Fünfzehntes Kapitel - Die Ankunft Lord Crawfords und seiner Wache machte dem eben beschriebenen Kampfe ...

Die Ankunft Lord Crawfords und seiner Wache machte dem eben beschriebenen Kampfe sogleich ein Ende. Der Ritter nahm seinen Helm ab und übergab dem alten Lord sein Schwert mit den Worten: »Crawford, ich ergebe mich. – Aber hier – ein Wort im Vertrauen – um Gotteswillen, rettet den Herzog von Orleans!« – »Wie? – was? Den Herzog von Orleans?« rief der schottische Befehlshaber aus, – »wie kam das, ins Teufels Namen? – Das muß den Anstifter dieser Tat für immer bei dem Könige in Ungnade bringen.« – »Fragt nicht weiter,« sprach Dunois, denn kein anderer, als dieser war es; »ich bin an allem schuld. – Aber seht, es ist noch Leben in ihm. Ich kam her, mir eines der Dämchen dort wegzufangen und so zu Weib und Land zu kommen – und seht, was draus entstanden ist. Laßt die Kerls zurücktreten – es soll ihn niemand erkennen.« Mit diesen Worten öffnete er dem Herzoge das Visier und spritzte ihm Wasser aus dem nahen See ins Gesicht.

Quentin Durward stand wie vom Donner gerührt; so schnell stürmten Abenteuer über Abenteuer auf ihn ein. Die bleichen Züge seines Gegners überzeugten ihn jetzt, daß er den ersten Prinzen von französischem Geblüt zu Boden gestreckt und sich mit seinem besten Kämpen, dem berühmten Dunois, gemessen hatte; – beides an und für sich höchst ehrenvolle Taten; allein ob er damit auch dem Könige einen Dienst geleistet hatte, war eine Frage.


Der Herzog war wieder zu sich gekommen und imstande, auf das, was zwischen Dunois und Crawford vorging, acht zu geben; der erstere behauptete nämlich sehr eifrig, es sei nicht nötig, in der ganzen Sache auch nur den Namen des edeln Herzogs zu erwähnen, indem er bereit sei, alle Schuld auf sich zu nehmen und zu erklären, daß der Herzog ihm aus bloßer Freundschaft hierher gefolgt sei. Mit gesenktem Blicke hörte ihm Crawford zu, seufzte von Zeit zu Zeit und zuckte die Achseln. Endlich erwiderte er, indem er aufblickte: »Du weißt, Dunois, daß ich sowohl um Deines Vaters als um Deiner selbst Willen Dir gern einen Dienst erweisen würde.« – »Ich verlange nichts für mich,« antwortete Dunois. »Du hast mein Schwert, und ich bin Dein Gefangener – was braucht es mehr? Es ist mir bloß um diesen edeln Prinzen zu tun, – Frankreichs einzige Hoffnung, wenn der Himmel den Dauphin zu sich nehmen sollte. Er kam nur mir zu Gefallen hierher – um – mein Glück zu machen – wozu mich gewissermaßen der König selbst aufgemuntert hatte.« – »Dunois,« erwiderte Crawford, »hätte mir sonst jemand gesagt, Du habest um eigenen Vorteils willen den edlen Prinzen in diese Gefahr gebracht, ich hätte ihn Lügen gestraft. Nun aber Du selbst es tust, kann ich kaum glauben, daß Du die Wahrheit sagst.«

»Edler Crawford,« fiel Orleans ein, der sich indessen von seiner Ohnmacht wieder gänzlich erholt hatte, »Euer Charakter gleicht dem Eures Freundes Dunois zu sehr, als daß Ihr ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen solltet. Ich war es, der ihn gegen seinen Willen in dieses unbesonnene, unsinnige Unternehmen mit fortriß. Seh mich an, wer da will,« setzte er hinzu, indem er sich zu den Soldaten wandte. – »Ich bin Ludwig von Frankreich und bereit, die Strafe für meine Torheit zu büßen. Hoffentlich wird der König, wie es recht und billig ist, seine Ungnade auf mich allein beschränken. – Indessen darf ein Sohn Frankreichs sein Schwert niemandem, auch Euch nicht, wackrer Crawford, übergeben – so fahre denn wohl, guter Stahl!« – Mit diesen Worten zog er sein Schwert aus der Scheide und schleuderte es in den See. Es zuckte durch die Luft wie ein Blitzstrahl, und fiel plätschernd in das Wasser, das sich schnell über ihm schloß. – Alle standen unentschlossen und erstaunt umher, so hoch war der Rang, so allgemein geachtet der Charakter des Schuldigen; jeder mußte es sich jedoch sagen, daß die Folgen dieses unbesonnenen Unternehmens in Betracht der Absichten, die der König mit ihm hatte, wahrscheinlich mit seinem gänzlichen Verderben enden würden.

Dunois nahm zuerst wieder das Wort, und in dem zürnenden Tone eines durch Mangel an Zutrauen gekränkten Freundes sprach er! »Ew. Hoheit findet also für gut, Euer bestes Schwert an demselben Morgen wegzuwerfen, an dem ihr kein Bedenken trugt, die Gnade des Königs zu verscherzen und Dunois' Freundschaft zu verschmähen?« – »Teuerster Vetter,« sprach der Herzog, »wie konnte ich Deine Freundschaft verschmähen wollen? Doch nicht dadurch, daß ich die Wahrheit sagte, wo ich sie Deiner Sicherheit und meiner Ehre schuldig war?« – »Was ging Euch denn meine Sicherheit an, fürstlicher Vetter, das möcht ich wissen?« sagte Dunois kurz; – »was in aller Welt kann es Euch verschlagen, wenn ich Lust habe, mich hängen oder erdrosseln, in die Loire werfen, oder erdolchen oder rädern, oder in einem eisernen Käfig einsperren, oder in einem unterirdischen Burgverließ lebendig begraben, oder sonst auf irgend eine Art aus der Welt schaffen zu lassen, wie es König Ludwig über seine getreuen Untertanen zu verhängen für gut finden mag? Ihr habt nicht nötig, mir zuzuwinken, die Stirne zu runzeln und auf Tristan l'Hermite zu deuten, ich sehe den Schuft so gut wie Ihr. – Aber so wär' es mir wohl nicht ergangen. – Soviel inbetreff meiner Sicherheit. Und was Eure Ehre anbelangt – bei dem Erröten der heiligen Magdalene! die wäre, dächt' ich, gerettet worden, wenn man das Unternehmen von diesem Morgen ganz unterlassen hätte, oder wenn Ihr dabei Euch nicht hättet blicken lassen. Da ist nun Eure Hoheit von einem wilden, schottischen Burschen aus dem Sattel gehoben wurden.« – »Still, still!« entgegnete Lord Crawford, »ich lese Eure Handschrift auf dieser gespaltenen Sturmhaube da. Man nehme sie dem Jungen ab, und gebe ihm meine Mütze, die ihm mit ihrem Stahlfutter den Kopf besser schützen wird als das zerbrochene Ding da. – Und nun, Dunois, muß ich Euch und den Herzog von Orleans ersuchen, aufzusitzen und mich zu begleiten, da ich Vollmacht und Auftrag habe, Euch an einen Ort zu führen, der, leider! sehr verschieden ist von dem, den ich Euch gern anweisen möchte.« – »Darf ich nicht noch ein Wort mit jenen schönen Damen dort sprechen, Lord Crawford?« fragte der Herzog von Orleans. – »Nicht eine Silbe,« antwortete Lord Crawford; »ich bin zu sehr Freund Ew. Hoheit, als daß ich eine solche Unbesonnenheit zulassen sollte.« Dann wandte er sich an Quentin und sagte: »Ihr, junger Mann, habt Eure Schuldigkeit getan. Fahrt fort, den Euch gewordnen Auftrag auszuführen.« – »Mit Erlaubnis, Mylord,« sprach Tristan mit seinem gewöhnlichen, rauhen Wesen, »der junge Mann muß sich einen andern Führer suchen. Ich kann Petit-André nicht entbehren, da sich leicht Geschäfte für ihn finden möchten.« – »Der junge Herr,« sprach Petit-André, der jetzt wieder zum Vorschein kam, »braucht nur den Weg, der gerade vor ihm liegt, zu verfolgen, und er wird an den Ort gelangen, wo er den Mann finden wird, der ihm zum Wegweiser bestimmt ist. Nicht um tausend Dukaten wollte ich mich heute von der Seite meines Vorgesetzten entfernen. Ich habe schon manche Ritter und Knappen, reiche Schöppen und Bürgermeister gehenkt – sogar Grafen und Marquis schon zu bedienen gehabt – aber, hm, hm,« – hier sah er den Herzog an, als wollte er sagen, »es fehlt nur noch ein Prinz von Geblüt! – Ho, ho, ho! Petit-André, man wird von Dir noch in der Chronik lesen.« – »Erlaubt Ihr Euern Schuften, in solcher Gegenwart eine solche Sprache zu führen?« sagte Crawford, indem er einen ernsten Blick auf Tristan warf. – »Warum weist Ihr ihn nicht selbst zurecht, Mylord?« entgegnete Tristan tückisch. – »Weil Deine Hand die einzige in der ganzen Gesellschaft ist, die ihn züchtigen kann, ohne durch eine solche Handlung entehrt zu werden,« versetzte Crawford. – »So haltet denn Eure eignen Leute in Ordnung, Mylord, und ich will für die meinigen verantwortlich sein,? sprach der Generalprofoß.

Lord Crawford schien im Begriff, ihm eine leidenschaftliche Antwort zu geben, allein als ob er sich eines Bessern besonnen hätte, kehrte er Tristan rasch den Rücken zu und ersuchte den Herzog von Orleans und Dunois, ihm zur Seite zu reiten, gab den Damen ein Abschiedszeichen und sagte zu Quentin: »Gott segne Dich, mein Kind; Du hast Deinen Dienst tapfer begonnen, obgleich in einer unglücklichen Sache.« Als er im Begriff war, sich aufzumachen, hörte Quentin noch, daß Dunois dem Lord zuflüsterte: »Führt Ihr uns nach Plessis?«

»Nein, mein unglücklicher, unbesonnener Freund!« antwortete seufzend Lord Crawford; »nach Loches.« – »Nach Loches!« Der Klang dieses Namens, noch mehr gefürchtet als Plessis selbst, schallte wie ein Donnerschlag in des jungen Schotten Ohr. Er hatte Loches als einen Ort schildern hören, der zur Ausübung jener geheimen Handlungen der Grausamkeit bestimmt war, womit selbst Ludwig das Innere seines Wohnsitzes zu beflecken sich schämte. An diesem Orte des Schreckens befanden sich Kerker auf Kerker, von denen einige sogar den Gefangenenwärtern unbekannt waren: Gräber für Lebendige, in denen diese für ihr ferneres Leben außer Wasser und Brot zu ihrem Unterhalt und dem Einatmen einer verpesteten Luft nichts weiter zu hoffen hatten. In diesem furchtbaren Schlosse waren auch jene schrecklichen Gefängnisse, »Käfige« genannt, in denen die unglücklichen Gefangenen weder aufrecht stehen, noch sich ausstrecken konnten: eine Erfindung, wie man sagte, des Kardinals Balue.

Als er sich wieder an der Spitze des kleinen Haufens befand und den ihm bezeichneten Weg weiter verfolgte, nahm Gräfin Hameline Gelegenheit, ihn anzureden.

»Mich dünkt, junger Mann, Ihr bedauert den Sieg, den Eure Tapferkeit zu unserem Schutze erfochten hat?«

Es lag etwas in dem Tone dieser Frage, das wie Spott klang, aber Quentin hatte Schicklichkeitsgefühl genug, um einfach und treuherzig zu antworten:

»Ich bedaure nichts, was ich im Dienste solcher Damen, wie ihr seid, getan habe; aber hatte es mit eurer Sicherheit bestehen können, so wollte ich, glaub ich, lieber durch das Schwert eines so guten Kriegers, wie Dunois, gefallen sein, als daß ich so die Veranlassung zur Einsperrung dieses berühmten Ritters und seines unglücklichen Gebieters, des Herzogs von Orleans, in jene furchtbaren Gefängnisse geworden bin.« – »So war es also doch der Herzog von Orleans?« sagte die ältere Dame zu ihrer Nichte. »Selbst in der Entfernung, in der wir dem Kampfe zusahen, erkannte ich ihn dafür. Ihr seht, Nichte, was aus uns hätte werden können, wenn uns der hinterlistige, habsüchtige Monarch gestattet hätte, an seinem Hofe aufzutreten. Der erste französische Prinz von Geblüt und der ritterliche Dunois, dessen Name ebenso weltberühmt ist, als der seines heldenmütigen Vaters! – Dieser junge Mann tat seine Schuldigkeit tapfer und gut; aber mich dünkt, es ist schade, daß er nicht ehrenvoll unterlegen ist, da seine unzeitige Tapferkeit sich zwischen uns und die erlauchten Befreier gestellt hat.« Die Gräfin Isabelle erwiderte in festem und fast unwilligem Tone, mit einer Energie, welche Quentin noch nicht an ihr bemerkt hatte: »Madame, wenn ich nicht wüßte, daß Ihr scherzet, so müßt ich sagen, daß Eure Aeußerung großen Undank gegen unsern tapfern Verteidiger, dem wir mehr verdanken, als Ihr vielleicht glaubt, an den Tag legt. Wäre es den Rittern gelungen, unser Gefolge zu überwältigen, so ist es offenbar, daß wir ihre Gefangenschaft hätten teilen müssen. Was mich betrifft, so fließen dem tapfern Mann, der für uns gefallen ist, meine Tränen, und ich werde Seelenmessen für ihn lesen lassen! der Ueberlebende aber wird,« dies setzte sie in einem mehr schüchternen Tone hinzu, »meinen innigen Dank nicht verschmähen.«

Als Quentin sie anblickte, um ihr etwas Passendes zu erwidern, bemerkte sie, daß das Blut an seiner Wange herabströmte, und rief im Tone tiefen Gefühls aus: »Heilige Jungfrau, er ist verwundet! er blutet! Steigt ab und laßt Eure Wunde verbinden.«

Trotz allem, was Quentin über das Unbedeutende seiner Verletzung sagen mochte, mußte er absteigen, sich auf einem Felsstück niederlassen und dann den Helm abnehmen. Die Gräfinnen von Croye, die, einer damals noch nicht abgekommener Sitte zufolge, auf einige Kenntnis in der Heilkunde Anspruch machen konnten, wuschen ihm die Wunde aus, suchten das Blut zu stillen und verbanden die Wange mit dem Taschentuch der jüngeren Dame, um die Einwirkung der Luft zu verhindern, so wie ihnen die Erfahrung gebot.

Wir haben bereits bemerkt, daß der Patient ausnehmend hübsch war. Als er nun seinen Helm oder vielmehr seine Sturmhaube abnahm, umflossen seine gelockten Haare ein Gesicht, aus dem sicher der Frohsinn der Jugend, verbunden mit dem Erröten der Bescheidenheit die Schönheit nur noch anmutiger malte. In die Gefühle der jüngeren Gräfin, die das Taschentuch auf die Wange halten mußte, während ihre Muhme im Gepäcke nach einem Wundheilmittel suchte, mischte sich eine gewisse zarte Scheu und Verlegenheit; Mitleid für den Verwundeten und eine Regung der Dankbarkeit gaben in ihren Augen seinem schönen Aeußern und seinen edlen Zügen nach mehr Anziehendes. Mit einem Worte, das Schicksal schien diesen Vorfall herbeigeführt zu haben, um den geheimen Seelenverein zu vollenden, der durch mehrere unbedeutende und dem Anschein nach zufällige Umstände zwischen zwei Personen begonnen hatte, die, wenngleich verschieden durch Rang und Glücksgüter, dennoch durch Jugend, Schönheit und die romantische Zärtlichkeit liebender Gemüter innig verwandt waren. Es war daher kein Wunder, daß von diesem Augenblick an die Gedanken an die Gräfin Isabelle, mit denen Quentins Einbildungskraft schon so vertraut war, sich seiner ganzen Seele zu bemächtigen anfing, und daß, wenn auch des Mädchens Gefühle einen minder entschiedenen Charakter hatten, soweit sie sich nämlich derselben bewußt war, sie an ihren jungen Beschützer, dem sie einen so interessanten Gegendienst erwiesen hatte, mit mehr Anteil dachte als an irgend einen aus der Menge hochgeborner Edeln, die sie seit zwei Jahren mit ihren Huldigungen verfolgt hatten. Vor allem erschien ihr, wenn sie an Campobasso, den unwürdigen Günstling Herzog Karls, mit seiner heuchlerischen Miene, seiner niederträchtigen, verräterischen Gemütsart, seinem schiefen Halse und seinen schielenden Augen dachte, sein Bild noch scheußlicher und abschreckender als jemals; und sie faßte bei sich den festen Entschluß, daß keine Tyrannei sie je zur Eingehung einer solchen Verbindung vermögen sollte.

Sei es nun, daß die gute Gräfin Hameline von Croye männliche Schönheit noch ebenso bewunderte und zu würdigen wußte, als wie in ihrem fünfzehnten Jahre (denn die Gräfin war, wenn die Nachrichten dieses edlen Hauses die Wahrheit sprechen, wenigstens fünfunddreißig Jahre alt), oder daß sie glaubte, sie habe ihrem jungen Beschützer bei der anfänglichen Beurteilung seiner Dienste weniger Gerechtigkeit widerfahren lassen, als er verdiene, genug – er begann Gnade auch in ihren Augen zu finden ... »Meine Nichte,« sagte sie, »hat Euch ein Tuch geschenkt, um Eure Wunde zu verbinden; empfanget hier eines zur Belohnung für Eure Tapferkeit und zur Ermutigung, auf dem Pfade des Rittertums also fortzuschreiten.«

Mit diesen Worten gab sie ihm ein blauseidenes, reich mit Silber gesticktes Tuch, zeigte auf die Satteldecke ihres Zelters und die Federn ihres Reithutes und machte ihm bemerklich, daß sie von gleicher Farbe wären.

Die Sitte der Zeit schrieb genau die Art vor, wie man eine solche Gunstbezeugung anzunehmen habe; Quentin befolgte sie auch, indem er das Tuch um seinen Arm band. Er bezeigte ihr jedoch seinen Dank auf eine linkischere und weniger galante Weise, als es vielleicht zu einer andern Zeit und in andrer Gegenwart der Fall gewesen wäre; denn obgleich ein solches Damengeschenk als bloße Artigkeit anzusehen war, so hätte er sich doch lieber des Rechts bedient, das Tuch um den Arm zu tragen, das auf der ihm von Dunois' Schwert geschlagenen Wunde lag.

Mittlerweile setzten sie ihre Wallfahrt fort; Quentin ritt den Damen zur Seite, in deren Gesellschaft er stillschweigend aufgenommen zu sein schien. Er sprach jedoch nicht viel; denn ihn erfüllte das Bewußtsein jener stillen Glückseligkeit, das sich scheut, seinen Empfindungen eine zu laute Sprache zu leihen. Gräfin Isabelle sprach noch weniger, so daß die ganze Unterhaltung auf Gräfin Hameline beruhte, die auch keine Lust bezeigte, sie fallen zu lassen; denn um den jungen Bogenschützen, wie sie sagte, in die Grundsätze und Sitten des Rittertums einzuweihen, erzählte sie ihm den ganzen Hergang des Speerrennens zu Haflinghem, wo sie die Preise unter die Sieger verteilt hatte.

Quentin, der, wie ich mit Bedauern sagen muß, an der Schilderung kein großes Interesse fand, fing an besorgt zu werden, ob er nicht vielleicht schon über den Ort hinaus sei, wo der Führer zu ihm stoßen sollte – ein ernster Unfall, der, wenn er sich wirklich zugetragen hatte, die schlimmsten Folgen befürchten ließ. Während er mit sich zu Rate ging, ob es nicht besser wäre, einen Begleiter zurückzuschicken, um zu ermitteln, ob seine Furcht gegründet sei, vernahm er den Klang eines Horns, und als er die Augen in die Richtung wandte, woher dieser kam, sah er einen Reitersmann eilig gegen sie heransprengen. Das kleine, wilde, langhaarige Tier erinnerte Quentin an die Gebirgspferde seines Vaterlandes; allein dieses war feiner gebaut, und bei gleicher Ausdauer, wie es schien, ungleich rascher in seinen Bewegungen; der Kopf besonders, der bei schottischen Kleppern oft plump und unförmlich ist, war klein und stand in schönem Verhältnis zu seinem Halse; dabei hatte das Tier dünne Kinnladen, feurige, volle Augen und weite Nasenlöcher.

Noch sonderbarer als das Aussehen des Pferdes, das er ritt, das übrigens mit den französischen Pferden nicht die geringste Ähnlichkeit hatte, war das des Reiters. Er lenkte zwar seinen Klepper mit vieler Gewandtheit, seine breiten, schaufelförmigen Steigbügel aber waren so kurz geschnallt, daß seine Knie mit dem Sattelknopfe ziemlich die gleiche Höhe erreichten. Er trug einen kleinen roten Turban mit einer schmutzigen Feder, die mit einer silbernen Schnalle befestigt war; sein Leibrock war von grüner Farbe und flitterhaft mit Gold besetzt; er trug sehr weite, ziemlich beschmutzte Beinkleider, die um die Knie befestigt waren; seine schwarzbraunen Beine waren ganz nackt bis auf die Bänder, die seine Sandalen an die Füße befestigten. Er trug keine Sporen, denn die Ecken seiner breiten Steigbügel waren scharf genug, das Pferd auf eine sehr empfindliche Weise anzutreiben. In einem karmesinroten Gürtel hatte dieser sonderbare Reiter auf der rechten Seite einen Dolch stecken, an seiner linken hing ein kurzes, gekrümmtes, maurisches Schwert, und an einem schmutzigen Wehrgehänge das Hifthorn, das seine Annäherung verkündigt hatte. Er hatte ein schwärzliches, sonnenverbranntes Gesicht, einen schwachen Bart, schwarze, durchdringende Augen, einen wohlgebildeten Mund und Nase; auch seine übrigen Züge hätten für hübsch gelten können, wenn ihm nicht sein schwarzes, struppiges Haar, das unordentlich um den Kopf hing, und der wilde Ausdruck seiner abgezehrten Gestalt mehr das Ansehen eines Wilden als das eines zivilisierten Menschen gegeben hätten.

»Wieder ein Zigeuner!« sagten die Damen zueinander; »heilige Jungfrau, schenkt denn der König immer noch solchen verworfenen Menschen sein Vertrauen?« – »Wenn ihr es wünscht,« sagte Quentin, »werde ich den Mann befragen und mich, so gut ich kann, seiner Treue versichern.«

Durward sowohl, als die Gräfinnen von Croye, hatten in dem Anzug und dem Aeußern dieses Mannes das Benehmen und die Manieren jener Landstreicher erkannt, mit denen er bei Trois-Echelles und Petit-Andrés raschem Verfahren beinahe verwechselt worden wäre, und hegte daher sehr natürliche Besorgnisse über die Gefahr, einem von diesem fahrenden Volk Vertrauen zu schenken.

»Kamst Du hierher, um uns aufzusuchen?« war seine erste Frage. – Der Fremde nickte bejahend. – »Und in welcher Absicht?« – »Um Euch nach dem Palaste von Lüttich zu geleiten.« – »Des Bischofs?« Der Zigeuner nickte abermals. – »Welches Zeichen kannst Du mir geben, daß wir Dir glauben dürfen?« – »Kein anderes, als den alten Reim,« antwortete der Zigeuner.

»Der Page den wilden Eber schlug,
Davon der Pair die Ehre trug.«

»Ein richtiges Zeichen,« sprach Quentin; »reite voraus, guter Bursche – ich werde sogleich weiter mit Dir sprechen.« Hierauf begab er sich zu den Damen zurück und sagte ihnen: »Ich bin überzeugt, dieser Mann ist der Führer, den wir erwarten; denn er hat mir ein Paßwort gegeben, das, wie ich glaube, nur dem Könige und mir bekannt ist. Allein ich will mich noch weiter mit ihm besprechen, um zu erfahren, inwieweit ihm tatsächlich zu trauen ist.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Quentin Durward. Zwei Bände