Polen. Beobachtungen und Erwägungen. Zweiter Eindruck. (1886.)

Die Ausweisung der Polen aus Preußen
Autor: Brandes, Georg (1842-1927) dänischer Literaturkritiker, Philosoph und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1898

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Polen, Warschau, Hauptstadt, Baugeschichte, Stadtgeschichte, Landesgeschichte, Kirchenbauten, Bürgerhäuser, Glockentürme, Schlösser, Palais, Schwedenkrieg, Reichshauptstadt, Theater, Plastik und Malerei, Künstler, Baumeister,
Einzige autorisierte Übersetzung aus dem Dänischen von Adele Neustädter
Zweiter Eindruck (1886) Die Ausweisung der Polen aus Preußen

Die zwei größten Militärmächte der Erde, Deutschland und Russland, die miteinander auf gespanntem Fuße stehen, von denen jedoch keine die politische Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Individuen vertritt, haben zur Zeit eine Aufgabe und ein Ziel gemeinschaftlich: sie führen mit Aufbietung aller Mittel einen Ausrottungskrieg gegen eine Nationalität von 14 — 16 Millionen Menschen, die gekettet, gebunden unterdrückt und geknebelt ist wie keine andere Nationalität in Europa, die aber nichtsdestoweniger von ihren Machthabern behandelt wird, als überflute und verdränge sie die Elemente, die sie beherrschen, und wir sehen sie ununterbrochen als eine Gefahr oder eine Drohung bezeichnet.

Die Teilung des polnischen Staates ist fast hundert Jahre alt. Aber sie lässt die Mächte, die sie vollzogen, nicht zur Ruhe kommen. Noch heutigen Tages kostet es große Mühe, sie als Recht und Wohltat zu behaupten. Nicht genug damit, dass man die Weltgeschichte so schreiben ließ, dass jegliche Schuld auf der Seite jenes alten Polens lag. Nicht genug damit, dass, was andern Völkern zur Tugend oder Pflicht angerechnet wird: Liebe zum Vaterlande, seinen Erinnerungen und seiner Sprache; Hass gegen dessen Feinde und Verächter, als Landesverräterei gestempelt und gestraft wird, wenn ein Pole es äußert. Nicht genug damit, dass kein polnischer Deputierter in dem deutschen Reichstage oder dem galizischen Landtage unterlassen kann, seine untertänige Treue zur fremden Teilungsmacht zu beschwören und darzutun, oder, dass die polnische Jugend als Soldat in die deutschen, österreichischen und russischen Heere einregistriert, in Regimenter gesteckt wird, wo eine fremde Sprache gesprochen wird und für fremde Interessen gekämpft werden muss: In der letzten Zeit haben Russland und Deutschland gleichzeitig eine Verfolgung der polnischen Nationalität ins Werk gesetzt, die an Misshandlung streift.

Fürst Bismarck wies zu Anfang dieses Jahres mit weniger Tage Frist 50.000 Polen aus Preußen aus, Männer, Frauen und Kinder, die sich hilflos ein Obdach suchen oder zu Grunde gehen mussten. Sein politischer Beweggrund scheint ein doppelter zu sein. Er fürchtet die Polonisierung der deutschredenden Landesteile; denn es hat sich gezeigt, dass die polnische Sprache trotz allem, was man für ihre Ausrottung getan, stetig Terrain gewinnt. Und er will sich die bestmöglichen Bedingungen für einen bevorstehenden Krieg sichern, möglichst wenig feindlich gesinnte Elemente im Lande haben. Er weist nicht nur aus Preußen alle dort wohnenden fremden Polen aus, selbst wenn sie sich noch so lange dort aufgehalten haben, — und dies so folgestreng, dass am 1. Februar eine 91 jährige Frau in Warschau ankam, die als staatsgefährlich aus Posen ausgewiesen war, sondern er schlägt sogar vor, den in Posen ansässigen und grundbesitzenden preußischen Polen die Erhaltung des Grundeigentums unermesslich zu erschweren. Er will die Polen aus ihrem alten Lande auskaufen und hat zur Kolonisierung des Landes 100 Millionen Mark verlangt, gerade als ob die Rede von unbewohnten Gegenden wäre oder von Landstrecken, die von Wilden bewohnt sind. Und es soll nicht einmal jedem Deutschen unbedingt gestattet sein, polnisches Besitztum aufzukaufen; wer sich mit einer polnischen Frau verheiratet hat, erhält nicht das Recht hierzu; denn die Erfahrung lehrt, sagt Bismarck, dass eine solche im Handumdrehen ihren Mann zu einem polnischen Patrioten macht. In Zukunft soll keinem preußischen Polen erlaubt werden, sich in Posen anzusiedeln, falls er nicht mit einer deutschen Frau verheiratet ist; denn nur dann ist Hoffnung vorhanden, ihn und seine Kinder zu germanisieren.

Brandes, Georg (1842-1927) dänischer Literaturkritiker, Philosoph und Schriftsteller

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Warschau 034 Sakramentinerrinnen-Kirche

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Warschau 049 Palais Krasinski, Hauptansicht

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Warschau 061 Palais Brühl

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Warschau 073 Bibliothe Zaluski nach dem Titelblatt . . . 1752

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Warschau 096 Denkmal Johanns III. Sobieski im Lazienkipark

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Warschau 128 Palais Mostowski (Kommission des Inneren)

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Warschau 135 Palais Primas

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Warschau 146 Wasserwerk im Sächsischen Garten

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