Siebzehntes Kapitel - Als Quentin Durward in Peronne wieder eintraf, war dort eben ein geheimer Rat versammelt, ...

Als Quentin Durward in Peronne wieder eintraf, war dort eben ein geheimer Rat versammelt, der über die Dinge beschließen sollte, die für ihn wichtiger sein sollten, als er ahnen konnte. Und doch saßen so vornehme Herrschaften zu Rate, daß sich kaum hätte glauben lassen, ein junger Mann von Quentins Stande könne in Beziehungen zu ihnen stehen.

König Ludwig, der nach Wilhelms Zwischenspiel keine Gelegenheit versäumt hatte, das gute Vernehmen mit dem Herzog zu fördern, hatte dessen Meinung darüber eingeholt, wie viele und was für Truppen gegen Lüttich ins Feld rücken sollten, und ging Crevecoeurs Rat zufolge bereitwillig auf alles ein, was der Herzog vorschlug, ermangelte indessen nicht, sich für seine Nachgiebigkeit durch Rache an Balue zu entschädigen, dessen Rat ihn verleitet hatte, ein so überschwengliches Vertrauen auf den Herzog von Burgund zu setzen. Tristan, der den Befehl zum Aufbruche der Hilfsvölker überbrachte, hatte auch den Auftrag, den Kardinal nach Loches zu bringen und ihn dort in einen der Käfige einzusperren, die König Ludwig selbst ersonnen haben soll.


Vielleicht hoffte Ludwig, durch seine schnelle Bereitwilligkeit unangenehmeren Bedingungen zu entgehen, von denen der Herzog ihre Versöhnung abhängig gemacht hatte. Aber wenn er solche Hoffnungen hegte, so mißkannte er die Denkungsart seines Verwandten völlig; denn es konnte wohl niemand mehr auf seinem Sinne bestehen, als Karl von Burgund, der sich so leicht nicht hätte willens erklärt, von einer Bedingung abzulassen, die er aus Verdruß über eine vermeintliche Beleidigung oder aus Rachsucht gestellt hatte.

Die nötigen Eilboten waren kaum unterwegs, die Truppen zu beordern, als der König von ihm aufgefordert ward, öffentlich seine Zustimmung zu der Vermählung des Herzogs von Orleans mit der Gräfin Isabelle zu geben.

Mit schwerem Seufzer erfüllte der König dies Begehren, erklärte aber gleich darauf, daß es wohl doch nötig sei, den Herzog von Orleans um seine Wünsche hierbei zu befragen.

»Sie sind nicht außer acht gelassen worden,« erwiderte der Herzog, »Crevecoeur hat mit Monseigneur Orleans gesprochen, ihn aber, – sonderbar genug, – so gleichgiltig gegen die Ehre, eine königliche Braut heimzuführen, gefunden, daß er sich mit Gräfin Isabellens Hand so willig einverstanden hat, als ob ihm gar kein besserer Vorschlag von einem Vater gemacht werden könnte.« – »Desto undankbarer von ihm,« sagte Ludwig, »allein es soll alles geschehen, wie Ihr wollt, Vetter, wenn Ihr nur die Zustimmung beider Teile erhalten könnt. – »Darüber seid unbesorgt,« sagte der Herzog; und wenige Minuten später wurden der Herzog von Orleans und die Gräfin von Croye, letztere wieder in Begleitung der Gräfin Crevecoeur und der Aebtissin der Ursulinerinnen, vor die Fürsten geladen. Aus dem Munde Karls von Burgund vernahmen sie ohne einen Einwurf von seiten Ludwigs, daß die Vereinigung ihrer Hände nach der Weisheit beider Fürsten beschlossen sei, um das unauflösliche Bündnis zu besiegeln, das zwischen Frankreich und Burgund sich gründen sollte.

Der Herzog von Orleans hatte alle Mühe, die Freude zu unterdrücken, die er über diesen Vorschlag empfand, denn es widerstrebte ihm, sie in Gegenwart Ludwigs laut werden zu lassen.

»Lieber Vetter Orleans,« sagte Ludwig mit finsterem Ernst, »da ich bei einer so unangenehmen Veranlassung zu Euch sprechen muß, ist es unnötig, Euch daran zu erinnern, daß Euer Verdienst allein mich veranlaßt hatte, Euch eine Verbindung mit meiner eigenen Familie vorzuschlagen. Allein da mein Vetter von Burgund glaubt, daß eine andere Verfügung über Eure Hand das sicherste Pfand der Freundschaft zwischen seinen Staaten und den meinigen sei, so bringe ich meine eigenen Hoffnungen und Wünsche gern zum Opfer.« – Der Herzog von Orleans warf sich ihm zu Füßen, und küßte – zum ersten Male mit aufrichtiger Zuneigung – die Hand, die ihm der König mit abgewandtem Gesichte hinhielt. Karl wandte sich nun an die junge Gräfin und kündigte ihr rund heraus die beabsichtigte Verbindung als eine Sache an, die weder Aufschub noch Verzögerung zulassen.

»Herr Herzog und Lehensherr,« sprach Isabelle, ihren ganzen Mut zusammennehmend, »ich achte Ew. Hoheit Befehle und unterwerfe mich ihnen.« – »Genug, genug,« fiel der Herzog ein, »das übrige wollen wir schon machen. Ew. Majestät,« fuhr er fort, sich an den König Ludwig wendend, »hat diesen Morgen eine Eberjagd gehabt, – wie wär's, wenn wir nachmittags einen Wolf jagten?«

Die junge Gräfin erkannte die Notwendigkeit eines entscheidenden Schrittes. »Ew. Gnaden mißverstehen mich,« sprach sie in schüchternem Tone, jedoch laut und entschieden genug, um des Herzogs Aufmerksamkeit zu erregen. »Meine Unterwerfung,« sagte sie, »erstreckt sich bloß auf die Ländereien und Besitzungen, die Ew. Gnaden Vorfahren den meinigen verliehen haben, und die ich dem Hause Burgund zurückgebe, wenn mein Oberherr glaubt, mein Ungehorsam in dieser Sache habe mich des Besitzes derselben unwürdig gemacht.« – »Ha, beim heiligen Georg!« rief der Herzog, indem er wütend auf den Boden stampfte, »weiß die Törin denn, vor wem sie steht, – und zu wem sie spricht?« – »Gnädigster Herr,« erwiderte sie, immer noch unverzagt, »ich stehe vor meinem Souverän und glaube, vor einem gerechten Souverän! Wenn Ihr mich meiner Besitzung beraubt, so nehmt Ihr mir alles das, was Eure Vorfahren uns gegeben haben, und zerreißt die einzigen Bande, die uns verknüpften. Aber Ihr habt mir weder diese arme Gestalt, noch viel weniger den Geist gegeben, der mich beseelt, – und diese, bin ich entschlossen, dem Himmel in dem Kloster der Ursulinerinnen unter Leitung dieser heiligen Mutter Aebtissin zu weihen!«

Die Wut und das Erstaunen des Herzogs lassen sich kaum denken; man müßte ihn denn mit einem Falken vergleichen, dem eine Taube ihre Flügel zum Kampfe entgegenspreizt. »Wird die heilige Frau Euch ohne alles Besitztum aufnehmen?« fragte er mit zorniger Stimme. – »Wenn sie ihr Kloster auch anfangs dadurch in Schaden setzt,« entgegnete die Gräfin Isabelle, »so versehe ich mich doch der Milde der edlen Freunde unseres Hauses, die eine Waise des Hauses Croye nicht hilflos lassen werden.« – »Das ist falsch!« sagte der Herzog, »ist bloß ein elender Vorwand, irgend eine geheime, unwürdige Leidenschaft zu verbergen. Herr Herzog von Orleans, sie soll die Eurige werden, und müßte ich sie mit eigenen Händen zum Altare schleppen!«

Die Gräfin von Crevecoeur, eine Frau von hohem Geist, die volles Vertrauen auf ihres Gemahls Verdienste und Gunst setzte, konnte nicht länger schweigen. »Gnädigster Herr,« sprach sie, »Eure Leidenschaften reißen Euch zu einer höchst unwürdigen Sprache hin. Keines edelgeborenen Weibes Hand kann mit Gewalt vergeben werden.« – »Und es streitet gegen die Pflicht eines christlichen Fürsten,« fiel die Aebtissin ein, »den Wünschen einer frommen Seele zu widerstreben, die, der Sorgen und Verfolgungen der Welt müde, eine Braut des Himmels werden will.« – »Auch kann mein Vetter Orleans,« sprach Dunois, »keinen Vorschlag annehmen, gegen den die Dame sich so öffentlich erklärt hat.« – »Wäre mir vergönnt,« fiel Orleans ein, auf den die Schönheit Isabellens einen tiefen Eindruck gemacht hatte, »eine Zeitlang zu versuchen, meine Bewerbungen vor der Gräfin in einem günstigeren Lichte zu zeigen, so – –«

»Herr Herzog von Orleans,« versetzte Isabelle, deren Festigkeit nun durch die Ermunterung verstärkt wurde, die sie von allen Seiten erhielt, »das würde Euch nichts helfen, denn ich bin fest entschlossen, diese Verbindung abzulehnen, wie weit sie auch über mein Verdienst geht.« – »Auch ich hab' nicht Zeit,« sprach Herzog Karl, »zu warten, bis diese Grillen sich mit dem Mondwechsel geändert haben werden, – Orleans, sie soll in dieser Stunde lernen, wie notwendig es für sie ist, Gehorsam zu lernen.« – »Aber nicht meinetwegen, Sire,« antwortete der Prinz, der wohl fühlte, daß er von dem Eigensinne des Herzogs nicht mit Ehren Vorteil ziehen konnte, »einmal offen und bestimmt abgewiesen zu werden, ist genug für einen Sohn Frankreichs. Er kann seine Bewerbung nicht weiter fortsetzen.« Der Herzog warf einen wütenden Blick auf Orleans, einen anderen auf Ludwig; und als er in dem Gesichte des letzteren trotz aller Anstrengung, seine Gefühle zu verbergen, einen Ausdruck geheimen Triumphes las, geriet er vor Wut außer sich. »Schreibt,« sagte er zu seinem Sekretär, »unser Urteil gegen dieses ungehorsame, freche Geschöpf nieder! Sie soll ins Zuchthaus zu den gemeinen Kreaturen, mit denen sie an Frechheit wetteifert.«

Da erhob sich ein allgemeines Murren.

»Herr Herzog,« sprach Graf Crevecoeur, indem er für die übrigen das Wort ergriff, »das muß reiflich bedacht werden. Wir, Eure getreuen Vasallen, können nicht zugeben, daß dem Adel und der Ritterschaft Burgunds solcher Schimpf angetan werde. Hat die Gräfin unrecht gehandelt, so mag sie bestraft werden, – aber auf eine Weise, die sich für ihren Rang und den unsrigen geziemt, die wir mit ihrem Hause durch Bande des Blutes und der Verwandtschaft verbunden sind.«

Der Herzog hielt einen Augenblick inne und sah seinem Ratgeber mit dem Blicke eines Stiers in das Gesicht, der, wenn ihn der Hirt von dem Wege treibt, den er gehen will, überlegt, ob er gehorchen oder auf den Hirten losstürmen und ihn in die Luft schleudern soll. Die Klugheit trug indessen über die Wut den Sieg davon. Er sah, daß die Stimmung in seinem Rate allgemein gegen ihn war, und fürchtete die Vorteile, die Ludwig daraus ziehen möchte, wenn er Uneinigkeit unter seinen Vasallen bemerkte; und wahrscheinlich, – denn er war eher von roher und heftiger denn von bösartiger Gemütsart, – schämte er sich selbst seines unehrenhaften Vorhabens.

»Ihr habt recht, Crevecoeur,« versetzte er, »ich war zu vorschnell. Ihr Schicksal soll nach den Regeln des Rittertums entschieden werden. Ihre Flucht nach Lüttich hat das Zeichen zur Ermordung des Bischofs gegeben. Wer diese Untat am ehesten rächt und uns das Haupt des wilden Ebers der Ardennen bringt, soll berechtigt sein, ihre Hand von uns zu fordern.« – »Wie?« sagte die Gräfin, »bedenkt, daß ich die Tochter des Grafen Reinhold, – Eures alten, treuen Dieners, – bin. Wollt Ihr mich als einen Preis aussetzen für den, der die beste Klinge führt?« – »Eure Ahnfrau,« entgegnete der Herzog, »ward in einem Turnier gewonnen, und um Euch soll in offener Feldschlacht gefochten werden. Nur soll, um Graf Reinholds willen, ob reich, ob arm, der Ritter, der den Preis sich holt, ein Edelmann von untadelhafter Geburt und fleckenlosem Wandel sein. Das schwöre ich bei dem heiligen Georg, bei meinem Fürstenhut und dem Orden, den ich trage!«

Die Einrede der Gräfin wurde durch den jubelnden Beifall übertäubt, der sich von allen Seiten erhob und mehr als alles dazu beitrug, das Blut des ungestümen Brausekopfes zu besänftigen.

»Sollen wir, denen das Schicksal schon Frauen gegeben hat,« sagte Crevecoeur, »müßige Zuschauer bei diesem Kampfe sein? Dies verträgt sich nicht mit meiner Ehre; denn ich habe selbst noch ein Gelübde zu lösen auf Kosten dieses Stück Viehes mit seinen Hauzähnen, des Keilers von der Mark.« – »Schlage nur immer drein, Crevecoeur!« sagte der Herzog, »gewinnst Du sie, und kannst sie nicht behalten, so gib sie, wenn Du willst – dem Grafen Stephan, Deinem Neffen.« – »Großen Dank, gnädigster Herr!« sagte Crevecoeur, »ich will mein Bestes tun, und sollte ich so glücklich sein, den Sieg davonzutragen, so mag Stephan seine Beredsamkeit gegen die Frau Aebtissin versuchen.« – »Die französische Ritterschaft,« sagte Dunois, »wird doch hoffentlich von diesem Kampfe nicht ausgeschlossen sein?«

»Behüte der Himmel, wackerer Dunois,« antwortete der Herzog, »und wäre es auch nur, um zu erproben, wie Ihr Euer Aeußerstes tun werdet. Aber,« setzte er hinzu, »obgleich ich nichts dawider habe, wenn sich die Gräfin Isabelle mit einem Franzosen vermählt, so wird es doch nötig sein, daß der künftige Graf von Croye ein burgundischer Untertan werde.« – »Genug, genug,« sagte Dunois, »ich will als Franzose leben und sterben. Aber wenn ich auch die Ländereien preisgebe, für die Dame versuche ich den Kampf.« – »Niemand denkt an mich,« sprach le Glorieux, »und doch bin ich gewiß, Euch allen den Preis vor der Nase wegzuschnappen.« – »Ganz recht, weiser Freund,« sagte Ludwig, »wo ein Weib im Spiele ist, dort ist der Narr immer am ehesten Hahn im Korbe!«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Quentin Durward. Zwei Bände