Den 29. Mai 1782

Nachdem ich drei Tage lang auf dem Fahrzeuge des Schiffers Wichmann, welcher jährlich sechs bis sieben Reisen zwischen Kopenhagen und Rostock macht, auf welchen er Zucker und Syruppe nach Mecklenburg; und unreife Früchte, nebst andern Waren, nach Kopenhagen bringt, in See gewesen war, kam ich mit meiner Gesellschaft den 29sten Mai nach Warnemünde. Von hier ruderte ich noch den nämlichen Abend mit einem Boote die Warnow hinauf nach Rostock.

Diese Fahrt war eine der angenehmsten, welche ich je gemacht habe. Bei meiner Abreise von Kopenhagen war die Kälte noch stark, das Gras wenig hervorgekommen, und die Blätter noch Knospen. Hier hingegen war der Roggen und Weizen zu beiden Seiten des Flusses in vollem Flor, die Wiesen in ihrer größten Schönheit, die Fruchtbäume blühten, unzählige Weidenbäume waren schon völlig ausgeschlagen, ja sogar die Blätter der Linden, welche in Rostock am Strande stehen, waren schon ungefähr drei Zoll im Diameter. So sehr ist das Klima in Seeland und Mecklenburg von einander unterschieden.


Wenige Stunden vorher, ehe wir bei Warnemünde landeten, begegnete uns ein angenehmer Vorfall. Der Wind ward südlich, so dass wir einige Stunden damit zubringen mussten, die letzte Meile zu kreuzen; aber er war dabei so milde und warm, dass er die Luft wirklich heiß machte, daher auch mein Reisegefährte, der zum ersten Mal Norden verließ, mit Bewunderung versicherte, er kenne selbst in den heißesten Sommermonaten eine so wohltätige Wärme beim Winde nicht. Hätten wir nun den Pegasus zu satteln und zu reiten verstanden: so würden wir, unsern Gefühlen gemäß, vom Zephyr, welcher die von Kammerzofen gekräuselten Locken durchsäuselt, von duftend – und süßatmend – geschrieben haben. Aber bei uns nahm der Materialismus überhand, und Speise und Trank brachte alle unsere windigen, günstigen und widrigen Schicksale in Vergessenheit.

Bei unserer Ankunft in Rostock fanden wir an den Ufern längst dem Warnow-Flusse große Bewegung, den großen Markt und verschiedene Straßen mit Krambuden besetzt, auf allen Plätzen große Frachtwagen, mit 30 bis 70 Zentner beladen, Marktschreier, Schauspieler, Riesen und Zwerge, Schattenspiele, und Leute in allen Straßen, so wie des Morgens um neun Uhr auf dem Amagermarkte. 1) Es wurde nämlich der jährliche Markt hier gehalten, welcher die sechs Werkeltage in der ersten Woche nach dem Pfingstfeste dauert, und der Pfingstmarkt genannt wird. In der nämlichen Woche ist auch die Zeit des Umschlags in diesem Lande. Die meisten Edelleute und Gutsbesitzer des Landes finden sich nämlich hier ein, um ihre Geldumsätze zu machen, ihre Frauen zu vergnügen, ihre Töchter zu zeigen, und sich ihre Bedürfnisse und Schwiegersöhne einzukaufen.

Die Zahl der Kaufleute war die größte; und die meisten derselben waren aus Hamburg, Berlin und Frankfurt an der Oder. Jeder suchte dem andern durch eine Krämerhöflichkeit und durch ein freundliches Bezeigen, womit er seine Waren feil bot, und welches bei uns ungewöhnlich ist, den Rang abzulaufen; und die Waren selbst fielen schöner ins Auge, und waren wohlfeiler im Preise, als die Waren, welche hier im Lande verarbeitet werden. Dieses alles zusammen genommen, macht Rostock im Pfingstmarkte zu einem bedenklichen Aufenthalte für solche, welche schöne Frauen und wenig Geld haben.

Die Krambude, worin das Meiste verkauft wurde, gehörte einem Zitzkrämer aus Wismar, und er konnte mit sechs Gehilfen nur mit Mühe alle Liebhaber befriedigen. Einen Teil seiner Waren kauft er weiß in Hamburg, und lässt sie in Wismar drucken: einen andern Teil erhält er von dem, man kann wohl sagen, großen Schulin in Augsburg, wenn es anders erlaubt ist, einen Mann groß zu nennen, der weder Bücher geschrieben, noch nach den Sternen gekuckt, noch Menschen umgebracht hat, noch von altem Adel ist.

Die vielen Verfolgungen, welche Schulin von der Stadt Augsburg und dem dortigen Magistrate hat ausstehen müssen, weil er daselbst und darin Meister ist, wo die Zünfte nur Pfuscher sind und sein können, und welche seinem Genie Gelegenheit gegeben haben, sich zu entwickeln, sind gegenwärtig Ursache, dass seine Manufaktur, wenn nicht die größte, doch gewiss eine der allerwichtigsten und größten in Deutschland ist. Denn in seinen verzweiflungsvollen Umständen, und dem Untergange nahe, bot er vor ungefähr zwölf oder sechzehn Jahren dem Grafen Fries zu Wien an, mit ihm in Kompagnie zu treten. Schulin sollte Fleiß und Einsicht, und Fries Gelder hergeben. Dieser hatte selbst Genie, konnte Schulin beurteilen, nahm das Anerbieten an, und genießt nun zur Belohnung Tonnen Goldes.




1) Auf dem Amagermarkte zu Kopenhagen werden täglich viele Waren, hauptsächlich Esswaren, feil geboten