Vom 3. bis zum 8. September

Vom 3ten bis zum 8ten September


brachte ich die Zeit in Hamburg mit verschiedenen Freunden, welche Herz und Kopf haben, sehr angenehm zu. Unter ihnen muss ich den Professor Büsch nennen, den Verfasser der sehr gründlichen Schrift vom Geldumlauf. Er hat in seinem Hause eine Anstalt zur Erziehung junger Leute, unter dem Namen einer Handlungsakademie angelegt. Das Augenmerk der Erziehung und des Unterrichts, welchen die jungen Leute hier erhalten, besteht darin: sie zeitig geschickt zu machen, Geld und andern wichtigen Geschäften in der menschlichen Gesellschaft vorzustehen. Professor Büsch hat in seinem Hofe ein großes Haus gebaut, worin die jungen Leute zugleich mit ihren Privat-Hofmeistern, welche diejenigen, die dazu Lust haben, mitbringen können, wohnen. Es waren ihrer gegen dreißig; und als ich an einem Tage mit ihnen aß, musste ich mich innerlich über diese Menge junger Leute freuen, welche alle, auch nicht einen einzigen ausgenommen, rasch und frisch aussahen. Eine sehr seltene Sache an einem Orte, wo so viele junge Leute beisammen sind. Ihre Kammern werden rein und wohlgelüftet gehalten. Keiner darf ohne Erlaubnis aus dem Hofe gehen. Büsch hat einen Hauptschlüssel, womit er die Kammer eines jeden öffnen kann, wenn er will. Keiner von den jungen Leuten darf den andern „Du“ nennen. Sie werden in Vorlesungen unterrichtet, welche ihnen Professor Büsch und seine beiden Informatoren halten. Der eine von diesen ist der in der Gelehrtenwelt rühmlichst bekannte Magister Ebeling (Ist jetzt auch Professor am Gymnasio zu Hamburg.) In dem praktischen Teil der Handlungswissenschaft unterrichtet sie ein Mäkler, und außerdem können sie in alldem, was sie oder ihre Eltern wünschen, von den Meistern, welche sich in Hamburg aufhalten, unterwiesen werden. Doch sieht man diejenigen Wissenschaften, wodurch ein guter Kopf zu Handelsunternehmungen, und zu der Kunst, sie mit Verstand ins Werk zu richten, Anweisung bekommt, als die Hauptsache an. Endlich haben sich vier der vornehmsten Kaufleute in Hamburg verbunden, dem Professor Büsch in allem, was zum Flor und zur Verbesserung der Akademie gereichen kann, mit Rat und Tat an die Hand zu gehen. Ich sah hier junge Leute von den meisten europäischen Ländern: viele Engländer und Russen, einige Schweizer, und darunter drei aus Graubünden von der großen salischen Familie. So wie in Hamburg mehr als ein hoffnungsvoller junger Kaufmann von Büsch gebildet worden ist: so glaube ich auch, dass junge Edelleute, welche hier erzogen wären, im Allgemeinen nicht weniger tauglich zu den Plätzen in den Kollegien befunden werden würden, als jetzt, wenn sie von einer zunftmäßigen Universität kommen. Ich wünsche dem Professor Büsch und seinen unermüdeten Gehilfen, zur Ausbreitung der menschlichen Glückseligkeit, Gesundheit, Geduld, und Befreiung von Schikanen und Verleumdungen, damit wenigstens wir, die wir jetzt leben, nicht die Betrübnis haben mögen, diese so wohl angefangene Anlage aufgehoben zu sehen.


Das Wetter war in diesen Tagen angenehm: so, dass ich den Morgen dazu anwandte, die schönen Gegenden und Gärten Hamburgs zu besehen. Die Vierlande, welche der Stadt zugehören, sind Marschland, welches von der Elbe eingedeicht ist. Hier sieht man, so wie überall in den Marschen, den Ackerbau in seinem völligen Ansehen. Im Genusse der vollkommensten Freiheit, Herr seiner Zeit und seiner Arbeit, wie seines Feldes, gut gekleidet, gut genährt, in einem guten Hause, gastfrei ohne Zwang, wendet der Marschbauer einen unglaublichen Fleiß auf den Anbau seines sehr beschwerlichen Eigentums, und erntet wie im gelobten Lande. Die Marsch steht im Winter unter Wasser, wovon zwar im Frühjahr durch die Ebbe einiges abläuft, aber doch vieles durch die Kunst weggeschafft werden muss. Dazu haben die Marschbauern Windmühlen, welche eine horizontale Mühlenachse, die mit Schaufeln versehen ist, treibt, Diese werfen das Wasser über die Deiche hinüber, welche ihr niedriges unter der Oberfläche des Wassers liegendes fruchtbares Eigentum einschließen. Da diese Mühlen das Wasser weder hoch noch in Menge werfen können, und da sie niedrig hinter den Deichen liegen müssen: so geschieht es oft, dass sie, aus Mangel an Wind, das Wasser nicht zu der Zeit, welche zur Saat im Frühjahr notwendig ist, ausmahlen können. Man hat daher seit vielen Jahren Belohnungen für denjenigen ausgesetzt, welcher eine vorteilhaftere und zuverlässigere Weise, das Wasser auszumahlen, erfinden könnte. Dies hat auch die Wirkung gehabt, dass ein Zimmermeister eine Mühle erfunden hat, welche in demjenigen Teil der Vierlande, welcherlei Rei-Bruch heißt, erbaut worden ist. Sie steht auf dem Deiche über einen Hauptkanal, und es fehlt ihr also nicht leicht an Wind. Sie treibt keine Schaufeln, welche das Wasser nur vier bis fünf Fuß hoch werfen, sondern sie treibt eine Schraube des Archimedes, welche mit ihrem untersten Ende im Kanal steht, und deren vertikale Höhe acht Fuß ist: so dass sie also bei einer drei Fuß höheren Flut, als die andern nötig haben, ausmahlen kann. Da aber, um das Wasser so hoch auszumahlen, auch stärkerer Wind erfordert wird, als die meiste Zeit vorhanden ist: so ist bei der Schraube, wenn die Flut ihre ganze Höhe nicht notwendig macht, folgende einfache Erfindung, welche dem Ei des Columbus gleicht, angebracht. Der vordere Teil der Schraube ist beweglich, und kann im Wasserlauf, von dem der Kanal abhängt, auf und nieder gezogen werden; folglich steht sie nie höher, als es die Flut erfordert. Daher kann auch diese Mühle allzeit mahlen, außer wenn bei der höchsten Flut aller Wind fehlen sollte, welches aber nie zutrifft. Dieses höchst nützliche Werk hat gegen 1.700 Rthlr. gekostet, und hält 300 Morgen oder 900 Tonnen Land trocken, dessen Wert eben dadurch um mehr als drei Doppel gestiegen ist.

In den Vierlanden wird das Land, nach Verhältnis seiner Güte, von vier bis zehn, ja bis zu zwölf Jahren bebaut, ehe es als Viehweide gebraucht wird, welches drei Jahre währt. Das Heu wird im Winter nicht ins Haus gebracht, weil es da wegen seiner großen Feuchtigkeit schwerlich trocken genug werden würde: sondern es wird nur unter ein Wetterdach gebracht. Dies besteht aus vier in ein Viereck gesetzten hohen Bäumen, pommerschen Balken, oder 18 Ellen hohen Stücken Holz. In die Mitte wird ein starker Pfahl gesetzt, welcher ungefähr 2 1/2 Ellen von der Erde mit Querhölzern an den vier Eckpfeilern befestigt wird, auf welche Bretter gelegt werden. Unter diesen Brettern hat der Marschbauer. seine Wagen und Feldgerätschaft. Oben darüber aber wird das Heu gelegt, und zur Bedeckung desselben ist ein Dach, wie ein Bienenkorb, gemacht, durch dessen vier Ecken die vier Eckpfeiler gehen, worin Löcher gebohrt sind, in welchen eiserne Stücken sitzen, auf denen das Dach ruht. Wenn das Heu unter dieses Schauer gebracht wird, und das Dach aufgehoben werden muss: so nimmt der Bauer eine lange Stange, setzt sie mit ihrem untersten Ende gegen eine Schraube und mit dem obersten Ende gegen das Dach, und schiebt es so hoch, bis er das Dach ein Loch höher gebracht hat, in welches er alsdann den eisernen Sticken steckt. Dies tut er nach und nach an allen vier Ecken, und auf diese Weise wird das Dach von einem einzigen Manne so hoch gehoben, als die Eckpfeiler lang sind. Noch leichter wird es im Winter gesenkt, sowie der Bauer sein Heu gebraucht: so, dass das Dach immer dicht auf dem Heue liegt, und es vollkommen bedeckt.

Von den Ländereien, welche so niedrig liegen, dass sie Moräste sind, zieht der Marschbauer beträchtliche Einkünfte, indem er Korbmacherweiden auf die Art, welche ich oben beschrieben habe, hineinpflanzt. Ja es sind hier Stellen, wo sie so stark wachsen, dass man mich versichert hat, das Land, worauf sie ständen, gebe größere Einnahme, als wenn es Weizen tragen könnte.

Auf der Börse in Hamburg waren in den Tagen, da ich mich hier aufhielt, zwei merkwürdige Erscheinungen. Es war nämlich:

1) der Kurs mit Schweden 5 Prozent über Pari zum Vorteile dieses Reichs, unerachtet täglich Wagen mit Silberbarren von der Bank nach Lübeck gesandt wurden, um die Bilanz in Schweden zu saldieren, welche sich dieses Reich durch seine Schiffsfrachten und durch die Ausfuhr von Holz, Heringen, Eisen und Kupfer verschafft hatte.

2) Der Kurs mit Spanien war 12 Prozent unter Pari zum Nachteil Spaniens, weil dieser Staat, welcher keine Produkte hat, die in Europa über der Erde wachsen, aber wohl einige, welche in Amerika unter der Erde gefunden werden, und die aus Furcht, in Portsmouth landen zu müssen, jene Halbkugel nicht verlassen durften, sich genötigt gesehen hatte, Papiergeld für die höchst unbeträchtliche Summe von zwei Millionen zu machen. Diese Erscheinung verdient, glaube ich, einen der ersten Plätze unter den großen Begebenheiten aus kleinen Ursachen; und sie muss einem jeden unglaublich scheinen, welcher es nicht weiß, dass in Spanien kein Geldumlauf ist und sein kann, weil es an Nationalfleiß und an Landesprodukten fehlt, und dass folglich das Papiergeld angewandt werden muss, um die auswärtigen Kaufleute zu bezahlen, welche Se. Katholische Majestät und Allerhöchstdero Untertanen ernähren und kleiden. Dies ist zugleich ein großer und redender Beweis davon, dass kein Staat reich ist, und kein Reichtum wert geachtet zu werden verdient, außer derjenige, wo der Reichtum durch ein fleißiges Volk jährlich aus dem Schoße der Erde erneuert wird, worauf das Volk lebt und arbeitet. Wenn endlich unter diesen Umständen das spanische Ministerium die Ausfuhr der Gelder verbietet: so denkt es vermutlich wie jener Gutsbesitzer in einem gewissen Lande, (wo, wie in Holstein, die Mädchen ebenso leibeigen sind, als die Mannspersonen,) welcher, bei Gelegenheit eines Mangels an Dienstmädchen, der sich auf seinem Gute äußerte, gnädigst zu befehlen geruhte, dass es künftig nur zwei Mädchen jährlich erlaubt sein sollte, sich zu verheiraten.

Hamburg ist, wie bekannt, mit prächtigen Gärten und schönen Landhäusern umringet. Unter allen diesen verdienet Wandsbeck an Geschmack und Pracht den Vorzug. Will man aber Natur und Kunst, und Handel und Wandel in ihrer ganzen Wirksamkeit sehen: so betrachte man alles das, was sich in dem Garten des Generals Köller Banner, welcher zu Ottensen an der Elbe liegt, dem Auge darstellt.