38. Kapitel (Die Rache des Befiederten Pfeils)

38. Die Rache des „befiederten Pfeiles“.

Leise und geräuschlos glitt unter dem überhängenden, schwankenden Rohr, unter den wehenden, schaukelnden Weiden, die sich weit hineinbeugten in das grüne Bett des fröhlich plätschernden Stromes, ein kleines, schmales Canoe, von sicherer Hand geführt, dahin. Kein Laut wurde gehört, als sich nach jedesmaligem Schlage das Ruder blitzesschnell aus dem Wasser hob; kein Laut wurde gehört, wenn es eben so rasch wieder eintauchte in die Fluth. Der Hirsch, der zum Wasser heruntergekommen war, trank ruhig weiter; kaum fünfzig Schritt von ihm glitt der dunkle Schatten vorüber, still und geisterhaft – er sah ihn nicht, und erst als er schon in weiter Ferne, mit Rohr und Busch, unter dem er hinschoß, verschwamm, stutzte das scheue Wild, warf den schönen Kopf in die Höhe, schnaubte, stampfte das kiesige Ufer, auf dem es stand, mit dem Vorderlauf und trabte dann langsam und stolz in sein kaum verlassenes Dickicht zurück. Die verrätherische Luft hatte den Hauch seines Feindes zu ihm herübergetragen.


Leise und geräuschlos glitt das Canoe dahin, und nur die wirbelnden Luftblasen, die sprudelnd und kochend, von dem kräftigen Ruderschlag gelockt, an die Oberfläche kamen, kündeten die Bahn, die es genommen, wie sie in kleinen, einzelnen Strudeln schnell entstanden und von der Strömung, die sie erzeugt, wieder aufgelöst und vernichtet wurden.

Der Indianer steuerte das Canoe, und im Vordertheil desselben lag, gebunden und ohnmächtig vor Angst und Erschöpfung, der Methodist.

Jetzt richtete sich der Schnabel des kleinen schlanken Fahrzeugs über den Fluß hinüber; wenige Minuten darauf trieb er vorn auf die glatten Kieselsteine der seichten Uferbank und hielt. Rowson schlug die Augen auf und sah umher, aber schaudernd erkannte er die Stelle, wo er in jener Nacht das Weib des Mannes ermordet hatte, dessen Gefangener er jetzt war, und vor dessen Rache ihn keine Macht der Erde mehr schützen konnte.

Das Boot landete und Assowaum sprang an das Ufer, schlang die Weinrebe, die ihm zum Ankertau diente, um eine dort stehende kleine Birke, trat dann zurück neben sein Fahrzeug und hob leise und vorsichtig seinen Gefangenen heraus.

„Was willst Du thun, Assowaum?“ flehte dieser mit heiserer, zitternder Stimme. – Keine Antwort ward ihm. – „Rede nur, um aller Heiligen willen, rede!“ rief der meineidige Priester in Verzweiflung – „sprich, und laß mich das Schrecklichste wissen.“ Schweigend trug ihn sein Henker das Ufer hinauf und in die Hütte, den Schauplatz seines Verbrechens, hinein.

Entsetzt wandte Rowson sein Antlitz von der nur zu wohl bekannten Stätte und schloß die Augen. Ruhig aber legte ihn Assowaum in der Mitte der Hütte, dicht neben einem der kleinen dort emporgewucherten Hickory-Schößlinge nieder, und kein Laut unterbrach dann weiter das grabesähnliche Schweigen des Platzes, als das schwere Athmen des Unglücklichen selbst. Es war dieselbe Stelle, auf der Alapaha's Leiche gelegen hatte. Da ertrug der Methodist nicht länger die peinigende Ungewißheit seiner Lage; er blickte empor und sah dicht neben sich den Indianer, niedergekauert wie zum Sprung, und die kleinste seiner Bewegungen aufmerksam und sorgfältig bewachend, sonst aber unthätig und, wie es schien, ganz in dem Anschauen seines Opfers verloren. Ein triumphirendes Lächeln durchzuckte jedoch seine dunkeln Züge, als er den Ausdruck der Angst und des Entsetzens in dem Antlitz seines Opfers gewahrte, und leise hob er sich jetzt empor, nahm von seinem Gürtel das lederne Fangseil und fesselte die schon überdies gebundene Gestalt des Gefangenen sorgsam und unlösbar an den jungen, zähen Stamm, neben dem sein Körper lag.

