Den 4. Juli

Nachdem ich in Landsberg und dessen Vorstädten herumgegangen war, und die Dämme, welche zur Sicherheit der Stadt gegen Überschwemmungen angelegt waren, besehen hatte, verließ ich mit meinem Wegweiser diese schöne und tätige Stadt, welche durch die Urbarmachung der Moräste an den Flüssen Netze und Warte, aus einer kleinen und unbedeutenden Stadt eine reiche und volkreiche Stadt geworden ist. Sie gibt einen augenscheinlichen Beweis, dass es, um den Städten auszuhelfen, das beste Mittel sei, das Land blühend zu machen. Denn wenn der Landmann zu verkaufen hat: so will er gut leben, so kauft er; so entsteht Handel und Wandel; und so entstehen Städte, wie sie sein müssen, und zwar durch Nahrungswege, die den Landmann bereichern, aber nicht aussaugen.

Dicht vor der Stadt führte mich mein Wegweiser in einen Garten, der auf einem Hügel lag. Von hier aus konnte ich auf allen Seiten, besonders mit Hilfe meines Fernglases, eine beinahe unübersehliche Strecke von urbar gemachten Morästen übersehen. Ich sah hier den Teil der Moräste, welcher zu Sonneburg gehört, das dem Herrenmeister des Johanniter-Ordens zusteht. Diese Moräste enthalten ungefähr 20.000 Tonnen Landes, wovon jede jährlich 1 Rthlr. Abgaben bezahlt, und wodurch also die Einkünfte Seiner Königlichen Hoheit um 20.000 Rthlr. vermehrt worden sind. Auch sah ich die Moräste, welche den Herren von Brandt und Schönning zugehören. Diese wollten es nicht leiden, dass auf ihrem Eigentum Dämme gemacht würden: sie liegen also noch in ihrem vorigen natürlichen Zustande, und geben einen merkwürdigen Beweis des Eigendünkels ab.


Ich fuhr hierauf ungefähr eine Meile, und hatte rechter Hand die Aussicht über die Moräste zwischen der Netze und Warte, gerade bis an den Polnischen Wald. Darauf ging der Weg herunter in den Morast nach Gurckow, einem Dorfe, wo ein königlicher Jäger wohnt. Auf Veranstaltung des Grafen Logau, fand ich hier frische Pferde, und den Ratsherrn Festius aus Friedberg. Aber ich verließ zugleich meinen vortrefflichen Riedel, welcher nicht nur alle bei diesen Morästen vorgenommenen Arbeiten kannte, sondern mich auch, mit einem unglaublichen Fleiße, beständig auf alles aufmerksam machte, was daselbst merkwürdig war. Besonders tat er dies auf unserer Wasserreise von Küstrin nach Fichtwerder, wo er mit der Karte in der Hand saß, und mir bei jeder Stelle wies, wie und auf welche Weise gearbeitet worden war: ja, er sagte mir sogar, mit einer seltenen Rechtschaffenheit, viele Fehler, worin man verfallen war. Ich übergehe sie aber, weil sie allen denen sowohl, als auch vielleicht dem unverständlich sein würden, welcher nicht bereits hydrostatische und hydrotechnische Kenntnisse besitzt; (von denen ich, zum Besten meines Vaterlandes, wünschte, dass sie allgemeiner sein mögten, als sie wirklich sind;) die aber demjenigen sehr merkwürdig sein müssen, welcher ähnliche Arbeiten auf seine eigene Kosten zu veranstalten hat.

Ich verließ also meinen guten Riedel, und fuhr mit dem Ratsherrn Fustius, der gleichfalls ein tätiger und einsichtsvoller Mann war, hin, um die Ländereien der Stadt Friedberg auf dem festen Lande und in den Morästen zu besehen. Bei beiden sah ich merkwürdige Anlagen, welche unter der Anleitung dieses Ratsherrn, welcher Oeconomus der Stadt ist, ausgeführt sind.

Auf den Sandfeldern waren Einhegungen gemacht, und sie waren mit Tannenäpfeln besäet. Die Moräste sind mit Gräben wohl durchschnitten, und mit kleinen Rinnen und Dämmen so eingerichtet, dass sie, wenn man will, unter Wasser gesetzt werden können, und dass das Wasser von einer Wiese auf die andere läuft, bis das ganze Land gewässert ist. Dies ist ein unschätzbarer Vorteil in trockenen Jahren, wodurch das Vieh in der Stadt Friedberg sehr vermehrt, und ihr an sich schlechtes und sandiges Feld eins von den besten geworden ist. Denn alle diese Wiesen können zum Teil dreimal in jedem Sommer gemäht werden.

Nach Verlauf einiger Stunden kam ich nach Breitenwerder, einen Hof, welcher im Morast liegt, und von dem seligen Geheimenfinanzrat von Brenkenhoff sehr verbessert worden ist. Seine hinterlassene Wittwe wohnt nun hier. Es is bekannt, dass der Verstorbene große Summen auf die Verbesserung aller nützlichen Vieharten verwandt hat; dass er zu dem Ende Widder und Schweine aus England, Kühe aus Ostfriesland, Büffel aus der Ukraine, Fasanen aus Böhmen verschrieb; Versuche mit verschiedenen Arten von Getreidesaamen, als: Rapsaat, Krapp, Archangelschem Roggen, Hopfen, Linsen, Mohrhafer, Cuja-Erbsen, und vielen Arten von Fruchtbäumen, anstellte; ja, dass er selbst Weinberge anlegte.

Was ich von diesen seinen Anlagen noch vorfand, bestand in Folgendem.

1) Eine sehr gute Art von Schweinen, welche er aus England verschrieben hatte, und die noch größer waren, als diejenigen, welche man auf der westlichen Seite von Jütland findet.

2) Eine, dem Anschein nach, vortreffliche Holländerei. Die Kühe sind fett, mit großen Eutern, und wohl bei Leibe; aber sie geben doch nicht sehr viel Milch, oder wenigstens doch nur wenig Butter. Ich glaube, dass die Schuld davon nicht an den Kühen, sondern hauptsächlich am Grase liegt. Denn sie haben keine andere Weide, als auf den Wiesen, und jeder Landmann weiß, dass sie, wenn sie fette Milch geben sollen, auf hartem Lande, welches unter dem Pflug und Dünger gehalten wird, weiden müssen. In Behandlung der Milch war man auch ganz unwissend. Sie stand an den heißen Sommertagen in einer kleinen Stube, ohne Luft, auf Riegen, zwei bis drei Gefäße über einander. Auch verstand man nicht, Butter von süßem Rahm zu machen. Man erzählte, dies sei einmal durch eine Meierin, welche Herr von Brenkenhoff aus Holstein verschrieben hatte, versucht worden; aber es sei nicht geglückt, und die Butter wäre verdorben gewesen. Kaum kann ich glauben, dass die Schuld davon an der Behandlung allein gelegen haben sollte; ich vermute vielmehr, dass es hier zum Teil die nämliche Beschaffenheit hat, wie in der Marsch, wo die Butter schwer aufzubewahren ist. Ich halte deshalb diese Gegend für geschickter, Vieh zum Schlachten zu mästen, als zu Holländereien.

3) Einige Büffel. Diese Tiere, welche eine Art von Hornvieh sind, gehören vornämlich in der Ukraine zu Hause, und sind stärker, als die Ochsen, um Lasten zu ziehen, aber zugleich langsamer. Da die Büffelkühe viele Milch geben, zugleich zur Arbeit gebraucht werden können, und ihre Unterhaltung dennoch nicht so kostbar ist, als die Unterhaltung unserer Kühe, indem sie mit Erbsen- und Hirsenstroh vorlieb nehmen so hielt Herr von Brenkenhoff sie für sehr vorteilhaft. Aber die Butter hat nicht nur eine grünliche Farbe, sondern auch einen unangenehmen Geschmack. Dasselbe gilt auch vom Fleisch, welches zähe ist: so dass also das Beste und wirklich Gute die Haut allein ist, woraus die beste Art Sohlenleder verfertigt werden kann. Herr von Brenkenhoff erhielt diese Tiere zuerst durch eine Spekulation, welche er machte: einen direkten Handel zwischen Brandenburg und der Moldau einzurichten. Er verschrieb daher Honig, Wachs, Talg, Häute, u. s. f. die im Winter auf großen Schlitten durch Büffel nach dem Brandenburgischen gefahren, und von hier, vornämlich mit Tüchern, zurück reisen sollten. Aber dieser Handel fand Schwierigkeiten, welche er nicht überwinden konnte. Die Büffel behielt er indessen: sie werden auch von der Witwe gerühmt; doch will sie solche gern verkaufen. Das Einzige, wozu ich sie für nützlich halte, ist: altes hartes Erdreich durch den Pflug aufzubrechen, oder: Steine zu schleppen. Zu anderer Arbeit werden sie, meiner Meinung nach, ihrer Langsamkeit wegen, nicht gebraucht werden können.

4) Die Kornernte ist hier, wie überall in den Morästen, von keiner Erheblichkeit, weil die Ländereien zu niedrig und zu kalt liegen. Hin und wieder sucht man die höchsten Plätze aus, und besäet sie mit Gerste, oder meistenteils mit Hafer. Roggen stand bloß in Gärten. Die Saat dazu war aus Archangel verschrieben: sie stand sehr gut, hatte lange Ähren, und gab zu einer sehr reichen Ernte Hoffnung.

