Am Abend desselben Tages wurde bei Prinzessin Christine Tennis gespielt.

Am Abend desselben Tages wurde bei Prinzessin Christine Tennis gespielt. Es war alles ein wenig steifund stumm. Prinzessin Christine wußte nicht recht, was sie mit ihren Gästen anfangen sollte, als auf der Terrasse vor dem Schloß der Tee serviert wurde. Die Staatsdame Gräfin Diebitz gab sich große Mühe, die jungen Mädchen zu animieren, sie sprach unaufhörlich und erreichte mit diesem Prinzip genau das Gegenteil von dem Beabsichtigten. Man lies, sie reden und wurde seinerseits immer stiller.

Die Erbprinzessin hatte versprochen gegen Abend zu kommen, und man begrüßte ihr Erscheinen wie eine Erlösung. Anna Luise war wie immer heiter und witzig. „Ich muß mir doch die Kindergesellschaft auch einmal ansehen,“ sagte sie, allen die Hand reichend. Dann setzte sie sich neben die beiden jungen Komtessen Fuchs, die immer guter Dinge waren und zu den wenigen jungen Mädchen gehörten, mit denen sich die Erbprinzessin gern beschäftigte. Die Komtessen waren beide groß, blond und galten als Originale. Das wußten sie auch und machten davon Gebrauch. Es wurde bald lustig auf der Terrasse. Prinzessin Christitte hatte sich neben die kleine Hatzfeld gesetzt, welche den ganzen Nachmittag noch kein Wort gesprochen hatte, und nun, wo es etwas lebendig wurde, so daß man nicht immer sein eigenes Wort so unheimlich schallen hörte, wußten sich die beiden allerhand zu erzählen.


Nachdem die jungen Mädchen entlassen waren, begleitete die Erbprinzessin ihre kleine Schwägerin noch hinüber in den rosa Rokokosalon, den Prinzessin Christine besonders liebte. Die zierliche Eleganz desselben, die zart-rosa Bezüge der winzigen Sessel stimmten eigentlich nicht recht zu der etwas eckigen Erscheinung der jungen Prinzessin. Sie wirkte zu ernst in dieser tändelnden Umgebung. Auch die Erbprinzessin fühlte sich sichtlich nicht ganz behaglich. „Wenn ich mit dem Dinge da durchbreche, Christine, so nimm’s bitte nicht übel,“ sagte sie, sich setzend.

„Aber du tust ja, als ob du wer weiß wie schwer wögest,“ erwiderte die junge Prinzessin lächelnd, mit einem Blick auf die zarte Figur der Erbprinzessin.

„Nein, das nicht gerade, aber ich bin nun einmal keine aus Draht gezogene Rokokodame,“ sagte Anna Luise, sich behaglich räkelnd. „Übrigens, Kleine, wer hat dir denn nun am besten gefallen von den Mädels? Rücke mal raus mit der Sprache!“

„Eigentlich Fräulein von Hatzfeld.“

„Fräulein von Hatzfeld!“ Die Erbprinzessin fing laut an zu lachen. ,,Sei nicht böse, Christine, aber ich kann mir nicht helfen! Die kleine Hatzfeld als Hofdame ist eine urkomische Vorstellung.“

„Aber wieso denn?“ fragte die Prinzessin kleinlaut.

„Nun, ich will dir deine Freundin nicht verleiden, aber ihrer Stellung als Hofdame steht ein großes Hindernis entgegen: ihr eigener Vater. Kennst du den alten Hatzfeld?“

„Nein.“

„Na, da kannst du froh sein. Ich sage dir, eine Visage wie Kommis von Gerson. Ich habe schon Ernst gebeten, Schritte zu tun, ihn von hier zu entfernen. So etwas gehört in irgend eine kleine Garnison, aber nicht an einen Hof. Ich begreife nicht, was man sich in Berlin dachte, uns den zu schicken.“

Prinzessin Christines Lippen zuckten. „Die Tochter ist jedenfalls sehr nett,“ sagte sie.

„Wohl möglich,“ entgegnete Anna Luise, „ich glaube gern, daß es ein seelensgutes Mädchen ist. Aber zur Hofdame bleibt sie gänzlich ungeeignet.“

Der Erbprinz trat ein, um seine Gemahlin abzuholen. Er kam von dem etwas ausgedehnten Jagdfrühstück im Offizierkasino und sah verstimmt und erregt aus. Er hatte die Erbprinzessin nach der Jagd noch nicht gesprochen.

„Denke dir, Ernst,“ rief ihm Anna Luise entgegen, „Christine möchte die kleine Hatzfeld zur Hosdame machen.“

Der Erbprinz lächelte. „Ich fürchte, Kleine, dir wirst damit wenig Staat machen können,“ sagte er, ohne seine Gemahlin anzublicken.

„Das habe ich ihr auch gesagt,“ erwiderte diese, „aber sie hat nun einmal keinen Geschmack.“

„So, meinst du? Nun, sie besitzt davon immerhin noch mehr als du. Ich glaube wenigstens nicht, daß sie Vergnügen an solchen Extravaganzen fände, wie du sie heute früh mit Glimmer ausführtest.“

Anna Luise zuckte spöttisch die Achseln. Es machte ihr immer schrecklich viel Spaß, wenn er eifersüchtig wurde.

„Ich habe nicht Lust, den Zuschauer bei deinen Koketterieen zu spielen,“ fuhr er erregt fort.

Wie alle weichen Naturen, konnte er maßlos heftig werden. Prinzessin Christine war blass geworden. Der unerwartete Auftritt zwischen den Geschwistern beunruhigte und erschreckte sie tief. Sie stand auf und legte dem Bruder die Hand auf die Schulter. „Ernst,“ sagte sie, „bitte bitte, sei nicht böse.“

Er wandte sich zornig um. „Ach, du bist es, Kleine - ja, ich hatte ganz vergessen, - es tut mir leid -Anna Luise, willst du so gut sein, jetzt mit nur aufzubrechen?“

Die Erbprinzessin lehnte sich in ihren Stuhl zurück. ,,Ich denke ja gar nicht daran, Ernst! Du bist nicht in der Stimmung, um ein liebenswürdiger Gesellschafter zu sein.“

Er begann zu zittern vor mühsam beherrschter Erregung. Anna Luise bemerkte es gelassen, es sah fast aus, als amüsiere sie der Anblick seiner Ohnmacht. Endlich stand sie auf, kam ganz nahe an ihn heran und sagte schmeichelnd. „Ernst, geh' doch! Sei gut! Wenn du gut sein willst, komme ich dir in einer Viertelstunde nach - ja, du bist gut?“

Und er ging.

Als er hinaus war, blickte Anna Luise ein wenig verlegen zu der Prinzessin hinüber. „Du siehst ja ganz verschüchtert aus, Kleine,“ sagte sie mit einem Versuch zu scherzen.

Prinzessin Christine erwiderte nichts. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Und doch empfand sie ein so dringendes Verlangen danach, jetzt ein gutes, vermittelndes Wort zu finden. Die Erbprinzessin blätterte in einigen Journalen, die auf dem Tische lagen.

,,Anna Luise, möchtest du nicht gehen? Ernst wünschte es doch so sehr -“ sagte die Prinzessin endlich schüchtern.

„Unsinn, wenn man einen Mann hat, verwöhnt man ihn nicht,“ erwiderte Anna Luise spöttisch. Groß und ernst ruhten die Kinderaugen ihrer kleinen Schwägerin auf ihr. Plötzlich stand die Erbprinzessin auf und küsste das junge Mädchen auf die Stirn. „Merke dir eins, Kleine,“ sagte sie, und ihre tiefe, etwas harte Stimme hatte einen leisen, weichen Klang, „wenn du je heiraten willst, dann - heirate, aber lass dich nicht verheiraten. Nun leb’ wohl für heute. Ich will nach meinem liebenswürdigen Gemahl sehen.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Prinzessin Christelchen