11. Kapitel (Assowaum, der Befiederte Pfeil und seine Squaw – Weston und Cotton erwarten ungeduldig die Kameraden)

11. Assowaum, der „befiederte Pfeil“, und seine Squaw. – Weston und Cotton erwarten ungeduldig die Kameraden.

An demselben Nachmittag, an welchem die im vorigen Capitel beschriebene Wahl stattfand, schritt, die Decke auf dem Rücken, die Büchse auf der Schulter, Assowaum, „der befiederte Pfeil“, von seiner Squaw gefolgt, schweigend durch den Wald am Ufer des Flusses hinauf. Alapaha trug der indianischen Sitte gemäß das wenige Kochgeräth, das diese Kinder der Wildniß gebrauchen, sowie eine wollene Decke und zwei getrocknete Hirschfelle, und leise trat sie in die Fußtapfen ihres Gatten und Häuptlings, der langsam und aufmerksam die beiden Ufer des kleinen Stromes mit den Blicken überflog, als ob er einen Gegenstand suche und nicht finden könne.


Als er hoch genug glaubte hinaufgegangen zu sein, kehrte er wieder um und begann seine Nachforschungen auf's Neue, aber mit nicht besserem Erfolg als das erste Mal.

„Ist dies nicht der Baum, an dessen Wurzel sonst das Canoe angebunden lag?“ frug er endlich, stehen bleibend, sein Weib, indem er auf eine alte, sturmdurchtobte Platane deutete, deren schneeweiße Aeste wie geisterhafte Riesenarme nach den dunklen, hinter ihnen sich aufthürmenden Wolkenmassen hinauf zu langen schienen.

„Assowaum kann ein Stück von der Rinde sehen, an das es früher befestigt war,“ sagte Alapaha, während sie sich über den steilen Flußrand hinunterbog und auf eine vorstehende Wurzel des Stammes, an der noch einige Rindenstreifen hingen, niederdeutete.

„Das Canoe ist fort,“ sagte Assowaum, „und wir müssen hindurchschwimmen, wenn wir an der andern Seite lagern wollen.“

Alapaha entledigte sich ohne weiter ein Wort zu erwidern, ihres Gepäcks, rollte mit des Häuptlings Hülfe zwei niedergebrochene Aeste in den Fluß, um auf diesen die wenigen Habseligkeiten, welche sie bei sich hatten, trocken ans andere Ufer zu schaffen, und Beide klommen bald darauf die gegenüberliegende steile Uferbank empor.

„Und welchen Weg schlägt Alapaha ein?“ frug der Indianer jetzt stehen bleibend, indem er mit ruhigem Blick das schöne junge Weib betrachtete.

„Eine halbe Meile den Fluß hinauf kreuzen wir einen Weg – der führt gerade nach dem Hause des Mr. Bowitt, und dort hat Mister Rowson versprochen, morgen Betstunde zu halten. – Will Assowaum nicht einmal den Worten des weißen Mannes lauschen? – Er spricht gut – seine Worte sind Honig und sein Herz ist rein wie ein herbstlicher Himmel.“

„Alapaha, es wäre besser, wenn auch Du – ha – was ist das?“

Ein leichtes Rauschen war im dürren Laube gehört, und gleich darauf trat ein stattlicher Hirsch aus dem Dickicht, hob den schönen Kopf in die Höhe und schaute ruhig und sicher, keine Gefahr ahnend, umher. Assowaum hatte bei dem ersten Laut des knisternden Laubes seine Büchse schußfertig gehalten, hob sie jetzt langsam an die Backe, und in demselben Moment sprang auch schon der Hirsch, von dem tödlichen Blei getroffen, hoch empor und verendete zuckend.

„Gut!“ sagte der Indianer, indem er ruhig stehen blieb und seine Büchse wieder lud – „sehr gut – Mr. Harper hat kein Fleisch mehr und ist zu krank, selbst den Fährten zu folgen – Alapaha wird ihm Fleisch in sein Haus bringen –“

„Und weiß Assowaum nicht, daß ich auf dem Wege bin, um das Wort Gottes zu hören?“ flüsterte die Frau, indem sie ihre schlanke Gestalt neigte und leise ein Gebet murmelte.

„Es gab eine Zeit,“ sprach Assowaum, düster vor sich hinblickend – „es gab eine Zeit, wo Alapaha der Stimme des ›befiederten Pfeiles‹ lauschte und das Rascheln der Baumwipfel wie das Singen des Geistervogels darüber vergaß. Es gab eine Zeit, wo sie dem Gott des weißen Mannes den Rücken wandte und ihre Hände zum Manitu der rothen Männer erhob. Es gab eine Zeit, wo sie für den Gatten den geheiligten Wampum flocht und mit geheimnißvollen Zeichen ihm Glück auf der Jagd sicherte. Die Zeit ist vorbei – Alapaha ist todt und eine Christin ist dafür erstanden – Maria. – Sie trägt dieselben Moccasins noch, in denen sie die Ihrigen verließ und dem Gatten in die Verbannung folgte. Sie trägt dasselbe Tuch noch um ihre Schläfe, das Assowaum einst von den Schultern jenes wilden Häuptlings der Sioux riß, um daheim die Stirn seiner Squaw damit zu schmücken. Sie trägt dieselbe Schnur noch von den Klappern heiliger Schlangen, und deren Töne sollten sie an die Heimath, an das Land ihrer Väter erinnern. Aber nein – ihr Ohr ist verschlossen – es hört nicht – aber mehr noch verschlossen ist ihr Herz – es fühlt nicht.“

„Assowaum!“ sagte mit leisem, bittendem Ton das schöne Weib – „Assowaum – zürne mir nicht. – Sieh, unser Leben ist kurz und vor mir ausgebreitet sehe ich die schönste, glänzendste Zukunft. – Oh, Du weißt nicht, wie herrlich, wie entzückend der Himmel der Weißen ist – willst Du mir das rauben, was mir noch in diesem Leben, außer den Pflichten gegen Dich, heilig und theuer ist?“

„Nein!“ sagte Assowaum – „Alapaha mag gehen und dem Gott der Weißen dienen – es ist gut so.“

„Und willst denn Du nie den Tönen des heiligen Mannes lauschen, von dessen Lippen Manitu selbst spricht?“

Assowaum streckte den rechten Arm aus und war im Begriff etwas darauf zu erwidern. Ein anderer Gedanke schien sich aber gleich darauf seiner zu bemächtigen, und er hob die Büchse auf die Schulter und sagte:

„Alapaha kann nicht allein beten, sie will auch essen. – Nicht weit von hier, am Ufer des Flusses, steht eine kleine unbewohnte Hütte – dorthin wollen wir das Fleisch tragen, und Alapaha mag es heut abend dörren. – Das Haus wird ihr Schutz gegen Sturm und Unwetter dieser Nacht gewähren, und morgen früh ist's nicht mehr weit zur Ansiedlung des Weißen, wo der blasse Mann von seinem Gott erzählt.“

„Und Assowaum?“

„Hat dem kleinen Mann das Versprechen gegeben, seinen Sohn aufzusuchen – er wird es halten. Die weißen Männer reden bös von ihrem Bruder, weil sie den Tritt seines Fußes nicht unter sich hören. – Er ist fern – er wird zurückkommen und die Schuldigen werden schweigen und zu ihm aufsehen.“

„Aber er ist bös –“

„Welche Schlange hat ihr Gift in Alapaha's Ohr geblasen? Sie hat den Tönen des Machinito gelauscht und wirft Staub auf die Hand, die ihr Gutes gethan!“

„Mr. Rowson sagt, daß der Sohn des kleinen Mannes einen Bruder erschlagen und ihn dann beraubt habe.“

„Der blasse Mann lügt!“ rief der Indianer, sich hoch aufrichtend, während das Blut in seine Schläfe trat und seine Augen glühten – „der blasse Mann lügt!“ wiederholte er – „und – er weiß es!“

„Assowaum zürnt dem Christen, weil er Alapaha dem Glauben der Ihrigen abwendig machte. Assowaum ist brav und edel, er wird keinen Menschen schmähen, weil er anders denkt als er.“

„Wir wollen das Fleisch in die Hütte tragen,“ brach der Indianer das Gespräch ab – „es wird spät. Assowaum muß noch Meilen weit wandern, ehe es dunkelt.“

Mit geübter Hand brach er jetzt das erlegte Wild auf, löste Schulterblätter, Hals und Kopf aus der Haut, was er den Wölfen oder Aasgeiern überließ, und hing dann das Uebrige an eine schnell abgehauene Stange, deren eines Ende er erfaßte, während Alapaha das andere auf ihre Schulter legte, und so schritten sie schweigend weiter und erreichten nach nicht langer Wanderung den ersterwähnten Ort.

Es war eine roh aufgerichtete Blockhütte, von einem früheren Ansiedler erbaut und nach kurzer Benutzung wieder verlassen, da das Land ringsum zu niedrig und also den Ueberschwemmungen des Flusses zu sehr ausgesetzt lag. Das Dach und die Wände befanden sich in noch ziemlich gutem Zustande, sonst bot es aber auch nicht die geringsten Bequemlichkeiten, denn selbst der Kamin war eingestürzt und eine Diele nie gewesen. Der fehlende Kamin war aber keineswegs ein Hinderniß, ein Feuer im Innern anzuzünden, denn die überall offenen Spalten der Wände öffneten dem Rauch überall einen Durchzug, und gar sonderbar rauschte und brauste der Wind durch die breiten Ritzen der Stämme, klapperte mit den lose daran herumhängenden Stücken Rinde und pfiff über das moosige Dach zum Fluß hinunter, der sich dicht neben der unfreundlichen Stelle dahinschlängelte, von dieser aber noch durch wild aufwucherndes Buschwerk getrennt wurde.

Diesen Platz erreichte jetzt Assowaum mit seinem Weib und trug das Fleisch in das Innere der Wohnung. Die Thür war aus den hölzernen Angeln gebrochen und lag umgeworfen vor dem Eingange, hinderte also keineswegs den Eintritt. Assowaum sah sich einen Augenblick in dem leeren Gebäude um und sprach dann:

„Das Haus ist gut und wird Alapaha Schutz gewähren. Wenn sie von ihrem frommen Wege zurückkommt, trägt sie das Fleisch in die Hütte des kleinen Mannes. – Assowaum wird bei ihr sein, ehe der Whip-poor-will zum dritten Mal gesungen hat.“ – Damit wandte er sich und schritt schweigend mit niedergesenktem Haupt in den Wald.

Alapaha that indessen, wie ihr Gatte befohlen, hieb mit dem kleinen zierlichen Tomahawk, der an ihrer Seite hing, dünne Stäbe ab, und ein Gestell davon zum Trocknen des Fleisches zu errichten, trug Holz herbei, um die leichte Gluth zum Dörren des Wildbrets und zu gleicher Ueit für die Nacht ein erwärmende Feuer zu unterhalten, schnitt dann das Fleisch in Streifen, steckte es an zu diesem Zweck abgeschnittene Rohrstäbe und hing es über die durch Hülfe trockenen Laubes entzündete Gluth.

Der Himmel hatte sich indessen immer mehr und mehr bezogen, ein feuchter Staubregen fiel, und der Wind rauschte wild und unheimlich durch die über das Dach der Hütte hängenden Baumwipfel. Alapaha kauerte sich neben der knisternden Flamme nieder, summte leise eine Hymne, die sie von den Weißen gelernt hatte, und erwartete die einbrechende Dunkelheit, sich ihr Lager zu bereiten. Aufmerksam behielt sie aber dabei das dörrende Wildpret im Auge, daß es bis zum nächsten Morgen trocken genug sei, um zusammengebunden und aufbewahrt zu werden.

Aber nicht so ganz einsam und von Menschen verlassen war die Gegend, wie Alapaha im Anfang geglaubt haben mochte. Zu derselben Zeit, in der sie so eifrig mit ihrer Arbeit beschäftigt war, trat auf dem Wege, der eine kleine halbe Meile den Fluß weiter hinauf lag, ein junger Mann am jenseitigen Ufer aus dem Dickicht und schaute ungeduldig nach dem andern Ufer hinüber, als ob er Jemanden von da erwarte. Die Luft war keineswegs warm, und er rieb sich bald die Hände, bald schob er sie unter die Arme, bald lehnte er sich an eine überhängende Platane und machte mehrmals Miene, auf dem mit Laub bedeckten Boden ungeduldig auf- und abzugehen, hielt aber jedesmal gleich wieder inne und betrachtete mißtrauisch den betretenen Platz, ob seine hinterlassenen Spuren wohl auffallend und leicht zu erkennen wären.

Ihm schloß sich bald ein Zweiter an, der, in eine wollene Decke eingehüllt, den alten, arg mitgenommenen Filz tief in die Stirn gedrückt, die Büchse unter dem Arm, um das Schloß soviel als möglich vor der niedertauenden Nässe zu bewahren, leise an ihn heranschritt und lachend frug:

„Nun, Weston, Euch wird die Zeit hier lang, heh? Ihr friert – warum habt Ihr Eure Decke nicht mitgebracht? – Ich sagt's Euch gleich. – Noch nichts gehört?“

„Nicht die Probe,“ erwiderte verdrießlich der Angeredete – „ich glaube auch gar nicht, daß sie noch heut Abend kommen; dann wird es wirklich ein charmanter Spaß. Wenn ich die ganze Nacht hier ohne Decke und Feuer lagern muß, bin ich morgen früh eine Leiche.“

„Das wär' ein Verlust von wenigstens zwanzig Dollar für den Sheriff!“ lachte Cotton, denn dies war der würdige Begleiter des jungen Mannes. „Uebrigens glaub' ich kaum, daß wir noch lange werden warten müssen. – Rowson ist dort mit jedem Winkel bekannt, und Johnson wohl auch, da können sich ihnen nicht viele Schwierigkeiten entgegenstellen. Ueberdies sagtet Ihr ja selbst, daß Rowson auf morgen Mittag Betstunde in der Ansiedelung drüben angekündigt hätte. Das schon wird ihn sicher veranlassen, Alles zu thun, was in seinen Kräften steht, um die Zeit zu halten und keinen möglichen Verdacht zu erregen. Ich kann den heuchlerischen Schuft nicht leiden, aber in Geschäften ist er vortrefflich, das muß wahr sein; man sieht's, daß er aus den Yankee-Staaten stammt.“

„Die Geschichte von Heathcott's Tode macht jetzt recht viel Aufsehen bei den Leuten,“ sagte Weston. „Brown soll ihn doch auf die Seite geschafft haben – Euer Name wird aber auch dabei genannt.“

„Meiner? was zum Donnerwetter haben sie denn mit mir dabei? Ich habe den Laffen in meinem ganzen Leben nicht gesehen; muß ich denn an jedem Streich schuld sein, der ihnen hier gespielt wird?“

„Das kann Euch nun ziemlich gleich sein,“ lachte Weston – „den Mord schieben sie übrigens nicht auf Eure Schultern, sondern nur das Geld!“

„Was für Geld?“

„Der Todte soll den einkassierten Betrag für drei gute Pferde in der Tasche gehabt haben, vier- oder fünfhundert Dollars – und die sind weg.“

„Alle Wetter – das wäre schon der Mühe werth gewesen! – Zwei Fliegen mit einem Schlag, einen Regulator und einen Haufen baar Geld. – Brown ist nicht dumm – aber – hört, Weston, Brown hat doch im Leben nichts mit uns zu thun gehabt – was geht denn den der Regulator an?“

„Andere Sachen, was weiß ich's. Die Frauen oben in der Ansiedlung behaupteten, Heathcott und Brown bewärben sich um ein Mädchen, darum der Streit. – Doch das ist Alles Nebensache, die Hauptsache ist, daß wir Heathcott los sind; wie und auf welche Art, kann uns gleich sein.“

„Aber hört, Husfield läßt auch nicht mit sich spaßen, und wenn der uns auswittern sollte, so wird's Ernst. – Ich sehe überhaupt noch nicht recht, wie wir die Spuren so verwirren wollen, daß uns die Canaillen nicht wiederfinden. So viel ist gewiß, wär' ich auf Euren Fährten, es sollte Euch schwer werden.“

„Das ließet Ihr wohl bleiben,“ lachte Weston verschmitzt – „die Sache ist verdammt pfiffig angefangen, Rowson hat das ausgetüftelt. Seht – ehe sie den Fluß erreichen, wollen sie wieder in die offene Straße hineinreiten.“

„In die offene Straße?“ frug Cotton verwundert.

„Ja wohl – in die freie, offene Straße, daß ihre Fährten klar und deutlich sind – dann in den Fluß und dann – nicht wieder hinaus.“

„Wohin aber? Im Fluß können sie doch nicht halten bleiben? Wohin dann?“

„Den Fluß hinunter, bis sie aus Spürweite sind, und dann hinein in die Welt.“

„Das lange Schwimmen halten ja die Thiere nicht aus.“

„Deshalb habe ich das Canoe dort versteckt – seht Ihr da – unter dem vorhängenden Rohrbüschel – und dort, gleich daneben noch eins. Das ist unten von der Mündung, von Stewarts, die glauben wahrscheinlich, es sei losgerissen und in den Arkansas getrieben. Mit Hülfe der beiden Fahrzeuge können wir die Pferde herrlich die nöthige Strecke hinunterschaffen, bis wir den mir von Rowson bezeichneten Platz erreichen, und von da an müßt Ihr die Führung übernehmen, denn ich kenne den Weg nach der ›Insel‹ nicht, wie Ihr ihn nennt. Johnson soll die Verfolger indessen auf die falsche Spur bringen, und gelingt das, so sind wir Beide außer aller Gefahr, besonders wenn es morgen ein regnerischer Tag wird. Dann jagen wir mit den Thieren durch den Wald, und haben wir erst einmal die Mississippi-Niederung erreicht, gute Nacht, Verfolgung. – Johnson hat mir versichert, dort fänden wir überall Schutz und Hülfe, und das wissen die Schufte hier oben wohl auch recht gut – so weit hetzen sie gar nicht hinterher.“

„Ja, das ist Alles recht schön und hört sich recht gut an, die vom Springriver werden aber doch keine solchen Esel sein und glauben, wir wären mit den Pferden durch die Luft davongeflogen, wie ich's neulich einmal bei den Deutschen drüben auf einem Bilde gesehen habe?“

„Das sollen sie auch nicht, jetzt kommt gerade das Beste. – Hier unten im Schilfbruch – das heißt nicht im Schilfbruch, sondern unterm Schilfbruch, im Flußbett, auf den Felsenplatten, steht mein Pferd, Eures –“

„Meins?“

„Euer Pferd und Johnson's zwei Schimmel. – Sobald wir unsere Reise mit der frischen Sendung angetreten haben, werden diese Pferde die kleine Strecke den Fluß hinauf, der hier vollkommen seicht ist, bis an die Landung gebracht, dort setzt sich Johnson auf und galoppiert mit den Thieren frischweg auf der Straße fort, als ob er nach den heißen Quellen hin wollte. Kommen die Verfolger erst morgen oder übermorgen, und regnet's indessen tüchtig, so war es freilich unnöthig; sind sie aber den – abgeholten Pferden näher auf den Hufen, was ich fast fürchte, so werden sie natürlich die Hufspuren, die hier an der Furth auf der einen Seite in den Fluß, auf der andern wieder aus demselben führen, für ein und dieselben halten und ohne Bedenken, was aber die Hauptsache ist, ohne abzusteigen und die Sache näher zu untersuchen, ihnen folgen. Holen sie dann Johnson ein, so hat er ganz natürlich nicht ihre Pferde, weiß auch von denen gar nichts, und sie sehen zu spät ein, daß sie den falschen Thieren nachgerannt sind.“

„Holen sie ihn aber nicht ein?“ frug Cotton.

„Desto besser – dann nimmt er die Pferde auf einem Umwege zur Insel, meldet die bald nachfolgende Sendung und verkauft die unsrigen.“

„Was – mein Pferd?“

„Seid doch kein Narr, Cotton,“ lachte Weston – „erstlich bekommt Ihr das Geld dafür –“

„Ja, aber wie viel? nicht den halben Preis!“

„Und dann,“ fuhr Weston fort, ohne sich unterbrechen zu lassen, „dürft Ihr Euch überhaupt vor keinem Menschen mehr hier blicken lassen und müßt die Gegend in sehr kurzer Zeit verlassen.“

„Was hat das aber Alles mit meinem Pferde zu thun?“

„Daß ich Euch schlecht kennen müßte, wenn ich glauben wollte, Ihr würdet auf Eurem eigenen Pferd Abschied vom Fourche la fave nehmen –“ lachte Weston.

„Da habt Ihr Recht, Weston – das war ein gescheidtes Wort,“ lachte Cotton – „und wißt Ihr wohl –“

„Schreit nicht so, weiß der Henker, ob hier nicht irgendwo Jemand herumschleicht. Ich habe überdies heute Nachmittag in der Gegend schießen hören.“

„Wißt Ihr wohl, daß ich mir schon ein Pferd ausgesucht habe, das mir ganz mordsmäßig gefällt?“

„Und das wäre?“

„Roberts' Hengst – ein prächtiges Thier.“

„Hört, Cotton, Ihr seid gar nicht dumm. Auf dem könnt Ihr auch jeder Verfolgung lachen. – Hu – da wird's wieder einen Spektakel geben!“

„Der Plan ist übrigens gut,“ sagte Cotton nachdenkend – „ja, ja – was Geschäfte anbetrifft, da ist Rowson vortrefflich – und wie herrlich führt er das Weiberzeug in der Ansiedelung an der Nase herum. – Die würden Augen machen, wenn sie ihn heut Abend mit zwei Pferden an der Leine durch den Wald galoppiren sähen.“

„Mrs. Roberts hält ihn für einen wahren Heiligen – nun meinetwegen. Schade ist's nur um das hübsche junge Mädchen, das ihn die heirathen muß; den möcht' ich auch zum Mann haben! Aber hört einmal, Cotton, ich muß eine Frage an Euch thun – ich höre jetzt von weiter nichts mehr sprechen, als immer nur von der Insel, bin sogar selbst auf dem Sprunge, sie kennen zu lernen, so sagt mir doch zum Teufel, was hat das mit der ›Insel‹ für eine Bewandtniß – was für eine Insel ist es und wo liegt sie?“

„Ich darf nicht plaudern,“ erwiderte Cotton geheimnisvoll. „Das ist eine Geschichte, in die zu Viele verwickelt sind, und ich möchte die Zunge nicht im Munde tragen, die sich daran verbrennte. – So viel nur kann ich Euch vertrauen, daß sie im Mississippi liegt, und daß die Leute darauf uns freundlich gesinnt sind. – Betreten habe ich sie selber noch nicht.“

„Im Mississippi, bah, da liegen viele Inseln – und freundlich gesinnt – freundlich gesinnt ist halb Arkansas gegen uns und fünf Sechstel von Texas; nein, sagt mir etwas Näheres – welche Nummer ist's im Mississippi? Ihr wißt doch, daß die Inseln in dem Strom alle von oben herab unter bestimmten Nummern bekannt sind?“

„Ob ich das weiß!“ lachte höhnisch der ältere Gefährte – „doch – weiter darf ich Euch nichts verrathen – Ihr werdet übrigens die ganze Geschichte jetzt bald genug erfahren, in wenigen Tagen sind wir dort. Bis dahin also geduldet Euch in Eurer Neugierde. Doch halt! – Haubt Acht – was war das?“

„Still!“ rief Weston – „das war ein Whip-poor-will – Rowson wollte das Zeichen auf diese Art geben – sollten sie es sein? – Ich will auf jeden Fall antworten, denn sicher ist ja doch Alles hier.“

Er hielt die Finger an den Mund und ahmte eben so täuschend den scharftönenden Laut des kleinen Vogels nach.

„Huhpih!“ schrie Johnson's Stimme, als jetzt auf einmal ein rasches Pferdegetrappel hörbar wurde; gleich darauf hielten die sehnlich Erwarteten am Ufer und schwenkten die Hüte zum Zeichen des glücklichen Gelingens hinüber nach den Kameraden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas