21. Kapitel (Wilsons Geständnis – Die Wäscherin)

21. Wilson's Geständnisse. – Die schöne Wäscherin. – Arkansische Wiege. – Der Rückzug.

Roberts hatte noch nicht lange Harper's Hütte verlassen, als sich Brown ebenfalls rüstete, zu Bowitt hinauf zu reiten, an dessen Haus am nächsten Morgen die Versammlung der Regulatoren gehalten werden sollte. Cook begleitete ihn ein Stück Weges, ritt jedoch dann links ab, um in seinem eigenen Hause zu übernachten und mit Tagesanbruch nachzufolgen, während Bahrens bei dem Reconvalescenten zu bleiben versprach. Harper verschwor sich übrigens hoch und heilig, daß das der letzte Tag gewesen sein solle, den er sich habe in dem verwünschten Hause einsperren lassen.


„Ich muß wieder einmal Laub und Moos unter den Füßen fühlen,“ rief er aus, „muß wieder einmal das grüne Blätterdach über mir sehen, eher werde ich nicht gesund.“ Es wurde also verabredet, daß er am nächsten Tage mit nach Bahrens' Hause reiten und dort eine Woche zubringen solle. Da die Tour aber für einen durch die Fieber Geschwächten auf einmal zu groß geworden sein würde, so wollten die Männer die erste Nacht bei Roberts übernachten, der sie schon lange eingeladen hatte.

Brown trabte indessen auf seinem feurigen kleinen Pony den schmalen, im Laube kaum erkennbaren und sonst nur durch abgeschälte Stücke Baumrinde bezeichneten Pfad fort und erreichte in etwa anderthalb Stunden Wilson's kleine Farm, den er ebenfalls gerade im Begriff fand, sein Pferd zu besteigen.

„Hallo, Wilson – wohin soll die Reise gehen? auch zur Regulatorenversammlung'?“ rief Brown ihm freundlich entgegen.

„Ja!“ sagte der junge Mann, wurde aber merklich roth dabei und schnallte mit einem ganz verzweifelten Eifer am Sattelgurt. Der war indessen schon überdies zum Zerplatzen angespannt und veranlaßte nur das Pferd, einige höchst ungeduldige Bewegungen zu machen, während es mehrere Male bedeutend nach Luft schnappte.

„Was macht Ihr denn, Wilson?“ lachte Brown, der es bemerkte – „schnürt ja dem armen Thiere die Seele aus dem Leibe. – Wollt Ihr denn ein Wettrennen halten, daß Ihr so nach dem Zeuge seht?“

„Nein, das gerade nicht,“ murmelte der Andere, „welchen Weg reitet Ihr?“

„Ich wollte zu Euch – und Ihr?“

„Ich? – ich gedachte bis Atkins –“

„Nun, das ist schön, dann komm' ich ein andermal zu Euch und bleibe heute Abend mit bei Atkins. – Ich habe überdies dort eine Bestellung von Roberts auszurichten.“

Wilson wollte noch etwas dagegen einwenden, Brown achtete aber nicht darauf, oder mußte es überhört haben, denn er rief dem Freunde nur flüchtig zu, aufzusitzen, und drehte dann seines Pferdes Kopf dem neu bestimmten Lagerplatze zu.

Wilson war bald an seiner Seite und frug endlich, wahrscheinlich nur um das Schweigen zu brechen:

„Ihr habt also einen Auftrag von Roberts – wohl für Rowson? Der will ja Atkins' Farm kaufen, wie man sagt – wenn Atkins nämlich wirklich fortzieht.“

„Ist denn das noch nicht bestimmt?“

„Wer weiß es denn? Der alte Bursche ist finster und verschlossen, wie das Grab. Mir sagt er's schon gar nicht.“

„Warum denn Euch nicht eben so gut als jedem Andern?“ frug Brown lächelnd, während Wilson auf einmal ganz unerwartet ein Lied zu pfeifen anfing und mit der Reitgerte, die er sich von einem Busche gebrochen, seine Leggins klopfte. Auch schien er eine Weile die Antwort auf diese Frage schuldig bleiben zu wollen, bis sie Brown wiederholte, dann aber zügelte er sein Pferd ein, streckte dem jungen Mann, als dieser ebenfalls neben ihm halten blieb, die Hand herüber und sagte mit herzlichem Ton und Blick:

„Ihr sollt meine ganze Geschichte erfahren, Brown, mit ein paar Worten ist sie gesagt, und – Ihr meint es gut – vielleicht könnt Ihr mir selbst einen Rath geben.“

„Nun, laßt hören,“ entgegnete ihm der Freund, „vielleicht, vielleicht auch nicht – es ist nicht oft, daß ich um Rath gefragt werde, und noch dazu in – Herzensangelegenheiten,“ lächelte er zu Wilson hinüber, als er sah, wie diesem das Blut in Wangen und Schläfe stieg.

„Ja – Ihr habt Recht,“ flüsterte er endlich – „es ist eine Herzensangelegenheit, doch – keine glückliche. Seid Ihr in Atkins' Hause bekannt?“

„Ich war nie dort.“


„Er hat ein Kind – eine angenommene Waise – ein Mädchen – ach, Ihr lacht mich aus, wenn ich von ihr reden wollte, wie's mir um's Herz ist. – Ja, ich weiß wohl, wenn Ihr auch schon mir zu Liebe an Euch hieltet, inwendig machtet Ihr Euch doch über mich lustig. Nun, ich will Euch die Beschreibung erlassen; ich liebe das Mädchen schon seit einem Jahr, wo sie damals mit Atkins an den Fourche la fave zog, und der Vater – will sie mir nicht geben. Es ist zwar nur ihr Pflegevater, hat sie aber erzogen und eine wackere Dirne aus ihr gemacht, was freilich nicht die Schuld seiner Frau ist. Jetzt jedoch will er ihr einen Mann aufdringen, den sie nicht mag und den sie unter keiner Bedingung nehmen will – aber – er quält sie doch.“

„Das ist freilich schlimm,“ sagte Brown – „wie alt ist sie?“

„Ach, leider erst siebzehn Jahre,“ seufzte Wilson – „wäre sie einundzwanzig, so brauchten wir den Alten nicht zu fragen.“

„Hat sie Euch denn recht von Herzen lieb?“

„Sie hat es mir mehr als tausendmal gestanden.“

„Nun, worin besteht denn da eigentlich die große Noth? Das Herz der Eltern wird sich doch Wohl noch mit der Zeit erweichen lassen,“ tröstete ihn Brown.

„Ja, wenn es nur Zeit hätte!“ rief Wilson ungeduldig aus; „Rowson hält morgen Hochzeit, und da soll Ellen hinüber kommen und den jungen Leuten die Wirthschaft führen helfen.“

„Morgen?“ hauchte Brown erbleichend.

„Ja – am Nachmittag,“ fuhr Wilson, ohne es zu bemerken, fort. „Hat Atkins dann ausverkauft, so will er nach Texas, und – das Mädchen muß mit.“

„Nun, so geht Ihr mit ihm,“ sagte Brown, der kaum noch hörte, was der Andere sprach.

„Das geht nicht,“ erwiderte dieser – „ich habe meine alte Mutter in Tennessee, nicht weit von Memphis, wohnend, und die müßt' ich auf jeden Fall erst holen. Sie lebt jetzt bei fremden Leuten, und dort soll sie mir einmal nicht sterben.“

„Da werd' ich freilich wenig für Euch thun können,“ seufzte Brown etwas zerstreut, „ich kenne Atkins gar nicht, habe ihn erst einmal gesehen, und es ist doch höchst unwahrscheinlich, daß er auf meine Fürsprache auch nur das geringste Gewicht legen würde.“

„Das sollt Ihr auch nicht bei Atkins versuchen, sondern bei jemand ganz Anderem.“

„Und bei wem?“

„Bei Madame Rowson. – Ihr seid mit Roberts gut bekannt, und Marion hält viel auf Euch, das weiß ich. Wenn Ihr sie recht schön für mich bitten wolltet, sie thät' es Euch sicherlich zu Gefallen.“

„Madame Rowson,“ sagte Brown leise und wie in tiefen Gedanken verloren, – „Madame Rowson – kann sie helfen?“

„Oh, sie gilt sehr viel bei Atkins,“ betheuerte Wilson. „Als Atkins' Frau im letzten Sommer so lange und gefährlich krank lag, hat sie ganze Wochen lang mit Ellen an ihrem Bette gewacht. – Ihr thun sie Alles zu Liebe, es ist ein gar so gutes Mädchen –“

„Ja – ja!“ seufzte Brown tief auf.

„Nicht wahr, das glaubt Ihr auch?“

„Was?“

„Daß sie ihr Alles zu Gefallen thun werden.“

„Guter Wilson,“ sagte Brown, sich halb von seinem Begleiter abwendend – „Ihr hättet Euch in dieser Sache sicherlich an einen Besseren wenden können, als an mich. Rowson selbst würde da vielleicht ein nützlicherer Fürsprecher sein.“

„Ja,“ sagte Wilson halb ärgerlich, „das weiß ich; aber verdammt will ich sein, wenn ich den Mann leiden kann. Die ganze Nachbarschaft hat ihn gern, die Frauen wenigstens, die ganz versessen auf ihn sind, doch ich, ich weiß nicht, mir wird's immer unbehaglich, wenn ich mit ihm freundlich thun soll. Sonderbar m?ssen auch seine Verhältnisse sein. Vor einem Jahr kommt er hierher, sagt selbst, daß er arm ist, arbeitet nicht das Mindeste, predigt nur und bekommt von keinem Menschen einen Cent dafür, hat aber immer Geld, treibt sich auf solche Art zwölf Monate im ganzen County umher und heirathet auf einmal das schönste Mädchen am Fourche la fave (Ellen ausgenommen, denn, ich weiß nicht, die gefällt mir doch noch besser). Ich selbst habe weiter nichts gegen Rowson, kann nichts gegen ihn haben, denn daß er feig ist, nun, was kümmert das mich, aber – um eine Gefälligkeit möcht' ich ihn nicht bitten, und wenn mein ganzes Lebensglück auf dem Spiele stände.“

„Habt Geduld, Wilson,“ tröstete ihn Brown, „wenn Euch das Mädchen liebt und der andere Mann ihr Wort noch nicht hat, so wird sich auch Alles noch einrichten lassen. Ihr habt viele Freunde hier und seid jung und fleißig – was wollt Ihr mehr?“

„Das Mädchen will ich, Brown,“ sagte Wilson treuherzig, „und wenn Ihr auch noch so schön predigt, so seht Ihr mir doch ebenfalls aus, als wenn Ihr den entsetzlichsten Kummer auf der Welt hättet und keinem Menschen ein Wort davon anvertrauen könntet. Nein, so still halt' ich's nicht aus. Bis Atkins fortgeht, muß sich mein Schicksal entscheiden, und will oder kann mir bis dahin Keiner von Euch helfen, daß ich das Mädchen im Guten bekomme, nun so hol' mich der Teufel, wenn ich sie nicht entführe – und mit geht sie, das weiß ich.“

„Habt Ihr denn schon bei Atkins um sie angehalten?“

„Ja, und sie – die Alte – ein bitterböses Weib, hat mir gedroht, mich zur Thür hinauszuwerfen, wenn ich mich noch einmal dort blicken ließe.“

„Und jetzt wollt Ihr hin?“

„Allerdings – aber nicht in's Haus,“ lachte Wilson – „so auf den Kopf gefallen bin ich nicht. Nein, Ellen wäscht heute unten am Bache, ein paar hundert Schritt vom Hause entfernt, im Busch drin, und da das fast die einzige Zeit ist, wo ich ungestört ein Wörtchen mit ihr plaudern kann, so wollt' ich die Minuten wenigstens benutzen. Nachher, wenn sie ihre Arbeit beendet hat, reit' ich noch nach Bowitts hinüber; das Wetter ist ja warm und schön.“

„Kann ich denn Euer Liebchen nicht einmal zu sehen bekommen, daß ich doch wenigstens weiß, welchen Geschmack Ihr habt?“ lächelte Brown.

„Warum das nicht?“ rief freudig Wilson, „sie wird Euch gefallen, und ich brauche mich ihrer nicht zu schämen; aber kommt denn, wir sind nicht weit mehr von dem Platze entfernt und müssen hier rechts abbiegen, sonst sehen sie uns vom Hause aus. – Halt – hier laßt Euer Pferd, denn durch die Slew können wir nicht reiten, und zur Brücke liegt nur eine alte, dürre Cypresse darüber hin. Mein Pony nehme ich übrigens hinunter in das Schilfdickicht – da ist sein gewöhnlicher Platz“.

„So,“ sagte er, als er jetzt schnell wieder zurückgesprungen kam und dem Freunde über die schmale Brücke voranlief – „so – dort ist sie, aber nur leise, wir wollen sie überraschen.“

Die Männer schlichen auf den Zehen einem kleinen offenen Fleck im Walde, gerade in der Biegung des Baches zu, der seine Wasser dem nicht weit entfernten Fourche la fave in tausend Krümmungen entgegenführte, und blieben hier, von dem lieblichen Schauspiel, das sich ihnen bot, wirklich überascht, stehen. Wilson aber warf dem Freund einen triumphirenden Blick zu, als ob er hätte sagen wollen: siehst Du, daß ich Recht habe? Ist das ein Wesen für Texas, und soll ich mir diese holde Blume entführen lassen?

Neben dem kiesigen Bachufer, von zwei niederen Holzgabeln gestützt, hing über einem kleinen knisternden Feuer ein mächtiger schwarzer Kessel; mehrere kleine Bänke standen in einem Halbkreis umher und trugen in einzelnen Abtheilungen die verschiedenen Wäscharten, farbige und weiße, und vor einem tischähnlich befestigten Brett stand Ellen, Wilson's holdes Lieb, schlug mit dem breiten Waschholz die einzelnen Stücke Weißzeug, die sie aus einem neben ihr stehenden Kübel nach einander vornahm, und begleitete mit ihrer silberhellen Glockenstimme die regelmäßigen Schläge des Klöppels. Aber nicht ihre einzige Beschäftigung war das. Dicht daneben, zwischen zwei schlanken Hikorystämmen befestigt, hing, von dem leichten Südwind geschaukelt, eine kleine, aus Papaorinde geflochtene Hängematte, in der ein rothbäckiges Kindchen bis jetzt still und friedlich geschlummert hatte. Das schlug aber jetzt die großen dunkeln Augen auf, that einen Blick in die Höhe und verzog dann, anstatt die herrliche, es umgebende Natur freundlich anzulächeln, das kleine liebe Gesichtchen zu einer so entsetzlich sauern Miene, daß alle Anzeichen eines nahenden Sturmes und Wehegeschreis zu fürchten waren. Ellen hatte den kleinen Schläfer aber nicht außer Acht gelassen und bemerkte kaum das Erwachen des angehenden, ungeduldigen Weltbürgers, als sie auch ihren Klöppel schnell fallen ließ, die Hängematte in etwas lebhaftere Bewegung setzte und dem durch ihre Gegenwart sogleich beruhigten Kinde mit leiser, schmeichelnder Stimme ein Wiegenlied vorträllerte. Die Männer lauschten schweigend und Ellen, ihre Nähe nicht ahnend, sang, munter bald sich zu dem jetzt lächelnden Kinde niederbiegend, als ob sie es küssen wollte, bald neckend von ihm zurückfahrend:



Es schaukelt so leise

Der spielende Wind

Im sicheren Netze

Das lächelnde Kind.



Es scheucht Dir die Fliegen

Und fächelt Dich, Lieb',

Und raubt tausend Küsse,

Der schelmische Dieb.



Er küßt Dir die Schläfe,

Die Wänglein so rund,

Er küßt Dir die Locken,

Den rosigen Mund.



Er pflückt von den Zweigen,

Was Lenz ihnen gab,

Und wirft Dir auf's Bettchen

Die Blüthen herab.



So schlumm're, mein Herzchen,

Dein Wächter, der Wind,

Dein freundlicher Hüter,

Er schaukelt das Kind.



Er schaukelt's so leise,

Was willst Du denn mehr? –

Mit neckischem Kosen

Wohl hin und wohl her. –



„Ach Gott!“ fuhr sie aber erschrocken auf, als Wilson bei dem letzten Vers leise an sie herangetreten war und seine Hand um ihre Hüfte legte – „ach Du böser Mensch, wie Du mich erschreckst hast!“

„Sei nicht böse darüber, mein liebes Mädchen,“ flüsterte Wilson, einen Kuß auf die Lippen der sich nur schwach Sträubenden pressend, „aber sieh, hier hab' ich Dir einen Freund mitgebracht – der –“

Ellen wandte sich rasch und erschrocken um. Als aber ihre Blicke denen des freundlich lächelnden jungen Fremden begegneten, der ja auf jeden Fall auch den Kuß gesehen haben mußte, färbte sich ihr Hals und Antlitz wie von Purpur übergossen und flüchtigen Fußes wollte sie fort. Wilson aber faßte noch zeitig genug ihre Hand und bat flehend:

„Ellen – es ist ja ein guter Freund und er weiß, daß wir uns lieb haben; überdies,“ fuhr er neckend fort, „darf das kleine Fräulein auch unter keiner Bedingung fortlaufen und den ihr anvertrauten Schutzbefohlenen zurücklassen. Also – da der Schelm in der Hängematte gerade keine besondere Lust bezeigt, auszuwandern, so bleibst Du am liebsten hier. – Hab' ich Recht oder Unrecht?“

„Unrecht,“ flüsterte lächelnd das Mädchen, indem sie sich, immer noch von hoher Gluth übergossen, vor dem Fremden verneigte – „Unrecht, Du weißt, daß Du immer Unrecht haben mußt.“

„Schöne Gesetze,“ sagte Wilson mit ernst-komischer Miene zu Brown – „sehr schöne Gesetze. Da sind unsere Regulatoren noch gar nichts dagegen.“

„Die häßlichen Regulatoren –“ rief Ellen.

„Halt da,“ unterbrach sie lachend Wilson – „nicht so voreilig, Miß – hier stehen zwei.“

„Du ein –“

„Stop a little – hier ist unser Hauptmann, und ich –“

„Oh, Sie sind kein Regulator, nicht wahr?“ sagte halb ängstlich, halb schmeichelnd das Mädchen zu Brown, „das glaube ich nicht.“

„Haben Sie einen so fürchterlichen Begriff von diesen Menschen?“ lächelte Brown.

„Ach ja – Mutter und Vater haben mir entsetzliche Dinge von ihnen erzählt: wie sie die unschuldigen Männer Nachts aus ihren Betten holen, nur wenn Einer von ihnen auf Jemanden böse ist, und sie dann an einen Baum binden und so lange peitschen, bis sie sterben. Vater hat geschworen, Jeden todt zu schießen, der Nachts in feindlicher Absicht über seine Schwelle käme.“

„Sie sind nicht so schlimm, als es Ihr Vater wohl glaubt,“ meinte Brown, „und wenn auch –“

„Nun bitt' ich aber ebenfalls darum, ein Wort mit einlegen zu dürfen,“ rief Wilson, zwischen sie tretend. „Ich bin denn doch wahrhaftig nicht hierher gekommen, einer Abhandlung über die Regulatoren zuzuhören. Ellen, hast Du noch einmal mit Deiner Mutter gesprochen?“

„Ja,“ sagte das arme Mädchen, traurig das Köpfchen senkend – „sie meinte aber –“

„Du brauchst Dich vor Mr. Brown nicht zu scheuen, er weiß Alles,“ betheuerte Wilson, als er bemerkte, wie seine Braut diesem einen ängstlichen Seitenblick zuwarf.

„Ach, es hilft ja auch nichts, es zu verschweigen,“ seufzte das arme Mädchen, ganz Arkansas wird's doch wohl bald erfahren, daß ich den rohen Cotton heirathen soll.

„Cotton?“ frug Brown erstaunt.

„Ja – leider. – Zwar hat es mir die Mutter streng untersagt, den Namen gegen irgend Jemand auszusprechen, aber weshalb nicht? – Eher sterb' ich, als daß ich den Menschen heirathe.“

„Du sollst ihn auch nicht heirathen,“ sagte Wilson trotzig – „verd – ja so, das darf ich auch nicht,“ unterbrach er sich selbst, als ihm sein Liebchen einen strafenden Blick zuwarf. „Ich weiß aber schon, was ich thue; haben wir erst die Raubbande entdeckt, die hier ganz in unserer Nähe ihr schändliches Wesen treibt, und will sich Atkins noch immer nicht erweichen lassen, nun gut, dann soll mich – Dieser und Jener holen – das ist nicht geflucht – wenn ich nicht einen dummen Streich mache und mit Dir davonlaufe.“

„Und das nennt der Herr einen ›dummen Streich‹?“ sagte Ellen mit einem gar so lieben und doch auch wieder recht wehmüthigen Lächeln.

„Du weißt ja, wie ich's meine,“ bat Wilson – „aber was ist Euch, Brown – Ihr seht so gedankenlos oder gedankenvoll, wie man's nehmen will, in die Baumwipfel hinauf?“

„Haben Sie den Mann, den Sie Cotton nannten, kürzlich gesehen?“ wandte sich Brown jetzt, ohne Wilson's Bemerkung zu beachten, an das junge Mädchen.

„Ja,“ sagte diese, „vor etwa vier Tagen kehrte er, ich glaube vom Mississippi, zurück, wohin er fast vor zwei Wochen aufgebrochen war. Er kommt aber immer nur Abends, und ich mag sein heimliches, häßliches Wesen nicht leiden; – kennen Sie ihn?“

„Ich glaube, weiß es aber wirklich nicht gewiß; kommt er wohl – aber was ist mit Wilson?“

Brown hatte auch alle Ursache, diesem bestürzt nachzusehen, denn wie eine Schlange glitt er plötzlich in's Dickicht und war in wenigen Secunden spurlos verschwunden. Die Ursache dieses eigenthümlichen Rückzuges blieb aber nicht lange ein Räthsel, denn fast zu gleicher Zeit erschien in dem nach dem Hause zuführenden Pfade die stattliche und selbst noch jugendliche Gestalt der Mrs. Atkins, deren helles, schimmerndes Kleid Wilson noch zur rechten Zeit gewarnt hatte, und der es jetzt dem Freunde überließ, mit dem anrückenden Feinde fertig zu werden.

„Hallo da, Miß!“ rief die sich mit gewaltigen Schritten und hochgehobenem Haupte nähernde Frau, „hallo da – Herrengesellschaft? Ich habe schon seit einer Viertelstunde keinen einzigen Schlag gehört, die Wäsche soll sich wohl allein fertig machen?“

„Das Kind –“ stotterte Ellen.

„Was da – Kind – das liegt so ruhig wie ein Gotteskäferchen in seinem Neste; leere Ausreden –“

„Ich muß Sie bitten, die junge Dame meinetwegen zu entschuldigen,“ unterbrach jetzt Brown vortretend die Zürnende, indem er sie freundlich grüßte, „ich komme mit einem Auftrag von den Herren Roberts und Rowson und beabsichtigte eigentlich, die Nacht in Ihrer Wohnung zuzubringen.“

„Dies ist nun freilich der breite Weg nicht,“ sagte Mrs. Atkins, jedoch schon merklich besänftigt.

„Allerdings nicht,“ lächelte Brown, jetzt nur bemüht, dem armen zitternden Mädchen jedes harte Wort zu ersparen, „ich kam aber ein Stück durch den Wald und wußte an der Slew nicht recht, ob ich hinauf- oder hinunterreiten solle, um das Haus am schnellsten zu erreichen, ging also zuerst über den darüber hinwegliegenden Stamm, um zu recognosciren, und fand die junge Dame hier, die ich freilich durch meine Fragen einige Minuten in ihrer Arbeit störte.“

„Junge Dame – hat sich 'was ›junge Dame‹, setzen Sie dem Mädchen nur keinen Unsinn in den Kopf. Doch mein Mann ist oben im Hause; wo steht denn Ihr Pferd, ich will den Jungen danach schicken!“

„Gerade dort, wo die Cypresse über der Slew liegt,“ erwiderte Brown, dem jetzt daran lag, die zürnende Frau mit zum Hause zurück zu nehmen, um Wilson freien Spielraum zu lassen.

„Gut, so kommen Sie,“ sagte Madame Atkins – „und Du, Mamsell, hältst Dich dazu und bist fleißig. Noch nicht die Hälfte von der Wäsche geklopft – es ist eine Schande, und schon an zwei Stunden hier unten! Daß Du mir vor Dunkelwerden fertig wirst! Und was macht das Kleine?“ wandte sie sich dann mit wahrhaft mütterlicher Zärtlichkeit in dem sonst so rauhen Tone zu der schwebenden Wiege des Kindes nieder, das der bekannten Gestalt mit freundlichem, jauchzendem Lächeln entgegenstrampelte – „das gefällt dem Kinde? nicht wahr? schaukeln – den ganzen Tag schaukeln, und nachher schläft's die Nacht nicht, und Ellen muß bis Tagesanbruch mit ihr herumlaufen – der kleine Schelm; aber ja – Sie warten; also Ellen, daß Du mir fleißig bist!“

Und mit den Worten warf sie noch dem Säugling einen freundlichen Kuß zu und schritt dann, von Brown gefolgt, dem nicht sehr fernen Wohnhause wieder zu.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas