26. Kapitel (Die Regulatorenversammlung – Jones befindet sich in einer höchst unangenehmen Lage – List gegen List)

26. Die Regulatorenversammlung. – Jones befindet sich in einer höchst unangenehmen Lage. – List gegen List.

Um Bowitt's kleine Wohnung hatte sich an demselben Morgen nicht allein eine ziemliche Anzahl der benachbarten, sondern auch der entfernter wohnenden Farmer und Jäger versammelt. Das Haus selbst durfte aber Keiner betreten. Dort wirtschafteten und arbeiteten nämlich zwei wohlbeleibte, von der benachbarten, einem wohlhabenden Mann aus Little Rock gehörenden Mühle geliehene Negerinnen, um für Manche, die schon eine weite Strecke Weges gekommen, Frühstück zu bereiten und unterdessen auch wieder die nöthigen Vorbereitungen zum Mittagessen zu treffen. Zu gleicher Zeit hing vor dem Hause auf zwei niederen Stäben befestigt und über einem lodernden Feuer, ein nicht unbedeutender eiserner Kessel, um kochendes Wasser bereit zu halten und dann und wann die kühle Morgenluft mit einem heißen, erquickenden Trank zu dämpfen und angenehmer zu machen.


Trotzdem aber, daß der Becher häufig im Kreise herumging, der doch sonst so schnell Leben und Fröhlichkeit unter die „Männer von Arkansas“ brachte, schien heute ein fast feierlicher Ernst die Zungen der Meisten gefesselt zu haben. Unter einem dichtlaubigen Baume, der das darunter gestreute vorjährige Laub vor dem niederfallenden Regen geschützt hatte, standen die Regulatoren, finstere Aufmerksamkeit und feste Entschlossenheit in den dunkeln, sonngebräunten Gesichtern, und dicht um einen einzelnen Mann geschaart, der mit lebhaften Geberden und geläufiger Zunge ihnen etwas scheinbar sehr Interessantes mitzutheilen schien.

Es war eins jener, keinem besondern Staate angehörenden Mitteldinge, halb Weißer, halb Indianer, dessen fast zu dunkle Farbe bei den Amerikanern gar nicht selten den Verdacht nach niederer Abstammung erweckt. In den Backwoods hießen aber diese Art Leute kanadische Franzosen, Halbindianer oder auch wohl mit einem Spottnamen „Gumbos“.1 Dieses braune Individuum, sonst ein kräftiger, derber Bursche, erzählte aber mit lebhaften Gesticulationen seinen Zuhörern, wie er aus der Nation der Cherokesen der Spur von gestohlenen Pferden gefolgt sei, etwa fünf Meilen von da aber die Fährten verloren habe und schon wieder auf dem Heimwege gewesen sei. Da hatte er von der „Regulator Meeting“ gehört und war nun hierher geritten, die Regulatoren, wenn er die Thiere auch jetzt nicht wiederbekäme, doch auf diese wenigstens aufmerksam zu machen und ihre genaue Beschreibung zu hinterlassen.

Der Kanadienser, denn Kanada nannte er seine Heimath, war ein kleiner untersetzter Mann, mit glänzend schwarzen, langen Haaren, dunkeln feurigen Augen, blendend weißen Zähnen und ganz indianisch vorstehenden Backenknochen, wie etwas breitgedrückter Nase und großen Nasenflügeln. Seine Gesichtsfarbe erschien freilich kaum dunkler gefärbt als die der ihn umstehenden Männer; seine Kleidung war aber vollkommen indianisch, und selbst der Gürtel, den er trug, aus perlengestickter rother Wolle gefertigt und reich mit Pantherfängen und Bärenkrallen verziert.

Die Regulatoren riethen noch hin und her darüber, wie sonderbarer Weise die meisten Fährten in ihre Nachbarschaft führten und da, auf fast wunderbare Weise, verschwänden, als Brown, Jones und Cook herbeiritten und von den vor der Hütte Versammelten mit freudigem Gruß empfangen wurden. Zu gleicher Zeit fast traf auch Husfield von der andern Seite her ein und erquickte sich vor allen Dingen an dem Frühstück, da er schon, seiner Aussage nach, fünfzehn Meilen nüchtern geritten war.

Erst als er dies beendet, näherte er sich den letztangekommenen Freunden, zu deren Besten der Kanadienser seine Erzählung wiederholte. Da mischte sich Jones mit in das Gespräch und frug den Halbindianer, ob nicht ein weißes Pferd mit einem schwarzen Hinterbein unter den vermißten gewesen sei.

Mit freudig erstauntem Eifer bejahte es der Fremde.

„Dann hab' ich sie gesehen,“ sagte Jones, mit der rechten Faust in die linke geöffnete Hand schlagend, „dann hab' ich sie, straf' mich Gott! gesehen.“

„Aber wo?“ frug schnell und hitzig der Verfolger.

„Etwa fünfzehn Meilen von hier; schon spät gestern Abend und oben auf dem Bergrücken, der die Wasser der Mamelle und dieses Flusses von einander trennt.“

„Und welchen Weg nahmen sie?“ frug jener voll Eifer – „waren sie auf der offenen Straße, oder –“

„Sie kreuzten die Straße, gerade als ich den steilen Berg von der andern Seite heraufkam,“ erwiderte Jones.

„Und wie viel Männer waren mit ihnen?“

„Einer nur, den ich sehen konnte.“

„Das sind sie,“ rief der Halbwilde frohlockend aus – „ein Farmer an der Grenze hatte sie ebenfalls gesehen, konnte mir nur den Mann nicht beschreiben, da er zu weit entfernt gewesen war. Aber wo etwa find' ich die Fährten?“

„Die werden freilich Regen und Wind verweht haben,“ sagte Jones nachdenklich – „kommt Ihr aber auf den Berg (das letzte Haus, das Ihr von hier passirt, ist Greathouses) und seid etwa vier oder fünf Meilen von da hingeritten, ohne die Spuren anzutreffen, so thut Ihr meiner Meinung nach am besten, gleich hinüber an den Arkansas zu reiten. Der fließt von dort nicht so sehr weit entfernt, und in den am Uferrande stehenden Blockhütten werdet Ihr sicher Kunde von den Dieben bekommen.“

„Dann will ich wenigstens keine Zeit weiter versäumen, daß ich nicht auch diese, wenngleich sehr kalte Fährte verliere,“ rief der Fremde – „dank' Euch für die Weisung – Good bye, Gentlemen!“ Und ohne weitere große Umstände wollte der Kanadienser zu seinem Pony eilen und dem Dieb nachsetzen. Brown faßte ihn aber am Aermel seines ledernen Jagdhemdes, und als ihn der also Zurückgehaltene verwundert ansah, sagte er freundlich:

„Schenkt uns noch etwa eine halbe Stunde. Die also angegebene Spur ist doch, wie Ihr einsehen müßt, sehr unsicher und zeitraubend, und auf so wenige Minuten kann es Euch unmöglich ankommen. Ueberdies scheint Euer Pferd ermattet und bedarf der Ruhe. Seid Ihr also in einer Stunde noch gesonnen nachzusetzen, so könnt Ihr meins nehmen, das frischer bei Kräften ist und Euch die versäumte Zeit, bald einbringen wird. Auf dem Rückwege tauschen wir wieder um.“

„Wenn aber der Bursche unterdessen ein Boot finden sollte, was ihn aufnähme?“ sagte Jones.

„So schnell wird das nicht gehen, denn so häufig sind die Dampfboote noch nicht auf dem Arkansas. Also Ihr bleibt noch ein wenig und nehmt dann mein Pferd?“

Der Indianer nickte sehr befriedigt und jetzt wieder voller Hoffnung mit dem Kopfe, folgte aber fast noch freudiger dem Winke Bowitt's als dem Rathe Brown's, welcher Erstere ihn zu dem gedeckten Tische lud. Dort zeigte er sich im Anfange allerdings etwas zurückhaltend, bald gestand er aber, daß er seit dem vorigen Morgen keinen Bissen über die Zunge gebracht, und wüthete nun ordentlich, zum Entsetzen der Negerinnen, unter den Speisen und Getränken.

„Gentlemen,“ redete jetzt Brown, als sich der Halbindianer zurückgezogen hatte, die Versammelten an, „ich habe Ihnen vor allen Dingen einen mir von Herrn Rowson empfohlenen Fremden vorzustellen, der als Regulator aus Missouri bei uns eingeführt zu werden wünscht. Er hofft dadurch zwischen uns und den nördlichen Staaten eine Verbindung herzustellen, wünscht aber zuerst vor allen Dingen unsere Versammlung zu besuchen und den Geist kennen zu lernen, der sie beseelt. Nicht wahr, Mr. Jones?“

Der also Gefragte verbeugte sich blos verbindlich.

„Da er gleich damit begonnen hat,“ fuhr Brown fort, „einem Hülfsbedürftigen auf den rechten Weg zu helfen, um sein verlorenes Eigenthum wieder zu er halten, so glaube ich nicht, daß es noch weiterer Empfehlung bedarf, ihm den Zutritt zu unserer, sonst eigentlich geheimen oder wenigstens geschlossenen Versammlung zu gestatten – meinen Sie nicht auch?“

„Genügt vollkommen,“ riefen die Männer fast einstimmig, und Husfield trat vor und drückte dem Fremden seine besondere Freude aus, gleich mit dem Bruderstaat in solcher Art verbunden zu werden.

„Was wolltet Ihr mir denn sagen, Brown?“ frug diesen jetzt Cook, als er einige Schritte mit ihm abseits getreten war.

„Geht dem eben Eingeführten nicht von der Seite,“ flüsterte Brown schnell – „er gehört mit zur Bande – bst – kein Wort weiter – theilt es Wilson mit, und Ihr Beide bewacht ihn – habt Ihr Euer Terzerol?“ (Cook bejahte es.) – „Gut – ich will nur erst die Neger dort bei Seite haben; ich traue den Schuften nicht, und sie könnten den Alarm geben –“

„Also ist das mit den gesehenen Pferden auch eine Lüge?“ frug Cook schnell.

„Bst – er sieht hierher,“ flüsterte Brown – „er darf noch nichts merken – nehmt Euch Wilson zur Hülfe, und dann müssen wir das Mittagessen schnell vorüber haben, daß die Neger fortkommen.“

Die Männer trennten sich jetzt auf kurze Zeit, als Jones aber gleich darauf von dem Kanadienser wieder vorgenommen und über mehrere Einzelheiten befragt wurde, trat Cook noch einmal an den jungen Führer heran und sagte leise:

„Die Neger bekommen wir nicht fort, sie bleiben den ganzen Tag hier. Was geschehen soll, muß also bald geschehen. Daß die schwarzen Canaillen aber nachher nicht fortkommen und das Gerücht aussprenge, dafür will ich schon sorgen.“

„Habt Ihr es Wilson gesagt?“ frug Brown.

„Ja – seid außer Sorgen, der kommt nicht weg – das giebt einen Hauptspaß. Doch die Versammlung soll beginnen.“

Husfield näherte sich in diesem Augenblick Brown und frug ihn, ob sie nicht anfangen sollten, da manche der hier Anwesenden vielleicht noch an demselben Tage nach Hause zurückzukehren wünschten. Brown erwiderte, hierauf kein Wort, führte ihn aber einige Schritte von den Uebrigen fort und erzählte ihm nun in der Kürze und mit so wenig Worten als möglich seinen Verdacht.

„Und was wollt Ihr thun?“ frug Husfield schnell.

„Davon nachher,“ flüsterte Brown – „mir bangt nur vor den Negern. Wer weiß, wenn wir hier etwas vornehmen, ob die nicht –“

„Pest! Ihr habt Recht,“ unterbrach ihn Husfield – „mir kam es überdies schon vor, als ob der Fremde dem einen Nigger ganz verstohlen zugenickt hätte – Verrath könnte uns hier Alles verderben – doch halt – laßt mich sorgen – Bowitt muß dafür stehen und kennt seine Leute; den will ich unterrichten. Verzögert Ihr indessen die Entscheidung, bis Ihr mich in den Kreis treten und den Hut abnehmen seht – fort! Jones kommt, es mag ihm wohl nicht angenehm sein, wenn Zwei mit einander heimlich flüstern.“

Husfield verlor sich gleich darauf unter den Uebrigen, und Brown, als gewähltes Oberhaupt dieses County, rief die Männer herbei und eröffnete die Versammlung. Nach echt arkansischer Art trat er dabei, um etwas höher zu stehen und sowohl Alle sehen zu können als auch von Allen gesehen zu werden, auf den Stumpf eines gefällten Baumes und sprach zur Einleitung über den Zweck, der sie hier zusammengeführt, wie über das Gesetzliche der Versammlung selbst, frug sie aber zum Schluß, ob sie auch fest und ernstlich gesonnen wären, den ungesetzlichen Theil ihrer Verbindung, die Ausübung des sogenannten Lynchgesetzes, in kräftiger Gesammtheit durchzuführen und die zu strafen, und zwar selbst am Leben, wenn es die Mehrzahl der Regulatoren für nöthig finden sollte, die Strafe und solche Strafe verdient hätten. Ein laut donnerndes „Ja“ gab das Zeugniß, wie aus der Seele gesprochen dies Alles sei und wie fest sie entschlossen wären, das mit Leib und Leben zu vertreten, was sie einmal begonnen und unternommen hätten.

Unterdessen bemerkte Brown, wie Bowitt eine Zeit lang mit zwei jungen Burschen gesprochen hatte, und diese sich jetzt von den Uebrigen absonderten. Einer nahm darauf seinen Platz gerade der Hausthür gegenüber, setzte sich dort auf einen Holzklotz und begann das Schloß seiner Büchse sehr aufmerksam zu untersuchen, während der Andere, das gesattelte Pony am Zügel, neben ihn trat und eine Unterhaltung mit ihm anknüpfte.

„Nun, Massa,“ sagte die eine Negerin zu den Beiden, als sie eben einem jungen, etwa zwölfjährigen schwarzen Knaben einen Korb voll Späne abnahm und diese neben die Thür der Hütte schüttete, „wollen Sie nicht der Versammlung zuhören?“

„Noch zu jung, Lyddy,“ lachte der Eine, „und nicht hübsch genug. – Es dürfen blos hübsche Leute dabei sein.“

„O, Golly,“ sagte die Schwarze. „Unsinn das, Massa – Massa Hokker dort –“

„Wer, Lyddy?“

„Oh – Massa – Massa Hostler dort,“ rief die Schwarze, augenscheinlich verlegen werdend – „Massa Hostler auch nicht groß hübsch; was hat Massa mit dem Gewehr? – Alles in Ordnung –“

„Das verstehst Du nicht, Lyddy,“ sagte der junge Bursche. „Wenn eine Armee irgendwo campirt, dann werden Posten ausgestellt –“

„Oh, Golly – Golly!“ schrie die Schwarze lachend, daß ihre Augen wie zwei große weiße Kugeln fast aus den Höhlen herausdrängten und ein Paar Reihen von Zähnen sichtbar wurden, deren sich ein Haifisch nicht hätte zu schämen brauchen – „Schildwachen vor die Küchenthür! – oh, Golly – Golly!“

Die jungen Leute lachten ebenfalls und scherzten und spaßten mit den beiden Negerinnen, die indessen im Innern des kleinen Gebäudes das Geschirr aufwuschen und auf's Neue zum Feuer gestellte Lebensmittel beaufsichtigten. Dennoch traten sie abwechselnd in die Thür und schienen besonderen Antheil an den nicht sehr entfernt von da gehaltenen Verhandlungen zu nehmen.

„Wir sind also heute hier zusammengekommen, meine Freunde,“ fuhr Brown, sich jetzt hochaufrichtend und im Kreise umherschauend, fort, „um dem Unwesen des Pferdediebstahls, das uns bei sämmtlichen Staaten der Union in Mißcredit gebracht hat, zu steuern. Wenn wir aber auch kräftig und bestimmt gegen die offenen Feinde und Die, welche uns von außen als Fremde angreifen, auftreten können, so ist das bei Solchen, die sich unter uns als unsere Freunde und Genossen einschleichen, die uns schmeicheln und am Tage herzlich die Hand drücken, während sie in der Nacht mit der Raubbrut aus anderen Gegenden verkehren, unmöglich.“

„Wie aber diese auffinden?“ hör' ich Euch fragen, „wie sie entlarven, wenn sie sich schlau und listig dem forschenden Auge der Gerechtigkeit zu entziehen wissen? Allerdings ist das schwer, aber es lebt auch dort oben ein Gott, der die Sünder manchmal da, wo sie es am wenigsten vermuthen, in die Hand der Rächer liefert.“

Husfield trat in diesem Augenblick heran, nahm den Hut ab und trocknete sich die Stirn.

„Nennt es Zufall oder Schicksal,“ fuhr Brown, seinem Blicke begegnend, fort – „was mich gerade zum Mitwisser eines solchen Geheimnisses machen mußte; aber Mitwisser wurde ich, und jetzt, Kameraden, hoff' ich, daß wir die Fährte gefunden haben, auf der die Wölfin nächtlich ausschleicht und ihre Beute in Sicherheit bringt.“

„Wo? – was gefunden? – was habt Ihr entdeckt, Brown? wer ist es? hier in der Ansiedelung? am Fourche la fave Einer?“ tönten die Stimmen wild durcheinander, und Jones, der bis jetzt sehr ruhig und selbstzufrieden an einem Baum gelehnt, wandte leise und fast unmerklich seinen Kopf der Hütte zu. Er wollte sehen, ob er auch im schlimmsten Falle den Rückzug zu seinem Pferde frei habe, das unfern von dort und etwas abgesondert von den übrigen, angebunden war. Wie er jedoch den Kopf drehte, begegnete er Cook's Blicke, der dicht neben ihm, etwas zu rück, stand und ihm freundlich und leise zuflüsterte:

„Nicht wahr, Ihr hättet zu keiner günstigeren Zeit hierher kommen können? Die werden in Missouri staunen, wenn sie das hören.“

„Ja sehr günstig,“ sagte Jones – „sehr günstig, ich – bin außerordentlich neugierig,“ (er wandte den Kopf nach der andern Seite und sah Wilson dort, anscheinend gleichgültig, am Baume lehnen) „ja, wirklich außerordentlich neugierig, wer damit gemeint ist. Schade, daß ich die Leute nicht selber kenne!“

„Oh, Ihr lernt sie vielleicht kennen,“ erwiderte Cook – „aber hört nur!“

„Gleich, meine Freunde,“ beruhigte Brown die Ungeduldigen, „Ihr sollt Alles erfahren, habt nur ein ganz klein wenig Geduld. Ein Zufall nämlich, wenn wir's denn einmal so nennen wollen, brachte mich vor einigen Wochen – das Wie? erzähl' ich ein anderes Mal – in den Besitz eines Schlüssels, von dem ich damals zwar keinen Gebrauch zu machen wußte, der mir aber seit kurzer Zeit klar und deutlich geworden ist. Es war die Verabredung zweier Ehrenmänner, sich durch gewisse Worte und Redensarten, wenn auch sonst einander gänzlich fremd, an einem dritten Orte zu erkennen und zu verstehen.“

„Wünschen Sie etwas?“ frug Cook Jones, der in diesem Augenblick an ihm vorbeitreten wollte, um den äußern Rand des Kreises zu erreichen.

„Nur ein Glas Wasser,“ flüsterte dieser zurück, „ich bin augenblicklich wieder da –“

„Lyddy, ein Glas Wasser für Mr. Jones!“ rief plötzlich mit lauter Stimme Cook, daß sich Alle verwundert nach jener Stelle umsahen, Brown einige Secunden lächelnd in seiner Rede anhielt und Jones leichenblaß wurde. Die Schwarze aber, die schon lange auf eine Gelegenheit gewartet hatte, den Männern, und besonders jener Gegend, wo Jones stand, näher zu rücken, ergriff in aller Eile einen Becher mit dem verlangten Getränk und watschelte, so schnell es ihre außergewöhnlich wohlbeleibte Gestalt erlaubte, dem Baume zu, an welchem er stand.

Er dankte, nahm den Becher und trank, flüsterte dabei aber der Schwarzen einige Worte zu und blieb jetzt außerhalb des Kreises stehen, während Wilson ebenfalls vortrat, die Negerin um einen zweiten Trunk bat und sich an die andere, Cook entgegengesetzte Seite des Fremden verfügte.

Brown hatte mit schnellem Blick das eben Beschriebene übersehen und fuhr nach kleiner, hierdurch entstandener Pause wieder laut fort:

„Eine Frage nach dem Fourche la fave, eine Frage nach der Weide dieser Gegend und eine Bitte um einen Trunk Wasser waren die Zeichen, und wo glaubt Ihr, daß der Verräther unter uns gelauert habe?“

Lyddy kam in diesem Augenblick mit einem kleinen Korb voll Mais aus der Küche und ging zu dem Ponny des Fremden, dessen Zügel sie, wie sich Cook mit schnellem Blick überzeugte, in Ordnung brachte. Alles in der Versammlung lauschte dabei mit athemlosem Schweigen dem Berichte, der ihnen Die enthüllen sollte, die so lange als Verräther und Schurken verdachtlos und ruhig unter ihnen geweilt hatten.

„Gentlemen,“ sagte der Regulatorenführer da nach kurzer athemloser Pause mit erhobener Stimme, „ich war gestern Abend in dem Hause unseres bisherigen Nachbars Atkins, und ist er der Verräther.“

„Sonderbare Geschichte das,“ flüsterte Cook, seinen Arm vertraulich auf die Schulter von Jones lehnend, der ihm mit stierem Blick und aschfarbenen Wangen in's Auge sah – „sehr sonderbare Geschichte das!“

Dieser fühlte, daß er verrathen war; fühlte, wie der Blick des Regulatorenführers auf ihm haftete, wenn er ihm auch nicht selbst in's Auge schaute. – Er wußte, daß für ihn jetzt keine andere Rettung als schnelle Flucht sei und er sich zu dieser den Weg bahnen müsse, wie er nur immer könne. Leise daher, aber schnell die rechte Hand unter die Weste bringend, ergriff er das dort verborgen gehaltene Bowiemesser und warf noch einen Blick forschend hinüber zu der Negerin, die eben ihre Vorbereitungen beendet hatte.

Das Ganze, so lang hier im Erzählen, hatte in der Wirklichkeit nur wenige Secunden in Anspruch genommen, während bei den letzten Worten Brown's ein Murmeln des Erstaunens und der Verwunderung die Versammlung durchlief.

„Jener Bube aber,“ fuhr Brown jetzt mit erhöhter Stimme fort, indem er seinen Arm gegen den Fremden ausstreckte, „der sich mit seinem diebischen Treiben, unter dem Mantel der Nacht, in unsere Ansiedelung, ja als ›Regulator aus Missouri‹ sogar in unsere Mitte schlich – ist dieser!“

Alles wandte sich erschrocken und empört nach dem Bezeichneten um; Jones hatte aber auf diesen Augenblick des Erstaunens gerechnet. Mit schnellem Griff riß er das breite, haarscharfe Messer aus der Scheide und schwang es hoch empor, um sich Bahn zu hauen, so daß die ihm zunächst Stehenden, die keine Ahnung von solchem Schluß gehabt, entsetzt zurückprallten. Wilson aber, der von der ersten Bewegung Jones' an dessen Absicht errathen, wußte, was er mit der Hand unter der Weste suchte, und verstand vollkommen dessen Plan. Kaum blitzte daher der breite Stahl in der Hand des entdeckten Verräthers, als er ihm auch mit schnellem und sicherem Griff in den Arm fiel, und im nächsten Augenblick lag der Spion, von der kräftigen Faust des Hinterwäldlers niedergeworfen, unter dessen Knie und knirschte vergebens gegen die Macht an, die ihn, wie in einem eisernen Schraubstock, regungslos gefesselt hielt.

Ein wildes Staunen, eine eigene, wie sinnverwirrende Ueberraschung schien in dem ersten Augenblick die versammelten Männer rath- und thatlos gemacht zu haben, so, ihrer fast unbewußt, drängten sie sich durch einander, so erstarrt standen sie über das Ungeahnte, noch nicht Begriffene. Aber nur wenige Secunden dauerte diese fast zauberartige Lähmung, denn zu rascher Thätigkeit wurden bald alle ihre Kräfte aufgerufen.

„Haltet den Neger!“ schrie Brown, der, sobald er den Feind gefangen sah, die offene Lichtung mit seinem Adlerblick überflog und eben noch die helle Jacke des Negerknaben bemerkte, der schlangengleich in die dichten Büsche hineinglitt. Wahrscheinlich wollte er fliehen und die Kameraden des Verbrechers warnen. Der Zuruf war aber nutzlos. Einer der jungen, als Wache aufgestellten Leute hatte den Burschen, der ihm von Anfang an verdächtig vorgekommen, nicht aus den Augen verloren und sich, sobald dieser Miene machte, das Dickicht zu erreichen, in den Sattel seines kleinen muthigen Thieres geschwungen. Von Peitsche und Sporn getrieben, flog dieses mit ihm wie eine Windsbraut über die im Wege liegenden Stämme weg, und in wenigen Secunden hatte er den Neger eingeholt.

Dieser machte auch, da er sich auf solche Art verfolgt sah, keinen weiteren Versuch zur Flucht, sondern drückte sich auf die Erde nieder und bat mit flehender Stimme, ihm nichts zu thun, er wolle ja nicht weglaufen, er wolle keinen Schritt vom Hause fortgehen.

Die beiden dicken Negerinnen selbst waren wie vom Schlage gerührt, versuchten jedoch natürlich keinen Fuß vor das Haus zu setzen, da ihrerseits eine Flucht unmöglich war. Das kleine Gebäude mit den drei Schwarzen im Innern wurde jetzt von mehreren Schildwachen umstellt, die ihren zeitweiligen Gefangenen übrigens freundlich zusprachen und sie besonders darauf aufmerksam machten, um Gottes willen das Mittagessen nicht zu vernachlässigen.

Jones war indessen gebunden und in den Kreis der Männer geführt, wo er jedoch, wenn auch mit niedergeschlagenen Augen, hartnäckig auf keine Frage Antwort geben wollte.

„Legt ihm den Hickory über!“ riefen da mehrere Stimmen; „verdamm' den Hund – bindet ihn an einen Doogwood und laßt ihn Rinde schälen!2 – hängt ihn an den Händen auf und hetzt die Hunde auf ihn!“ – Lauter freundliche Rathschläge, die alle dem Opfer galten, das bleich und gebunden, aber mit fest und krampfhaft aufeinander gebissenen Zähnen zwischen ihnen stand. Er schien das Aergste zu erwarten, aber jetzt, da es einmal über ihn hereingebrochen, keineswegs, zu fürchten.

Mehrere der wilden Backwoodsmen wollten übrigens ihre Drohungen schon thatkräftig in Anwendung bringen, und einer besonders streifte mit großem Eifer die zähe Rinde eines Papaobaumes ab, um den Gefangenen damit an den beschriebenen Baum zu befestigen. Brown wehrte ihnen aber und sagte ruhig:

„Halt – laßt den Mann noch in Frieden. So lange wir die Aussicht haben, unsern Zweck ohne solche Mittel zu erreichen, ist es immer besser. Noch bleibt uns Atkins, der auch auf jeden Fall mehr von den hiesigen Verhältnissen weiß, als dieser Bursche, denn er und Atkins waren sich, wie ich fest überzeugt bin, vorgestern Abend gänzlich fremd.“

„Dann ist das auch eine Lüge, daß er meine Pferde gesehen hat, und er wollte mich auf einen wilden Ritt in die Mamelleberge schicken!“ rief jetzt der Halbindianer, zornig vortretend. Doch Brown hielt auch ihn zurück und sagte:

„Eure Pferde hat er auf jeden Fall gesehen, denn ich zweifle keinen Augenblick daran, daß er selbst Derjenige ist, der sie hierher gebracht hat –“

„Ei, so soll –“

„Halt!“ fuhr Brown fort, den Zürnenden an der Schulter fassend – „sie sind da, noch kann sie Atkins nicht weiter befördert haben, wenn er das auch in nächster Nacht beabsichtigt hätte –“

„Dann wollen wir doch gleich hin,“ rief Husfield – „finden wir die Thiere bei ihm, so liegt ja der Beweis klar auf der Hand.“

„Ich fürchte nein,“ sagte Brown – „heute Morgen war ich in seinem Hofraum und beobachtete die ganze Einrichtung desselben. Wenn er die Pferde in seinem Gewahrsam hat, so sind sie keinesfalls innerhalb seiner Fenzen, und es muß irgendwo hinter dem Feld oder Viehhof einen Platz geben (in dem niedern, mit Schilf bewachsenen Thalgrund wahrscheinlich), wo die Thiere durch das dichte Rohr selbst, wie vielleicht durch umsichtig abgehauene Bäume, in einer gewissermaßen natürlichen Umzäunung eingefenzt gehalten werden.“

„Dann ist aber doch der Eingang nur von seinem Lande aus,“ rief Cook ungeduldig.

„Allerdings,“ entgegnete Brown, „ich kann es mir wenigstens nicht anders denken, doch das ist einerlei. Er kann vor Gericht nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Was frei im Walde läuft – denn außerhalb der Fenzen ist Freiheit –“

„Oh verdamm' die Gerichte!“ sagte Smeiers, jetzt vortretend und mürrisch die Mütze rückend; „wir sind hier nicht zusammengekommen, um zu fragen, was die Gerichte dazu sagen würden – verdamm' sie! ruf' ich noch einmal. Wir wollen unser eigenes Recht suchen, und wenn wir davon überzeugt sind, daß es Recht ist, nun so geht uns der andere Firlefanz weiter nichts an. Darum und in diesem Sinne haben wir Euch zu unserem Anführer gemacht; wenn Euch das nicht recht ist, so sagt's, dann übernimmt's ein Anderer.“

Brown wollte darauf erwidern, Husfield unterbrach ihn aber, bat einen Augenblick um das Wort und wandte sich hierauf, im Ganzen wohl an die Versammlung, besonders aber an Den, der zuletzt gesprochen und jetzt den größten Theil der Regulatoren auf seiner Seite zu haben schien.

„Gentlemen,“ sagte er, „ich glaube, Sie kennen mich Alle, und Keiner von Ihnen wird denken, mein Eifer, der guten Sache zu dienen, sei schwächer als der seine, aber – Mr. Brown hat Recht. Uns genügt jetzt nicht allein, zu wissen, ob Atkins als Helfershelfer der Pferdediebe Pferde verhehlt und aufbewahrt hat, wenn wir auch den Beweis dort finden, sondern ob er es noch thut und auf welche Art es geschieht.“

„Daß er dabei Hülfe haben muß, liegt klar am Tage – bindet den Jungen dort, wenn er noch einen Fuß aus der Hütte setzt“ – unterbrach er sich jetzt selbst und wies nach dem jungen Neger hinüber, der in diesem Augenblicke wieder schnell und augenscheinlich sehr verlegen, in die Thür zurückglitt – „habt bessere Wacht auf den Burschen, er könnte uns sonst den ganzen Plan verderben.“

Die Wächter hatten zu aufmerksam nach den Reden hinüber gehorcht und traten jetzt, über ihre Nachlässigkeit beschämt, wieder in die Thür. Husfield aber fuhr fort: „Wie ich hier überall gehört habe, geht Atkins selten oder nie von zu Hause fort, er muß also Leute an der Hand haben, die ihm derlei kleine Gefälligkeiten besorgen. Diese können jedoch nicht weit entfernt von ihm leben.“

„Johnson hat eine Hütte nur kurze Strecke von seinem Hause entfernt,“ sagte Wilson.

„Verdamm' die Canaille,“ brach Husfield, bei dieser Entdeckung seine ganze frühere Ruhe vergessend, los, „so steckt auch der Hund mit ihm unter einer Decke, und das Spiel mit den Pferden damals war falsch. Die Pest über ihn – Doch halt –“ fuhr er dann nachdenkend fort – „auch hier wird List und Ruhe nachdrücklicher wirken, als tolles Toben und rohe, unberechnete Gewalt. Nochmals also stimme ich Mr. Brown's Vorschlag bei, die Sache erst reiflich zu überlegen, ehe wir rasch und vielleicht thöricht handeln. Wir haben noch mehrere Stunden Zeit, ehe wir gedrängt werden, etwas zu beschließen. Mr. Brown ist vielleicht jetzt so gut und macht uns indessen mit dem Plane bekannt, den er entworfen hat.“

„Gern,“ sagte der junge Mann, seine frühere Rednerbühne wieder besteigend – „er ist leicht mitgetheilt und wird eben so leicht begriffen werden. Wir wissen die Zauberformel, die uns Zutritt zu dem heimlichen Hehlerplatz unseres Nachbars sichert. Noch aber ist es nicht bekannt, daß wir sie wissen, noch ist das Geheimniß unser. Mein Vorschlag ist also der: heut Abend einen Mann, den Atkins nicht kennt, mit mehreren fremden Pferden zu ihm zu schicken; hier dieser Kanadienser wäre vielleicht gleich der Rechte.“

Der also Bezeichnete schüttelte mit dem Kopfe.

„Nein – verdammt,“ sagte er dann – „ich war schon dort – heute Morgen mit Tagesanbruch – er hat wohl mein Pferd nicht gesehen, das stand draußen, aber mich selber – viel Weiber drin –“

„Das ist fatal. Nun, dann finden wir einen Andern, der bei ihm einkehren mich, die Parole giebt, die draußen angebundenen Pferde nach seiner Anweisung herbeibringt und zu dem Platze gelangt, auf welchem die Thiere zu dem für sie bestimmten Versteck geführt werden. Wir liegen indessen dort in der Gegend im Hinterhalt und springen nur nach einem gegebenen Zeichen auf den Wahlplatz.“

„Das ist Alles recht schön und gut,“ sagte Wilson, „wo aber nehmen wir noch vor Abend Jemanden her, den Atkins nicht kennt; denn Atkins kennt fast jeden Menschen in ganz Arkansas.“

„Was machtet Ihr denn bei Atkins?“ frug Husfield den Kanadienser.

„Was ich machte? ich frug nach Pferden,“ erwiderte dieser.

„Und er antwortete?“

„Er habe keine gesehen.“

„Das war wenigstens blos eine einfache Lüge. Allerdings wird es schwer halten, einen Mann zu finden – Euch kennt er auch, Kefner?“

„Ich sollte denken,“ lachte dieser – „seit fünf Jahren!“

„Und Euch, Jankins?“

„So genau wie seine Nachbarn.“

„Und Euch, Williams?“

„Er kennt sie Alle, Mr. Brown,“ sagte der zuletzt Angeredete, „da müssen wir weiter gehen. Wenn wir auf der Straße vielleicht –“

„Halt!“ rief Cook – „ich hab' es – ein köstlicher Einfall – dem alten Mann wird es auf ein oder zwei Tage nicht ankommen, wir können ihm Mais und Lebensmittel genug liefern.“

„Wem denn?“ frugen Mehrere.

„Habt Ihr heute Morgen keine Wagen auf Eurer Fähre übersetzen sehen, Wilson?“ frug diesen jetzt Cook.

„Ich bin seit gestern Abend hier,“ sagte der Angeredete, leicht erröthend – „doch was sollen die uns nützen?“

„Die können höchstens uns hier gegenüber, an der andern Seite des Flusses, also kaum zwei Meilen in gerader Richtung, entfernt sein,“ erwiderte Cook, „ein alter Tennesseer mit seinen beiden Knaben führt die Wagen. Einer von diesen, die Jungen oder der Vater selbst, muß uns beistehen. Die kennt Atkins nicht, und Alles schlau angefangen, geht der alte Fuchs vielleicht in die Falle.“

„Wer reitet aber hinüber?“ frug Wilson, „und wie soll man sie finden?“

„Oh, nichts leichter als das,“ beschrieb ihm Cook. – „Ihr setzt hier gleich durch den Fluß, schneidet gerade durch die Niederung, links an dem kleinen See vorbei, und seht, wenn Ihr die Straße erreicht, nur nach den Wagengleisen. Sind die Auswanderer schon vorbei, was ich kaum glaube, so müßt Ihr sie in sehr kurzer Zeit, einholen, und haben sie jene Stelle noch nicht passirt, nun desto besser, so reitet Ihr ihnen blos entgegen.“

„Da wär's aber viel besser,“ sagte Brown, „Ihr ginget selber, Cook. Wie ich weiß, habt Ihr mit dem alten Mann schon Bekanntschaft gemacht, und vielleicht wird es Euch gerade dadurch leichter, ihn für unsere Bitte zu gewinnen.“

„Meinetwegen,“ entgegnete Cook entschlossen, „mir auch recht. – An mir soll es nicht liegen, und wo ich helfen kann, thu' ich's gern. Uebrigens wird es wahrlich nicht schwer halten, den alten Haudegen auf unsern Plan eingehen zu machen. Ich möchte meinen Hals verwetten, daß er selber kommt.“

„Das wäre also abgemacht,“ lachte Curtis, sich fröhlich die Hände reibend – „Eidechsen und Regenwürmer, jetzt glaub' ich auch, daß wir den verdammten Buschkleppern, die so freigebig mit heißem Blei und kaltem Stahl sind, auf die Spur kommen, und dann gnade ihnen Gott. – Sie sollen Hanf zu schmecken bekommen, daß sie genug haben. Was machen wir aber indessen mit den Gefangenen? Ich traue dem Neger nicht. Die schwarze Canaille hat schon ein paar Mal entwischen wollen, und ich zweifle nicht im Mindesten, daß sie nachher gerade zu Atkins hinübergebrannt wäre.“

„Wir müssen sie binden,“ sagte Brown, „denn der Gefahr, jetzt verrathen zu werden, dürfen wir uns nicht aussetzen.“

„Die Negerinnen auch?“ frug Wilson.

„Den Burschen wenigstens,“ sagte Husfield, „für die beiden Frauen genügt eine Wache, und macht der Junge wieder den geringsten Versuch zur Flucht, so binden wir ihn an einen Doogwood und lassen ihn tanzen. Wo ist die Papaorinde?“

„Nehmt lieber Stricke,“ wandte Bowitt ein, „dort unter dem Bett in der Ecke liegen einige. Ist denn auch Jones sicher verwahrt?“ Er trat bei diesen Worten an den Gefangenen hinan und wollte nach dessen Banden sehen, als der Missourier, der auf irgend eine, Allen unerklärbare Weise seine Hände frei gearbeitet hatte, dem Baum entsprang, an den er gefesselt gewesen, und mit flüchtigen Schritten dem Walde zueilen wollte. Er kam aber nicht weit. Wilson befand sich, als jener den ersten Satz that, vor dem Bowitt mehr überrascht als erschreckt zurückfuhr, in kaum zehn Schritt Entfernung von ihm und hatte ihn nach kurzem Wettlauf eingeholt. So wüthend war aber der dabei Ertappte, daß er sich dem viel stärkeren Gegner stellte und ihn mit Faust und Zähnen in aller Wuth der Verzweiflung zu verwunden strebte.

Wilson bedurfte auch wirklich seiner ganzen Gewandtheit, den wüthenden Bissen des Rasenden auszuweichen, doch warf endlich ein kräftiger, von seiner Hand geführter Faustschlag den zum Aeußersten Getriebenen zu Boden. Hier wurde er dann an Händen und Füßen festgeknebelt und in das Haus getragen, das, durch vier Wachen mit geladenen Büchsen umstellt, keine weitere Gefahr von dieser Seite fürchten ließ.

Cook sattelte indessen sein kleines Pony und trabte bald darauf mit diesem dem Flusse zu, um seine Bekannten vom Morgen wieder aufzusuchen. Brown und Husfield dagegen stellten nach allen Richtungen hin Wachen aus, die Verbindung mit den übrigen Ansiedelungen abzuschneiden und zu verhindern, daß Atkins gewarnt werden könnte, während die anderen Regulatoren indessen dafür sorgten, daß das Mittagessen bereitet sowie sonst alles Nöthige hergerichtet würde. Im Schatten der einzelnen, in der Lichtung stehen gelassenen Baumgruppen lagerten sie dann gemeinschaftlich, theils ihren Plan für den Abend zu bereden, theils der Ruhe zu pflegen und mit Sonnenuntergang zu neuen Anstrengungen gestärkt und gekräftigt zu sein.

Fußnoten

1 Gumbo, ein Lieblingsgericht der von französischen Eltern in den südlichen Staaten geborenen Creolen, und als Spottname dort für Alles, was von französischer Abstammung ist, gebraucht.

2 Der Doogwoodbaum – eine Art wilder Corneliuskirsche, aber mit bitteren, ungenießbaren Beeren, hat eine ziemlich leicht abzubröckelnde Rinde und wurde, da er in Arkansas in ungeheurer Menge wächst und selten stärker als drei bis fünf Zoll im Durchmesser wird, von den Regulatoren oder auch von den Sclavenaufsehern sehr häufig dazu benutzt, die Verbrecher oder Sclaven mit den Händen daran festzubinden, wo sie sich dann unter den Schmerzen der Züchtigung wanden und dadurch die Rinde von den schwachen Stämmen gänzlich abrieben. Daher der in Arkansas gebräuchlich gewordene Ausdruck „Jemanden Doogwood-Rinde schälen zu lassen“, anstatt ihn zu peitschen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas