schiffen unter die weiten Durchgänge der Häuser. Hier sitzen, von Tonnen umringt, eine gehörige Anzahl Menschen, größtenteils alte Frauen, die mit dem Messer in der Hand, das Werk des Auskehlens verrichten. Die Karren werden bei ihren Plätzen umgestürzt, so dass sie halb in Fischbergen vergraben sind, und sie ergreifen den einen nach dem andern, schneiden ihm die Kehle auf, und reißen mit einem kunstgemäßen Zug Gedärm und Eingeweide heraus. Dann werfen sie ihn in die bereitstehenden Tubben, und sie haben in dieser Arbeit eine solche Virtuosität, dass viele Tausend Fische täglich dieselbe Prozedur erfahren.

Sobald die Tubben gefüllt sind, werden sie von andern Arbeitern an den Platz des Einsalzens gefahren, dort in die Fässer gepackt, mit der Salzlake begossen, vom Böttcher geschlossen, und nun, in den Magazinen aufgestapelt, sind sie zur Ausfuhr fertig und bereit. Wenn man bedenkt, dass in den letzten guten Zeiten von Bergen allein jährlich beinahe 300.000 Tonnen Hering ausgefahren sind, kann man sich wohl einen Begriff von der Lebendigkeit und Größe dieses Handels machen. Alle gewinnen dabei. Das Holz zu den Tonnen kommt aus den Wäldern, und die Eigentümer derselben, die Bauern, welche es heranfahren, die Handwerker, welche es verarbeiten, die Frauen und Kinder, die den Hering kehlen, die Männer, welche ihn herbeischaffen, die Fischer und Schiffer, die Bootsleute und Reeder, vor allen aber die Kaufleute, teilen in den Vorteil.

Kehren wir einen Augenblick noch zu den Fischern auf Skudesnaes zurück. — Hier geht der Fang ununterbrochen vier Wochen lang und oft länger vor sich. Wie viel Fische auch täglich in dieser ungeheuren Zahl von Netzen herausgezogen werden, die Masse der übrigbleibenden scheint dadurch nicht vermindert. Immer neu drängt sich das unermessliche Heer herauf an die Oberfläche, und draußen vor den Schären, oft mitten zwischen den Fischerbooten liegen die Wale, wie abgerichtete Schäferhunde, auf der Lauer, und scheuchen die furchtsame Herde zurück, wenn sie Miene macht, sich entfernen zu wollen. Mensch und Wal haben einen Bund geschlossen zur Vernichtung des unglücklichen, widerstandlosen Gefangenen, der ihrer Wut allein durch seine unvertilgbare Menge spottet, welche sich zur Schlachtbank drängt. Hunderte von Walen haben das Heringsheer herangetrieben, sie haben es schon weit im Meere erspäht, als es von unbekannten Ursachen gezwungen, aus den Tiefen emporstieg. Kühnen Wüstenräubern gleich haben sie dem Zuge aufgelauert, täglich ihn angefallen, ihren gierigen Hunger gestillt, und jetzt liegen sie, riesenhaften Baumstämmen gleich, bewegungslos dicht vor dem Fischwalle, der nicht mehr entgehen kann, und in ihre geöffnete Rachen ziehen sie, wie im Strudel, mit jedem Atemzuge eine Anzahl lebendiger Geschöpfe hinab, deren Blut und Fleischstücke mit grünlichem, übelriechendem Wasser vermischt, ihre Blaslöcher in hohen Fontänen wieder ausspritzen. Der Wal an der norwegischen Küste ist der Heringsjäger, der Finnfisch, welcher zwanzig bis vierzig Fuß lang, auf seinem Rücken eine große Flosse trägt. Das mächtige Tier schwimmt in seinem Element mit der Geschwindigkeit eines Vogels. Trotz seiner unförmigen Gestalt und seiner scheinbaren Trägheit, ist er in allen seinen Bewegungen ein Musterbild der Kraft und Gelenkigkeit. Jetzt noch auf der Oberfläche des Meeres ruhend, ist er im nächsten Augenblick verschwunden und tief hinabgesunken; im andern sieht man seine hohe Rückenflosse weit davon wieder emportauchen und wie ein Pfeil durch das Wasser rauschen. Jetzt ist er hier, jetzt dort, und immer beschäftigt, den Raub zu verschlingen, der ihm aufstößt. Wie viele Tonnen Heringe täglich von diesen Ungeheuern verbraucht werden, ist leicht zu denken; aber die Fischer machen sie ihnen nicht streitig, sie haben ja dennoch mehr als sie nehmen können. Der Wallfisch ist im Gegenteil Gegenstand ihrer Sorge, Niemand darf ihn beleidigen, Niemand ihn von seinem Platze treiben; er ist ihr Gefährte, ihr Freund und Diener, den sie lieben, und der Fisch scheint dies wohl zu wissen; denn so scheu und empfindlich er auch sonst ist, ruhig liegt er hier zwischen den Barken, und verspeist, ganz unbekümmert um alles Geschrei und Gelärm, seinen Anteil von der gemeinsamen Beute. Daher sind denn auch die Fischer einig darüber, dass der Wal ein so kluges verständiges Geschöpf sei, wie irgend eines auf Erden, und sie erzählen viele Beispiele, welche Zeugnis dafür geben. Eines darunter ist folgendes: Ein Fischer war vor einigen Jahren bei Skudesnaes mit dem Fange beschäftigt; rund umher lagen mehr als hundert Boote in gleicher Arbeit; dicht neben dem seinen aber ruhte ein ungeheurer Wal, der sich nicht im geringsten genierte, und beim Heraufziehen der Netze kein Haar breit aus dem Wege ging. Er vertilgte eine Tonne Hering zum Frühstück in völliger Gemütsruhe, und schlief vielleicht halb und halb dabei, denn er schüttete seine übelriechenden Fontänen über das Boot aus, und kehrte sich nicht einmal daran, dass die Ränder desselben seinen Rücken streiften. Der Fischer, als ein erfahrener Mann, ließ sich dies von dem unhöflichen Tiere in Betracht des Bündnisses und der sonstigen guten Dienste gefallen, sein Knabe aber fürchtet sich, die Hände ins Wasser zu stecken, und das Netz aufzuziehen dicht am aufgesperrten Schlunde des Ungeheuers, in welchen die Tourbillons [französisch für Wirbelwind] von Wasser und Heringen verschwanden. Er nahm daher hinter dem Rücken des Vaters den Bootshaken, und gab der schwarz aufragenden Insel eine hinterlistige Erinnerung zu verschwinden. Der Stoß half wie mit Zaubergewalt; denn kaum war er empfunden, als das Tier mit Blitzesschnelle fünf hundert Ellen weit, mitten durch den Fischplatz, zwischen Booten und anderen Walen hinschoss. Plötzlich aber kehrte es um, nahm denselben Weg zurück, und als wisse es genau, wo und an wem es die Beleidigung zu rächen habe, suchte und fand es das Boot mit dem verräterischen Knaben, und zerschmetterte es mit einem Schlage seines Schwanzes. — Solche Beispiele mögen dazu gekommen sein, um den Fischern Achtung vor ihren starken Freunden zu lehren, die eine so ungeheure Kraft besitzen, dass das stärkste Boot davon in Splitter zerfliegt.

Aber der Wallfisch ist es nicht allein, der die Beute mit dem Fischer teilt. Luft und Wasser beleben sich mit gefräßigen Räubern, die unermüdlich im Vernichten sind. — Delphine, Kabeljaue, Schellfische und Haie umschwärmen in Scharen die Verfolgten, und machen wütende Angriffe auf ihren Phalanx; aus der Luft stürzen die unzähligen Schwärme wildschreiender Möwen, Seeraben, Skarfe und Fischadler. Alle Klippen und Felsen sind bedeckt mit den unersättlichen Räubern; von unten dringen sie aus den tiefsten Meerestiefen, von oben schießen sie aus den Wolken nieder, und der Mensch lässt sie gewähren, sie treiben dasselbe Geschäft, wie er. Ein besonders glückliches Ereignis ist es für die Fischer, wenn der Hering gejagt von seinen Feinden dicht an die Küste geht, und in die Buchten derselben tritt. Ist dies der Fall, so wird die Bucht, wenn es irgend angeht, sogleich durch große Netze abgesperrt, und dann sind alle die armen Eindringlinge verloren; sie werden mit Gemächlichkeit ausgefischt. Auf diese Weise wird ein Fang oft ungeheuer reich. Man hat acht bis zehn Tausend Tonnen schon aus einer Bucht gezogen, und eben so viele waren erstickt durch das gewaltsame Zusammendrängen des Tiers. Ohne Zweifel kann man annehmen, dass jährlich an den Küsten Norwegens, Englands, Hollands und in der Ostsee weit über tausend Millionen Heringe gefangen, und wohl eine noch größere Zahl von den Raubtieren verschlungen werden. Endlich im März senken sich die Scharen mehr und mehr in die Tiefe, und mit dem Ende des Monats verschwinden sie gewöhnlich ganz. Der Fang ist beendet, und die Fischer ziehen nach Haus, um zu empfangen, was sie vom Kaufmann zu fordern haben, aber dies ist meist, trotz aller Gunst des Schicksals doch nur eine geringe Summe. Man hat vorher geborgt, das Leben ist teuer, der Fisch wohlfeil, und bald pocht das alte Elend wieder an die schmutzige Hütte des Armen, dessen Hoffnung sich dann auf den nächsten Glücksstern seiner Netze richtet. Wie viel Gefahren, wie viel Mühen und fast übermenschliche Anstrengungen erfordert dies Gewerbe, wie viel entsetzliche Not und Leiden bringt es mit sich, und doch ist es bei diesen Menschen eine Leidenschaft, von der sie nicht lassen können. Mit dem Fischer ist es, wie mit dem Jäger und dem freien Hirten auf den Bergen, der beides ist: Alle verachten den ruhigen, stillen Landmann. Die Netze werfen auf den wilden Meereswellen, mit den Angeln an den Bootsseiten die Wogen zerteilen, das ist auch eine kühne Jagd, die oft plötzlich lohnt, wie dem Schützen sein verwegenes Klimmen über Abgründe und Felsenhörner, wenn er Rentierscharen nachzieht. Da gilt es Mut in Gefahren zeigen, ein unverzagtes Herz im Busen tragen, da gilt es zu wagen, sich den Zufallsspielen des Glücks anzuvertrauen, und was täte der Mann lieber?! Es liegt tief in seine! Brust ein wilder Trieb, das Schicksal zu versuchen.

