23. Kapitel (Die Verbrecher – Unerwartete Gäste – Ein neuer Plan)

23. Die verbündeten Verbrecher. – Unerwartete Gäste. – Der neue Plan.

Wir müssen noch einmal zu der Dämmerungsstunde dieses nämlichen Abends und zwar in eine kleine, aber wohnliche Blockhütte zurückkehren, die im dichten Walde lag und durch keine, wenigstens keine leicht erkennbare Straße mit den übrigen verschiedenen Wohnungen des County in Verbindung stand. Johnson hauste hier und hatte den Platz vor etwa Jahresfrist von einem Jäger für zwanzig Dollars baares Geld, eine wollene Decke und ein Bowiemesser erstanden, später zwar einmal den Anfang zu einem kleinen Felde gemacht, dieses aber gar bald wieder liegen lassen und dann nur einen kleinen Hofraum eingefenzt, um die wild umherstreifenden Schweine und Kühe von seiner Thür abzuhalten, oder auch ein Pferd, das er bei sich zu behalten wünschte, daran zu hindern, das Weite zu suchen. Da er übrigens nur selten in seiner Wohnung anzutreffen war, und diese selbst, wie schon gesagt, ganz aus dem Wege und isolirt dalag, so verlor sich nicht oft ein Ansiedler, höchstens ein Jäger in diese Gegend, und der Eigenthümer sah schon dadurch vollkommen seinen Wunsch erfüllt: allein und ungestört leben zu können.


Der Einzige, mit dem er in dieser Nachbarschaft Umgang pflog, war Atkins, und dessen Mulatte, in das Geheimniß seines Herrn eingeweiht, trug oft Botschaft herüber und hinüber. Jetzt aber sah es in der sonst so einsamen Hütte keineswegs leer und öde aus, denn in dem Kamin knisterte ein helles, erwärmendes Feuer, an einer darüber hinweg gelegten und befestigten Stange hing ein großer eiserner Topf, und um die Gluth herum, auf niederen Sesseln und Stühlen, saßen Cotton und Johnson im eifrigen Gespräch begriffen und Beide augenscheinlich mit Sehnsucht das Kochen des vor ihnen hängenden Kessels oder Topfes erwartend.

„Hört, Johnson – jetzt steigen Blasen auf,“ sagte endlich der rauhe Cotton ungeduldig – „macht fort, daß ich meinen Trunk bekomme, ich muß eilen, sonst find' ich Atkins vielleicht nicht mehr im Hause.“

„Wartet noch ein paar Secunden, das Getränk wird flau, wenn das Wasser nicht ordentlich siedet,“ erwiderte der Gefährte – „aber halt – jetzt fängt es an; nun reicht Euren Becher her, ich will Euch nicht länger aufhalten.“

„Donnerwetter, das ist heiß!“ fluchte Jener, als er ungeduldig den Blechbecher an die Lippen brachte – „in den verwünschten Geschirren kühlt sich's auch gar nicht ab.“

„Ja, das läßt sich nicht ändern,“ lachte Johnson, „Glas und Porzellan können wir hier nicht – alle Teufel, wer kommt da?“

„Wo?“ rief Cotton und sprang mit einem Satze die Hälfte der kleinen Leiter hinauf, die den obern Theil des Hauses mit dem untern in Verbindung setzte.

„Oh bleibt hier,“ sagte Johnson, der nahe an eine der Spalten getreten war und hindurchgesehen hatte, „es ist Dan – Atkins' Mulatte.“

„Nun, was zum Henker will der?“ rief Cotton verwundert, indem er zurückkam und seinen Sitz wieder einnahm, „doch hoffentlich keine böse Nachricht?“

„Da ist er selbst und kann für sich sprechen,“ sagte Johnson, die Thür öffnend und den treuen Gelben einlassend. „Nun, Dan, was bringst Du?“

„Massa Cotton soll da bleiben,“ antwortete dieser, die Zähne fletschend und den Hut abnehmend, „Massa Brown ist oben und wird dort schlafen.“

„Brown? was in's drei Teufels Namen führt den hier oben her?“ rief Cotton ärgerlich – „ich hätte gerade heute so Wichtiges mit Atkins zu bereden.“

„Hat morgen Regulatorenversammlung bei Bowitt,“ sagte der Mulatte, indem er seinen alten Kautabak in den Kamin spuckte und mit ziemlicher Vertraulichkeit ein neues Priemchen von dem Stück abschnitt, das nebst einem Messer auf dem kleinen viereckigen Tische, dicht neben dem einen Bett, lag.

„Regulatorenversammlung – Pest!“ knirschte Cotton, „wenn ich könnte, wie ich möchte, so sollten die Kerle schön tanzen morgen. – Aber wartet, Eure Zeit kommt auch, und kann man Euch nichts im Ganzen anhaben, so wird's mit den Einzelnen desto weniger Schwierigkeiten machen.“

„Hat Dein Herr sonst noch etwas an uns bestellt?“ frug Johnson.

„Nein, Massa – nichts weiter, er wird wohl selbst morgen früh herüberkommen.“

„Dann sag' ihm, wir würden ihn erwarten – hörst Du? nun, was stehst Du noch und gaffst?“

„Danke, Massa,“ sagte Dan, goß das heiße Getränk in einem Zuge die ausgepichte Kehle hinab, nickte Beiden noch einen kurzen Gruß zu und brach im nächsten Augenblick auch schon wieder vollen Laufes durch die dichten, den Platz umgebenden Saffafrasbüsche, um so rasch er konnte nach Haus zurückzukehren.

„Nun,“ brummte Cotton, indem er sich behaglich auf dem eben erst verlassenen Sitz niederließ, „dann kann ich's mir wenigstens heut Abend bequem machen und brauche mich nicht abzuhetzen. Aber dieser Brown – Regulatoren – Gift und Klapperschlangen über die Kerle – daß sie die –“

Seine Rede wurde in diesem Augenblick durch deutliches Pferdegetrampel kurz abgebrochen, und mit einem Satze stand er wieder, diesmal jedoch mit dem gefüllten Becher in der Hand, auf der Leiter, um, wenn es noth thäte, sich jedem unberufenen Auge entziehen zu können. Aber wiederum war seine Vorsicht unnöthig gewesen, denn „Rowson!“ rief Johnson, der nachgesehen hatte, erstaunt aus, und ehe noch Cotton zum Feuer zurückkehren und Johnson den Pflock vor der Thür wegziehen konnte, rüttelte der würdige Mann auch schon an der nur schlecht verwahrten Pforte und verlangte Einlaß.

„Höll' und Teufel, so laßt Einen nicht eine Stunde hier draußen warten!“ rief er ungeduldig aus, als Johnson den hölzernen Vorstecker nicht schnell genug zurückziehen konnte.

„Hallo da,“ lachte Cotton, als die Thür aufging, „das klingt christlich – Ihr habt's ja verdammt eilig. Wenn wir nun zufällig fremde Gesellschaft hier hätten, heh? würde sich da der ehrbare Methodist mit dem Maul voller Flüche nicht sehr wunderbar ausgenommen haben?“

„Hol' die Pest sie Alle!“ zürnte der Prediger, „es wird bald sehr gleichgültig sein, ob die Leute hier glauben, daß ich bete oder fluche. – Ich muß fort.“

„Was!“ rief Johnson, erschrocken wieder von dem Stuhle aufspringend, auf dem er sich eben niedergelassen hatte – „fort? haben sie entdeckt, daß –?“

„Unsinn,“ sagte der Prediger ärgerlich – „wahre lieber Deine Zunge – noch ist nichts entdeckt, aber es kann in jedem Augenblick geschehen. – Der Indianer ist zurück.“

„Daß ihn unterwegs sein Nannabozho geholt hätte,“ grollte Cotton, „mir ist die Rothhaut ein Dorn im Auge, und ich wollte 'was drum geben, wenn ich sie aus dem Wege schaffen könnte –“

„Nun, der Indianer wird das Kraut noch nicht fett machen,“ lächelte Johnson verächtlich, indem er seinen Becher auf's Neue füllte und einen andern an Rowson hinüberreichte, der ihn auf einen Zug leerte – „die Spuren sind lange vertilgt, und ohne die kann der kupferfarbene Schuft nichts ausrichten.“

„Das ist's nicht allein,“ zürnte der Methodist, „der Böse ist auch in das Gesindel hier herum gefahren, und der alte Regulatorenteufel spukt einmal wieder unter ihnen. Morgen ist große Versammlung, und es leben einige Verdächtige hier in der Gegend, die sie aufgreifen und natürlich peinlich verhören wollen. Wie gefällt Euch das?“

„Alle Wetter!“ rief Johnson, „dann wird mir ebenfalls eine Luftveränderung ganz zuträglich sein. Zu diesem Neste hier kommen sie zuerst; aber ich weiß nicht, was Du dabei zu fürchten hast? Auf Dich kann doch Niemand auch nur den mindesten Verdacht geworfen haben.“

„Der Indianer ist's, der mich besorgt macht,“ knirschte Rowson; „wenn ich nur wüßte, wie ich den scalplockigen Halunken bei Seite schaffte.“

„Das wird schwer halten,“ sagte Cotton nachdenkend, „aber möglich ist's –“

„Und bringen dann das Land erst recht in Aufruhr, nicht wahr? Nein, es ist hier Blut genug geflossen, und das Beste wird sein, wir suchen sobald als möglich das Weite. Das Ungewitter kann sich mit jedem Tage über unseren Köpfen entladen.“

„Müßte nur vorsichtig betrieben werden,“ fuhr Cotton, ohne Rowson's Einwand zu beachten, fort. „Man behauptet hier allgemein, der Indianer habe in seinem Stamme einen Häuptling erschlagen und sei dann entflohen; nichts ist natürlicher, als daß ihm von dort aus ein Verwandter des Getödteten gefolgt sein könnte, um die Blutschuld zu sühnen. So etwas aber sicher auszuführen, würde er natürlich auch nichts Anderes als einen vergifteten Pfeil benutzt haben, und da müßte man nicht Jahre lang in Texas und dem Arkansas-Territorium gelebt haben, wenn man nicht so einen Pfeil zurechtmachen könnte.“

„Versteht Ihr die Zubereitung des Giftes?“ frug Rowson schnell.

