Reden über Vaterland, Freiheit, deutsche Bildung und das Kreuz

An die deutsche Jugend gesprochen
Autor: Baumgarten-Crusius, Carl Wilhelm (1786-1845) Altphilologe, Pädagoge, Rektor der Landesschule Meissen, Erscheinungsjahr: 1816

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sozialgeschichte, Befreiungskrieg, Napoleon, Erziehung, Gelehrsamkeit, Heimat, Vaterland, Befreiung, Freiheit, Tyrann, Heldenmut, Russland, Tapferkeit, Grausamkeit des Kriegs, Beistand, Unterdrückung, Unterdrücker, Flucht, Flüchtlinge, Völker, Fürsten, Glauben, Wissenschaft, Handel, Verkehr, Bildung
Inhaltsverzeichnis
  1. Fortsetzung
Der Mann, dessen Gelehrsamkeit, dessen ausgezeichnete Verdienste um Wissenschaft und Erziehung ich schon lange im Stillen bewundert hatte, der mir seit Jahren Lehrer und Vorbild gewesen war, musste sich mir als warmen Freund des Christentums und des deutschen Vaterlandes zeigen, um meine ganze Verehrung und Liebe zu gewinnen. Es war im Julius vorigen Jahres, damals, wo alles zum entscheidenden Schlag sich rüstete, als ich fern von meiner Heimat Rosaliens Nachlass las. Dass ein Volk, in dem solche Schriften verfasst und mit Enthusiasmus aufgenommen und verbreitet werden, nicht untergehen könne, und dass die Zeit der geistigen und bürgerlichen Auferstehung herannahe, das war die erste Empfindung, mit der ich das Auch aus den Händen legte, das Gefühl, das mir bei wiederholtem Genuss blieb, die Überzeugung, die mich bei seiner Verbreitung leitete. Seitdem ist geschehen, was die Besten zu hoffen nie aufgehört hatten, und Ihre Stimme hat kräftig mitgewirkt. Mein sehnlichster Wunsch, selbst an dem großen Kampf Teil zu nehmen, sollte — so fügte es der Himmels durch Hindernisse aller Art — nicht erfüllt werden. Aber dem Drang meines Herzens, zum wenigsten mit dem Wort etwas für die Heiligsten Interessen der Menschheit getan zu haben, konnte ich nicht wehren. So sind diese Reden entstanden, unabhängig von irgend einem System, von irgend einer Partei, von irgend einer fremden Ansicht, in der Überzeugung niedergeschrieben, dass in dem Gefühl des Wahren und Guten alle Seelen übereinstimmen müssen. Die vierte ist früher in den deutschen Blättern erschienen, als der blutige Kampf noch dauerte. Sie hat durch die Verbindung mit den vorhergehenden und durch die Ereignisse der Zeit eine etwas veränderte Gestalt erhalten. Ich habe keinen Anspruch, als den eines warmen Herzens; die innigste Empfindung alles dessen, was ich gesagt habe, ist meine ganze Beredsamkeit. Sollte der Mann, dem sie gewidmet sind, sie seines Namens nicht unwürdig finden, so habe ich Bürgschaft genug, dass sie auch bei denen Eingang finden werden, denen sie bestimmt sind.
                        Merseburg den 19. Juni 1814.

                              Inhaltsverzeichnis

      I. Das Vaterland
      II. Freiheit
      III. Deutsche Bildung
      IV. Das Kreuz


Er ist vollendet, der blutige Kampf für unser Vaterland, der Kampf für Freiheit, Glaube, Gesetz und Ordnung. Gestürzt ist der wütende Tyrann, gedemütigt das fremde Volk, das unsrer spottete; die Hauptstadt alles Verderbens hat die Gesetze der Sieger angenommen; die Frevler kriechen vor dem Gericht, oder trotzen ohnmächtig der Hand des Himmels, die sich schon aufgemacht hat, sie zu bestrafen; wir feiern den höchsten Triumph unsrer Geschichte — denn noch nie sahen wir die Deutschen so aufstehen, wie einen Mann, von einem göttlichen Geist aufgeregt und getrieben, zu zerbrechen die schändlichen Bande, und das schimpflich Verlorene herrlich wieder zu gewinnen — und mit freudiger Hoffnung sehen wir einer neuen Zeit entgegen; nach den tobenden Stürmen der Nacht in den wilden Fluten des Meeres leuchtet die Morgenröte; vor unseren Augen liegt der Hafen der Rettung; unsere Lippen stießen über von Dankgebet und Lobgesang. Ist es Zeit, nun zu schlafen und zu ruhen? sollen wir uns weichlich in die Polster der Erschlaffung, der feigen Tatenlosigkeit zurückbetten, von denen die Posaune des Himmels uns empor rief? Wir dürften es nicht, wenn das große Werk unstet Umgestaltung, unsrer Wiedergeburt vollendet, wenn wir schon am Ziele waren. Aber wir sind noch nicht am Ziele. Ja niedergeworfen ist der furchtbare Riese; aber hütet euch, dass er nicht neue Kräfte gewinne auf dem mütterlichen Boden. Die Krone habt ihr dem Baume des Verderbens abgeschlagen; aber seine Wurzeln sind nicht ausgerottet, und er saugt neue Safte, sie empor zu treiben in den dürren Stamm, und die Welt mit seinen Zweigen und Früchten zu überschatten. Neben uns lauert der Erbfeind, desto grimmiger und gehässiger, je mehr geschlagen und herabgestürzt von schwindelnder Höhe, voll Schmeichelei und Freundlichkeit in der drückenden Not, aber tigerartig den günstigen Augenblick erspähend, wo er die blutigen Krallen aufs neue in das Herz der großmütigen Sieger schlagen kann. Im Stillen regt und arbeitet derselbe finstre Geist, bald mit der bunten Maske des wahnwitzigen Volkstaumels, bald mit dem Tyrannenpurpur angetan, ein ewiger Chamäleon, Farben und Gestalten wechselnd nach Lust und Gelegenheit; gespensterähnlich schleicht er durch die Länder, und säet neue Zwietracht und Spaltung unter die Völker, selbst unter die Blutsverwandten des gleichen Vaterlandes, Misstrauen zwischen Fürsten und Untertanen, Hass und Neid zwischen Staaten und Provinzen, Unmut und Übermut, Trunkenheit des Glücks und schändlichen Sklavensinn in große und kleine Gemeinheiten; er möchte die kaum geflochtenen Bande der Liebe und Eintracht aufs neue langsam lösen und trennen, und dann gewaltsam mit einer einzigen Kraftanstrengung zerreißen. Unzählbar sind seine Gesandten in unsern Familien, in unsern Gesellschaften, selbst in den höheren Verwaltungen des Staats; sie erproben die geschwächten Kräfte an kleinen Mängeln und Fehlern des genesenden Vaterlandes, und nagen heimlich eine kleine Wunde mit giftigem Zahn, der zerstörenden Krankheit wartend, die sich erzeugen muss, wenn nicht bald gesteuert oder das Unheilbare mit dem Schwerdt ausgehauen wird; sie gehen herum bei den Schwachen und Kranken, und gesellen sie zu ihrer Jüngerschaft; sie predigen Aufruhr und Empörung von den Dächern, und raunen Verdacht und Zweifel in die Ohren der Furchtsamen; sie verdammen abwechselnd Altes und Neues, wie es ihrem Vorteil, ihren Absichten angemessen ist; sie hüllen sich, ihrem Meister gleich, in alle Gewann der, und heucheln selbst Religion und Vaterlandsliebe, um zur rechten Zeit mit der wahren Gestalt an das Licht zu treten. Und Unglaube und Feindschaft gegen das Christentum, Feigheit und Erschlaffung, Selbstsucht und Eigennutz höhlten uns im Innern das ewige Grab, herrschte nicht einer im Himmel, der schon Gericht gehalten hat über die Frevel, der nicht das große Werk anfing, um es unvollendet liegen zu lassen, und der seine Stimme ertönen lässt in der Geschichte unsrer Tage an alle, die es gut meinen mit dem Guten, dass sie Hand anlegen und dem Bösen entgegenarbeiten, und mit Mut und Vertrauen die neue Zeit begründen helfen?

Ja sie leuchtet, die himmlische Morgenröte. Aber auch dunkle Wolken ruhen Sturm drohend am Horizont. Ja er bricht an, der neue Tag. Aber auch Erdbeben und brausende Wasserwogen und zerstörende Feuersbrünste kann er in seinem Schoße mit sich führen. Darum, als standen wir in der ungeheuren Heeresreihe, gewaffnet und gerüstet zum großen, entscheidenden Kampf, und vor uns lägen alle Gefahren des Tags, läge die ganze Zukunft mit allen ihren gefürchteten Möglichkeiten, und die Sonne ginge auf am Himmel, und wie von einem Boten Gottes tönte der Ruf: Kämpft und siegt durch Glauben und Mut, also lasst uns nicht verzweifeln und verzagen, wenn nach den größten Anstrengungen und Arbeiten und Opfern noch nicht alles getan, wenn noch viel zu sorgen und zu streben ist; lasst uns den Mut nicht verlieren, wenn vor und unter uns alte Feinde lauern und neue aufstehen! Kampf führt zum Sieg, und Arbeit zur Vollkommenheit, und unsre Losung sind die heiligen Worte: Glaube, Freiheit, Vaterland. So erhebt eure Stimmen, ihr Männer von Geist und Kraft und Gefühl, ihr alle, denen das Heilige heilig ist, ihr alle, welche das Große und Erhabene erwärmt und erhebt, ihr alle, die ihr das Schändliche und Gemeine hasst und verschmäht, ihr, die ihr Gott fürchtet, und das Vaterland liebt, und in Glaube, Liebe und Hoffnung stark und mächtig seid, ihr, die ihr das Schwerdt im heiligen Kampfe zu führen dürstetet, und denen der Himmel eine andere Bestimmung zeigte, oder die ihr es männlich führtet, und die der Engel des Herrn aufbewahrte in der Gefahr; erhebt eure Stimmen, und redet zu euern Brüdern mit Worten des Feuers und der Kraft, oder des Raths und der Liebe; nur legt die Hände nicht in den Schoß! Jetzt oder nie muss das deutsche Vaterland gebaut werden, und Gott wird es mit uns bauen.

Napoleon in Angesicht Moskaus im Jahre 1812

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Bei Borodino 7. September 1812

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Die Franzosen auf dem Rückmarsch 1813

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Napoleon in Moskau

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Russische Grenadiere 1812/13

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Napoleon mit seinen Generalen: Bertier, Murat, Rapp

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Blücher, Gemälde von Gebauer (Hohenzollernmuseum)

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Schlesisches National-Kavallerie-Regiment, Preußen

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 4

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 2

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 3

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 1

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Ostpreußisches National-Kavallerie-Regiment, Preußen

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