Unter allen Beschwerden ist aber wohl keine so furchtbar, wie die des Fischfangs an diesen Küsten. Man denke sich dies nordische Meer am Ende des Januarmonats, von Orkanen zerpeitscht, die mit rasender Wut über nackte Klippen jagen. Man denke sich diese Brandungen, diese eisigen Wogen, diese kalten Regengüsse, diese Schneestürme, die Elemente verbündet und im Aufruhr, dann erst erscheint es doppelt wunderbar, wie zähe die Kraft des Menschen, wie kühn sein Wollen, wie gierig sein Verlangen nach Gewinn, wie sonderlich seine Körper- und Geistesorganisation. Er, der sich nur durch Kunst des ewig beweglichen Elements bemächtigt hat, der sich nur mit Verachtung seines Lebens darauf erhält, er fragt nicht nach Sturm und Eis und den entsetzlichsten Entbehrungen. Eine Art Raserei bemächtigt sich seiner: die Fische sind da! und er muss sie fangen, sie töten, mit Walen und Adlern um den Preis streiten! Diese Empfindungen hat er mit zur Welt gebracht, er hat sie mit der Muttermilch eingesogen, er kann nicht anders. Gebt dem armen Fischer ein gutes Feld, das ihn ernährt, wenn er halb so viel arbeitet, als in seinem lecken Boote, er wird es verschmähen; verschmähen, wie der Jäger das bequeme Haus verschmäht. Die Sehnsucht des Einen hängt an den Meereswogen, die des Andern an dem rauschendem Waldesdunkel; der Eine träumt von ungeheuren Netzen und dem Gewimmel silberglänzender Beute darin, der Andere von dem Horngeäst weidender Herden, von dem Knall seines Feuerrohrs und fließendem Blut. — Von dem Frieden des Hauses, von dem Rauschen der Ährenfelder, von der heimischen Stille des Lebens wissen sie nichts. Armut und Elend wiegen bei den Kindern der Erde die Last des geordneten Lebens nicht auf. Auf den Bergen schweifen, auf den Wellen fahren dünkt denen, die dazu geboren wurden, viel schöner, als in Städten wohnen und an vollen Tischen sitzen. Man sollte meinen, ein poetischer Atem wehe in ihrer rauen Brust, aber ach! es ist nichts als die Gewohnheit, als das blinde Schicksal der Geburt, das ihr Los für sie geworfen hat. O! wenn die Feen der alten Zauberzeiten noch Macht hätten, wir würden bald die Probe machen können. Legt das nordische Fischerkind in die goldene Wiege eines Prinzen, und es wird ein so guter Prinz werden, wie der echte Erbe eines Kaiserthrons ein Fischer wird, wenn er in der kleinen armen Hütte unter Rudern und Netzen denken lernt. Die Menschen sind alle gleich befähigt, Könige zu werden oder Bettler. Ihr Blut ist gleich rot und gleich warm; die Geburt tut Alles, die Verhältnisse schreiben die Blätter ihres Lebens, sie regeln ihre Neigungen, bilden diese aus, und die Götter des Glücks und des Missgeschicks helfen das Gespinnst vollenden. Diese armen Fischer hier müssen Fische fangen; sie stürzen sich mit Gier darauf, sie warten zitternd auf die Stunde, wo sie mit eisigen Wogen und Gefahren kämpfen werden. Des Mannes Mut nach Glück und Gewinn treibt sie, aber auch die Not, der Hunger, das blasse Elend. Wer leben will, will essen; Hunger und Liebe halten immer noch den ganzen Weltenbau zusammen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reise durch Skandinavien. Band 2
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