„Ach, was hilft Euch das!“ rief Johnson ärgerlich dazwischen, „der Indianer ist immer nur eine Person, die wir uns leicht vom Halse halten können; die Gefahr liegt tiefer. Wenn diese hündischen Regulatoren wirklich auf die rechte Spur kämen und einen von Denen erfaßten, die das Herz nicht, sondern nur das Maul auf der rechten Stelle haben, so könnte der Teufel bei uns Gevatter stehen. Nein, in dem Falle hat Rowson Recht, dann wär' es besser, wir befänden uns Alle jenseits der Grenze von Onkel Sam's Grund und Boden; doch können wir es ja abwarten. Noch sind Leute unter uns, auf die kein Verdacht gefallen ist, wie zum Beispiel Du, Rowson, und selbst Atkins – Ihr müßt Euch den Versammlungen anschließen, und hört Ihr dort etwas, das Euch verdächtig scheint, nun, dann frisch gesattelt und scharf geritten. Ein Arkansas finden wir überall wieder.“

„Das möchte ich bezweifeln,“ sagte Rowson, „und überdies habt Ihr ledigen Leute gut reden, Ihr werft Eure Büchse auf die Schulter, und in dem Augenblick, wo Ihr das rechte Bein über den Sattel hebt, seid Ihr freie Menschen – aber ich –“

„Du bist auch noch ledig,“ warf Johnson ein.

„Ja – heute noch – morgen Abend nicht mehr.“

„Ihr seht die Sache zu schwarz, Rowson,“ lachte Cotton – „Gott verdamm' mich, wenn ich einen solchen Namen hier in der Nachbarschaft hätte, wie Ihr, und so bei den Frauen angeschrieben stände, mich brächten keine zehn Pferde aus Yell County. Wenn Ihr übrigens solche Angst habt, warum heirathet Ihr denn? Schiebt doch den Bettel noch auf. Es wird überhaupt ledern, wenn man nachher zu Euch kommt und auf jedes Wort passen muß, das man über die Zunge bringt.“

„Ich kann, ohne Verdacht zu erregen, nicht mehr zurück,“ sagte der Priester, heftig dabei im Zimmer auf- und abgehend, „hätt' ich das Alles nur heute Morgen gewußt – da war es noch möglich, die Sache wenigstens aufzuschieben, – aber – Pest und Gift, wenn ich erst verheirathet bin, muß mir meine Frau auch folgen, wenn ich gehe, und das kann in sehr kurzer Zeit geschehen. Ein Brief von meiner alten Tante in Memphis, die mich vor ihrem Tode noch einmal sehen will, wird hinlängliche Entschuldigung sein, und bin ich erst einmal fort, dann können sie mir nachreden, was sie wollen. Daß sie mich nicht wiederfinden, sei meine Sorge. – Nur der Indianer; vor der verwünschten Rothhaut ist mir bange –“

„Ih nun,“ brummte Cotton, „wenn der einmal zu gefährlich werden sollte, dann ist das aus dem Wege räumen immer schnell geschehen. Jetzt aber würde es, wie Ihr ganz richtig bemerkt, nur noch mehr böses Blut unter den Ansiedlern machen, die durch das letztvergossene schon überdies aufmerksamer wurden, als gerade nöthig ist; aber vorbereiten –“

„Laßt doch nur den verwünschten Indianer aus dem Spiel,“ zürnte Johnson – „die Regulatoren sind's, die wir zu fürchten haben; das ist die Seite, von der uns Gefahr droht, nach der Richtung hin müssen wir also auch wirken. Kannst Du der Versammlung beiwohnen, Rowson?“

„Ja – ich hoffe es,“ erwiderte dieser, „es giebt wenigstens keinen erheblichen Grund, den sie bis jetzt gegen meine Gegenwart haben könnten. Ich gedenke es auf jeden Fall zu versuchen.“

„Gut – dann ist auch für jetzt noch keine Ursache vorhanden, weshalb wir uns ängstigen sollten. Leicht wird es Dir sein, Dich von jeder wichtigen Verhandlung in Kenntniß zu setzen, und wir brauchen nicht mehr zu fürchten, überrascht zu werden.“

„Ich kann es aber unmöglich jetzt wagen, Atkins' Haus und Land zu kaufen,“ sagte Rowson, „der Teufel kann sein Spiel haben, und dann wär' ich schändlich gebunden.“

„Es kommt darauf an, wie's mit Deiner Kasse steht,“ erwiderte Johnson – „liegen Dir die zweihundert Dollars, die Jener dafür verlangt, nicht so besonders am Herzen, dann bringst Du schon durch den Kauf Manchen zum Schweigen, der im andern Falle vielleicht hier und da Verdacht geschöpft hätte. Ist das aber –“

„Ja, Du hast Recht!“ sagte Rowson, schnell entschlossen – „ich kaufe den Platz, und zwar gleich am Montag; übrigens sage ich mich von heute an los von jedem Antheil an neuen Unternehmungen. Ich will es wenigstens einmal versuchen, als ehrlicher Mann zu leben und ruhig zu schlafen.“

„Zeit wär's,“ lächelte Cotton verächtlich; „da würde ich aber dem Herrn Prediger rathen, mit seiner jungen Frau nach der Insel zu ziehen – das wäre ein herrlicher Platz für einen Missionär.“

Rowson wandte sich finster ab, Johnson nahm aber das Gespräch auf und sagte zu Rowson:

„Da Cotton gerade die Insel erwähnt, so denke ich, wär's wohl auch an der Zeit, mich einmal mit deren Verhältnissen genau bekannt zu machen. Zwar weiß ich, daß sie im Mississippi, auch wo sie liegt, bin aber, obgleich ich selbst zweimal Pferde dahin abgeliefert habe, noch nie darauf gewesen. Die Schufte, die sie in Empfang nahmen, thaten immer so geheimnisvoll, daß nichts aus ihnen heraus zu bekommen war.“

„So ist mir's diesmal auch gegangen,“ fluchte Cotton; „wären uns die Regulatoren auf den Fersen gewesen, so hätten sie uns, Gott straf' mich, erwischt, denn verdammt will ich sein, wenn uns die Kerle in ihr Boot nahmen. Wir mußten die Pferde abliefern, und Weston und ich lagerten an der Uferbank, bis sie nach etwa zwei Stunden wieder zurückkamen und uns das Geld brachten. Weston ist bald vor Neugierde gestorben.“

„So hört denn,“ flüsterte Rowson leise, als ob er fürchte, von jemand Anderem dabei behorcht zu wer den, „es kann uns doch Niemand von außen hören?“

„Nein,“ sagte Johnson – „Du kannst getrost reden – ich wollte aber doch, Cotton hätte seinen Hund hier und ihn nicht bei Atkins gelassen.“

„Er ist besser dort aufgehoben,“ meinte dieser – „aber macht fort – die Zeit vergeht, und ich bin müde.“

„Nun gut,“ sagte Rowson, „ich sehe auch nicht ein, warum Ihr nicht ein Geheimniß ganz erfahren solltet, von dem Ihr doch schon alles Das wißt, was es verrathen könnte. Die Insel kennt Ihr – den Weg dahin wenigstens – weiter unterhalb liegt aber noch eine zweite, mit mehreren trefflich versteckten Schlupfwinkeln, im Fall die Bewohner der obern einmal angegriffen oder überrascht werden sollten. Ein guter Schwimmer kann die untere, besonders bei Nacht, leicht erreichen. Die Leute, die jenes Land inne haben, standen früher unter Morrel's Befehl, der jetzt im Philadelphia-Zuchthaus ich glaube Schuster oder sonst irgend etwas geworden ist; sie haben ihn auf jeden Fall ein Handwerk gelehrt. In diesem Augenblick ist der Anführer der Insulaner ein gewisser – doch der Name thut nichts zur Sache – ich habe schwören müssen, ihn zu verschweigen.“

„Ist es denn eine wohlorganisirte Raubbande?“ frug Cotton.

„Ja, besser noch als je eine bestand, und fast ganz gesichert vor Entdeckung, denn Die, mit denen sie in Verbindung stehen, können nur durch ihr Existiren, nie aber durch Verrath Nutzen gewinnen.“

„Und auf welche Art betreiben sie ihr Geschäft, da ihre Nachbarn nie belästigt werden, ja ihr Vorhandensein nicht einmal ahnen?“

„Das macht der Fuchs ebenso,“ lachte Rowson, „in den seinem Aufenthaltsort nächsten Farmhöfen stiehlt er nur im äußersten Nothfall ein Huhn; wir ähneln ihm in der Hinsicht.“

„Laßt Eure moralischen Bemerkungen, wenn's gefällig ist,“ brummte Cotton – „zur Sache – zur Sache.“

„Nun gut denn, zur Sache. – Mit den Staaten, zwischen denen sie wohnen, haben sie sehr wenig zu thun, ausgenommen mit dem östlichen, denn nach Mississippi hinein erstrecken sich ihre Verbindungen bedeutend, und dazu bedürfen sie auch unserer Pferde, weil sie sich auf jener Seite in dem dichtbebauten Lande gewaltig vorsehen müssen. Von oben herunter kommt aber ihr ganzer Wohlstand. In allen großen Städten nämlich, am Mississippi wie Ohio, am Wabasch, Illinois, ja selbst am Missouri, haben sie ihre Agenten, größtentheils junge Burschen aus Kentucky und Illinois, und diese spioniren umher, welche Boote den Fluß hinuntergehen und mit was sie beladen sind. Ist es etwas, das sie zu haben wünschen, oder das sie in den südlichen Städten schnell und vorteilhaft glauben verkaufen zu können, so suchen sie eine Stelle als Steuermann, und geht das nicht, als gewöhnliche Ruderer, darauf zu bekommen, führen das Boot richtig und ordentlich bis zu ihrer Insel und lassen es dort mit List oder Gewalt auf den Strand laufen. Natürlich muß das in der Nacht geschehen, wenn nur höchstens Einer der Bootsleute an Deck ist. Ein vorheriges Zeichen verkündet die Ankunft neuer Beute, und die Mannschaft – muß in's Gras beißen.“

„Hölle und Schwefel!“ rief Cotton, „dann wundert's mich auch nicht mehr, woher die vielen Leichen im Mississippi kommen; Anfang Februar war ich in Natchez, da kamen einmal sieben zusammen, und alle ohne die mindeste Verletzung. Wir glaubten damals, es sei ein Boot mit ihnen umgeschlagen.“

„Ja, sie wissen es schon klug einzurichten,“ sagte Rowson – „das Geschäft ist mir aber zu blutig; ich mag nichts damit zu thun haben.“

„Nein, ich auch nicht,“ sagte Cotton schaudernd – „Gott sei uns gnädig, das heißt ja die Sache wie das Fleischerhandwerk betreiben! Wenn nun Frauen in den Booten sind?“

„Junge Frauen werden auf der Insel behalten, und zwar wohl bewacht im Innern derselben, denn jedes Mitglied darf eine Frau haben.“

„Also die schaffen sie nicht bei Seite?“ frug Johnson.

„Das weiß ich nicht, geht mich auch nichts an,“ entgegnete Rowson, „das aber ist gerade der Insel größter Schutz, daß sie von uns Allen stets als letzter Zufluchtsort betrachtet werden kann. Sind wir in äußerster Gefahr, so werden wir dort aufgenommen und auch beschützt, darauf könnt Ihr Euch verlassen.“

„Das hab' ich diesmal gesehen!“ rief Cotton. „Verderben hätte ich am Ufer können, keiner der Himmelhunde würde eine Hand gerührt haben.“

„Weil Ihr das rechte Zeichen nicht wußtet,“ lachte Rowson. „Glaubt Ihr, sie holen Jeden hinüber, der sich an den Landungsplatz hinstellt und schreit und winkt?“

„Aber welches ist das Nothzeichen?“

„Lauft viermal zwischen den beiden Pawcornbäumen, die dort am Ufer stehen, hin und her – Nachts natürlich mit einem brennenden Scheit Holz – und paßt auf, wie schnell Bewaffnete mit einem Boot bei der Hand sind –“

„Also viermal?“ sagte Cotton nachdenkend – „nun wer weiß, wie bald mir Alle von der Gastfreundschaft jener Leute Gebrauch machen.“

„Einmal aber die Insel betreten“ – warnte ihn Rowson, „und Ihr seid unrettbar der Ihrige –“

„Waret Ihr schon darauf?“ frug lauernd der Jäger.

„Nein – noch nicht,“ entgegnete kurz abgebrochen der Methodist – „doch wo ist Weston, wär' es nicht besser, daß er ebenfalls von der uns drohenden Gefahr in Kenntniß gesetzt würde?“

„Atkins hat ihn in die oberen Ansiedelungen geschickt,“ warf Johnson ein. „Er wollte morgen wieder bei ihm eintreffen und dann auch zu mir kommen.“

„Meinetwegen,“ sagte Cotton gähnend – „ich bin müde und lege mich nun schlafen. Ist noch etwas im Topfe, Johnson?“

„Nein, Ihr habt den Rest da im Becher“

„Nun gute Nacht denn, wer zuerst morgen aufwacht, weckt die Anderen.“ Damit schob er sich ein paar Hirschhäute, die in der Ecke lagen, zurecht, nahm eine alte wollene Decke über die Schultern, warf sich auf das harte Lager und war in wenigen Minuten fest eingeschlafen.

Johnson und Rowson saßen schweigend neben einander und starrten in die Kohlen; Beide hatten augenscheinlich noch etwas auf dem Herzen, aber Keiner wollte beginnen, und mehrere Male schon war der Methodist aufgesprungen, im Zimmer auf- und abgegangen und dann wieder am Kamin stehen geblieben. Endlich brach Johnson das Schweigen und sagte leise:

„Fürchtest Du, daß man uns entdeckt hat?“

„Nein,“ antwortete mit eben so vorsichtig gedämpfter Stimme der Prediger. „Nein – aber daß es geschehen wird, fürcht' ich.“

„Wie ist das möglich? –“

„Möglich? Frag' lieber, wie es möglich war, daß es noch nicht geschehen ist.“

„Du bist ein Thor und siehst überall Gespenster.“

„Solche Thorheit hat noch Niemandem Schaden gebracht,“ antwortete düster der Prediger – „ich fürchte, der Indianer hat Verdacht geschöpft. Der Blick, den er mir heute zuwarf, läßt mich fast mit Gewißheit darauf schließen.“

„Du hast freilich besondere Ursache, den Indianer zu fürchten,“ flüsterte Johnson leise.

„Und wer hat Dir gesagt –?“

„Bst,“ beruhigte ihn der Freund – „der da – aber nur ruhig – es ist vielleicht sogar besser für Dich, daß ich darum weiß. Ueberdies war es nöthig und ich hätte ebenso gehandelt. Hast Du aber auch vorsichtig alle Zeichen vertilgt?“

„Die Frage war überflüssig. – Meine Kleider wusch ich noch in derselben Nacht, obgleich mir's mit der Wunde im Arm hart genug ankam. Das Loch, das der Tomahawk der kleinen Hexe im Aermel des Rockes machte, schnitt ich aus und setzte einen andern Fleck darauf, und mein Messer vergrub ich eine ganze Woche lang. Trotz alledem erfaßt mich aber eine unbeschreibliche Angst, wenn ich an jenen Abend zurückdenke, und – ich weiß nicht – bald ist mir's, als ob ich halb und halb bereute –“

„Oh, Unsinn,“ sagte Johnson verächtlich – „wie ist es denn mit dem andern – hast Du das kleine Messer wiedergefunden?“

„Nein,“ flüsterte Rowson, noch viel leiser als vorher, „das ist in Roberts' Händen – ich hab' es selbst gesehen; er frug mich, ob ich es kennte. – Johnson, daß ich mich in dem Augenblicke nicht verrieth, begreif' ich jetzt noch kaum.“

„Es sollen am Arkansasfluß einem reichen Kerl über tausend Dollars abgenommen sein,“ sagte dieser jetzt, indem er einen scharfen Seitenblick auf den Freund warf – „Du warst ja zu jener Zeit in der Gegend – hast Du etwas davon gehört?“

„Oh, die Pest über Dein unsinniges Schwatzen!“ fluchte der Gefragte. – „Soll ich von jedem Morde wissen, der innerhalb des Staates verübt wird? Kümmere Dich um Deine eigenen Angelegenheiten und laß mich aus dem Spiel. Bist Du auch sicher, daß Weston reinen Mund hält? Wir hätten ihn nicht mit bis an die Insel schicken sollen.“

„Ich glaube, daß er treu ist,“ erwiderte nachdenkend Johnson – „man kann dem Menschen übrigens nicht in's Herz sehen. – Und Du willst wirklich morgen heirathen?“

„Ja – freilich unter nicht gerade freundlichen Aussichten; doch ist es das Beste, was ich thun kann. – Wird die Sache ruchbar, nun dann mag der Teufel den ganzen Bettel holen; das wird nachher die kleinste Sünde sein, an die Frau zuletzt zu denken.“

„Bei den Grundsätzen kann Dir die Ehe nicht besonders hinderlich sein,“ lachte der Freund. – „Du machst Dir also nichts aus dem Mädchen?“

„Glaubst Du, ich würde mich dem Allen ausgesetzt haben, sie zu erringen, wenn ich sie nicht liebte?“ frug der Prediger rasch; „eine wilde, rasende Leidenschaft ist's, die mich zu dem reinen Wesen hinzieht, und ich fühle es recht gut, daß gerade diese Liebe die größte Sünde ist, die ich in meinem Leben begangen.“

„Und doch kannst Du jetzt schon daran denken, sie wieder zu verlassen?“

„Zeige mir die Möglichkeit, sie auf der Flucht, gegen ihren Willen, mitzunehmen, und Du wirst mich mit Seel' und Leib bereit finden – es geht aber nicht an. Jeder Fremde, den sie anspräche, würde ihr Schutz gewähren, und dem wollen wir uns nicht aussetzen. Nein – könnte ich noch zurücktreten – vielleicht thät' ich's – vielleicht auch nicht; aber es geht nicht mehr, also mag sie mein Geschick theilen, so lange es möglich ist. – Sie wird doch mein!“

„Hast Du denn in Deinem Hause irgend welche Vorsichtsmaßregeln getroffen, wenn einmal eine Flucht nöthig sein sollte?“

„Ich sollte denken, Du kenntest mich lange genug,“ sagte der Priester. „In dem kleinen Schilfbruch, gleich unter dem Hause, liegt sorgfältig versteckt ein kleines Canoe, ein kleiner Koffer mit allen nöthigen Reisebedürfnissen steht schon seit jener Nacht, in der uns die Indianerin entdeckte, fertig gepackt, und meine Waffen sind stets in Ordnung und bei der Hand – den geheimen Weg kennst Du selbst –“

„Wie Viele trägt das Canoe.“

„Vier, auch Fünf im Nothfall – es ist groß genug und vortrefflich gebaut; mit drei Rudern könnten wir in sechs Stunden den Arkansas erreichen.“

„Das ist vorsichtig gehandelt – ich will übrigens wünschen, daß wir's nicht gebrauchen. Können wir dieses Mal die Regulatoren von unserer Fährte abbringen, so sind wir geborgen. Doch gute Nacht – leg' Dich dort auf die Matratze – ich will indessen noch einmal nach Deinem Pferde sehen.“

Rowson, sehr ermüdet, folgte gern der Einladung, und für kurze Zeit ward kein anderer Laut als das tiefe Athemholen der Ruhenden gehört. Da tönte plötzlich der laute, schrille Ruf einer Eule durch die stille Nacht; jetzt wieder, und nun zum letzten Mal. Johnson stand auf und stieg über die in der Mitte der Stube Lagernden hinweg, der Thür zu.

„Nun, was kriechst Du denn da herum?“ frug Rowson, dem er auf den Arm getreten hatte.

„Hast Du die Eule gehört?“ sagte leise der Gefragte.

„Nun, Gott sei Dank, Du, willst wohl Eulen schießen?“ brummte der Müde; „Du hast doch wahrhaftig keine Hühner hier, die –“

„Bst!“ rief Johnson, als dieselben Töne wiederum, und zwar diesmal in vier einzelnen Rufen, gehört wurden – „es ist Atkins – bei allen Lebenden! Was mag den hier in Nacht und Nebel herumtreiben? – Nur näher!“ rief er dann, in die Thür tretend – „nur näher – es sind Freunde hier!“

„Guten Abend, Johnson,“ sagte der breitschulterige Farmer, als er über die kleine Fenz stieg und sich der Thür näherte – „wir sind späte Gäste, nicht wahr?“

„Wir? wen bringt Ihr noch?“

„Einen Freund, der Waare abgeliefert, er wollte Euch gerne vorgestellt sein. Aber wer ist denn überhaupt bei Euch im Hause?“

„Cotton und Rowson.“

„Rowson?“ frug der in seinen dunkeln Mantel gehüllte Fremde, jetzt schnell vortretend –“Rowson? ei, hätt' ich doch nicht gedacht, heut Abend noch einen alten Bekannten zu finden!“

„Alter Bekannter?“ brummte Rowson drin am Kamin, wo er eben bemüht war, die halb erlöschten Kohlen wieder zu neuer Gluth anzufachen – „alter Bekannter? Wer mag das sein?“

„Ihr kennt Rowson also?“

„Ob ich ihn kenne!“ lachte der Kleine – „predigt er noch?“

„Das kann er wohl selber am besten beantworten,“ sagte der Methodist, nicht eben in der freundlichsten Laune, indem er mit hochgehaltenen flackernden Kienspänen vortrat. Kaum hatte er jedoch nach erstem, fast ungläubigem Starren den jetzt frei in das Licht tretenden Fremden erkannt, als er fröhlich die Hand ausstreckte und jubelnd ausrief:

„So wahr ich lebe, Hokker! – Was führt Dich denn einmal wieder nach Arkansas? Wurde es Dir in Missouri zu warm? Nun, sei uns herzlich willkommen, alter Junge – komm nur herein, der Wind bläst hier die Fackeln aus!“

„Wir dürfen nicht lange bleiben,“ sagte Atkins, „denn wir haben uns nur leise von zu Hause fortgestohlen. Sollte –“

„Ohmacht keine langen Umstände,“ rief Cotton aus dem Innern des Hauses heraus – „die Zeit vergeht Euch vor der Thür nicht langsamer als hier drinnen, und durch die offene Thür kommt's verdammt kalt herein.“ Dagegen ließ sich nichts sagen, und die Männer folgten dem voranleuchtenden Rowson zu dem kaum verlassenen Kamin, wo noch die leeren Trinkgefäße unaufgeräumt umherstanden und lagen.

„Habt Ihr noch einen Trunk?“ frug Atkins, als er den großen eisernen Topf halb niederbog, um das Licht hineinscheinen zu lassen – „keinen Tropfen mehr drin gelassen, so wahr ich lebe!“

„Geduldet Euch eine Viertelstunde,“ sagte Johnson, „und es soll an dem nicht fehlen.“

„Nein,“ warf Atkins ein, „wir müssen sogleich wieder fort –“

„Nun, sagt nur erst, was Ihr zu sagen habt,“ unterbrach ihn der Wirth, „indessen kocht das Wasser. Das braucht Euch wenigstens nicht zu hindern.“

„Nun, Hokker, wie sieht's in Missouri aus?“ frug Rowson, diesem noch einmal derb die Hand schüttelnd.

„Vor allen Dingen nicht mehr Hokker,“ lachte der Fremde – „ich heiße Jones – J. Jones, wenn Dich Jemand fragen sollte.“

„Gut, gut,“ schmunzelte Rowson, „das bleibt sich ziemlich gleich – aber was führt Dich her?“

Der Fremde, der, wie sich bald aus dem Gespräch ergab, in früheren Zeiten ein ziemlich vertrauter Freund Rowson's gewesen war, erzählte jetzt diesem wie den Kameraden, daß er Missouri „einzelner Mißverständnisse“ wegen verlassen und seinen Wohnsitz in Franklin und Crawford County, den westlichen Theilen des Staates, aufgeschlagen habe. Dort allein sei es nämlich, wie er sich ausdrückte, möglich, mit den Indianern wie den Weißen zu gleicher Zeit „in Handelsverbindung“ zu bleiben. Gegenwärtig hatte ein „Compagniegeschäft“ ihn veranlaßt, Yell County zu besuchen, da durch „neidische Menschen“ der früher beliebte Weg, den Arkansas hinunter, gefährlich gemacht war, und er beabsichtigte nun, sich wenigstens einige Tage hier in der Gegend aufzuhalten. Einestheils wollte er seine Fährten kalt werden lassen, anderntheils auch diesen Landstrich, für den er noch von alten Zeiten her eine besondere Vorliebe habe und von dem er in „neuester Zeit“ so viel Rühmliches gehört, einmal in seinen jetzigen Verhältnissen näher kennen lernen.

Rowson hatte den Worten seines alten Freundes mit besonderer Aufmerksamkeit und nicht selten mit beifälligem Kopfnicken gelauscht, jetzt aber, als Jener geendet und Johnson mit dem indessen wieder frisch gebrauten, süß und kräftig duftenden Trunke die Becher füllte, sprang er auf, streckte Jones die Hand hinüber und rief aus:

„Willst Du der Unsere sein? Willst Du augenblicklich Deine Rolle in dem Lustspiel, das wir hier aufführen, übernehmen, so schlag ein! Morgen früh schon beginnt Dein Geschäft.“

„Das hat eigentlich schon längere Zeit begonnen,“ lächelte der Fremde „und was das Lustspiel anbetrifft, so bin ich sogar seit einiger Zeit mit Vortheil in Intriguenstücken verwendet worden, wie sie in Little Rock beim Theater sagen. Keineswegs habe ich die Zeit, die ich in New-Orleans verlebt, unbenutzt vorübergehen lassen. Aber topp, es sei; wenn ich der Sache gewachsen bin und uns oben im Staate vielleicht auch noch dabei nützlich sein kann, so hast Du an mir Deinen Mann gefunden. Ich weiß nur noch nicht recht wie?“

„Das sollst Du augenblicklich erfahren,“ sagte, sich freudig die Hände reibend, Rowson, während er seinen Sitz wieder einnahm und zu gleicher Zeit einen ihm von Johnson dargereichten Becher halb leerte. – „Morgen ist Regulatorenversammlung.“

„Nun, wenn das die ganze freudige Botschaft ist, die Du mir bringen willst,“ sagte Jones lachend, „dann hättest Du Dir die Mühe und Anstrengung sparen können. Das würde eher ein Grund sein, mich meine Reise schneller fortsetzen zu lassen, als ich im Anfang beabsichtigte.“

„Nein, das darfst Du nicht,“ rief Rowson, „Du mußt der Versammlung beiwohnen!“

„Ich? Weiter fehlte mir gar nichts!“ rief Jones erstaunt aus.

„Ja, Du!“ fuhr Rowson, ohne sich irre machen zu lassen, fort. „Keiner der jetzigen Ansiedler kennt Dich hier; die, die damals in dieser Gegend lebten, als Du Atkins' Haus bautest, sind lange todt oder ausgewandert. Ich selbst wollte im Anfang den Verhandlungen beiwohnen, bei mir hat die Sache aber mehrere Haken. Erstlich erlaubt es morgen kaum meine Zeit, das hätte aber doch möglich gemacht werden müssen, wenn Du nicht gekommen wärest. Dann aber sind auch Einige hier am Flusse mir nicht recht grün und würden sich, wie ich fest überzeugt bin, in meiner Gegenwart über Manches zu sprechen scheuen. Dich aber stelle ich morgen früh dem jungen Brown vor (ich muß noch dort eintreffen, ehe Ihr aufbrecht), und zwar als einen ›Regulator aus Missouri‹, der hier nach Arkansas gekommen ist, um mit den hiesigen Regulatoren Verbindungen anzuknüpfen, damit beide Staaten in dieser Hinsicht ihre Kräfte vereinigen könnten. Solcher Art sei es dann am leichtesten möglich, dem Unwesen zu steuern, das, hinsichtlich des Pferdefleisches, die braven und fleißigen Farmersleute der Backwoods zu ruiniren drohen.“

„Herrlich! köstlich!“ jubelte Atkins – „das ist ein ganz capitaler Plan.“

„Ich weiß aber nicht, ob ich so lange Zeit habe,“ sagte Jones bedenklich, indem er mit dem geleerten Blechbecher vor sich auf den Sessel klopfte.

„Zeit haben!“ erwiderte, Rowson; „Du kannst ja Deine Zeit nicht besser anwenden, als Pläne zu ergründen und ihnen dann zu begegnen, die, wenn ausgeführt, eine Verbindung für Dich und Deine Freunde zu einer Unmöglichkeit oder doch so gefährlich machen möchten, daß kein vernünftiger Kerl mehr seinen Hals zur Ausführung derselben hergeben würde.“

„Das ist allerdings wahr,“ sagte Jones sinnend, während er den Becher zum Wiederfüllen gegen den Kessel hielt – „allerdings wahr – aber – wird mir Brown glauben? Ich habe doch heut Abend nichts davon gegen ihn erwähnt.“

„Du wußtest ja doch auch nicht, daß er Regulator war, und wirst nicht jedem Fremden eine solche Nachricht aufhängen.“

„Allerdings – nicht übel – werden aber die übrigen Regulatoren –“

„Das hat keine Noth,“ sagte Johnson, „ich habe schon davon reden hören, daß sie sich mit den angrenzenden Counties in Verbindung setzen wollen, und da wird ihnen ein solches Anerbieten gerade erwünscht kommen.“

„Spion – wirklicher, unverfälschter Spion!“ lachte der Missourier still vor sich hin, „und mitten zwischen die Regulatoren hineingeworfen, wie ein Veilchen in ein Rosenbouquet; ganz amüsantes Abenteuer!“

„Und Du gehst es ein?“ frug Rowson.

„Versteht sich,“ fuhr der Kleine, immer noch mit sich selber redend, schmunzelnd fort – „werde die Einen zum Aufpassen dahinauf und die Anderen dorthin sprengen – werde einen sehr guten Namen hier bekommen und wenn wir einmal einen richtigen Streich führen wollen, nun, dann schicken wir sie Alle auf einen Klumpen in die falsche Himmelsgegend und – hahaha – haben die Luft rein. Gottvoller Einfall das!“

„Und Ihr wollt also morgen nicht mit in die Versammlung gehen, Rowson?“ frug Cotton.

„Nein – nun ist es nicht nöthig,“ erwiderte Jener.

„Wie sollen wir aber erfahren, was sie beschlossen haben?“

„Ist etwas Wichtiges im Werke,“ sagte Rowson nachdenkend, „so mag Jones, der doch gegen Abend auf jeden Fall zu Atkins zurückkommt, dessen Mulatten herüberschicken und Euch Kunde geben. Ich selbst jedoch muß morgen früh noch einige wichtige Geschäfte abmachen und morgen Abend bei Roberts zubringen, will aber Sonntag früh um neun Uhr an der Krenzeiche sein – Ihr kennt den Baum, Atkins, in den der Persimonast hineingefallen ist, daß es wie ein Kreuz aussieht. Nun gut – an der Stelle halt' ich und dahin sendet mir den Mulatten; was auch vorfällt, es ist einerlei, denn möglich wär's, ich hätte selbst eine Botschaft für Euch, und die ganze Strecke zu reiten, bleibt mir keine Zeit.“

„Das wäre also abgemacht,“ sagte Atkins, „so kommt denn, Jones, damit wir zu Hause nicht etwa vermißt werden. Der Teufel ist heut Abend bei mir los, mein Kind ist krank und Betsy hat den Mulatten und meinen weißen Arbeiter nach allen Himmelsrichtungen ausgeschickt, um Hülfe herbei zu holen. Drei alte Weiber aus der Nachbarschaft waren schon angekommen, ehe wir den Platz verließen, und ich bin fest überzeugt, morgen haben wir das ganze Haus voll. Es ist mir schon einmal so gegangen.“

„Laßt aber Brown nicht fort, ehe ich dort eintreffe,“ ermahnte Rowson noch einmal.

„Nein – habt keine Angst, kommt aber nicht gar zu spät, denn wenn ich auch eine halbe Stunde oder so mit dem Frühstück zögern kann, zu lange darf's doch nicht dauern.“

Die Männer riefen sich jetzt leise gute Nacht zu, Atkins und Jones übersprangen die Fenz und verschwanden in der dahinterliegenden Dunkelheit und die Uebrigen suchten auf's Neue ihr Lager, um das jetzt an Schlaf wieder einzubringen, was sie durch den späten und unerwarteten Besuch versäumt hatten. Cotton brummte aber noch, als er sich wieder in seine Decke einhüllte: „Wer mich heute zum zweiten Mal stört, dem dreh' ich den Hals um – das ist sicher“ – und schon im nächsten Augenblick bewies sein entsetzliches Schnarchen, wie müde er sei und wie sehr er der Ruhe bedürfe.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas