10. Kapitel (Die Sheriffwahl in Pettyville – Die Verfolger sind auf den Fährten)

10. Die Sheriffswahl in Pettyville. – Die Verfolger sind auf den Fährten.

In Pettyville war Wahltag. – Es sollte nämlich ein Sheriff und ein Clerk1 für das County ernannt werden, und drei Candidaten hatten sich schon zu der ersteren, zwei zur letzteren Stelle gemeldet. Der Eine, ein wohlhabender Farmer aus der Nachbarschaft, Kowles mit Namen, hatte die Wähler mit einem Festessen, das er am vorigen 4. Juli, am Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, gegeben, auf seine Seite zu bringen gesucht. Auch jetzt noch trug er stets in der einen Tasche ein kleines Fläschchen mit Whisky, in der andern ein Stück Kautabak, und man sagte sich, daß er, wo nur die mindeste Hoffnung sei, eine Stimme zu erhalten, mit beidem sehr freigebig umgehe. Der zweite war ein Deutscher, aber schon ziemlich lange in Amerika, und hatte den Fluß weiter hinauf einen kleinen Kramladen; der Dritte dagegen ein Farmer vom Arkansasfluß, der die Stelle schon einmal bekleidet, später jedoch nicht wieder gewählt war, indem er den guten Leuten, sonst in dieser Hinsicht wirklich sehr nachsichtig, doch etwas zu viel trank. „Dreimal die Woche“, hatten Mehrere geäußert, „ließen sie sich ein bischen ›schräg‹ wohl gefallen, aber alle Tage, das sei zu viel.“ Jetzt sollte er sich übrigens gebessert haben und hatte sehr viele Stimmen für sich. Vattel war auch wirklich ein herzensguter Bursche, machte sehr gern seinen Spaß mit, nahm nie einen Scherz übel, stand aber auch seinen Mann, wenn es galt, sein Amt zu behaupten.


Um zwei Uhr sollte die Wahl beginnen, und die bis jetzt anwesenden Farmer und Jäger, die in dem kleinen Häuschen, in dem der Tisch mit den Schreibmaterialien stand, und um dasselbe versammelt waren, vertrieben sich die Zeit nach besten Kräften. Das Haus war ein gewöhnliches Blockhaus, mit einem Bett in der einen, einem Tisch in der andern Ecke. An den Wänden lehnten überall Büchsen, an allen Nägeln oder vielmehr Pflöcken (denn an Eisen war im ganzen Gebäude kein großer Ueberfluß) – hingen Kugeltaschen und Pulverhörner, und theils auf Decken, theils auf den rauhen Dielen hingestreckt lagen mehrere Hinderwäldler und unterhielten sich höchst angelegentlich über Weiden, Wild und eine kürzlich in den Fourche la fave-Bergen angeblich entdeckte Goldmine.

Die eigenthümlichste Gruppe bildeten aber doch wohl die auf und neben dem Bett Gelagerten. Auf der untern Kante desselben, den linken Fuß gegen die Erde gestemmt, saß die lange, dürre Gestalt eine Mannes, in einem sehr abgetragenen hellblauen wollenen Frack, dessen Rücktheil übrigens keineswegs aus demselben Stoff bestand als Kragen und Aermel. Auf dem Kopf trug er einen alten Filz, in den er an drei verschiedenen Seiten Löcher hineingeschnitten hatte, um frische Luft hindurch zu lassen. Ein gleiches Experiment war mit seinen Schuhen vorgenommen, doch hier, wie es schien, weniger der Luft als der Hühneraugen wegen, und die Beinkleider, die um die Kniee herum wirklich nur noch durch verschiedene hirschlederne Riemen zusammengehalten wurden, sahen so buntfarbig aus wie eine Landkarte der Vereinigten Staaten selbst, von deren es Robin's Stolz war, sich ihren freien Bürgern zu zählen. Eine alte, abgenutzte lederne Kugeltasche hing ihm an der rechten Seite, und ein sehr kleines Messer mit hölzernem Griff stak vorn in seinem Gurt, der die oben beschriebenen Beinkleider verhinderte, sich ganz von einem Körper zu entfernen, dem sie überdies nur noch theilweise anzugehören schienen.

Trotz seines sehr unabhängigen Aeußern aber (wenn man das Wort unabhängig von einem Menschen gebrauchen kann, an dem wirklich Alles hing) saß er sehr gemüthlich auf dem höchst unbequemen, scharfkantigen Sitz und bekratzte in einer so entsetzlichen Art einer alte Violine, daß die Hunde, die sich draußen an der Hütte sonnten, unruhig auf ihren Plätzen hin- und herrückten, und augenscheinlich mit sich uneins waren, ob sie den guten warmen Platz im Stiche lassen oder noch länger das Gequietsche mit anhören sollten. Die Männer im Innern der Hütte schienen den ohrzerreißenden Lärm übrigens gar nicht zu bemerken, sie schwatzten und lachten, und beachteten den Spieler nicht weiter. Nur Einer, ein blondhaariger junger Farmer, der mit allen Zeichen größter Behaglichkeit in voller Länge ausgestreckt auf dem Bett, mit den Füßen nach dem Spieler zu lag, schien besondern Antheil an dem Vortrage des ganz in sich selbst vergessenen Künstlers zu nehmen, denn er folgte der Melodie, indem er dieselbe Weise, freilich in einer ganz andern Tonart, dazu pfiff. Der Spieler blieb aber bei einem und demselben Liede, und geigte den Vers wohl fünfzigmal herunter, immer wieder von vorn an, bis es selbst sein geduldiger Zuhörer endlich satt bekam. Dem zweiten Paganini mit der Fußspitze also einen gelinden Stoß versetzend, um seiner Aufmerksamkeit gewiß zu sein, rief er aus:

„Verdamm es – Robin, hier lieg' ich nun schon eine halbe Stunde und pfeife immer dasselbe Lied – könnt Ihr denn gar nichts Anderes? – So – das ist recht – Yankee Doodle.“ Und wieder zurück auf das Kissen fallend, von dem er sich eben erst etwas erhoben hatte, begann er sein Pfeifen des neuen Stückes aus Leibeskräften.

„Wie ist es denn noch mit der Leiche geworden?“ frug ein Farmer von der Mündung des Fourche la fave – „ich habe ja gar nichts weiter drüber gehört.“

„Nun, da ist weiter nichts geworden,“ erwiderte ein Anderer – „die Männer, die sie gefunden, hatten sie mit Zweigen zugedeckt, und wir gingen Alle hinaus, um den Spuren zu folgen und den andern Burschen auszufinden, der die Hand mit im Spiele gehabt. Ihr wißt aber, daß es am Nachmittag so fürchterlich zu regnen anfing, und da ließ sich denn weiter nichts mehr thun.“

„Also Brown hat ihn wirklich über den Haufen geschossen?“

„Nun natürlich,“ sagte der Friedensrichter, der zu ihnen trat – „das war auch vorauszusehen. Wer zum Teufel wird sich denn solche Drohungen an den Hals werfen lassen? Aber den Zweiten möcht' ich ausfinden, der Bursche hatte sicherlich keinen Grund, und man weiß auch wahrhaftig gar nicht, auf wen man eigentlich Verdacht haben soll.“

„Es war doch verdammt viel von dem Indianer, so unterzutauchen, um eine Leiche anzuhaken. – Weiß nicht, was mir Einer hätte geben müssen!“

„Ach, die Rothhäute sind so etwas gewöhnt – ohne den hätten wir ja auch gar nicht erfahren können, wer der Todte eigentlich sei, denn auf Heathcott würde Niemand gedacht haben –“

„Wenn sich der Indianer nicht so gut bei der Sache benommen hätte, würde ich auf ihn selbst Verdacht werfen,“ sagte der Richter – „Brown und die Rothhaut sind überhaupt immer wie Hand und Handschuh mit einander, und es wäre gar nicht zu verwundern gewesen, wenn sie hier in einem und demselben Joch gezogen. Das scheint aber doch nicht so, denn sonst möchte sich Assowaum wohl gehütet haben, die Hand zu etwas zu bieten, was ihm gefährlich sein mußte und ohne ihn sicherlich unterblib.“

„Haben sich denn die Regulatoren schon einen andern Führer gewählt?“

„Am Sonntag wollen sie bei Bowitts zusammenkommen und Alles bereden. – Es leben Mehrere hier in der Gegend, denen sie auf der Spur sind.“

„Ob denn das wahr ist, daß sie den Todten auch beraubt haben?“

„Geld hatte er an demselben Morgen bei sich, das weiß ich gewiß,“ sagte Cook, der auf dem Bette lag und jetzt einen Augenblick zu pfeifen aufhörte – „Geld hatte er, und zwar in einem kleinen rothledernen Taschenbuche inwendig in seinem Jagdhemd eingeknöpft – es war aber fort, als sie ihn fanden; natürlich haben sie das bei Seite gebracht –“

„Brown nicht, darauf wollt' ich schwören!“ sagte der Richter – „Brown halte ich für einen ehrlichen Kerl, und es kommt mir das schon sonderbar von ihm vor, daß er sich noch jemand Anders zu Hülfe genommen hat, den Prahlhans unschädlich zu machen.“

„Robin,“ sagte Cook vom Bett aus, auf dem er sich jetzt halb herumdrehte und dem Ebengenannten einen zweiten freundschaftlichen Stoß mit der Fußspitze verabreichte – „Robin, wenn Ihr nun nicht bald mit Eurem Yankee Doodle aufhört, so hol' ich wahrhaftig die Hunde herein; könnt Ihr denn weiter nichts als die zwei Stücke?“

Robin begann Washington's Marsch zu spielen, und Cook beruhigte sich wieder.

„Gentlemen,“ rief jetzt der Richter – „es wird Zeit, daß wir anfangen, es muß zwei Uhr sein. Uebrigens fehlt uns noch ein Schreiber. – Wer könnte denn von den Anwesenden die Stelle versehen, heh? Cook – Ihr könnt schreiben!“

„Ja – meinen Namen; da ich aber nicht mit auf der Candidatenliste bin, so möchte der schwerlich vorkommen.“

„Smith – Ihr denn – oder Hopper – oder Moos – was zum Henker, kann denn keiner von Euch eine Liste führen?“

„Da draußen kommt Hecker – der Deutsche, der kann schreiben,“ sagte Robin, mit seinem Violinbogen nach der offenen Thür zeigend.

„He, Hecker!“ rief der Richter, „habt Ihr eine Stunde Zeit, die Namenliste hier zu führen?“

„Ja – zwei oder drei,“ erwiderte der Angeredete, indem er in die Thür trat – „ich will nur mit Dunkelwerden an der Salzlecke drüben über dem Berge sein. Wenn ich um fünf Uhr fortgehe, komm' ich zeitig genug.“

„Gut – dann stellt Eure Büchse dort in die Ecke – ist sie geladen?“

„Denkt Ihr, ich schleppe ein leeres Rohr im Walde herum?“

„Nun, lehnt sie nur gut an – ich habe immer Angst, die verdammten kurzen Dinger könnten Schaden thun.“

Hecker, ein junger Deutscher, der sich dort in der Gegend von der Jagd ernährte, auch ganz wie die dortigen Hinterwäldler gekleidet war, rückte sich einen Stuhl zum Tisch, zog das große, breite Jagdmesser, das ihm beim Sitzen unbequem war, aus der Scheide, legte es vor sich hin und frug Smith, der neben ihm saß:

„Wär's denn nicht möglich, entweder Robin und Cook zu bewegen, mit ihrer schauderhaften Musik aufzuhören? Die Hunde werden noch krank davon.“

„Möchte schwer halten,“ lachte dieser, „sie glauben Beide wunder wie schön sie's machen. – Aber da kommt wahrhaftig Wells! – was mag den zu uns führen, der hält sich doch sonst nicht bei Wahlen auf?“

„Er hat Wölfe gefangen – bei Gott!“ rief der Richter – „bravo, Wells, das macht Ihr gescheidt, die Bestien thun Schaden genug!“

„Guten Abend zu Allen!“ sagte der Jäger, indem er in die Hütte trat und drei blutige Wolfsscalpe auf den Tisch warf – „guten Abend, Richter – da – gebt mir einmal die Bescheinigung2 oder kauft sie mir ab, das wäre mir noch lieber, denn mit Taxen bin ich so nicht übermäßig geplagt.“

Wells war ein schlanker, wohlgewachsener Mann mit grauen, lebhaften Augen, sonst glich aber sein ganzes Wesen mehr einem Indianer als einem Weißen, und Viele behaupteten, daß seine Adern eben so viel rothes als weißes Blut enthielten. In seiner Kleidung unterschied er sich ebenfalls in Nichts von den halbcivilisirten rothen Söhnen der Wildniß. Wie diese trug er sein Haupt bloß, daß das lange, schwarze, glänzende Haar ihm die Schultern umflatterte, oder band höchstens bei sehr windigem Wetter einen Streifen Baumrinde um die Schläfe, es festzuhalten. Abenteuerliche Sachen erzählte man sich auch aus seinem Leben, besonders aus den letzten Jahren desselben, die er größtentheils in Texas zugebracht hatte. Jetzt wohnte er ganz ruhig und still auf einer wohlbebauten Farm, die er mit seinen zwei Söhnen, jungen Burschen von neun und elf Jahren, versah. Doch nur im Sommer arbeitete er, und auch dann nur die wenigen Wochen der Pflanzzeit – die anderen Monate jagte er und stellte den Raubthieren, besonders den Wölfen, Fallen. Sonst war er harmlos und in der ganzen Gegend seines freundlichen, wenn auch rauhen Benehmens sowie seiner unbeschränkten Gastfreundschaft wegen beliebt.

„Hört, Wells,“ lachte Hecker, indem er mit dem Aermel seines Jagdhemdes das Wolfsblut von dem liniirten Bogen wischte – „wenn's Euch einerlei ist, so legt die nassen Dinger unter den Tisch – es schreibt sich besser –“

„Oh, ich habe das Papier schmutzig gemacht – thut mir wirklich leid. – Nun, man kann ja doch noch drauf schreiben; es ist ja blos die eine Ecke oben. – Hier, Richter – dreimal drei macht neune –“

„Ja – neun Dollar für drei Wolfsscalpe, das ist richtig genug, aber – Ihr müßt zuerst beschwören, daß Ihr sie wirklich selbst und in diesem County erlegt habt.“

„Das kann ich nicht – ich habe sie blos gefangen, meine Hunde haben sie nachher todtgebissen.“

„Das bleibt sich gleich – ob sie durch Eure Hand, Eure Hunde oder Eure Fallen vernichtet sind – beschwört mir das –“

„Nun, ich will verdammt sein, wenn's nicht wahr ist –“

„Gut – bei Gott!“ rief Cook auf dem Bett, indem er Robin wieder einen leichten Tritt versetzte – „das verdient den Yankee Doodle –“

„Lieber Wells,“ lächelte der Richter, „das ist nicht der richtige Schwur. Doch der Clerk wird Euch den abnehmen; jetzt aber zu unserer Wahl – also, Hecker, Ihr wollt schreiben, und wer sind meine beiden Mitrichter?3 Aha – Smith und Hawkes – setzt Euch nur, wir können anfangen.“

„Welches Datum haben wir heute?“ frug Hecker.

„Den siebenundzwanzigsten –“

„Und welchen Wochentag?“

„Nun, Gott sei Dank, wißt Ihr nicht einmal den Tag? Freitag.“

„Wenn man ein paar Wochen draußen im Walde liegt, wird man ganz confus,“ lachte Hecker – „ich glaubte, es wäre Sonntag.“

Einer der Farmer trat jetzt vor – Hecker schrieb den Namen. „Guten Abend, Heslaw – braucht weiter keine Legitimation, nicht wahr?“

„Nein – der nicht –“

„Für wen als Sheriff?“

„Vattel.“

„Und Clerk?“

„Hopper.“

„Euer Name?“ frug Smith einen Zweiten, der zum Stimmen kam.

„Kattlin.“

„Wie lange im Staat?“4

„Sieben Monate.“

„Wie lange im County?“

„Acht Wochen.“

„Könnt's beschwören?“

„Ja wohl!“

„Nehmt ihm den Eid ab – Clerk.“

Dieser sagte dem Mann die Eidesformel mit etwas sehr schneller Stimme vor, hielt ihm die Bibel zum Küssen hin, und endete den Schwur mit dem üblichen feierlichen: „So help you Good.“5

„Hat's sehr nöthig!“ sagte Cook gähnend, indem er sich auf dem Bett herumdrehte.

Die Wahl dauerte jetzt wohl in verschiedenen Zwischenräumen an zwei Stunden, bis alle Anwesenden ihre Stimmen abgegeben hatten, und eben wollten die beiden Schreiber zum Schluß ihre Namen unterzeichnen, denn das Protokoll mußte, um jeden Irrthum zu vermeiden, doppelt geführt werden, als die Draußenstehenden den alten Bahrens ankündigten, der auf seinem kleinen Pony angetrabt kam.

„Noch vor dem Abfang, Gentlemen?“ rief er aus, als er in's Zimmer trat, „noch vor dem Abfang – nun aber doch wohl noch zeitig genug. – Hurrah für Vattel – das ist der Mann, Boys – trinkt manchmal sein Gläschen, ist richtig, hat aber nichts zu sagen, ist nachher immer wieder auf dem Zeug. – Schreibt Vattel, sag' ich –“

„'s war Zeit, daß Ihr kamt, Bahrens,“ meinte Hecker, „ich wollte eben fort. Es ist schon fünf Uhr vorbei, und ich habe noch eine halbe Stunde zu gehen.“

„Wohin denn?“

„Zur nächsten Salzlecke; wollt Ihr mit?“

„Oh der Henker hole Eure Salzlecke; wir bleiben hier zusammen, nicht wahr, Boys? – Heut Abend soll's eine Spree6 geben. – Ich gehe nicht eher nach Hause, bis ich – nicht mehr gehen kann, und dann bleib' ich erst recht hier.“

„Das ist brav, Bahrens!“ rief Cook, der zum Tisch getreten war, „das laß ich gelten. Ich habe zwei Hirschfelle mitgebracht, die vertrinken wir auch, – – es ist ja nicht alle Tage Wahl.“

„Ich kann also gehen?“ frug Hecker.

„Geht meinetwegen zum Teufel! Boys, wer holt Whisky? In dem Laden drüben mag ich mich nicht hinsetzen, es ist mir dort so unheimlich. – Nun kommt, Hecker – trinkt erst einmal, denn die ganze Nacht dort trocken zu sitzen, ist auch kein Spaß. – Gott segne uns, wenn ich meine Hirsche nicht mehr am Tag schießen kann, dann geb' ich's auf; die Nacht mich draußen in's Freie zu legen, und neben mir ein Feuer zu haben, an dem ich mich nicht einmal wärmen darf – stets in Angst zu sein, daß ich einnicke und unter der Zeit mein Feuer ausgeht, ein Hirsch zur Salzlecke kommt und mich schnarchen hört – nein – das ist mein Geschmack nicht. – Gut – ich hindere Euch nicht – habt Eurern Willen – ich brauch' Euch nicht zu pflegen, wenn Ihr krank werdet, aber halt – das müßt Ihr noch hören, wie's mir einmal in Texas an einer Salzlecke ging.“

„Aber schnell,“ sagte Hecker, der seine Büchse schulterte, „ich möchte nicht gern die Zeit versäumen.“

„Wär' auch schade, wenn Ihr das Gewitter nicht ganz auf den Pelz bekämt, was da heraufzieht, wär' wirklich schade – also. – Ich lag auch eines Nachts – (damals war ich eben solch ein Narr, wie Hecker jetzt ist, und saß Tag und Nacht draußen) mit der Büchse an einer Salzlecke. Wild war in Unmasse in der Gegend, und ich hatte mich ein wenig früh an Ort und Stelle gemacht, um eine gehörige Quantität Felle die Nacht zusammenzuschießen. – Es war also kaum dämmerig, als ich, neben einem tüchtigen Haufen Kienholz und unter einem leicht aufgebauten Gestell, niedergekauert war. Da hört' ich auf einmal, gar nicht weit entfernt, ein fürchterliches Getöse und Geschrei, als ob ein paar tausend Panther am Heulen wären. Der ganze Wald bebte – ich hörte den Lärm nicht mehr, ich fühlte ihn ordentlich – und (doch hier muß ich erst noch bemerken, daß ich etwa eine Viertelstunde von einem großen Baumwollenfeld und in einer sehr niedern sumpfigen Gegend lagerte) ehe ich mich daher recht ordentlich besinnen konnte, brauste es herbei, und nieder kam's auf mich wie ein Unwetter. Was meint Ihr aber, daß es gewesen wäre?“

„Das mag der Teufel rathen.“

„Wilde Gänse – ein paar tausend wenigstens. – Mein Gestell warfen sie mir ein, mein kleines Feuer, das ich eben angefacht hatte, schlagen sie mit den Flügeln aus, und mich selbst behandelten sie, als ob ich gar nicht existiert hätte. Ich aber nicht faul, zog mein Jagdmesser heraus und fing an auszuholen. Die mir am nächsten waren, merkten nun wohl, daß sie unter dem falschen Baum gebellt hätten, zu spät aber, denn ehe sie sich wieder von ihrem Schreck erholen und das Alarmzeichen geben konnten, hatte ich nicht schlecht unter ihnen aufgeräumt – wie sie fort waren, zählte ich einundfünfzig Gänse und achtundfünfzig Köpfe, die geblieben waren.“

„Was? sieben Köpfe mehr? wo wären denn die Gänse geblieben?“

„Die, denen die Köpfe gehörten? die fand ich am nächsten Tage. So dicht waren sie geflogen, daß die todten von den lebendigen Vögeln mit in die Luft und wohl fünfhundert Schritt weit fortgenommen waren – gute Nacht, Hecker, gute Nacht – rennt der Kerl! – und wie er die Beine wirft!“

„Bahrens, Ihr seid noch immer der Alte!“ – lachte der Richter. – „Nichts als Unsinn, und lügen könnt Ihr, daß die Fenster anlaufen.“

„Das wäre eine Kunst hier!“ rief Bahrens höhnisch, „Fenster anlaufen? – Ich glaube, es sind keine zwei Glasscheiben im ganzen County, die ausgenommen, die Smith da auf der Nase trägt. – Was hilft mir denn aber mein Erzählen, wenn Ihr kein Wort davon glaubt? – Warum thut Ihr die Mäuler nicht auf? Na, da kommt wenigstens der Whisky.“

„Wenn's nicht gleich so dicht hinter Bahrens' Geschichte herkäme,“ sagte Curtis jetzt – „so möcht' ich Euch erzählen, was mir gestern Nacht passiert ist – 's ist aber auf mein Wort wahr, und Ihr braucht nicht drüber zu grinsen, Bahrens.“

„Hört Ihr jemals, daß ich solche Entschuldigungen einer von mir erlebten Begebenheit vorausschicke? Nie – das macht sie immer verdächtig“ – erwiderte Bahrens kopfschüttelnd.

„Das habt Ihr auch gar nicht nöthig!“ sagte der Richter lachend – „bei Euch bleibt sich's immer gleich. Aber weiter, Curtis, weiter – und seid so gut und laßt noch einen Tropfen von dem Stoff da im Becher.“

„Ich war gestern Abend wieder am Petite-Jeanne,“ begann Curtis – „um nach den Schweinen zu sehen, von denen mir Bahrens neulich gesagt hatte, als wir später durch die Leichensucherei abgehalten wurden. Gut – ich kroch den ganzen Tag im Busch herum und sah überall, wo sie gelaufen waren, konnte aber keinen Schwanz von ihnen finden. Endlich gegen Abend, es fing schon an dunkel zu werden, sah ich 'was Helles in einem kleinen Papaodickicht stehen, und richtig war's die alte Sau mit den Ferkeln (ich habe aber nur zehn gesehen – Bahrens redete von elfen – vielleicht hat der Bär eins gefangen). Wie ich ich mich also überzeugt hatte, daß es wirklich Vaters Zeichen war, was sie in den Ohren trug – ein Loch im linken und einen Schlitz im rechten, so ließ ich sie zufrieden, um sie nicht unnöthiger Weise scheu zu machen. Da aber an dem Abend doch weiter nichts mit ihnen anzufangen war, streute ich ihnen nur ein paar Kolben Mais hin, die ich in der Kugeltasche mitgenommen hatte, und sah mich nach einem vernünftigen Fleck zum Schlafen um.

Den Petite-Jeanne-Sumpf hab' ich auf dem Striche. Alles naß und feucht, und Mosquitos so dick, das man nicht durchsehen kann. Nach langem Suchen fand ich einen trocknen Platz, zündete ein Feuer an, wickelte mich in meine Decke und legte mich nieder. Hunde hatt' ich nicht mitgenommen, weil ich die Schweine nicht scheu machen, auch überhaupt nicht jagen wollte, und müde vom vielen Umherrennen schlief ich bald genug ein. Wie lange ich gelegen haben mag, weiß ich nicht, denn die Bäume standen so dicht, daß ich kaum gerade über mir ein paar Sterne erkennen konnte, einmal aber wachte ich auf, und da war mir's, als ob ich irgend 'was leise um mich herumschleichen hörte. Ich horchte lange und aufmerksam, und hatte meine Büchse gespannt neben mir. Da ich aber nichts weiter hören konnte, überredete ich mich zuletzt, ich hätt' es blos geträumt, und legte mich wieder nieder; doch ging mir das Ding im Kopf herum. Ohne Hund befand ich mich nämlich in einer keineswegs angenehmen Lage, wenn mir so ein alter Panther in aller Freundschaft auf den Hals gesprungen wäre, wie's dem Dipolt da vor nicht gar langer Zeit am Washita begegnete. Halb im Schlafe, halb im Wachen lag ich also und horchte immer noch auf das geringste Geräusch, als ich dieselben Laute wieder zu vernehmen glaubte. Leise zog ich die Decke vom Gesicht – da war's mir, als ob ich etwas athmen hörte – deutlich und nahe, und fast in demselben Augenblick fühlte ich auch den heißen Athem irgend eines lebenden Wesens in meinem Antlitz. Trotz der Dunkelheit konnte ich einen dicht über mich hinggebeugten schwarzen Gegenstand erkennen, und ganz erstaunt vor Schreck und Ueberraschung blieb ich wirklich regungslos liegen und erwartete, was das räthselhafte Geschöpf über mir beginnen würde. Ein Panther konnt' es nicht sein, das wußt' ich, denn der hätte mich lange an der Kehle gehabt. Das war aber auch der einzige Gedanke, den ich zu fassen vermochte. Ich besann mich nicht einmal auf mein Messer im Gürtel, um wenigstens etwas zu meiner Vertheidigung zu haben, sondern lag nur wie todt da und starrte auf den dunkeln Gegenstand dicht über mir hin, dessen glänzendes Auge ich selbst in dieser Dunkelheit matt leuchten sehen konnte.

Ich weiß nicht, ich bin sonst nicht gerade furchtsam, hier aber war ich wirklich wie behext, und so machtlos, daß ich die sichere Beute irgend eines Raubthieres geworden wäre, das sich die Mühe genommen hätte, mich anzufressen.“

„Und das Thier?“ frugen Alle.

„Auf einmal konnte ich wieder die Sterne über mir erkennen und fühlte den heißen Athem nicht mehr – gleich darauf hörte ich auch die leisen, sich entfernenden Schritte. Mein Besuch hatte mich verlassen und ich athmete so frei auf, als ob ich vom Tode erstanden wäre.“

„Ja, aber – brannte denn das Feuer nicht mehr?“

„Es glimmte nur noch, denn ich hatte am Abend vorher lauter trockenes Hickoryholz zusammengeschleppt.“

„Nun, was machtet Ihr denn nachher?“

„Ich kann mich nicht einmal mehr ordentlich darauf besinnen. – Erst wollt' ich vor allen Dingen aufstehen und das Feuer schüren, dann wollt' ich mein Messer aus der Scheide ziehen und neben mich legen, oder es gar in der Hand behalten, dann wollt' ich mich mit dem Rücken an einen Baum lehnen, um aufrecht sitzen zu bleiben; weiß aber nicht, wie es kam – ich muß wieder eingeschlafen sein, denn als ich recht ordentlich munter wurde, war es heller Tag.“

„Das ist doch eigenthümlich,“ sagte der Richter – „was kann es nur gewesen sein? saht Ihr denn nicht nach den Fährten?“

„›Eigenthümlich‹,“ brummte Bahrens – „ich hätte die Geschichte erzählen sollen, da wäre wieder von weiter nichts als ›Unsinn und Lügen‹ geschwatzt – und jetzt ist sie ›eigenthümlich‹.“

„Natürlich sah ich nach den Fährten,“ antwortete Curtis, „auf der Stelle selbst konnt' ich jedoch nichts erkennen, der Boden war trocken und das Laub lag sehr hoch, etwas davon entfernt aber kam ich an die Spuren eines merkwürdig großen Bären, und das mußte auf jeden Fall mein Nachtwächter gewesen sein.“

„Das thun die Bestien,“ lachte Smith – „ich weiß es aus Erfahrung, denn ich hatte vor zwei Jahren einen zahmen Bären, der stand mehrere Male des Nachts auf, kam an mein Lager und guckte mir gerade in's Gesicht – 's ist komisches Viehzeug!“

„Apropos, Curtis,“ frug der Richter jetzt – „Ihr habt ja versprochen, mir in diesem Frühjahr einen jungen Bären zu fangen; meine Frau möchte gar zu gern einen haben. Ist's denn nicht mehr möglich?“

„Jetzt ist's nun freilich zu spät, im Mai laufen die kleinen Canaillen schon wie die Pferde. – Ich bin übrigens im Februar und März sechs Wochen deswegen im Walde nach allen Richtungen umhergekrochen, bin sogar zweimal nach den Magazinbergen hinübergegangen, um dort in ein paar Höhlen, die ich wußte, nachzusuchen, 's war aber nichts zu machen. – Hätte selbst gern einen kleinen, zahmen Petz – sie sind gar zu lieb.“

„Thorheit,“ sagte Bahrens – „unbeholfene Dinger werden's. Schon im ersten Jahre werfen sie das Glaszeug und Geschirr aus den Gefachen, ziehen das Tischtuch vom Tische mit Allem, was drauf steht, zerren die Bienenstöcke um, beißen sich mit den Ferkeln und schütteln die Pfirsichbäume. – Nein, da giebt's noch manche andere Thiere, die harmlos sind und eben so vielen Spaß machen. In Nord-Carolina hatte ich einen zahmen Häring, der lief mir durch's ganze Haus nach.“

„Halt, Bahrens – verschnappt Euch nicht,“ lachte der Richter, „ein Häring auf dem Trocknen, wie lange sollte der leben?“

„Leben!“ rief der alte Jäger voller Eifer – „leben! Ein Thier kann sich an Alles gewöhnen. Der war in seiner Jugend auf eine Sandbank geworfen und hatte nie wieder Wasser gesehen – ich mußte ihm nur jeden Tag frischen Sand geben. – Jetzt hab' ich ein kleines Ferkel,“ fuhr Bahrens, ohne einen weiteren Einwurf zu beachten, fort – „ein wunderbares Ding – und doch keineswegs ›eigenthümlich‹. – Es sieht aber gefleckt aus wie ein Hirschkalb, und der kleine Schwanz ist ihm so merkwürdig fest zusammengedreht, daß es schon seit drei Wochen die Hinterbeine nicht mehr auf die Erde gebracht hat.“

„Hurrah für Bahrens!“ schrie Curtis, verstummte aber plötzlich und rief: „Heda, war das nicht eben ein Schuß?“

„Ja – ich glaube, ich hörte es auch,“ entgegnete Bahrens. – „Hecker wird's gewesen sein; die Salzlecke ist lange nicht bewacht, an der er heut Abend sitzt, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn er ein paar Mal zum Schusse käme.“

„Hallo im Hause!“ rief plötzlich eine Stimme vor der Thür, und die Hunde schlugen scharf und gellend an.

„Da rief Jemand,“ sagte der Richter.

„Hallo im Hause!“ wiederholte die Stimme draußen und diesmal so laut, daß sie selbst das Gebell und Geheul der Hunde übertönte.

„Hallo da draußen – was gibt's?“

„Bringt ein Licht her – wollt Ihr?“

„Wer ist da?“

„Husfield vom Springcreek und Freunde. Kann man hier Kienholz oder ein paar Pfund Wachs bekommen, um große Lichter draus zu machen?“

„Ja,“ rief Eastley – „Wachs hab' ich zwar nicht, doch Kien genug. Der muß übrigens erst gespalten werden, und Ihr steigt indessen lieber ab und kommt herein. Ruhig, ihr Hunde!“

„Husfield? was zum Henker bringt Euch hier in der Nacht her,“ rief der Richter, der, von Cook gefolgt, vor die Thür trat, „wen habt Ihr da bei Euch?“

„Freunde vom Springcreek!“ – erwiderte der Angeredete, wechselte einige Worte mit seinen Begleitern, stieg dann ab und kam in's Haus.

„Guten Abend, Gentlemen! – Ist Einer hier unter Euch, der die Furthen im Fourche la fave kennt und auf ein paar Stunden unser Führer sein möchte?“

„Was habt Ihr denn, seid Ihr Jemandem auf der Spur?“

„Niederträchtige Schufte,“ rief Husfield, „haben mir in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag sechs Pferde gestohlen. Glücklicher Weise merkte ich's gleich am andern Morgen, eigentlich schon in der Nacht. Ein paar von meinen außerhalb weidenden Pferden kamen nämlich zum Hause, was sie sonst nie thun, wenn sie nicht von Fremden oder Wölfen geängstigt werden. Ich konnte aber natürlich im Dunkeln die Spuren nicht aufnehmen, rief jedoch noch vor Tagesanbruch meine Nachbarn zusammen, und mit der ersten Helle begannen wir die Verfolgung. Die Spuren waren natürlich breit genug, nach kurzer Zeit theilten sie sich aber, und drei gingen rechts, die anderen drei links. Nicht ohne Grund vermutheten wir, daß dies blos eine List sei, um Einen, der den Fährten folgen möchte, irre zu führen. Da wir nun Fünf waren, so theilten wir uns, um ganz sicher zu gehen, und wurden über die nördlichen Bergrücken vom Petite-Jeanne und durch die Magazinberge auf eine so entsetzliche Art und durch solch' fürchterliche steinige Strecken kreuz und quer geführt, daß ich noch jetzt nicht begreife, wie es die Pferde ausgehalten haben. Das nahm uns natürlich viel Zeit weg, denn die Schufte waren im Zickzack, und zwar, um uns von den Fährten abzubringen, auf Stellen herumgeritten, wo man eine Hufspur kaum erkennen konnte. – Endlich aber mußten sie sich doch sicher geglaubt haben, denn an den Quellen des Panthercreeks, wo er sich südlich nach dem Petite-Jeanne hinunterzieht, hatten sie sich wieder vereinigt und sind von hier an im offenen Walde dem Flusse zugeritten, bis sie die Straße erreichten, was wahrscheinlich gestern Abend geschehen ist. Von dort folgten sie, so unverschämt wie möglich, eine Strecke lang dem gebahnten Wege. Erst mit Tageslicht, schien es, hatten sie sich wieder in den Wald geschlagen und, um sich und die Pferde ein wenig verschnaufen zu lassen, gelagert, auch die Thiere gefüttert – Gott weiß, wo sie den Mais herbekommen haben, auf jeden Fall gestohlen. Wir mußten ebenfalls eine kurze Zeit ruhen, wollten auch unsere Thiere nicht zu arg abhetzen, da uns die Burschen jetzt ziemlich gewiß sind. Nur auf gut Glück folgten wir übrigens seit Dunkelwerden der Straße, die sie ein paar Meilen von hier wieder betreten hatten, und hielten es jetzt für besser, sicher zu gehen und die Nacht hindurch langsam mit Fackeln auf der Fährte zu bleiben. Da sie aber auf jeden Fall den Fluß gekreuzt haben, so möchten wir Jemanden mitnehmen, der die Furth kennt, daß wir nicht unnütz aufgehalten werden.“

„Ihr thut sehr wohl, auf den Fährten zu bleiben,“ sagte Cook, „denn vor morgen früh regnet's auf jeden Fall. – Die Sonne ging höchst verdächtig unter.“

„Ich glaub' es auch,“ erwiderte Husfield. „Um so mehr Ursache haben wir aber, die Verfolgung zu beschleunigen – oh, das ist genug Kien, Eastley, das thut's. – Wenn die Burschen sich nur die Nacht durch auf der Straße gehalten haben, was ich keinen Augenblick bezweifle, so müssen wir sie mit Tagesanbruch einholen, wenigstens nicht weit mehr hinter ihnen sein.“

„Weshalb sollen sie aber der Straße folgen?“ fragte Cook. „Nach den heißen Quellen hinüber, glaub' ich doch unmöglich, daß sie die Pferde führen können. Die einzige Hoffnung, die sie haben, glücklich fortzukommen, wenn sie wirklich nicht gleich verfolgt würden, ist, den Arkansas zu erreichen. Aber auf eine augenblickliche Verfolgung müssen sie doch stets rechnen und darauf gefaßt sein.“

„Das ist wahr,“ meinte Husfield nachdenkend – „doch wir werden es ja sehen, wenn wir an's andere Ufer des Fourche la fave kommen. Wollen sie zum Arkansas, so müssen sie sich von dort an durch den Wald schlagen, um die untere Straße zu erreichen. Dann vermögen wir freilich nichts zu thun, als bis morgen früh zu warten. Sind sie aber am andern Ufer der Straße wieder gefolgt, so ist das ein sicheres Zeichen, daß sie nach den heißen Quellen wollen, und wir könnten dann in aller Bequemlichkeit der breiten Straße nachreiten.“

„Wenn wir nur den Indianer aufzutreiben wüßten,“ sagte der Richter – „der ist ausgezeichnet auf einer Fährte und würde von wesentlichem Nutzen sein. Gott weiß aber, wo er steckt.“

„Vielleicht war es der, den wir bei der Salzlecke hier oben trafen, der sprach gebrochen Englisch. – Es dunkelte schon bedeutend, und ich konnte sein Gesicht nicht ordentlich erkennen.“

„Nein, das ist ein Deutscher – gingen denn aber die Fährten dort vorbei?“

„Ja – in vierhundert Schritt. Sie müssen noch ganz in der Nähe sein. Er sagte uns, daß er die Männer, als er eben angekommen und noch kein Feuer gehabt, gesehen, sie aber nicht hätte erkennen können, doch wäre ihm die Gestalt des Einen sehr bekannt vorgekommen. – Denkt Euch, nur zwei von den Canaillen haben die ganzen sechs Thiere fortgeführt. Die müssen's aus dem Fundament verstehen.“

„Wie fandet Ihr denn den Deutschen?“

„Wir kamen auf der Straße herunter, sahen die Kienflamme, die auf dem Gestell brannte, und ritten hin, um ihn auf's Gerathewohl zu fragen. Der Jäger selbst sitzt, wie Ihr wißt, im Dunkeln. Unsere Gegenwart schien ihm aber nicht besonders angenehm zu sein; da wir ihm natürlich das Wild von der Salzlecke fern hielten, so blieben wir dort auch nicht länge.“

„Wer's nur sein mag?“ meinte der Richter. „Wundern sollte mich's gar nicht, wenn dieser Halunke, der Cotton, die Hand mit dabei im Spiele hätte. Gesehen ist er vor einiger Zeit hier in der Gegend, und die Constabler haben auch den Auftrag erhalten, ihn einzufangen. Er muß aber Wind bekommen haben, denn er war auf einmal fort, ließ sich wenigstens nicht mehr öffentlich sehen.“

„Der entgeht dem Zuchthause nicht,“ sagte Smith.

„Zuchthaus?“ frug Husfield ärgerlich – „glaubt Ihr, daß wir lange Umstände mit ihm machen, wenn wir ihn mit den Pferden einholen? Seht Ihr das hier?“ er zog bei diesen Worten einen dünnen Strick aus gedrehtem Leder hervor, den er dem Richter entgegenhielt – „so wahr ich Husfield heiße, hängt der Schuft an demselben Baume, unter dem wir ihn fassen. So lange Zeit zum Beten soll er haben, als ich brauche, die Schleife zu machen – nicht eine Secunde mehr. Den Canaillen müssen wir einmal Ernst zeigen, sonst ziehen sie uns noch selbst das Fell über die Ohren.“

„Aber die Gesetze,“ sagte der Richter kopfschüttelnd.

„Die Gesetze sind recht gut für dort, wo sie gegeben werden, und in den Städten anzuwenden; hier im Walde ist das jedoch etwas Anderes. Kommt mir gerade so vor, als ob wir Hinterwäldler uns hier hinsetzten und für die Stadtleute in New-York Gesetze machen wollten – sie würden die Hälfte von alledem, was wir zusammenbrächten, nicht gebrauchen können, und wir würden sieben Achtel von dem vergessen haben, was ihnen dort unumgänglich nöthig ist. Nein, laßt jedes Land seine eigenen Gesetze aufstellen, die passen auch nachher. Wenn ich mir eine Scheide zu meinem Messer in einem Laden gleich fertig kaufe, nun ja, da find' ich wohl so ein Ding, wo es zur Noth hineingeht, ordentlich schließt's aber nie, und eh' ich mir's versehe, hab' ich's im Walde verloren. So ist's mit den Gesetzen. – Es sieht so aus, als ob sie paßten, bis Ihr in den Wald kommt; da hapert's nachher an allen Ecken und Enden. So lange wir uns selbst beschützen müssen, so lange wollen wir auch unsere eigene Gerichtsbarkeit ausüben, und – soll ich erst einmal durch Andere beschützt werden, nun – dann zieh' ich weiter westlich. – Also, wer geht mit?“

Cook, Curtis und mehrere Andere waren sogleich bereit, und von Curtis geführt, der als alter Ansiedler dort jeden Fußbreit Weges kannte, erreichten sie bald die Straße, die von Nord nach Süd den Fourche la fave kreuzte; dieser folgten sie und fanden hier auch bald in der weichen Erde die Hufspuren, von denen Husfield betheuerte, er wolle sie unter tausenden heraus als die seiner Pferde erkennen.

Der Himmel hatte sich indessen ganz umzogen, und ein feiner, durchdringender Staubregen fing an niederzufallen. Wenn er aber auch nach und nach die Kleider der Männer durchnäßte, vertilgte er doch bis jetzt noch nicht die Spuren.

Fußnoten

1 Gerichtsschreiber.

2 Auf einen Wolfsscalp standen in Arkansas drei Dollars Belohnung oder Prämie, doch wurde diese nicht in baarem Gelde bezahlt, sondern nur ein Schein darüber ausgestellt, und dieser dann für Staatstaxen angenommen.

3 Um die Wahlfähigkeit der stimmenden Leute zu ermitteln, werden stets drei Bürger des Staates als Richter genommen.

4 Um zu solchen Wahlen stimmfähig zu sein, muß man sich sechs Monate im Staat, und sechs Wochen im County vorher aufgehalten haben.

5 So möge Euch Gott helfen.

6 Ausdruck der Amerikaner für „lustige Nacht“.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Regulatoren von Arkansas