Ob diese Saat bei gleicher Behandlung vor anderm Roggen Vorzüge habe, sieht man in diesen Gegenden für zweifelhaft an. Alle Freunde und Bewunderer des seligen Geheimenfinanzrats Brenkenhoff bestätigen dieses, und behaupten, dass das verschiedene Urteil darüber daraus entstehe, weil man nach Garben rechnete, und glaubte, wenn eine Garbe desselben nicht mehr im Scheffel gäbe, als eine Garbe von anderm Roggen: so wäre er nicht besser, als der Brandenburgische; da man doch, um richtig zu rechnen, die ganze Ernte von zwei gleich großen Stücken Landes vergleichen sollte, wovon das eine mit Archangelschem, und das andere mit Brandenburgischem Roggen besäht gewesen wäre. Geschähe dieses, so würde man finden, dass die Archangelsche Saat, die einen dickeren und längeren Halm treibt, mehrere Garben ergäbe, dass in jeder Garbe eine geringere Anzahl von Halmen befindlich wäre, und dass es daher kein Wunder sei, wenn jede Garbe nicht mehr im Scheffel gäbe, als eine Garbe von Brandenburgischem Roggen. Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, durch Erfahrungen in den Stand gesetzt zu werden, dieso verschiedenen Meinungen beurteilen zu können.

Ich ritt diesen Abend mit einem Kavallerie-Offizier, einem Baren Wedel, aus, welcher hier eine Escadron Pferde im Grase hatte. Sie standen im Stalle, und bekamen so viel Gras, als sie essen mögten. Für jedes Pferd bezahlte der König monatlich zwei Rhtlr.

Wir besahen die Häuser verschiedener Kolonisten. Sie hatten vorzüglich gute Erdfrüchte in ihren Gärten, welche in diesen niedrigen Gegenden, bis auf den Hopfen, sehr gut geraten, und wovon die Geheimerätin einen ansehnlichen Teil besitzt.

Das Erdreich in dieser Gegend ist überall mehr oder weniger torfartig, und wenn auch dieser nicht überall zum Brennen tauglich sein sollte, so zeugen doch die Grasarten von der Natur des Bodens, und man hat daher häufig gegen das Moor zu kämpfen, das sich auf diesen Feldern überall ausbreitet. Man hat gefunden, dass das beste Mittel dagegen darin besteht, dass man die Wiesen wechselsweise zur Viehweide und zum Heuschlage gebraucht: so dass die Wiese nur jedes andere Jahr gemäht, und jedes andere Jahr von den Holländereikühen begrast wird. Wenn es auch dadurch nicht gänzlich verhindert wird, so wird es doch dadurch vermindert, und durch das Auftreten des Viehes sowol, als durch den Mist desselben, den es fallen lässt, niedergedrückt. Bei dieser Verfahrungsart ist es unumgänglich notwendig, dass die Wiesen im Frühjahre, so bald der Frost vorbei ist, und sie am weichsten sind, mit einer sehr schweren Walze gewalzt werden, um die Löcher, welche das Vieh gemacht hat, zu ebnen. Wird dieses ein Jahr versäumt: so ist der Schaden beträchtlich. Denn in diesem Falle bekommen die kleinen Erderhöhungen eine solche Stärke, dass sie sich nicht niederdrücken lassen, und es bleibt alsdann kein anderes Mittel übrig, als das man sie abschneiden und abbrennen lässt. Alsdenn geben aber diese Stellen kein Gras, bis das Ganze umgepflügt und besäet wird.

Die Überschwemmungen sind zwar gut; denn sie vermehren das Gras auf dem torfartigen Boden, öffnen die Poros des Mooses, und machen, dass die Keime der Graswurzeln leichter hervorkommen können: aber sie vermindern das Moos nicht sehr, und noch viel weniger vertilgen sie es ganz. Dies findet nur alsdenn statt, wenn das Wasser trübe ist, und von fetten gedüngten Feldern kommt wenn es eine Menge Sand oder Dünger mit sich führt; oder auch, wenn die Lage des Landes so beschaffen ist, dass das Wasser sich mit hinreißender Gewalt über die Oberfläche stürzt, wie in schmalen Tälern zwischen Bergen, oder dicht bei den Öffnungen von Schleusen, so weit das Wasser sich mit einer gewissen Gewalt forttreibt. So wie es also die vorteilhafteste Nutzungsart bei den Ländereien ist, sie abwechselnd Korn und Gras tragen zu lassen: so lässt man hier die Wiesen, wie ich schon gesagt habe, wechselsweise mähen und beweiden. Die Wiesen sind daher hier, wie an andern Orten die Felder, in Koppeln eingeteilt.

Die Vorfälle sind wohl sehr selten, dass Felder, welche jährlich Korn tragen, Gemeinheiten, welche nie besäet werden, und Wiesen, welche allezeit zu Heuwindung, und nie zur Weide gebraucht werden, bei abwechselndem Gebrauche nicht größere Einkünfte geben würden.