Vergebens bot ihm der Unglückliche Schätze und Reichthümer; vergebens erzählte er ihm von Gold, das er vergraben, und das er Alles ihm, dem Feinde, geben wolle, wenn er ihn frei ließe, oder wenigstens seiner Qual mit einem Streich des Tomahawks ein Ende mache. Schweigend, als ob er die Worte nicht verstände, die Jener in leidenschaftlicher Rede in sein Ohr hauchte, vollendete der „befiederte Pfeil“ das Werk der Rache, und machtlos, Hände und Füße gebunden, durch den jungen Baum aber an den Boden gefesselt, verließ ihn der Indianer auf wenige Augenblicke und kehrte dann mit etwas trockenem Laub und dürrem Reisigholz zurück.

Jetzt durchschoß zum erstenmal eine dunkle Ahnung das Hirn des Unglücklichen. – Er kannte die Sitte der wilden westlichen Stämme, kannte ihre erbarmungslose Grausamkeit, und in wildem, gellendem Schmerz und Angstschrei machte sich seine Brust Luft, während er umsonst gegen seine Banden anwüthete. Der Indianer wehrte ihm nicht – ein Knebel würde jedem weiteren Schmerzensruf ein Ende gemacht haben, aber nein, jener Ton war Musik für sein Ohr, und lächelnd bog er sich nieder und blies mit seinem Hauch das qualmende Laub zur Flamme an. Das geschehen, trug er eine Menge schnell gespaltene Kienspäne herbei, und bald loderte im feurigen Kreise, rings an den Wänden der Hütte entzündet, ein Flammenstreifen empor und leckte züngelnd und gierig an den trockenen Stämmen.

Lauter und dröhnender scholl der gellende Hülferuf durch den stillen Wald, aber sorgsamer nur nährte der Indianer die Flamme, daß sie auf keiner Seite verlöschte und bald wie mit einem Feuermeer in weitem Zirkel das Opfer umgab.

Jetzt erst, als die Hitze unerträglich wurde und ihm selbst an mehreren Stellen die Haut in Blasen zog, verließ er das glutherfüllte Gemach und begann draußen mit geschwungenem Tomahawk und in lauten, jubelnden Tönen seinen Sieges- und Triumphgesang.

Schauerlich gellte dazu das Wehgeheul des Priesters – schauerlich knisterten und sprühten dazu die qualmenden, flackernden Stämme, deren Rauch sich schwerfällig in das grüne Laubdach hinaufdrängte und sich dort Bahn brach, in die klare, helle Frühlingsluft hinein. Dort aber blieb er liegen; wie ein düsterer, unheimlicher Schleier lagerte sich der gelblich-graue Qualm auf dem Blättermeer, dem er kaum entstiegen.

Wilder und entsetzlicher wurden die Hülferufe des Gepeinigten, und lauter und jubelnder schallte dazu der Festgesang der Odjibewas, daß ein Wolf, der unfern von dort sein still verstecktes Lager gehabt, scheu emporsprang und entfloh, ein ruhigeres, heimlicheres Bett zu suchen.

Da krachte endlich das Sparrwerk des morschen Daches – hochauf spritzten und sprühten die Funken – ein wilder Schmerzensschrei brach noch aus der emporzüngelnden Gluth – schwarzer Qualm wälzte sich rollend daraus hervor, und – Alles war vorüber.

Blutroth sank hinter dem fernen Bergrücken die Sonne hinab; aber neben der Brandstätte stand mit geschwungener Waffe der rothe Krieger und sang in einförmiger, wilder Weise sein Rache- und Siegeslied:



Alapaha!

Aus dem Grabe, aus dem finstern

Grabe steige,

Eile, eile wie in frühern Zeiten

Zu mir, Liebchen,

Denn Dein Blut, es ist gesühnet;

In der Flamme

Zuckt und stirbt Dein Mörder – Alapaha!



Unten – unten,

Fest am Buden lag ich lauschend

Hier im Thale,

Und ich hörte Deine Stimm' im Grabe

Unten – unten,

Deine leisen, leisen Klagen,

Und sie riefen

Mahnend mich zur Rache. – Sieh, ich folgte.



Aus den Gluthen

Schrill und laut ertönt sein Wehschrei,

Alapaha,

Heulend reißt er an den Banden,

Doch vergebens,

Schwach und schwächer wird sein machtlos Toben,

Und gesühnt ist

Endlich meine Rache! – endlich! endlich!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas