12. Kapitel (List der Pferdediebe – Die Überraschung – Alapaha und Rowson)

12. List der Pferdediebe. – Die Ueberraschung. – Alapaha und Rowson.

„Hurra!“ rief Weston, alle frühere Vorsicht vergessend, beim Anblick der herrlichen Pferde, die in diesem Augenblick das jenseitige Ufer herunterkamen und am Wasserrande hielten. – „Hurrah – das nenn' ich Pferde!“


„Seid Ihr Beide wahnsinnig?“ rief Rowson ärgerlich hinüber – „wollt Ihr mit Gewalt irgend einen hier zufällig Umherstreifenden herbeiziehen? Haltet die Mäuler und spart Eure Ausbrüche der Freude für die Zeit auf, wo Ihr selbst das, was Euch obliegt, gut und glücklich ausgeführt habt. Wo sind Eure Pferde?“

„An dem bestimmten Platz hier unten,“ sagte Weston.

„Gut! holt sie schnell – seht Euch aber vor und laßt keine Fährten am Ufer; bleibt im tiefen Wasser.“

„Ay, ay – weiß schon – Weston ist auch nicht auf den Kopf gefallen.“ –

Der junge Bursche sprang schnell zu dem Platze hinunter, wo er seine Pferde gelassen hatte, und kehrte auch in sehr kurzer Zeit wieder zurück, vorsichtig dabei die Thiere mitten in der Strömung haltend, die hier kaum drei Fuß tief sein konnte.

„Wo sind die Boote jetzt?“ fragte Rowson – „es kommt nicht darauf an, ob diese Pferde hier den Grund eine Weile zerstampfen, denn wenn sie uns wirklich verfolgen, werden sie denken, wir wären unschlüssig gewesen, ob wir den Durchgang versuchen sollten. Lassen wir aber die anderen Thiere am jenseitigen Ufer stehen und viele Fährten machen, so zwingt sie das, die Spuren näher zu untersuchen, und dann möchten sie ausfinden, daß es andere Hufspuren wären. Cotton's Pferd hat außerdem solch' große Hufe.“

Weston verschwand mit Cotton gleich darauf im Schilfbruch, und nach kurzem Säumen glitten sie in ihren Canoes herbei.

„Halt!“ rief Johnson – „nicht weiter – sie dürfen die Eindrücke der Boote nicht am Ufer sehen, – so – kommt in die Mitte her – jetzt nehmt die Pferde hier in Empfang – steigt lieber ein, Rowson. – Also Zwei in das große und Einer in das kleine Canoe. – Halt da – laßt mich erst die Pferde wechseln; ah – nun ist mir ordentlich ein Stein vom Herzen, daß ich wieder auf dem Rücken meines eigenen Thieres sitze.“

„Jetzt zeig' aber, daß Du reiten kannst, Johnson,“ sagte Rowson, indem Jener sich fertig machte, die Bank hinauf zu klimmen – „laß die Pferde laufen, was sie können, sie haben sich ausgeruht. – Gieb ihnen Sporen und Peitsche und bedenke, daß jede Viertel stunde, die wir die Verfolger von der rechten Spur abbringen, Gold werth ist.“

„Nur keine Angst!“ lachte Johnson – „die müssen scharf reiten, die mich einholen wollen, und wenn sie mich einholen, lach' ich sie aus. Ich habe schon vorgearbeitet und mehreren von meinen Bekannten erzählt, wie ich meine und noch einige andere Pferde in den südlichen Theil des Staates schaffen wollte, da ich dort einen gewaltigen Preis für sie zu erhalten hoffte.“

„Also fort,“ erwiderte Rowson, „der Teufel traue. Wer weiß, wie bald sie hinterhergekleppert kommen, und wir befänden uns gerade jetzt hier in einer höchst interessanten Stellung. – Gott segne mich, wir würden schön ankommen, Alle miteinander.“

„Wie wird's denn mit den Provisionen?“ frug Cotton.

„Den brauch' ich nicht!“ rief Johnson zurück, als er eben den obersten Kamm der Uferbank erreichte. – „Ausruhen müssen die Pferde doch einmal dann und wann, und das kann eben so gut bei einem Hause geschehen.“

„Nur nicht noch in dieser Nacht, daß die Nachkommenden nicht zu früh die Farbe der Pferde erfahren. Die beiden Schimmel möchten sie stutzig machen –“

„Habt keine Angst – bis morgen Mittag müssen sie aushalten – auf ein frohes Wiedersehen!“ Damit stieß er seinen Jagdruf aus, setzte dem Thiere, das er ritt, die Hacken in die Seiten und verschwand im nächsten Augenblick im Walde.

„Das wäre also besorgt,“ sagte Rowson, „nun, Cotton, müssen wir sehen, wie wir mit diesen Thieren zu Stande kommen. Vor allen Dingen werden wir uns am besten von hier entfernen und etwa eine halbe Meile den Fluß hinuntergehen. An der Straße hier sind wir nicht allein dem ausgesetzt, von jedem Reisenden gesehen zu werden, sondern dürfen auch erwarten, daß uns die verdammten Regulatoren unversehens über den Hals kommen. Laßt also die Binderei jetzt, das kleine Streckchen Weg bringen wir sie schon so hinunter, sie haben überdies wahrscheinlich die ganze Strecke Grund. An der ersten Kiesbank setzen wir Alles in Stand und können vor Dunkelwerden noch mit unserer ganzen Einrichtung fix und fertig sein.“

Es lag zu viel Wahres in diesen Worten, als daß sie einer weiteren Erwiderung bedurft hätten. Schnell waren daher auch alle nöthigen Vorkehrungen getroffen, und wenige Minuten darauf glitten die Boote, jedes mit drei Pferden daran befestigt, um die Biegung des Flusses, die es unmöglich machte, daß sie von der Straße aus gesehen werden konnten.

„So – jetzt fängt mir's erst an ein wenig behaglich zu werden,“ flüsterte Rowson. – „Es dunkelt immer mehr und mehr, und sollten uns unsere Verfolger wirklich noch in dieser Nacht nachkommen, so gehen sie ohne Zweifel in die Falle, die wir ihnen gestellt haben. – Hurra! wenn ich mir die Kerle denke, wie sie mit mordlustigen Blicken auf den Fährten dahingaloppieren, mit jeder Minute eifriger den muthmaßlichen Dieb verfolgen – endlich ihn sehen, noch zur letzten Anstrengung den eigenen Thieren die Hacken in die Seite setzen, und dann – die verblüfften Gesichter – das Fluchen und Schimpfen, und Johnson's unschuldige Schafsmiene, wie er bedauern wird, die unbewußte Ursache gewesen zu sein, die vielleicht die Verbrecher der so gerechten Strafe entzogen hat – hahaha – schon der Gedanke ist köstlich!“

„Hier ist die Kiesbank,“ sagte Weston, indem er mit der Hand nach dem linken Ufer hinüber deutete; „die Thiere haben Grund, und es wäre besser, die Zäume und Halftern jetzt ein wenig in Ordnung zu bringen. Auch müssen wir die Pferde besser an den Booten vertheilen, denn gleich hier unten, sobald wir diese Biegung des Flusses umgangen haben, wird die Strömung tief und die Pferde müssen jene ganze Strecke schwimmen. Ich habe es heute Morgen, als ich hier heraufkam, genau untersucht.“

„Wenn ich nicht irre,“ meinte Cotton, zum Ufer hinaufsehend, „muß hier irgendwo an dieser Kiesbank eine kleine verödete Hütte stehen. – Vor etwa drei Jahren lagerten wir drin, als ich damals mit Johnson in die Nation1 ging. Die Büsche sind aber jetzt so drum herum aufgewachsen, daß man gar nichts mehr von ihr sehen kann. Ja, dies ist die Stelle,“ fuhr er fort, als sie mit den Kähnen landeten – „ich kenne sie an der niedergestürzten Platane; – die fiel in derselben Nacht, in der wir hier lagerten, und hätte sie eine andere Richtung genommen, so wär's um uns geschehen gewesen.“

„Arkansas würde nicht getrauert haben,“ lachte Rowson.

„Nein, wohl schwerlich – doch davon schweigen wir lieber. Was wollt Ihr denn da machen?“

„Wir müssen das kleine Boot an das größere anhängen,“ sagte Rowson – „nachher können wir zwei Pferde an jede Seite nehmen und zwei hinten nehmen; zu rudern haben wir auch nicht viel nöthig, denn die Strömung ist ziemlich stark. Allenfalls kann auch Einer von uns ein wenig nachhelfen, besonders steuern, die anderen Beiden geben dann auf die Pferde Acht, daß sich diese nicht verwickeln. Bis um Zwölf müssen wir am ›Devils Crook‹ sein, dort steige ich aus und überalsse Euch Zwei Eurem Schicksal. Schont die Pferde nicht und vermeidet nur da die breite, offene Straße, wo der Wald licht genug ist, eben so schnell hindurch kommen zu können. Sollten sie wirklich schon morgen, was aber gar nicht zu erwarten steht, ja was fast nur durch einen Zufall möglich wäre, die richtigen Fährten finden, nun so habt Ihr etwa zwölf Stunden Vorsprung und tüchtige Pferde – Cotton, Ihr kennt den Weg?“

„Na, ich sollte denken,“ brummte dieser – „bin ihn oft genug gehetzt – einmal mit fünf Kerlen auf den Hacken. Haben wir nur erst den Mississippisumpf erreicht, wo ich die Fährten durch alle die Bayous und Lagunen weiß, dann sind wir sicher. Ein Platz ist dort besonders, wenn ich da hindurch bin und haue von der andern Seite einen Baum über die Stelle, so nimmt's den Verfolgern einen ganzen Tag, um zu Pferde mir nachzukommen. – Den Platz habe ich mir bis jetzt immer für einen Nothfall aufgehoben.“

„Wo bekommt Ihr aber eine Axt her?“

„Erst im vorigen Monat versteckte ich dort meine Axt in einen hohlen Baum; drängt die Noth, so soll's an Handwerkszeug nicht fehlen.“

„So – das wird jetzt wohl in Stand sein,“ sagte Rowson, der eben seine Vorrichtung an den Kähnen beendet hatte – „nun, Cotton, noch ein Wort zu Euch über Euer Verhalten, und dann fort an die Arbeit. Die Stelle kennt Weston, wo Ihr zuerst das Land berühren dürft; – es ist dort, wo die breiten Steinplatten bis hoch hinauf zwischen die Bäume laufen. Wir haben dadurch den Vortheil, daß unsere Spuren vom Wasser aus gar nicht bemerkt werden können. Etwa hundert Schritt den Fluß hinunter, wo eine Fichte und ein Pawcornbaum kreuzweis dem Bette zugestürzt sind, hat Atkins einen Sack mit Mais und noch andere Lebensmittel verborgen –“

„Warum geht Ihr denn nicht mit bis an jene Stelle?“ frug Weston.

„Dort könnten meine Fährten gefunden werden,“ erwiderte Rowson, „was am Devils Crook nicht möglich ist; mache ich daher von da aus einen kleinen Umweg über die Berge, so komme ich nachher wieder von einer ganz andern Richtung in die Ansiedlung zurück. Ich traue dem verdammten Indianer nicht, besonders wenn sie ihn einmal auf unsere Fährten hetzen sollten, bin deshalb auch so vorsichtig wie nur irgend möglich. Aber, Cotton – habt Ihr nicht irgend 'was zu essen mit? Mich hungert fürchterlich. Wie wir herkamen, war's mir beinahe, als ob ich gebratenes Hirschfleisch röche – ich wollte, ich hätt' jetzt ein Stück jetzt. – Daß Ihr auch gar keine Provisionen mitgebracht habt – man kann doch nicht an Alles denken.“

„Oben im Schilfbruch, wo die Pferde standen, liegt mein Halstuch mit Maisbrot und Hirschfleisch,“ sagte Weston, „ich habe es aber schändlicher Weise vergessen – jetzt ist's wohl zu spät, es wieder zu holen.“

„Den Teufel auch – an das hättet Ihr früher denken sollen – es wird's doch niemand finden können?“

„Nein, es hängt versteckt – aber wollen wir nicht fort?“

„Wartet nur noch, bis Cotton den Zaum ausgebessert hat,“ sagte Rowson – „wenn er unterwegs reißen sollte, hätten wir mehr Aufenthalt und könnten ihn am Ende im Dunkeln nicht einmal zu Stande bringen.“

„Wie erwischtet Ihr denn eigentlich die Pferde, Rowson?“ frug Cotton, der emsig beschäftigt war, den einen zerrissenen Halfter wiederherzustellen, „erzählt's uns jetzt, denn unterwegs werden wir nicht viel Zeit zum Schwatzen haben und erfahren es nachher gar nicht.“

„Mit wenigen Worten kann das geschehen,“ erwiderte Rowson schmunzelnd, indem er sich in aller Bequemlichkeit ein großes Stück Kautabak abschnitt und in den Mund schob. „Glücklicher Weise begegneten wir unterwegs keinem Bekannten und erreichten die Stelle an der Fenzecke, wo der Springcreek dicht vorbeifließt, gerade mit Dunkelwerden – so etwa um diese Zeit. Die Mühle hatten wir geschickt umgangen, und als die erste Eule laut wurde, standen wir an der Umzäunung, in der sich die Stuten befanden. Mir wurde nicht wohl bei der Sache, denn meiner Berechnung nach hätten die wild umherlaufenden Pferde schon da sein müssen; das ließ sich aber nicht ändern, und Johnson und ich kletterten auf ein paar Bäume, um erstens vor Ueberraschung sicher zu sein und dann auch alles Herankommende eher bemerken zu können. Ein Glück war's, daß wir's thaten, denn kaum saßen wir oben, als, straf' mich Gott, – Husfield selber – sagtet Ihr 'was, Cotton?“

„Nein – warum?“

„Mir war's, als hört' ich einen Laut, – Husfield selber mit einer ganzen Koppel Hunde von der Jagd heimkehrte und dort vorbeikam. Wären wir unten auf der Erde gewesen, so hätten uns die Bestien so gewiß wie was aufgestöbert, und dann gute Nacht, Johnson, denn auf den hat es Husfield besonders gemünzt; die Zügel, die wir bei uns trugen, würden uns auch auf jeden Fall verrathen haben. So schnüffelten die verdammten Hunde nur unter den Bäumen herum, hoben die Nasen in die Höhe und windeten eine Weile, daß uns angst und bange wurde, folgten dann aber kläffend ihrem Herrn, der indessen schon eine Strecke Weges vorausgeritten war.

Wir Beide hatten Todesschweiß geschwitzt, unsere Noth endete übrigens hiermit, denn gleich darauf kamen die Pferde. Wir suchten uns, so lange es noch nicht ganz dunkel war, die, die uns am besten gefielen, darunten aus, zäumten sie auf, schwangen uns drauf, und fort ging's wie ein Sturmwind durch den Wald, daß ich ein paar Mal glaubte, wir müßten Hals und Beine brechen. Um sie irre zu führen, zickzackten wir auch eine Weile auf steinigem Boden umher, schlugen verschiedene Richtungen ein und setzten erst dann, als wir uns sicher galubten, unsern Ritt mit weniger Vorsicht, aber dafür auch um so viel rascher fort.“

„Wurden denn die anderen Pferde nicht scheu, als Ihr Euch einen Theil von ihnen herausfischtet?“

„Ja – sie schnoben gewaltig, und gerade wie wir die letzten bei der Mähne erwischt hatten, brachen die übrigen schnaubend und wiehernd davon und galoppierten um die Fenz, wahrscheinlich wieder in den Wald hinein. – Der Fuchs hier hat mich wohl sechsmal im Kreise herumgerissen, ehe ich ihn zum Stehen bringen konnte.“

„Na, Husfield wird schön wüthen,“ lachte Cotton – „sechs Pferde auf einmal sind seit Menschengedenken keinem Farmer gestohlen worden –“

„Und der fromme Rowson an der Spitze!“ jubelte Weston.

„Hört einmal, Rowson,“ sagte Cotton jetzt, indem er über den Zügel zu dem schmunzelnd Dastehenden hinüberblinzelte, „über welches Thema werdet Ihr denn morgen predigen? Jammerschade ist's, daß ich das nicht mit anhören kann; so etwas müßte der Mühe werth sein.“

„Verdammt!“ rief Rowson ärgerlich – „morgen schenkt' ich ihnen den Unsinn gern, ich werde zu unaufmerksam sein; zu viel Angst haben, was aus Euch geworden ist.“

„Aus den Pferden, meint Ihr?“

„Nun ja, auch aus den Pferden, und da muß ich denn stehen und Gebete plappern und langweilige, alberne Lieder herplärren.“

„Und das ›Glory‹ rufen nachher und das Ohnmächtigwerden von der dicken Witwe!“ lachte Weston.

„Und die frommen Gespräche mit der schönen Indianerin,“ fiel Cotton ein – „hört, Rowson, Ihr habt gar keinen so schlechten Geschmack –“

„Verdamm' es!“ rief Rowson, „macht fort, daß wir vom Platze kommen, mir wird nachgerade kalt, und die Pferde frieren ebenfalls. – Führt Niemand einen Tropfen Whisky? – Johnson, der Halunke, hat meine Flasche in der Tasche und sagt kein Wort. – Oh zum Teufel, laßt noch einen Tropfen drin, Ihr saugt ja, als ob Ihr sie luftleer pumpen wolltet!“

Cotton reichte ihm die Flasche hinüber, und Rowson that einen langen Zug; dann korkte er sie wieder zu und gab sie zurück.

„Nicht wahr, der labt?“ frug Cotton schmunzelnd – „ja, und hitzt dazu; – ich habe eine ganze Hand voll spanischen Pfeffer hineingethan – das giebt Wärme.“

„Es thut Einem auch gut heut Abend,“ sagte Rowson, sich schüttelnd – „der dürre Regen kältet merkwürdig.“

„So – jetzt kann's weiter gehen!“ rief Cotton – „nun schnell, daß wir von hier fortkommen; es wird immer dunkler, und dort dro – dro – ben – Pest und Gift!“ fuhr er schnell flüsternd fort – „was ist das? da schimmert ein Licht durch die Büsche!“

„Wo?“ fuhr Rowson wild auf.

„Da oben – das muß in dar Hütte sein.“

„Dort in dem Busch kauert etwas Helles!“ rief Weston jetzt, dessen scharfes Auge die Umrisse einer Gestalt bemerkte, die in die dunklen Sträucher, welche das Flußufer begrenzten, hineingeschmiegt stand.

„Tod und Teufel,“ schrie Cotton – „das ist Verrath!“ und wie ein Pfeil vom Bogen flog er, von Rowson gefolgt, mit wenigen Sätzen die Uferbank hinauf und stand im nächsten Augenblick dem einsamen Wesen, das von dort oben aus das ganze Treiben der Männer beobachtet – jedes einzelne Wort gehört hatte, gegenüber.

„Alapaha!“ rief Rowson entsetzt.

„Das rothäutige Weib!“ knirschte Cotton, fast eben so erstaunt als erschreckt.

„Du bist allein?“ frug Rowson jetzt schnell die Indianerin. – „Du bist allein? wo ist Assowaum?“

Das arme Weib vermochte aber nicht zu antworten, eine Weile stand sie starr und aufrecht, und blickte mit einem so geisterhaft ernsten, ja fürchterlichen Ausdruck in den kalten Zügen den entlarvten Prediger an, daß dieser die Augen scheu niederschlug – er konnte den Blick nicht ertragen. Es war aber nur ein Moment, in dem dir stolze Tochter der Wälder vernichtend vor dem Mann stand, der ihr ihren Glauben an ihren Gott, ihre Liebe für ihren Gatten entwendet hatte. Dann kam der Gedanke an ihr grenzenloses, entsetzliches Elend über sie – wie sie dem großen Geist entsagt, den ihres Väter schon im Rauschen der mächtigen Wälder, im Rieseln des stillen Baches verehrten, wie sie den Worten eines Mannes gelauscht hatte, den sie für einen Heiligen gehalten, und der jetzt – das Herz schauderte ihr, als sie ihn vor sich erblickte – ein Dieb und Räuber war.

Sie barg das Gesicht in ihren Händen, und große helle Thränen rieselten zwischen den zusammengepreßten Fingern hindurch.

„Die Pferde werden unruhig!“ rief Cotton ärgerlich – „was fangen wir mit der hier an?“

„Geht – überlaßt sie mir,“ flüsterte ihm Rowson zu und richtete sich mit teuflich wildem Blick empor.

„Sie Dir überlassen? das glaub' ich!“ lachte der Jäger höhnisch – „bist nicht so dumm – ist's jetzt Zeit zu solchen Possen?“

„Fort mit den Pferden,“ rief Rowson mit unterdrückter Stimme – „der Fluß macht hier den Bogen, wohl drei Meilen im Umkreise – es ist aber keine hundert Schritt gerade hinüber zu Land, man kann auf die Art die ganze Biegung abschneiden. – Fort also – Weston vermag nicht die Thiere allein zu halten.“

„Und was soll mit dem Weibe geschehen?“

„Habt keine Angst,“ flüsterte ihm Rowson zu – „ist Einer durch ihre Aussagen gefährdet, so bin ich es –“

„So geht denn zum Teufel und – kommt bald nach,“ fluchte Cotton – „die Folgen über Euch, wenn Ihr uns warten laßt.“ Er sprang die Uferbank wieder hinunter, über die lockeren Kiesel hinweg, und wenige Secunden darauf glitten die Boote mit den schnaubenden und keuchenden Pferden hinein in die auf dem Wasser lagernde Dunkelheit.

Fußnoten

1 Unter „Nation“ werden in Arkansas fast stets die Cherokesen verstanden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas