20. Kapitel (Rowson bei Roberts – Assowaum)

20. Rowson bei Roberts. – Assowaum.

Fast drei Wochen waren seit jenem Abend, an welchem Brown von Marion Abschied genommen, verflossen. Er hatte sich damals geschworen, sie nie wieder aufzusuchen – und seinen Schwur treu und fest gehalten. Was er aber in jener Zeit gelitten, wie er mit sich gerungen, wußte nur er, und sein Antlitz war bleich geworden, seine Augen hatten den Glanz, das frühere Leben verloren. Nichts würde ihn auch vermocht haben, länger in einer Gegend zu weilen, wo er nur zu bald selbst Zeuge sein mußte, wie ein Wesen geopfert wurde, an dessen Seite er einen Himmel hätte finden können. Ehe er aber ging, wollte er wenigstens in den Augen der Welt seinen guten Namen hergestellt wissen, daß kein Makel auf ihm haftete, keine giftige Zunge mit verleumderischer Nachrede ihn beflecken konnte. Marion hielt ihn eines solchen Verbrechens nicht für fähig, davon war er überzeugt, aber auch seine Freunde in Arkansas sollten das nicht, und so beliebt er bei ihnen sein mochte, hielten ihn doch jetzt noch Viele für den wirklichen Thäter. Ja, sie entschuldigten ihn noch dabei, fanden den Mord als Nothwehr vollkommen gerechtfertigt und zuckten nur mit den Achseln, wenn die Sprache auf das Geld kam. – „Es hätte dem Todten auch weiter keinen Nutzen bringen können, wenn er das gute Geld mit in den Strom genommen.“


Der wirkliche Thäter mußte deshalb entdeckt und bestraft, auch die Indianerin gerächt sein, dann wollte er ein Land verlassen, in dem doch für ihn fortan nur Kummer und Schmerz blühen konnten.

Und was empfand Marion indessen für den Freund, den sie so nahe und doch wieder so fern wußte? Das Herz des Weibes ist stark, und gewaltige Leiden müssen es sein, die es brechen; Marion aber fühlte, daß sie ihre Pflicht that, und in dem Gedanken fand sie Beruhigung für den sonst sicher zu herben, vernichtenden Gram. Rowson hatte ihr Wort; zwar kannte sie damals, als sie es gab, den Mann noch nicht, bei dessen erstem Anblick sie erst empfinden sollte, was Liebe eigentlich sei, aber es war gegeben, freiwillig, ohne Zwang und Zureden – sie durfte nicht zurücktreten. Und hätte sie es auch vor Gott verantworten können, das Herz des einen Mannes, und dieser Eine ihr rechtmäßiger Bräutigam, zu brechen, um einen Andern glücklich zu machen? Hatte ihr nicht Rowson mit seiner weichen, klangvollen Stimme erst noch neulich gesagt, wie er nur in ihr seine irdische Seligkeit finden könne, wie ihm ihr Antlitz das sei, was der Pflanze Luft und Sonnenschein, daß ihre Nähe schon eine stille, fromme Gluth durch seine ganze Seele gieße, und er verzweifeln müßte, wenn sie sich je von ihm wenden würde?

Ach, das arme Mädchen benetzte in jener Nacht ihr Kissen mit heißen, heißen Thränen. Kein Mensch sah sie, aber im brünstigen Gebet kam ihr Trost und Beruhigung in das gequälte bangende Herz, und der andere Morgen fand sie stark und gefaßt.

Es war wieder ein Freitag, gerade vierzehn Tage nach jenem entsetzlichen Abend, an welchem die arme Indianerin dem feigen Mörder zum Opfer fiel; die Sonne stand noch über den maigrün schimmernden Wipfeln der herrlichen Baumgruppen, die sich an der Grenze des kleinen Feldes dicht zusammendrängten, als ob sie jetzt fest entschlossen seien, dem weiteren Vorrücken der tolldreisten Menschenfaust kräftig und gemeinsam entgegenzutreten. Recht ernstlich reichten sie sich die starken, gewaltigen Arme herüber und hinüber und flochten mit den rankenden Schlingpflanzen die mächtigen Netze, die sie auf immer und ewig mit einander verbinden sollten. Dazu schüttelten sie im leichten Südwind altklug und schlau die buschigen Häupter, und kecke Eichhörnchen trugen spielend und scherzend die Botschaften hin und her. Armer Wald – du wirst der Axt nicht widerstehen, die sich langsam, aber sicher in deine Reihen frißt. Deine Stämme werden fallen, und ranken sich dann auch in enger, liebender Umarmung Liane und Weinrebe fest um dich her und lassen nicht ob von dem Gestürzten, es ist umsonst, sie können mit ihm sterben, aber ihn nicht retten.

Vor und in dem Farmhause des alten Roberts herrschte indessen ein reges, freudiges Leben. Die holde Marion stand, mit einem kleinen Korb am Arm, unter einer flatternden und gackelnden Schaar von Hühnern, Enten und Gänsen und streute weit hinaus in den reinlichen Hof die goldenen Maiskörner; draußen an der niedern Fenz aber stürmte ein ganzes Rudel grunzender und tobender Ferkel auf und ab und suchte vergebens in wilder Hast einen Eingang, um an dem freigebigen Mahle Theil zu nehmen. Die Mutter saß dabei und schaute lächelnd dem lebendigen Treiben zu, als Marion plötzlich einen leisen Schrei ausstieß und den leeren Korb, den sie eben zum Hause zurücktragen wollte, fallen ließ.

An der Fenz stand Rowson und winkte ihr mit freundlich lächelndem Antlitz einen Gruß herüber. Er hatte seine Geschäfte beendet und war gekommen, um seine Braut heimzuführen.

„Was ist Dir?“ rief im ersten Moment erschrocken die Matrone, bemerkte aber auch zu gleicher Zeit den lange und sehnsüchtig Erwarteten und sagte – ihm freundlich die Hand entgegenstreckend: „Nun, das ist schön, Mr. Rowson – sehr schön von Ihnen, daß Sie endlich wieder da sind. Wir haben Sie recht sehnsüchtig erwartet.“

„Marion auch?“ frug der Priester lächelnd, indem er, über die niedere Fenz tretend, die Hand des erröthenden Mädchens ergriff und leise preßte, „Marion auch?“

„Ich freue mich recht, Sie gesund und wohl wieder zu sehen,“ flüsterte die Jungfrau, „Sie wissen ja, daß Sie uns stets willkommen sind.“

„In Ihrem Hause – aber auch in Ihrem Herzen, Marion?“ frug Rowson dringend. Das Mädchen zitterte und schwieg. „Marion,“ fuhr der Methodist nach langer Pause fort – „der Segen des Himmels ist auf meinem jetzigen Zuge mit mir gewesen. Ich bin jetzt wohlhabend genug, um mir hier in unsern bescheidenen Verhältnissen eine Heimath gründen zu können. Marion, willst Du mein sein, willst Du am nächsten Sonntag, am Tage des Herrn, mein Weib werden?“

„Ja,“ sagte die Mutter gerührt, als sie das bebende, keines Wortes mächtige Kind an ihre Brust zog – „ja, ehrwürdiger Herr – sie hat es mir schon gestanden, daß sie Euch gut sei, und das Uebrige findet sich Alles, Ihr werdet sie sicherlich glücklich machen.“

„Was in meinen Kräften, in den Kräften eines armen sündigen Menschen steht,“ sagte der Methodist, indem er die Augen fromm zum Himmel erhob, „werde ich thun. Ich glaube auch gewiß, daß Marion fest davon überzeugt ist; darf ich es wenigstens hoffen?“

Das schöne Mädchen reichte ihm lautlos die Hand hinüber, die er an seine Lippen drückte, und schluchzte laut am Herzen der Mutter.

„Hallo, Rowson!“ sagte der alte Roberts, der in diesem Augenblick neben der Fenz erschien, „Ihr habt richtig Wort gehalten. Nun, wie stehen die Geschäfte?“

„Vortrefflich, Mr. Roberts!“ erwiderte der Methodist freudig, „besser sogar, als ich erwartet hatte, und ich komme nun, um Euch um Euren Segen zu der Verbindung mit Eurer Tochter, und zwar auf nächsten Sonntag, zu bitten.“

„Wird das dem Mädchen aber nicht zu unerwartet und schnell kommen?“ frug Roberts, indem er sein Pferd dem Negerknaben übergab und, die Fenz übersteigend, zu ihnen hinantrat.

„Sie ist damit einverstanden,“ sagte die Mutter, „was brauchen wir auch hier im Walde große Vorbereitungen? Wie aber ist's mit Ihrer Wohnung, Mr. Rowson?“

„Ich wollte Sie Beide zu gleicher Zeit bitten,“ sagte der Prediger, „diese morgen früh, wenn Sie mir ein paar Stündchen Zeit schenken können, in Augenschein zu nehmen. Sie ist zwar noch klein und beengt, ich werde aber wahrscheinlich in dieser Woche mit Atkins handelseinig werden und dessen Platz kaufen; nachher können wir uns schon besser rühren.“

„Wäre es denn aber gerade darum nicht besser,“ meinte Roberts, „Ihr wartetet noch mit der Heirath, bis das geschehen ist? Es ersparte viele Umstände beim Ausziehen und – ist auch dem Mädchen sicherlich lieber, gleich in eine kleine Farm, als blos in eine Blockhütte einzuziehen.“

„Das ist allerdings nicht zu leugnen,“ erwiderte Rowson „dann aber ist es noch unbestimmt, wann Atkins fortzieht, es können vier, ja vielleicht sogar acht Wochen darüber hingehen, und, bester Mr. Roberts, Sie werden es mir nicht verdenken können, wenn ich mich jetzt, nach Beseitigung so vieler Hindernisse, sehne, Marion die Meine zu nennen.“

„Nun, in Gottes Namen,“ sagte der alte Mann, „nehmt sie hin und seid glücklich mit einander.“

„Dank – herzlichen Dank!“ rief Rowson, gerührt seine Hand ergreifend – „Marion soll nie bereuen, ihr künftiges Schicksal meiner Hand anvertraut zu haben. Doch jetzt lebt wohl, Ihr lieben Eltern, erlaubt, daß ich Euch so nennen darf, und bald –“

„Aber wollen Sie denn nicht lieber heut Abend bei uns zubringen?“ fragte Mrs Roberts – „Sie sind so lange fort gewesen, und es ist eigentlich nicht recht, die Braut fortwährend allein zu lassen.“

„Die Zeit ist kurz, meine gute Mrs. Roberts,“ seufzte Rowson, „und hier in unserer Ansiedelung, wo die Nachbarn so weit von einander entfernt wohnen, vergeht, mit nur wenigen Besorgungen, ein Tag ungemein geschwind. Ich hoffe aber bis morgen Abend Alles beendet zu haben und dann wenigstens noch die letzten Stunden vor dem glücklichen Tag in Ihrer Gesellschaft, in der Gesellschaft meiner Braut verbringen zu können.“

„Gut – gut, Mr. Rowson,“ sagte der Alte – „das ist ganz in der Ordnung. Sie sind jetzt eine Woche von zu Hause fort gewesen, da ist natürlich viel in Ordnung zu bringen; also morgen Abend sehen wir uns wieder – apropos – es bleibt doch dabei, daß wir am Montag zusammen zu Atkins gehen?“

„Sicherlich,“ sagte der Prediger.

„Nun gut,“ fuhr Roberts fort, „ich habe schon heut Abend Brown darum gebeten, uns anzumelden; der kommt morgen früh dort vorbei, um der Regulatorenversammlung beizuwohnen, die bei Bowitts gehalten werden soll.“

„Mir wurde gesagt, die Regulatoren hätten sich aufgelöst,“ sagte Rowson etwas eifriger, als sich sonst mit seinem ruhigen, gesetzten Benehmen vertrug. „Auf meiner Reise hört' ich das als ganz bestimmt.“

„Nicht doch – es soll jetzt erst recht losgehen. Ich glaube, sie haben, wie ich heute hörte, Verdacht auf mehrere Personen der Nachbarschaft, und da wollen sie wohl morgen mit einander berathen, was jetzt, da die Zeiten doch einmal so gefährlich –“

„Wäre es nicht möglich, dieser Versammlung einmal beiwohnen zu können?“ unterbrach ihn Rowson.

„Warum nicht,“ lachte Roberts, „dann müssen Sie aber Regulator werden, und meines Wissens haben Sie bis jetzt sehr dagegen geeifert.“

„Den Regulatoren thäte ein Mann noth,“ sagte Rowson schnell gefaßt, „der ihren zu stürmischen Eifer manchmal zügelte und sie von Excessen, wie die zum Beispiel in White County, zurückhielte. In diesem Sinne würde ich es selbst mit meiner Stellung nicht unvereinbar finden, mich ihnen anzuschließen.“

Roberts sah ihm forschend in's Auge, und Rowson fuhr leicht erröthend fort:

„Sie glauben, daß ich in so kurzer Zeit meine Meinung geändert habe? Nein, wahrlich nicht, ich halte die Versammlung der Regulatoren noch immer für unrecht, weil sie ungesetzlich ist –“

„Aber –?“ sagte Roberts, als Jener stockte.

„Nun, Du hast es ja schon gehört!“ rief Mrs. Roberts halb ärgerlich, „der gute Mr. Rowson hat ganz Recht. Das junge Volk tobt da toll und wild in den Tag hinein – ich sage ja gar nicht, daß sie's böse meinen, – aber sie glauben recht zu handeln und üben dann vielleicht manchmal das größte, schreiendste Unrecht aus, und ich, an Mr. Rowson's Stelle –“

„Es werden Keine in den Verein aufgenommen,“ sagte Roberts, den Prediger dabei fortwährend ansehend, während dieser den Blick mehrere Mal niederschlug, endlich aber dem seinigen fest begegnete, „die nicht auch thätigen Antheil nehmen. Ich glaube nicht, daß sie einen Rathgeber, wenn sie auch dessen bedürfen sollten, dulden werden.“

„Es kommt auf einen Versuch an!“ rief Rowson, der jetzt seine ganze Geistesgegenwart wieder erlangt hatte. „Ich werde mich morgen, wenn es mir irgend möglich ist, dort einfinden und nicht eher gehen, bis sie mich fortweisen; ich habe in diesem Falle meine Schuldigkeit gethan – mehr kann selbst Gott nicht verlangen.“

„Brav,“ sagte Roberts, ihm die Hand treuherzig schüttelnd, „brav gesprochen. Es freut mich, wenn ich sehe, wie ein Mann seinen Grundsätzen treu bleibt.“

„Wer ist jetzt ihr Anführer?“

„Brown – wenigstens für den Fourche la fave.“

„Der ist dann wenigstens seinen Grundsätzen nicht treu geblieben,“ entgegnete der Prediger, indem er zu dem alten Mann aufsah; „ich erinnere mich noch recht gut der Worte, die er hier an dieser selben Stelle über eben diese Verbindung äußerte.“

„Das ist etwas Anderes,“ erwiderte ernsthaft der alte Farmer. „Brown sah sich halb und halb dazu gezwungen, an dieser Verbindung thätigen Antheil zu nehmen, da sein eigener guter Name auf dem Spiel stand. Er war als Mörder förmlich angeklagt, und sein einziges Streben ist jetzt, den wirklichen Mörder Heathcott's heraus zu bekommen. Er hatte zwar den Streit mit ihm, denn Heathcott war überhaupt etwas rauher Natur, und ich weiß mich noch recht gut zu erinnern –“

„Ich glaubte, die Hauptabsicht der Regulatoren beschränkte sich auf die Entdeckung der Pferdediebe,“ sagte Rowson, leicht erbleichend.

„Nur theilweise, doch wenn Ihr morgen der Versammlung beiwohnt, werdet Ihr das Alles hören. Jetzt gilt es, so viel ich erfahren habe, die Verdächtigen aufzugreifen, um von diesen, wenn sie auch wirklich nicht die Thäter sind, wenigstens auf die Spur gebracht zu werden.“

„Wenn sie nur den schändlichen Mörder der armen Wilden entdeckten,“ sagte Mrs. Roberts. „Oh, Mr. Rowson, Sie glauben gar nicht, wie ich schon deshalb gebetet habe! Die Frau war so fromm und gut und hing mit einer solchen Ehrfurcht an Ihnen. Ach, wie oft habe ich sie während Ihrer Predigten weinen sehen, als ob ihr das Herz brechen wollte – und nun so jung und auf solche Art sterben zu müssen.“

„Ja, es ist schrecklich!“ sagte Rowson, selbst tief erschüttert, freilich um einer andern Ursache willen. „Doch, meine Freunde – ich muß wirklich fort, also gute Nacht für heute. – Gute Nacht, Marion, wo ist das Mädchen?“

„Marion – Kind! – so komm doch heraus hier!“ rief die Mutter – „Herr Rowson will Dir gute Nacht –“

„Laßt sie gehen, verehrte Freundin,“ sagte der Methodist abwehrend – „das Herz ist ihr voll und sie wird sich mit ihrem Gott unterhalten. Morgen hoffe ich sie recht froh und heiter anzutreffen.“

Damit winkte er Beiden noch einen herzlichen Gruß zu, bestieg sein kleines Pony und trabte fort, in den jetzt dämmernden Wald hinein.

„Mutter, was ist dem Mädchen eigentlich?“ frug Roberts, als der Priester sich entfernt hatte – „sie kommt mir so sonderbar vor. Ich will doch nicht hoffen, daß sie zu einer Heirath mit dem Manne gezwungen wird?“

„Närrischer Mann, wer sollte sie denn zwingen?“ lächelte die Matrone. „Es ist nur noch ein halbes Kind, und da beträgt es sich ängstlich und wunderlich; mag ihr auch wohl schwer genug ankommen, die Eltern zu verlassen. Nun, an dieses Mannes Seite –“

„Ja, schon gut,“ sagte Roberts, den Sporn abschnallend und ihn auswendig am Haus unter einem kleinen Vorbau neben den Sattel und Zaum hängend – „schon gut, das hab' ich schon oft gehört –“

„Du hast keine Vorliebe für den frommen Mann –“

„Nein – Vorliebe nicht; ich sehe nicht ein, warum unser Kind mit ihm gerade so viel glücklicher werden sollte, als mit jedem Andern. Ein ächter braver Kerl mit einem guten Herzen, und der – etwas mehr ein Mann wäre, würde mir, aufrichtig gesagt, eben so willkommen gewesen sein, vielleicht noch willkommener, doch – wie Gott will. Ihr Frauen seid damit einverstanden, und ich habe weiter nichts dabei zu thun, als Ja zu sagen. Einen Anfang hat er, um eine kleine Farm zu beginnen, und ein fleißiger Mann wird dabei in Arkansas nicht zu Schanden.“

Rowson's treuherziges Benehmen hatte den Alten wieder ganz für sich gewonnen, denn selbst so recht von Herzen gut und brav, traute er auch Anderen nicht leicht etwas Schlechtes zu, warum also gerade Dem, der in der ganzen Ansiedelung als ein so frommer und gottesfürchtiger Mann bekannt war. Durchkreuzte auch wirklich manchmal ein dunkler Verdacht sein Hirn, so wurde er sich entweder selbst nicht recht klar darüber, oder er verwarf ihn augenblicklich wieder als toll und falsch.

Was waren aber indessen die Gefühle des Priesters, der langsam und sinnend durch den schattig-dunkeln Wald dahinritt? Weit genug von dem Hause entfernt, daß er von dort aus nicht mehr gesehen oder beobachtet werden konnte, stieg er von seinem Pferde, nahm es am Zügel und schritt ernst und in tiefen Gedanken versunken auf der schmalen Straße hin, die sich, allen Hindernissen, sowie starken Bäumen und sumpfigen Stellen ausweichend, durch den Wald schlängelte. Endlich blieb er stehen und sagte halbleise und vor sich niederstarrend:

„Es wird mir fast zu heiß hier in Arkansas – der Teufel kann einmal sein Spiel haben und durch irgend einen Zufall – man hat da wunderbare Beispiele – Sachen an das Licht bringen, die meinem guten Rufe in dieser Gegend gerade nicht förderlich sein würden. Ich muß fort – und das sobald als möglich – Atkins mag sehen, wie er seine Farm verkauft, ich will mich nicht hier fesseln, daß ich nachher, wenn alle Anderen ihren Rücken gedeckt haben, allein der Rache jener kläffenden Hounds preisgegeben bin. Nein! – Zwar ist der Indianer verschwunden,“ fuhr er nach einer Weile fort – „und ohne den möcht' es ihnen doch schwer werden, irgend etwas – ich weiß wirklich nicht einmal, wie es mit dessen Hülfe möglich ist – das Federmesser –“

Das Pferd spitzte die Ohren und der Indianer stand neben ihm.

„Good day, Mr. Rowson,“ sagte er leise, als er aus dem Dickicht trat und leicht grüßend an ihm vorüber schritt.

„Assowaum!“ rief Rowson, wie er selbst fühlte mit Todesblässe im Antlitz – „Assowaum – wo – wo waret Ihr so lange? – wir haben Euch in der Ansiedelung vermißt.“

„Der blasse Mann ist ja ebenfalls fern gewesen,“ erwiderte der Indianer, das Auge dabei fest auf den Prediger geheftet – „Assowaum kehrt zu dem Grabe seines Weibes zurück.“

„Und hast Du noch nichts von dem Mörder entdeckt?“

„Nein!“ sagte der Wilde mit fast tonloser Stimme – „noch nicht – der große Geist hat dem heiligen Vogel gewehrt, mir den Namen des Verräthers in das Ohr zu flüstern. Assowaum hat deshalb mit dem Geiste seines Volks an einer Stelle gesprochen, die noch von keines Weißen Fuß entweiht wurde. Er harrt jetzt der Stimme seines Manitou.“

„Möge er Dir günstig sein,“ sagte der Priester, ganz seinen früheren Abscheu gegen den Götzendienst des Indianers vergessend. Dieser aber schritt grüßend weiter, der Methodist schwang sich in seinen Sattel und flog, als ihn eine Biegung der Straße den Augen des rothen Mannes verbarg, seinem Pony die Hacken in die Seiten bohrend den Weg entlang, daß seine langen braunen Haare in dem frischen Abendwinde flatterten, und das Roß, solcher Behandlung ungewöhnt, schäumte und schnaubte, als es mit seinem ungeduldigen Reiter durch das flache Thalland dahinbrauste.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas