Den 2. Juli

Ich fuhr mit Sonnenaufgang aus, und kam gegen fünf Uhr nach Neu-Damm, wo ungefähr 130 Tuchfabrikanten wohnen sollen, welche jährlich 4 bis 5.000 Stücke Tuch, vornämlich grobe Arten von inländischer Wolle, verfertigen. Ein Strick von 24 Ellen wird gefärbt für 10 1/3 Rthlr. in leichtem Gelde, 148 Rthlr. auf 100 Rthlr. Banco gerechnet, verkauft.

Die feinsten Arten sind, so viel ich urteilen kann, mit denjenigen Tüchern zu vergleichen, welche hier zu Lande für 2 Rthlr. die Elle verkauft werden, und davon kostet das Stück 25 1/3 Rthlr.


Der Flanell wird zu zwei und zu einer Elle breit verfertigt. Von dem ersten kostet die Elle ¼ und von dem letzten 1/8 Rthlr.

Wo man in dieser Stadt geht, da hört man die Spuhlräder schnurren, und die Weber klappern. Wenn die Uhr gleich kaum 5 war, als ich ankam: so war doch die ganze Stadt schon in Arbeit. Um desto mehr schmerzte es mich in der Tat, bei diesen sehr braven Untertanen und Bürgern einen beinah verzweifelnden Kummer wegen des Absatzes ihrer Waare anzutreffen. Dieser fehlte ganz, seit dem der Handel mit Danzig, durch die Hindernisse, welche der König demselben in den Weg gelegt hatte, täglich abnahm. Vorher gingen alle Pommersche und Brandenburgische Tücher über Frankfurt an der Oder nach Danzig, welches dieselben nach Polen verkaufte. Aber durch den hohen preußischen Zoll ist Danzigs Handel nach Polen unbedeutend geworden, folglich fehlt auch der Absatz der Tuchmanufakturen. Es sollte zwar scheinen, da Polen, und nicht Danzig, die Tücher verbraucht, und da Landsberg mit Polen handelt, dass dieser von dem König auf dem Danziger Handel gelegte Zoll Landsberg begünstigen müsse; und da die Tücher den Polen unumgänglich nötig sind, weil sie sich an dieselben gewöhnt haben: so sei es zu vermuten, dass die Einrichtungen gegen Danzig in den Sommer schon Manufakturen keine Veränderung machen könnten. Aber doch zeigt die Erfahrung das Gegenteil, und die Ursache ist, glaube ich, folgende:

Vorher war Danzig das allgemeine Warenmagazin für Polen. Alle Kaufleute in Danzig handelten mit Tüchern, und so oft der Danziger Kaufmann seinem polnischen Korrespondenten eine Ladung Stückgüter sandte, war Tuch einer von diesen Artikeln. Viele Manufakturisten bekamen Vorschuss von den Danziger Kaufleuten viele Gesellen wurden durch diesen Vorschuss Meister, und erhielten dadurch Familie. Nun aber ging die Veränderung vor. Der König nahm Westpreußen ein, und Danzig muss seinen Handel einstellen, weil alle seine Waren, um Elbingen empor zu helfen, mit hohen Zöllen beschwert werden. Der Tuchhandel musste folglich auch aufhören, und dies um desto mehr, da es kein Handel gewisser Kaufleute war, die ihn als eine Hauptsache getrieben hatten, sondern da er zugleich mit vielleicht tausend andern Artikeln zusammen den Handel der Kaufleute ausmachte. Diese ließen sich nun bloß die Tücher liefern, worauf sie Vorschüsse gegeben hatten; aber der neue Vorschuss blieb aus, und sogleich musste sich auch Not und Elend bei den fleißigen Arbeitsleuten einfinden, von denen der große Teil von der Hand in den Mund arbeitet. Dies ist um desto mehr der Fall, da man in Polen den Mangel an Tüchern nicht so schleunig merken kann, als den Geldmangel bei den Manufakturisten; denn es gehen Jahre vorbei, ehe die Magazine verkauft und ledig werden. Der Handel von Elbingen kann auch für die Manufakturisten nicht dieselbe Wirkung hervorbringen, welchen Danzigs Handel hatte, ehe nicht dieser Handel in allen andern Teilen eben so weit wert ausgedehnt ist, als Danzigs Handel war; ehe es nicht nur eben so viele, sondern auch eben so reiche Kaufleute, mit gleich ausgebreitetem Briefewechsel und Kredit hat. Und diese Zeit ist noch weit entfernt. Hieraus folgt, dass, wenn vormals 50 Kaufleute in Danzig jährlich für 200.000 Rthlr. Tücher aus den Preußischen Staaten nahmen, und der König nun auch einem Kaufmann in Elbingen oder Landsberg diese Summe schenken wollte, um diesen Handel fortzusetzen, es diesem doch unmöglich werden würde, er müsste denn auch zugleich alle übrigen Geschäfte dieser Kaufleute, worauf ihre Verbindungen beruhen, bestreiten können. So schwer ist es, den Handel zu leiten.

Noch muss man bemerken, dass der Tuchhandel des einer von den Artikeln war, worauf die Danziger das wenigste verdienten, den sie aber führen und die Tücher zu billigen Preisten geben mussten, weil sie häufig verlangt wurden, und die übrigen Waren auf gewisse Weise mit absetzen halfen. Daraus folgt, dass ein Haus, welches den Tuchhandel zu seinem Hauptgeschäffte machen wollte, nur mittelmäßig fortkommen würde.

Ein Mann, den ich Ursache habe, für einen ebenso glaubwürdigen, als genauen, Beobachter anzusehen, versicherte mich: der König habe den Tag vor der Schlacht in einer Mühle, welche in der Nähe liegt, mit eben so vieler Gemütsruhe, womit er einen Bau einrichtet, oder eine Feierlichkeit anordnet, ihm und mehreren Leuten auf das genaueste bestimmte Befehle erteilt, was für Anstalten nach der Schlacht in Ansehung der Verwundeten, Gefangenen u. s. f. getroffen werden sollten. Er übersieht alles.

Bald sollte man wirklich glauben, dass seine Augen allsehend wären, wenn nicht folgende wahrhafte Anekdote das Gegenteil bewiese. Ein gewisser Forstbedienter hatte ernstliche Erinnerungen bekommen, fleissiger Tannenäpfel zu säen. Doch unterließ er es; statt dessen aber ließ er den Tag zuvor, ehe der König durch seinen Distrikt reiste, auf einigen Plätzen am Wege kleine Tannen- und Fichtenzweige in die Erde stecken. Wie er sich aber künftig helfen wird, bleibt doch rätselhaft.

Ich kam gegen Mittag nach Küstrin, sandte sogleich des Geheimenfinanzrats Schütz Brief an den Kammerpräsidenten, und verfügte mich, mit seiner Erlaubnis, zu ihm, so bald ich gegessen hatte. Er nahm mich mit einem so offnen und menschenfreundlichen Wesen auf, als wenn wir einander viele Jahre gekannt hätten. Ehe ich kam, hatte er den Bauinspector Riedel holen lassen, dem er den Befehl gab, mich den folgenden Tag zu begleiten. Ja, er lieh mir sogar eine besondere Karte über die Gegend, welche ich besehen wollte, und über die daselbst bereits fertigen und noch fehlenden Arbeiten, die mir zu unaussprechlichem Nutzen und Vergnügen gereichte.

Was ich zu sehen wünschte, war: auf welche Weise man verfahren war, um die Moräste auszutrocknen, welche von der Polnischen Grenze an zu beiden Seiten des Flusses Warte liegen? was für einen Nutzen diese Arbeit hervorgebracht hatte? und wie weit man damit gekommen war?

Der Grund dieser Moräste war nicht bloß Mangel an Gräben; denn diese können nur da Nutzen schaffen, wo die Oberfläche der Felder höher, als der Wasserlauf, ist: sondern er bestand vornämlich darin, dass der größte Teil dieser Ländereien einen, zwei bis drei Fuß niedriger, als die gewöhnliche Höhe des Wassers in der Warte, war. Diese breitete sich daher in unzählige größere und kleinere Arme, in einer Breite von zwei bis drei Meilen, aus, und bildete eben so viele Inseln, welche größtenteils Morast, und mit Rohr und Gesträuchen bewachsen waren. Das Mittel, welches hier zuerst gebraucht werden musste, war also, dass man den Fluss auf beiden Seiten mit Dämmen einschloss, welche ihn verhindern konnten, sein Wasser über die angrenzenden niedrigen Felder zu ergießen. Man fing daher an, von der äußersten Grenze des Landes bei einem Berge, Namens Erbens Wünsch, auf dem Gute Filehn in Polen, welches der Prinzessin Sapieha zugehört, fünf Ellen hohe, und oben vier Ellen breite Dämme in den Morästen aufzuführen. Diese sind durch unaufhörliche Arbeit in neunzehn Jahren bis anderthalb Meilen vor Küstrin vollendet worden. Von diesen soll nur noch eine Meile eingedämmt werden, weil die nächsten Moräste um Küstrin diesen Ort nicht nur zu einer Hauptfestung machen, sondern auch notwendig sind, um, wegen der aufgeführten Dämme, das Wasser der Oder und Warte aufzunehmen, welches sich, wenn ein plötzliches Tauwetter einfällt, oder wenn der Nordwind den Ausfluss desselben in die Ostsee verhindert, darin verteilen kann.

Küstrin, welches in dem vorletzten Kriege von den Russen abgebrannt wurde, ist nun eine von den am besten gebauten Städten in Deutschland. Die Häuser sind alle, mit Hilfe von ungefähr einer Million, welche der König den Einwohnern schenkte, von Grund auf neu erbaut, und, die Mezanin Stockwerke ausgenommen, meistens drei Stockwerke hoch. Die Pulvertürme sind außen vor der Stadt erbaut, und durch Blitzableiter in Sicherheit gesetzt worden.

Als ich um die Stadt herumging, kam ich nach einer Ziegelbrennerei, welches ich bloß deshalb anführe, weil hier der Lehm, der sonst von Ochsen oder Pferden geknetet wird, von Menschen getreten wurde. Unerachtet diese Arbeit, als eine der schwersten, welche ich kenne, sehr kostbar ist: so fand es doch der Ziegelbrenner eben so lächerlich, dass ich behaupten wollte, Pferde oder Ochsen könnten dasselbe tun, als meine Leser vermutlich seine Meinung finden werden. Vielleicht kann allein die Nähe Küstrins bei Polen den Grund erklären. Denn in diesem Reiche ist ein Edelmann alles, und ein Mensch nichts.

Ich erfuhr zu spät, dass das schöne Gut Tamsel, welches dem Herrn von Vreden zugehört, und an dessen Verschönerung englische Gärtner und italienische Bildhauer um die Wette gearbeitet haben, nur eine halbe Meile entfernt sei. Zu meinem größten Verdrusse bekam ich es daher nicht zu sehen.