24. Kapitel (Die Pionierfamilie – Der neue Regulator stellt sich selbst seine Falle)

24. Die Pionier-Familie. – Der neue Regulator stellt sich selbst seine Falle.

Der wilde Westwind, der in voriger Nacht getobt, ballte, ehe der Morgen hereinbrach, mit letzter, verzweifelter Kraftanstrengung noch einen Arm voll dunkler, gewitterschwangerer Wolken zusammen, die er in fliegenden Schauern über die Erde ausschüttete. Dann aber erschöpft und matt, gab er dem siegenden Tage Raum, und als die Sonne mit ihren ersten Strahlen die fernen Hügelspitzen und auch hier und da einzelne hohe Kiefern im Thale küßte, lagerte sich eine nach dem vergangenen Sturm so viel heiligere Ruhe und Stille auf den nur leise rauschenden und flüsternden Wald.


Die früh munteren Haushähne hatten schon aufgehört zu krähen und stolzirten mit wichtiger Miene und hochgehobenem Haupte, in dem wohlthuenden Gefühl, ihre Pflicht erfüllt und den benachbarten Genossen kundgethan zu haben, daß sie sich auch noch des Lebens freuten, auf den kleinen Hofräumen der verschiedenen Farmen umher. Sehnsüchtige Blicke warfen sie dabei nach den eben geöffneten Thüren der Wohnungen, ob nicht bald eine freundliche Seele mit einem Arm voll Mais erscheinen und die schon seit einer Viertelstunde an der Fenz unruhig hin und her trabenden und ungeduldig wiehernden Pferde füttern wollte. Natürlich erwarteten sie in dem Falle auch ihr Scherflein von freiwillig und unfreiwillig gegebenen Körnern. Die Gänse schnatterten, die Hunde bellten, aus den Lehmkaminen der kleinen Wohnungen wirbelte dazu der blauklare Rauch kerzengerade und traulich in die mit Millionen strahlenden Diamanten geschmückten Fichten hinauf und selbst der lehmgelbe Strom, der sich unter den niederhängenden Schilfmassen und Flußweiden hinwälzte, schien lebhafter und freudiger in dem Alles belebenden Sonnenlichte zu rauschen.

Ganz im Einklang mit dem freundlichen Morgen stand aber ein einzelner Reiter, der die Ansiedelungen lange hinter sich gelassen und auf schlankem kräftigen Pony, ein munteres Lied trällernd, durch den Wald trabte.

Es war ein alter Bekannter von uns, Cook, der heute Morgen nüchtern von zu Hause aufgebrochen war, um den Versammlungsort sobald als möglich zu erreichen, und jetzt sein Thier manchmal zu schärferem Lauf antrieb, in dem nächsten, noch etwa drei Miles entfernten Hause nicht etwa zu spät zum Frühstück zu kommen.

So sorglos er aber bis dahin seinen Weg verfolgt, so erstaunt griff er plötzlich in den Zügel des rasch stutzenden Ponys und horchte nach vorn. – Was war das? – Sogar das Pferd schien nicht weniger überrascht als sein Herr, spitzte die Ohren und lauschte aufmerksam einem an dieser Stelle sicher nicht erwarteten Ton.

In einem Umkreise von drei vollen Meilen war nämlich kein einziges Haus zu finden und dennoch krähte hier, mitten im Walde, gerade hinter jenem Dickicht von Holly- und Sassafrasbüschen, ein sehr munterer und sich trefflich bei Stimme befindender Haushahn, und Cook sah verwundert und wirklich verdutzt um sich her.

„Ich habe mich doch nicht verirrt?“ brummte er leise vor sich hin. – „Ih Gott bewahre, ich kenne ja jeden Hirsch- und Kuhpfad im Walde. Neue Ansiedler? Das ist an dieser Stelle auch nicht gerade zu erwarten; aber hallo – sind das nicht Radspuren hier neben dem Wege? der Regen hat es freilich verwaschen; aber ja, wahrhaftig – dort haben sie den Busch niedergefahren und hier an der Eiche gestreift, – also Auswanderer, da wird man etwas Neues erfahren,“ und mit leichtem Schenkeldruck theilte er seinem Pony den Wunsch mit, die Fremden einzuholen. Dieses ließ sich auch nicht lange bitten, denn eine dunkle Ahnung von verschiedenen goldglänzenden Maiskolben, in einem hölzernen Kübel herbeigebracht, stieg vor seiner innern Seele auf (und warum sollte ein Pony, das in den unwegsamen Waldungen so ganz auf sich und seine Geisteskräfte angewiesen ist, keine Seele haben?), und laut wiehernd machte es durch einen Seitensprung und das zeitgemäße Hintenausschlagen beider Hinterbeine seinen Reiter darauf aufmerksam, mit welcher freudigen Bereitwilligkeit es diesen neuen Bekannten entgegeneile.

In wenigen Minuten hatte der Reiter die ihn noch von den Fremden trennende kleine Erhöhung zurückgelegt und sah sich jetzt vor einem jener Lager von Auswanderern, die, besonders in Arkansas und auf dem Wege nach dem Westen oder nach Texas zu, häufig angetroffen werden.

Zwei große, mit weißen Leinen überspannte Wagen bildeten den Mittelpunkt der Gruppe, um welche mehrere Gespanne Stiere, je zwei und zwei durch das große hölzerne Joch zusammengefesselt, angebunden standen. Ein kleiner weißköpfiger Bursche, etwa acht oder neun Jahre alt, stand bei ihnen und schob ihnen abwechselnd und jedem einzeln kurzgebrochene Kolben Mais in das Maul. Die Thiere aber, die großen gutmüthigen Augen matt und schläfrig auf das nächste ihnen zukommende Stück geheftet, zerkauten und verschluckten in aller Gemüthsruhe das wirklich erfaßte und leckten dann mit der langen scharfen Zunge wie bittend oder ermahnend den Aermel und die Hand ihres jungen Fütterers, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß sie jetzt für eine erneute Auflage empfänglich und bereit wären. Fünf Pferde weideten, mit Glocken um den Hals und die Vorderfüße zusammengebunden – der Landessprache nach „gehobbelt“ – in dem vorzüglichen Schilfbruch, ganz in der Nähe. Die Auswanderer selbst hatten augenscheinlich die Nacht über im Innern der Wagen zugebracht, da weiter kein Zelt oder Schutzdach den Platz verrieth, wo ein Mensch im Regen geschlafen haben könnte. Jetzt aber waren sie eben im Begriff, sich um den auf der Erde gedeckten Tisch zu lagern, während ausgebreitete wollene Decken die Sitze bildeten. Der muntere Hahn, der zuerst die Gegenwart der hier Eingetroffenen mit heller Stimme verrathen, ließ jetzt zum zweiten Mal den Warnungs- oder Begrüßungsruf ertönen.

Die kleine Familie bestand, außer dem schon vorerwähnten achtjährigen Burschen, aus dem Mann, der Frau, zwei erwachsenen Töchtern und zwei jungen Burschen von achtzehn und zweiundzwanzig Jahren und ließ sich jetzt ganz nach türkischer Art um das aufgetragene Mahl nieder.

„Komm, Ben,“ rief der Vater diesem zu – „die Thiere haben genug, sie standen ja die ganze Nacht im Schilf, fressen auch gar nicht mehr. – Ruhig, ihr Hunde, was wittern denn die Bestien schon wieder und haben erst die ganze Nacht gekläfft und gebellt, weil es einmal einem lumpigen Panther einfiel, in der Nähe zu heulen. – Nieder mit euch!“ –

Trotz dieser freundlichen Zusprache waren die also angeredeten und unter dem Wagen festgebundenen Hunde dennoch keineswegs gesonnen, der Warnung Folge zu leisten. Nur so viel wüthender bellten sie die Straße hinab, von der Cook jetzt, sich der Gruppe nähernd, herübertrabte.

