Kapitel 53 - Vier bithynische Sklaven trugen Lygia behutsam in das Haus des Petronius. Ursus und ...

Vier bithynische Sklaven trugen Lygia behutsam in das Haus des Petronius. Ursus und Vinicius schritten nebenher und beeilten sich, die Kranke möglichst schnell in die Hände des griechischen Arztes zu übergeben. Sie sprachen unterwegs nichts; sie waren nach den letzten Vorgängen dazu nicht fähig, Vinicius war von allem Vorgefallenen noch wie betäubt, von Zeit zu Zeit blickte er in die offene Sänfte, um das geliebte Antlitz beim Mondschein zu betrachten. „Das ist sie!“ sagte er dann; „Christus hat sie befreit!“ Er fühlte sich schwach und stützte sich auf den Arm des Ursus; dieser wieder blickte nach den Sternen und betete.

Erst kurz vor des Petronius Haus beendete Ursus sein Gebet und sprach leise, als fürchte er Lygia zu wecken: „Der Herr, unser Erlöser, hat sie vom Tode befreit. Als ich sie auf den Hörnern des Auerochsen sah, hörte ich eine Stimme: Verteidige sie! und das war unzweifelhaft die stimme des Lammes. Im Kerker habe ich viel von meiner Kraft eingebüßt, aber Er gab die Kraft in jenem Augenblicke mir wieder – von Ihm hat das Volk die Eingebung, sich für sie zu verwenden. Sein Wille geschehe!“ Sie waren angelangt; die durch einen besonderen Boten benachrichtigte Dienerschaft strömte ihnen zur Begrüßung entgegen. Paulus hatte in Antium viele von den Sklaven bekehrt, sie waren über das Unglück des Vinicius unterrichtet, daher war ihre Freude groß, als sie die der Wut Neros entrissenen Opfer sahen, und sie steigerte sich noch mehr, als der Arzt Theokles nach der Untersuchung Lygias erklärte, daß sie, sobald das Fieber der Gefängnismauern sie verlassen, sich schnell erholen werde. Das Bewußtsein kehrte noch in derselben Nacht zurück. Als sie erwachte und sich in dem herrlichen Cubiculum sah, umgeben von korinthischen Lampen, Verbena- und Nardenduft atmend, wußte sie nicht, wo sie sich befinde. Das Bewußtsein hatte sie in dem Augenblicke verlassen, als sie an die Hörner des gefesselten Stieres gebunden wurde. Jetzt, da sie das Antlitz des Vinicius erblickte, beleuchtet von einem lieblichen bunten Lichte, glaubte sie nicht mehr auf der Erde zu sein. Vinicius kniete neben ihr nieder, legte die Hand leicht auf ihre Stirn und sagte: „Christus hat dich gerettet und dich mir wiedergegeben!“


Ihre Lippen bewegten sich wieder, doch bald fielen ihr die Augen zu, ihre Brust hob sich zu einem leichten Seufzer, und dann verfiel sie in einen tiefen Schlaf.

Vinicius kniete neben dem Lager und betete zu Christus, dem er jetzt alles dankte. Seine Seele war so in Liebe aufgegangen, daß er sich selbst völlig vergaß. Er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, sein Herz war nur Danksagung, nur opferbereite Liebe, seine Wonne so groß, daß er, obwohl noch lebend, halb im Himmel war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Quo Vadis?