Den 23. Juli

Ich reiste nach Bützow, einer kleinen Stadt mitten im Lande, welche wegen des Detaschement von Professoren, welches der Herzog bereits vor einigen Jahren von Rostock dahin geschickt hat, merkwürdig ist. Er meinte dadurch eine neue Universität anzulegen, dieser kleinen Stadt aufzuhelfen, und die Stadt Rostock zu strafen, mit welcher er in Streit gekommen war. Die Folge davon ist diese gewesen, dass nun in Mecklenburg, statt einer guten Universität in Rostock, wo einige Hundert Studenten waren, zwei sogenannte Universitäten sind, auf denen beiden sich kaum fünfzig Studenten befinden. Vorher ward die Universität auf gemeinschaftliche Unkosten von dem Herzoge und der Stadt unterhalten, nun aber hat der Herzog die Professoren, welche er bezahlt, nach Bützow versetzt, und die Stadt hat die ihrigen behalten. Keiner dieser Orte ist daher jetzt ein solches Ganzes, welches Fremde bewegen kann, daselbst zu studieren. In Rostock studieren folglich nur diejenigen, deren Eltern in der Stadt wohnen und in Bützow solche, welche Herzogliche Dienste suchen wollen. Aber alle diese studiren doch außerdem noch, wenn sie Willens sind tüchtige Männer zu werden, drei Jahre anderswo, und meistens in Göttingen. Ich habe geglaubt, dieses merkwürdige Beispiel, wie sehr Leidenschaften auf Irrwege führen können, als einen Beitrag zur Geschichte der Menschheit, nicht mit Stillschweigen vorbeigehen zu dürfen. Denn so bekannt es auch ist, dass das, was die Vortrefflichkeit eines jeden Lehrinstituts ausmacht, darinn besteht, dass:

1) Sowol die Lehrer von ihren Zuhörern bezahlt werden, und folglich durch die Menge derselben ihre Einkünfte vermehren,


2) als auch darinn, dass in jeder Wissenschaft mehr als ein Lehrer da ist, um einen beständigen Wetteifer, der Ehre und des Ruhms wegen, zu erwecken, welcher verursacht, dass jeder alle seine Kräfte aufbietet, um gut zu lesen und sich viele Zuhörer zu verschaffen. 1)

So werden diese bekannten Wahrheiten doch oft Leidenschaften aufgeopfert; und nun wird eine Torheit beklagt, welche schwer zu ändern ist, und deren folgen unauslöschbar sind. So lange Göttingen durch seine herrlichen Einrichtungen, unvergleichliche Bibliotek, und großen Männer das bleibt, was es ist; und so lange Kiel und Greifswalde Universitäten bleiben; welche die Landeskinder besuchen müssen: kann eine Mecklenburgische Universität, nach dem sie einmal gefallen ist, nie hoffen, ihren vorigen Glanz wieder zu erreichen, wenn gleich unter den Professoren daselbst sehr gelehrte und einsichtsvolle Männer sein können, ja wirklich sind.




1) Gegen diese Beförderung des Wetteifers unter den Lehrern durch die Menge der Zuhörer lässt sich Vieles einwenden. Wer die deutschen Universitäten etwas genau kennt, der weiß, was eben dieser Wetteifer oft für Schaden anrichtet. Denn es gibt ja leider! Professoren, die, um Zuhörer, der vermeinten Ehre und des Gewinnes halber, an sich zu locken, zu ganz andern Mitteln, als die Befleißigung auf einen guten und nützlichen Vortrag ist, ihre Zuflucht nehmen. Dahin gehört z.B. dass man sich der unruhigen Studenten annimmt, sie verteidigt, und von wolverdienten Ahndungen der Gesetze zu befreien sucht; dass man durch Harlekinaden oder ungesittete Späße auf den Catheder seinen Vortrag beliebt macht, dass man Werber ausschickt, und die Studenten oft eben so arg zu den Vorlesungen, als die englischen Matrosen auf die Kriegsschiffe presst; dass ein Rechtslehrer seinen Zuhörern weismacht, es sei schädlich, wenn sie über das Recht der Natur bei einem Philosophen Vorlesungen hörren; dass man sich von andern Herrn Kollegen, gegen Beobachtung des reciproci empfehlen lässt; gegen die, mit denen man zu wetteifern hat, Gerüchte ausstreuet, welche sie bei den Studenten verhasst oder verächtlich machen sollen; und was dergleichen akademische Kunststückchen mehr sind. Die bösen Folgen davon sind groß und fühlbar. Eine weitere Abhandlung dieser Materie könnte meine Anmerkung zu einem Buche ausdehnen. Aber ich würde in ein Wespennest rühren, das viele Leute nicht angetastet haben wollen.