„Guten Morgen Allen,“ rief dieser freundlich, als er, kaum zehn Schritte von ihnen, aus dem Sattel sprang und dem kleinen schnaubenden Thiere den Zügel über den Nacken warf, „guten Morgen, schmeckt's?“

„Soll erst,“ rief ihm der Farmer entgegen – „kommt – legt Euch mit her und eßt, wenn Ihr noch nicht gefrühstückt habt. – Hier, Anna – einen Becher für den Gentleman langt zu – helft Euch selber!“

„Danke schön,“ sagte Cook, der ohne die mindesten Umstände der Einladung Folge leistete, „das trifft sich prächtig, ich hatte allerdings nicht gehofft, hier mitten im Walde so gute Gesellschaft und ein so treffliches Frühstück zu finden, aber“ – er sah sich dabei nach seinem Pferde um, das sich, klug genug, durch Grasen keinen Vortheil zu vergeben wünschte, während es mit andächtig gespitzten Ohren und gerunzelter Stirn nach dem noch mit dem Mais raschelnden Ben hinüberschaute.

„Bring einen Arm voll Mais her, Ben,“ rief der Farmer, ohne den Gast ausreden zu lassen – „Du kannst ihn in den eisernen Topf thun, der dort neben dem Wagen steht. Dem Pony wird wohl das Geschirr gleichgültig sein, aus dem es frißt.“

Das Pony gab durch ein halbunterdrücktes, leises Wiehern seine volle Beistimmung zu diesem Vorschlag und that gleich darauf mit sehr geschäftigen Kinnbacken dem vor ihm hingesetzten Mahl alle Ehre an.

„Und woher kommt Ihr, Sir?“ frug Cook endlich, nachdem eine etwa viertelstündige Pause von sämmtlichen Mitgliedern des kleinen Kreises auf das Zweckmäßigste benutzt worden war.

„Aus Tennessee, vom Wolfriver.“

„Und wollt?“

„Nach Franklin County, an den Fuß der Ozarkgebirge.“

„Schon einen Platz ausgesucht?“

„Noch nichts Besonderes, werde jedoch bald einen finden. Ich habe einen Bruder dort wohnen.“

„Ahem! – ist hier auch capitales Land –“

„Ja – weiß wohl, die Leute am Fourche la fave sollen aber das Pferdefleisch zu lieb haben.“

„Hoho,“ lachte Cook, „haben Euch die Arkansas-Flußleute auch schon einen Floh in's Ohr gesetzt? So schlimm ist's nicht. Doch – aufrichtig gesagt, schlimm genug, ich bin gerade auf dem Wege zu einer Regulatorenversammlung, hoffe aber, wir werden dem Unwesen jetzt ein Ziel stecken. Arkansas soll nicht länger nur dann genannt werden, wenn man von Raub- und Diebesbanden spricht.“

„Arkansas im Allgemeinen?“ lachte der Farmer, „ja! – In den Vereinigten Staaten überhaupt, in Tennessee und weiter südlich, nördlich und östlich, da kennen sie in der Hinsicht nur Arkansas. Kommt man aber einmal über den Mississippi in den Staat selbst, dann heißt's Fourche la fave. – Ihr habt einen ausgezeichneten Ruf im Lande.“

„Mag sein,“ sagte Cook, „so schlimm ist's aber doch wohl nicht, wie es gemacht wird, und sind auch einige nichtsnutzige Burschen hier in der Gegend, so müßte es mit dem T – ja so, was ich gleich sagen wollte – wir werden sie schon fortbringen. Ich wollte, Ihr könntet unserer Versammlung heute beiwohnen. – Es ist überdies Sonnabend, und morgen reist Ihr wohl schwerlich weiter.“

„Morgen?“ frug der Farmer, „wegen des Sonntags? Das macht keinen Unterschied. Meine Alte da ist vernünftig genug, und die Mädchen hat auch noch keiner von den herumkriechenden Methodisten angst und bange vor kommendem Höllenfeuer machen können. Das gute Wetter muß benutzt werden, und da ich, wenn irgend möglich, noch gern in diesem Jahre ein paar Acker Mais aussäen möchte, so hab' ich, wie Ihr wissen werdet, keine Zeit zu versäumen –“

„Nein, allerdings nicht. Ich glaubte aber, es würde Euch vielleicht interessiren, unsere Regulatorengesetze kennen zu lernen.“

„Allerdings würde es das,“ sagte der Tennesseer. „Also wollt Ihr wirklich das Lynchgesetz ausüben? Gehört hab' ich schon zu Hause davon, es aber immer noch nicht geglaubt.“

„Ja, es ist nöthig,“ erwiderte Cook, „wir sind hier in unserem Staate noch nicht darauf eingerichtet, Verbrecher erst vor Gericht zu stellen und dann in sicherem Gewahrsam zu halten. Es ist noch Alles zu neu hier. Kein Staat hat es aber so nöthig, als gerade Arkansas, und da muß etwas geschehen, wenn wir nicht unter uns selbst zu Grunde gehen oder, wie Ihr selbst sagt, einen solchen Ruf in den übrigen Staaten erhalten wollen, daß kein Mensch mehr zu uns zieht, und unser Land, wenn nicht werthlos, doch auch nicht werthvoller wird.“

„Ja, ja,“ sagte der Tennesseer – „ganz recht, wir haben es vor fünf Jahren ebenso gemacht, denn im ›District‹ hatte sich damals auch eine nicht unbedeutende Bande Lumpenpacks gebildet. Aber ein paar Ellen Hanf und ordentlichen Ernst hinter der Sache, da drückten sich die Schufte bald. Es ist am Arkansas drüben auch nicht so geheuer; als wir in den ersten Tagen dieser Woche am Fluß heraufzogen, wurde ein dort ansässsger Farmer, der in der ›Indian Nation‹ gewesen war und Schweine verkauft hatte, auf seiner Rückkehr von einem Halunken gemeuchelmordet.“

„Ich habe davon gehört,“ sagte Cook schaudernd, „hat man den Thäter nicht entdeckt?“

„Nein,“ sagte der Alte, mit der Faust ärgerlich vor sich auf das Tischtuch schlagend, daß das lose darunter liegende Brett ein kleines gläsernes Salzfaß hoch emporschnellte, „nein – und ich wollte nur, der glatte Schuft käme mir wieder so nahe wie damals, als ich mit der Büchse im Anschlag hinter einem Baum stand, oder auch auf der offenen Prairie, verdammt will ich sein, wenn ich nicht Tageslicht durch seinen Hirnschädel ließe!“

„So kennt Ihr ihn?“

„Nein – ich kenne ihn nicht, aber ich habe ihn gesehen; es kann wenigstens kein Anderer gewesen sein. Unser Wagen fuhr nämlich auf der Straße hin, und ich und Ned da, mein Aeltester, waren ein wenig mit unseren Büchsen seitab gegangen. Wir dachten, vielleicht einen Hirsch zu schießen, von denen wir sehr viele Fährten im Wege bemerkt hatten. An der Spitze eines kleinen Sees hatte Ned die eine und ich die andere Seite genommen, als ich einen schmalen Pfad bemerkte, der aus dem Dickicht kam und augenscheinlich der eben verlassenen Straße zuführte, auf der die Wagen, vielleicht eine halbe Meile hinter uns, herkamen. Da hörte ich etwas in den Büschen rascheln und trat, in der Meinung, es sei ein Hirsch oder ein Volk Truthühner, hinter einen Baum. Es waren aber zwei Reiter, beide in das gewöhnliche blaue Wollenzeug gekleidet, der eine nur mit einem breiträndigen schwarzen Hut auf. Diese sprachen sehr eifrig mit einander und ritten an mir vorüber, ohne mich zu bemerken; ich redete sie auch nicht weiter an, da ich kein unnöthiges Geräusch machen und mir vielleicht in der Nähe äsendes Wild verscheuchen wollte.“

„Hundert Schritt mochte ich wieder langsam weiter geschlendert sein, und die Fremden waren indessen im Gebüsch hinter mir verschwunden, als ich plötzlich, nach derselben Richtung hin, einen Schuß hörte. Nun glaubte ich im Anfang, Ned habe des Wassers wegen nicht drüben um den See gekonnt, sei mir nach- und zufällig zum Schuß gekommen, denn keiner der beiden Männer trug eine Büchse. Ich stieß deshalb meinen Jagdruf aus, um zu erfahren, ob er irgend etwas getroffen; aber gleich darauf antwortete mir mein Junge von der gegenüberliegenden Seite des Sees, und ich vermuthete nun natürlich nichts Anderes, als daß noch ein dritter Jäger dort in der Gegend sei, und mich um den nicht weiter kümmernd, setzte ich meinen Weg ruhig fort.

Das war schon spät am Nachmittag, und an dem selben Abend noch überholten uns Leute auf der Straße, wo wir lagerten, die uns von einem Mord erzählten, der vorgefallen. Der Todte sei durch den Kopf geschossen. Von den Reitern war übrigens keiner an unseren Wagen vorbeigekommen.“

„Wie ich das hörte, setzte ich mich augenblicklich auf meinen Rappen (die Weiber hier schrieen nicht schlecht, denn sie fingen an, sich zu fürchten) und galoppirte, was das Thier laufen konnte, dorthin, wo der Leichnam in einem Farmhause nicht sehr weit von da, wo die That geschehen, liegen sollte. Es war richtig, wie ich vermuthet, einer von Denen, die ich an demselben Tage hatte zusammen reiten sehen, und zwar der Aeltere; der Schuft mit dem breiträndigen Hute mußte also der Mörder sein. Ich beschrieb ihn, so gut ich konnte, keiner der Anwesenden wollte ihn aber kennen, ja erinnerte sich nicht einmal, ihm je begegnet zu sein. Vergebens blieb ich noch zwei Tage in der Nachbarschaft, der Thäter war spurlos verschwunden, und nach Berechnungen von Leuten, die genau wußten, wie viel Schweine der Ermordete mit fortgenommen und wie der Preis bei den Indianern stand, mußte er etwa tausend Dollars bei sich gehabt haben. Natürlich wurde von denen ebenfalls nichts weiter gesehen.“

„Ja, ja,“ sagte Cook, „es sind hier auch ähnliche Sachen vorgefallen, fast noch schlimmer, als offener Raubmord. – Nun, wir wollen hoffen, daß wir wenigstens den Kopf der Schlange treffen, die sich in diese Gegend eingenistet hat. Die über dem Arkansas drüben mögen sehen, wie sie mit ihrer Seite fertig werden. – Doch welchen Weg gedenkt Ihr einzuschlagen?“

„Ich weiß es selbst nicht genau; die Straße führt wohl an dieser Seite hin?“

„Ja – an beiden Seiten, die jenseits möchte aber für Euch die gerathenste sein, denn weiter oben, wo die Lefthandfork hereinkommt, ist der Durchgang durch den Fluß, besonders mit Wagen, sehr beschwerlich.“

„Auf welche Art komme ich denn da am besten hinüber? Wie weit ist's noch bis zum nächsten Hause?“

„Nun, das nächste Haus ist Wilson's,“ sagte Cook, „das zweite, etwa anderthalb Meilen weiter, Atkins'. Am ersten könnt Ihr aber schon übersetzen; es ist dort ein recht gutes Fährboot und ein breiter, bequemer Weg zum Fluß hinunter.“

„Ist des Fährmanns Name Wilson?“

„Nein, der wohnt nur dort; der Fährmann heißt Curneales.“

„Gut denn, ich dank' Euch für den Rath und werd' ihn befolgen; kommt Ihr aber einmal in meine Nähe, so fragt nur nach dem alten Stevenson und sucht mich auf. Ihr sollt mir herzlich willkommen sein!“

„Danke, danke!“ sagte Cook, der indessen aufgestanden war und sein Pferd wieder gesattelt und gezäumt hatte; „jetzt wird's übrigens Zeit, daß ich ausgreife, sonst komme ich zu spät, ich habe noch verschiedene Meilen zu machen. Also behüt' Euch Gott!“

Mit herzlichem Gruß und Händedruck nahm der junge Farmer dann von jedem Einzelnen der Familie, Ben, der sein Pferd so wacker gefüttert hatte, nicht ausgenommen, Abschied und trabte bald darauf singend und mit seinem ebenso zufriedenen Pony sich unterhaltend dem vorgesteckten Ziele zu.

Nach scharfem, etwa einstündigem Ritt erreichte er Atkins' Haus, wo er zu seinem Erstaunen Brown noch vorfand. Den hatte er schon lange an Ort und Stelle, oder doch wenigstens auf dem Wege dahin vermuthet, und fand ihn jetzt noch hier ganz ruhig neben den gesattelten Pferden stehen. Brown unterhielt sich übrigens sehr angelegentlich mit dem am vorigen Abend angekommenen Fremden, den ihm der eben eingetroffene Rowson gerade als einen alten Freund vorgestellt hatte.

„Hallo, Cook!“ rief diesem der Regulatorenführer freudig entgegen, „das ist herrlich, daß Ihr kommt; jetzt können wir zusammen reiten.“

„Guten Morgen – guten Morgen!“ lautete der Gegengruß, „aber ich glaubte Euch schon lange unterwegs.“

„Das ist meine Schuld,“ sagte Atkins, Cook die Hand hinaufreichend, „oder eigentlich die Schuld meiner Frau, die heute Morgen unverzeihlich lange mit dem Frühstück trödelte. Das kranke Kind mag sie aber wohl verhindert haben –“

„Ich wäre schon lange fortgeritten,“ sagte Brown, „aber Mr. Atkins –“

„Doch nicht ohne einen Bissen genossen zu haben?“ unterbrach ihn dieser, „das hätte ich nie zugegeben, nein; Sie kommen überdies noch zeitig genug und haben jetzt dadurch neue Gesellschaft gewonnen.“

„Es ist auch noch nichts versäumt,“ sagte Brown, dem Freunde Cook, der neben ihm halten geblieben war, ebenfalls die Hand schüttelnd; „aber, Mr. Rowson,“ wandte er sich dann zu diesem, der sein Pferd eben dem Mulatten übergeben hatte, „wollen Sie denn nicht mit uns kommen? Ich glaubte, als ich Sie sah, daß das der Zweck Ihres Hierseins gewesen sei.“

„Ich würde sehr gern dieser Versammlung beigewohnt haben,“ erwiderte der Methodist, „hielten mich nicht gerade heute wichtige Geschäfte davon ab. Ich feiere morgen die Verbindung mit meiner Braut, und da werden die Herren wohl einsehen, daß es unter solchen Umständen selbst unaufschiebbare Besorgungen geben kann.“

„Allerdings,“ erwiderte Brown fast tonlos – „und dieser Herr ist, wie Sie sagten, ebenfalls ein Regulator? Er äußerte davon gestern Abend keine Silbe.“

„Sie werden das sehr begreiflich finden,“ lächelte Mr. Jones, „wenn Sie bedenken, daß ich mich unter lauter Fremden befand.“

„Allerdings eine höchst lobenswerthe Vorsicht. – Sie wollten nach Fort Gibson, nicht wahr?“

„Das war mein Wille und ist es noch. Da ich aber hier ganz zufällig und unerwartet einen alten Bekannten in Mr. Rowson gefunden habe, gedenke ich ein paar Tage in der Nachbarschaft zu verweilen. Es würde mir dabei sehr angenehm sein, wenn ich der heutigen Versammlung der Regulatoren beiwohnen könnte; vielleicht ist es möglich, diese mit unseren Verbindungen im Norden zu vereinigen, und mit einem gemeinsamen Ziel im Auge wäre es dann weit eher möglich, das zu erreichen, was beide Parteien jetzt einzeln nur so viel schwerer erlangen können.“

„Allerdings haben Sie da Recht,“ erwiderte Brown, ihm dabei fest in's Auge sehend, „und Sie wünschen also durch mich den Regulatoren vorgestellt zu werden?“

„Das ist mein Wunsch, und Sie würden mich sehr verpflichten –“

„Ich selbst würde Ihnen im Namen meines Freundes sehr dankbar sein,“ unterbrach ihn Rowson zu gleicher Zeit, „und wenn er dann auch, meiner jetzigen neuen Haushaltung wegen, nicht gleich bei mir ein Unterkommen finden könnte, so ist Mr. Atkins vielleicht so gütig, ihn noch einmal in nächster Nacht zu beherbergen Später treffen wir dann schon ein Abkommen mit einander.“

„Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Mr. Rowson,“ sagte Brown lächelnd, „ich zweifle nicht daran, daß sich Mr. Jones einige Zeit hier bei uns aufhalten wird. Ob ihm der Fourche la fave nur gefällt, ist eine zweite Frage.“

„Ich bin leicht befriedigt,“ entgegnete Jones dem jungen Mann sehr freundlich: „doch, möchten wir nicht lieber aufbrechen? Es wird spät.“

„Mr. Jones' Pferd!“ rief Aktins dem Mulatten zu, der in der Thür stand und nach den Männern herüberstarrte.

„Hört, Brown, dessen Gesicht gefällt mir gar nicht,“ flüsterte Cook dem Freunde zu, während er sich zu ihm hinunterbog.

„Wenn wir zu Bowitts kommen, muß ich ein paar Worte mit Euch allein sprechen,“ flüsterte dieser zurück.

„Ist etwas –?“

„Bst – nur ruhig – es hat Zeit, bis wir oben sind.“

Jones war indessen ebenfalls aufgestiegen, und Brown schwang sich gerade in den Sattel, als der Mulatte noch zwei andere Pferde, und zwar eins mit einem Damensattel belegt, herausführte.

„Gott segne mich!“ rief Cook – „noch ein Frauensattel, ich zählte eben ganz erstaunt die da drin im Zwischenhause aufgehangenen; sieben Stück, und das hier ist der achte; was habt Ihr denn vor?“

„Es ist Besuch bei meiner Frau,“ sagte Atkins, „Krankenbesuch, des Kindes wegen. Der hier aber gehört Ellen – sie soll nach Roberts hinüber.“

In dem Augenblicke öffnete sich die Thür und Ellen kam mit Sonnenhut und Tuch aus dem Hause. Sie trug ein kleines Bündel in der Hand, das der Mulatte ihr draußen abnahm, und als sie das von dem tiefen Bonnet beschattete Köpfchen nach Brown zukehrte, konnte dieser die rothgeweinten Augen nicht verkennen. Schnell wandte sie sich jedoch ab, stieg mit Hilfe eines dort stehenden und zu diesem Zweck glatt abgehauenen Baumstumpfes in den Sattel und galoppirte gleich darauf, von dem Farbigen gefolgt, die Straße hinab.

„Was fehlt dem Mädchen?“ frug Brown teilnehmend den Herrn des Hauses, der ihr kopfschüttelnd nachschaute – „mir kam es vor, als ob sie ganz verweinte Augen hätte –“

„Ih – Unsinn,“ sagte der Angeredete – „sie wollte nicht von dem kranken Kinde fort – sie sagte, sie säh' es nicht wieder, und da – hatte meine Frau wohl einen kleinen Tanz mit ihr – die Alte brummt manchmal, meint es aber nicht so bös. – Das hat sich das dumme Ding denn zu Herzen genommen. Nun, sie wird schon vernünftig werden, wenn sie einmal einen ordentlichen Mann bekommt.“

„Brown – zum Donnerwetter, laßt das Trödeln. – Die Zeit vergeht!“ rief Cook ungeduldig.

„Ja, ja,“ erwiderte dieser, „ich muß nur noch ein paar Worte mit Mr. Rowson sprechen; eine Frage –“

„Der ist in's Haus gegangen, das kann ja morgen oder heut Abend geschehen; es wird Mittag sein, ehe wir's uns versehen, und die Leute oben erwarten uns sicherlich schon seit vier Stunden.“

„Gut denn, auf Wiedersehen!“ sagte der junge Mann, winkte den Zurückbleibenden noch einmal zu und trabte dann, von den Anderen gefolgt, schnell auf dem in den Wald führenden Pfade hin.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas