Abschnitt 6

I.
Die Wallfahrt des Obotritenfürsten Pribislav
und des Grafen Gunzel I. von Schwerin
mit Herzog Heinrich dem Löwen.


Wie erwünscht es uns nun sein würde, einen Blick in die Herzen der Pilger zu thun, die jetzt an den heiligen Stätten knieten, und namentlich in Pribislavs Herz, - unser Gewährsmann berichtet uns nur von den prachtvollen Geschenken, welche Herzog Heinrich hier darbrachte, wie er am heiligen Grabe eine große Summe Geldes 28)) opferte, wie er die Kapelle (basilica), in welcher das heilige Kreuz verwahrt ward, mit musivischer Arbeit schmückte und die Thüren derselben mit gediegenem Silber bekleidete, wie er drei ewige Lampen 29), eine vor dem heiligen Kreuze, eine vor der Passion des Herrn auf der Schädelstätte und eine vor dem heiligen Grabe, stiftete - Graf Gunzel von Schwerin diente ihm bei dieser Schenkung als Zeuge -, und wie er endlich den Templern und Johannitern außer andern Geschenken sehr viele Waffen und 1000 Mark Silbers 30) zum Ankaufe von Landgütern gab, damit sie daselbst junge Streiter unterhalten möchten, wenn wieder der Krieg begönne.


Diese Zeit war allerdings nicht mehr fern. Der König Amalrich III. von Jerusalem hatte sich durch seine Kriegszüge nach Aegypten wohl hohen Ruhm erworben, durch solche Einmischung in die dortigen Verhältnisse aber auch gewissermaßen den späteren Fall des christlichen Königreiches eingeleitet; und schon zu seiner Zeit begannen die Fehden wiederum. Jetzt aber herrschte Friede, der König war in Jerusalem; und er zeichnete die abendländischen Gäste gar sehr aus, drei Tage lang gab er ihnen Gastmähler in seinem eigenen Palast.

Ueber solchen Festlichkeiten ward aber der Hauptzweck der Wallfahrt nicht aus dem Auge gelassen. Alle heiligen Stätten wurden besucht, das Thal Josaphat, der Oelberg, Bethlehem und Nazareth; und hernach ward unter einer Bedeckung der Templer auch eine Fahrt nach dem Jordan und nach der Wüste, wo Jesus 40 Tage lang versucht war, unternommen. Der religiöse Charakter einer Wallfahrt ward überall gewahrt: Abt Heinrich von Braunschweig war, wiewohl vom Fasten und Wachen ganz erschöpft, stets im Zuge und hielt an jeder heiligen Stätte, die man besuchte, einen angemessenen Gottesdienst.

Zurückgekehrt nach Jerusalem, ward Herzog Heinrich dort vom patriarchen Amalrich noch zwei Tage 32) festgehalten; dann aber traten die Pilger ihre Heimfahrt an.

Sie zogen zunächst wieder nach Akkon, wählten aber nicht wieder den Seeweg nach Constantinopel. Man hatte dies sonst um so eher vermuthen dürfen, da vornehmlich die Geistlichen von den Anstrengungen der Reise und von dem Fasten bereits ermattet waren, und eine Landreise durch Syrien und Kleinasien gerade im Juli den an die Sommerhitze des Morgenlandes nicht gewöhnten Deutschen so leicht verderblich werden konnte. Warum dennoch der Herzog sich für den Landweg entschied, meldet Arnold uns nicht; es ist aber kaum zweifelhaft, daß Heinrich sich von dem Wunsche leiten ließ, auf dem Rückwege jene Gegenden kennen zu lernen, durch welche einst Gottfried von Bouillon und seine Mitanführer mit dem ersten Kreuzheer nach dem Heiligen Lande gezogen waren. Wenigstens schlug er, wie wir sehen werden, genau ihre Straße ein.

Er vergönnte seiner Begleitung zu Akkon eine Rast, eilte selbst aber, begleitet von dem Abte Heinrich, unter der Bedeckung einer starken Schutzmannschaft der Templer, die auf dieser nahe an dem Gebiete der Ismailiten (Assassinen) vorüberführenden Straße gewiß nicht überflüssig war, voraus nach Antiochia. Er hatte dem erkrankten Bischof von Lübek, dem Abte Berthold von Lüneburg und andern Herren wohl die Heimfahrt über das Meer freigestellt; aber Bischof Konrad bedauerte es bald, sich von seinem Herzog getrennt zu sehen, er wollte ihn auch um einiger Geschäfte willen sprechen. Er eilte demselben also mit den übrigen Reisegefährten auf einer Barke nach. Doch erreichte er ihn nicht mehr. Kaum gelangte er noch lebend nach Tyrus; er starb, als sie dort eben landeten, am 17. Juli 33). Graf Gunzel von Schwerin und die andern Gefährten des Herzogs, welche daselbst zugegen waren, begruben ihn feierlich in jener Stadt. Abt Berthold fühlte sich zu krank, um die Landreise fortzusetzen; er kehrte also nach Akkon zurück, und dort starb er acht Tage nach Konrads Tode, am 24. Juli 34).

In Antiochia scheint das ganze übrige Gefolge sich mit dem Herzog wieder vereinigt zu haben. Fürst Boemund III. gewährte dort seinen deutschen Gästen, die ihm gewiß von seinem Schwager, dem Kaiser Manuel, aufs Beste empfohlen waren, eine glänzende Aufnahme. Den größten Dienst aber leistete er ihnen wahrscheinlich damit, daß er sie vor dem Herrscher von Armenien warnte.




28) Arnold I, 7: pecuniam multam. Steigernd Hinr. de Hervordia (p. 159) u. Hist. de d. Hinrico: maximam pecuniam
29) Arnold begnügt sich mit den Worten: Deputavit etiam reditus annuos ad cereos comparandos, iugiter ad sanctum sepulcrum arsuros. Auch die Hist. d. d. Hinrico hat nur die Worte: deputans cereos iugiter arsuros. Hinr. de Hervordia setzt dagegen nach der Stiftungsurkunde (s. Orig. Guelf. III, p. 516, 517 [und danach auch Meklenb. Urk.-Buch I, Nr. 103]) hinzu: Tres etiam (!) lampades perpstuas ad honorem Dei ardentes in ecclesia dominice resurrectionis instituit; quarum unam coram Domini sepulchro, alteram in loco Calvarie, tertiam coram vivinco ligno crucis ardere quingentis bysantiis comparavit
30) Arn.: Templariis quoque et Hospitalariis dedit dona et arma plurima et mille marcas argenti ad comparanda predia, quibus tyrones teneantur tempore belli. - Dagegen Hinr. de Herv. (u. ebenso fast die Hist. d. d. Hinr.) nur: dona plurima dedit in armis et clenodiis aliis et mille marcas ad comparandos redditus
32) Arn.: duobus diebus; Hinr. de Herv.: per triduum; Hist. d. d Hinr.: tribus diebus
33) Nekrologium des St. Michaelis-Klosters zu Lüneburg bei Wedekind, Noten III, p. 52. - Auch Hist. d. d. Hinr. anno Domini 1172, 16. kal. Augusti. (Bei Detmar und bei Heinrich v. Herford fehlt das Datum, wie auch bei Arnold). Gleichwohl soll nach dieser Erzählung der Herzog 1171 auf die Wallfahrt gegangen sein
34) So das Nekrol. des St. Mich.-Klosters p. 54. - Nach Arnold, Heinr. v. Herford, Hist. d. d. Hinr. und Detmar starb er 3 Tage nach seiner Rückkehr zu Akkon. - Detmar z. J. 1172: „kal. Augusti de hertoghe was mit den anderen vore varen; do he vreschede eren dot, he ward des sere bedrovet.“ Die Beziehung des Datums ist nicht recht klar