Abschnitt 7

III.
Die Pilgerfahrt
des Fürsten Heinrich I. von Meklenburg.


Cypern aber liefen die Schiffe auf dem Wege nach Akkon ohne Zweifel sehr häufig an. Gegen den Herbst des Jahres 1271 hatten sie dazu indessen um so mehr Grund, weil der Sultan Bibars, nachdem er schon im Juni dorthin eine Flotte von 11 oder 14 Galeeren ausgesandt hatte, und diese an den Klippen vor dem Hafen Limiso gescheitert, 3000 Saracenen 116) dabei theils vom Meere verschlungen, theils gefangen genommen waren, sofort daran ging, eine neue, viel stärkere Flotte gegen Cypern auszurüsten. Immerhin rieth die Vorsicht, in einem cyprischen Hafen Erkundigungen über etwa kreuzende ägyptische Galeeren einzuziehen.


Vor dem Herbst 1271 wird Heinrich von Meklenburg, welchen Weg er auch bis an das Mittelmeer eingeschlagen haben mag, Akkon nicht erreicht haben.

Die prachtvoll gebauete Stadt, deren Ausdehnung am Meere die Deutschen an die Lage von Köln erinnerte, ihre gewaltigen Mauern und Burgen machten auf jeden Ankömmling einen tiefen Eindruck; und die bunte und mannigfaltige Bevölkerung, welche in den Straßen wogte, die Zahl der fremden Fürsten und Herren, der Ordensritter und der Milizen, welche alle begierig schienen, sich mit den Moslim zu messen, konnten wohl einen Fremdling zuerst über die Lage der Christen in Syrien täuschen. Bald aber mußte Jedem klar werden, daß diese keineswegs erfreulich war.

Denn so lange der Sultan die Ankunft der abendländischen Könige in Syrien und einen gleichzeitigen Einfall der Mongolen zu fürchten hatte, war er nur darauf bedacht gewesen, alle Vorbereitungen zu seiner Vertheidigung zu treffen. Die Mauern Jerusalems hatten die Saracenen freilich längst zerstört; der Sultan brach aber auch ein in der Nähe belegenes Kloster, damit sich auch dort die Christen nicht festsetzen möchten. Aber sowie jene Gefahr für ihn verschwunden war, ging er sofort wieder zum Angriff über 118). Die Johanniter in ihrer „Kurdenburg“ hatten ihm früher sehr zur Unzeit gedroht; im Frühling 1271 bezwang er dies Schloß. Dann gewährte er den Johannitern und den Templern einen Waffenstillstand, um Boemund von Tripolis für eine angebliche Verbindung mit den Mongolen zu züchtigen. Als er 2 Burgen eingenommen hatte, der Graf aber den Kampf auf Leben und Tod fortzusetzen drohete, ging Bibars auf einen verhältnißmäßig milden Waffenstillstand ein, um so mehr, da er von der Ankunft zahlreicher abendländischer Pilger hörte.

Wir meinen nicht die Friesen, von denen oben die Rede war; diese haben vielmehr das Heilige Land verlassen, ohne zum Kampfe mit den Ungläubigen zu kommen. Aber am 9. Mai 1271 traf der englische Kronprinz Eduard (I.) 120) mit seiner tapfern Schaar in Akkon ein; er führte 1000 auserlesene Männer, darunter 300 Ritter, nach dem Heiligen Lande. Indessen, wie willkommen den Rittern zu Akkon solche Hülfsmannschaft unter der Führung eines Prinzen von wildem Muthe und von unerschütterlicher Standhaftigkeit sein mußte, zumal in einem Augenblick, wo man den Sultan täglich vor den Thoren erwarten durfte: zu einem Vorgehen gegen den Feind fühlten sich die Christen darum doch nicht stark genug. Ja, sie konnten es nicht einmal verhindern, daß Bibars im Juni von Damaskus heranrückte und eine Burg des Deutschordens, Koraïn (Montfort), angriff und am 11. einnahm, hieraus selbst bis nach Akkon streifte und dann Koraïn zerstörte 121). Als darauf aber der Sultan, wegen des oben erwähnten gescheiterten Angriffs auf Cypern nach Aegypten ging, um eine neue Flotte auszurüsten, brach Eduard mit seinen englischen und französischen Pilgern und mit andern Streitern, angeblich mit 7000 Mann, am 12. Juli aus Akkon nach St. Georg (Lydda) auf und zerstörte diese Feste; indessen verlor er auf dem Rückwege viele Leute, die in der glühenden Hitze ihren Durst durch übermäßigen Genuß von Honig und Früchten zu stillen suchten 122). Zu größeren Unternehmungen mußte man die Ankunft neuer Pilger mit dem alljährlich spätestens im August aus Europa abgehenden zweiten großen Zuge abwarten. Auch wurden bereits Verbindungen mit den Mongolen angeknüpft, um sie zu einem Einfall in Syrien zu bewegen.

Leider war die Zahl der im September anlangenden Pilger, unter denen wir uns also auch den Fürsten von Meklenburg denken, nicht so groß, als man gehofft hatte; es wird ausdrücklich erwähnt, es sei der englische Prinz Edmund „mit geringer Gesellschaft“ in Akkon eingetroffen 123)). Dennoch hatten, wenn wir der Angabe in einem Briefe des Sultans 124) Glauben schenken dürfen, die Christen „schon eiserne Leitern angefertigt und schickten sich an, sich auf Safad und eine andere Feste zu stürzen“; aber sein Erscheinen in der Nähe - er kam unerwartet am 19. Sept. in Damaskus an -, meint er, habe den Franken den Muth genommen.




116) Fortsetzung zum Wilh. V. Tyrus 1248-75 (Recueil des historiens des Croisades, Hist. occid. II [Paris, 1859, fol.], p. 460; Makrizi [Hist. des Sultans Mamlouks de l’Egypte, trad. par Quatremère, Paris 1837-45] I, 2, p. 87 meldet, daß die erste Flotte noch im Monat Schewal 669 (= 1270, Mai 12 - bis Juni 9) ausgelaufen war
118) Die Reihenfolge der Ereignisse des Jahres 1271 ist in der Fortsetzung zum Wilh. v. Tyrus 1248-75 leider ganz verwirrt und auch bei Sanudo nicht hinlänglich durch Daten gestützt. Wir folgen den genauen Daten Makrizis und weichen in Einzelheiten von Wilken VII, 589 flgd. Ab
120) Sanudo [Liber secretorum fidelium crucis III, c. 11]: „IX, die Madii; Hemingford: 15 Tage nach Ostern = 19. April; Makrizi: „dans les derniers jours du mois de Ramadan“ (der mit dem 11. Mai Schloß), „ayant avec lui 300 cavaliers, huit navires (botsah), des galères et autres bâtiments, formant un total de 30 embarcations, sans compter ce qui était arrivé précédemment sous la conduite de l’ostadar (majordome) du prince; que le roi“ (Eduard) „avait l’intention de faire le pélerinage de Jérusalem“
121) Makrizi I, 2, p. 87. - „s’“ (Koraïn) „rendit maître le second jour du mois de Dhoulkadah. [So auch Abulfeda, T. V, p. 29.] Il se mit en marcne et arriva vers le point du jour aux portes d’Akka, accompagné d’un corps de troupes. Voyant que les Francs ne faisaient aucun mouvement, il regagna son campement de Koraïn. Le 24ème jour de Dhou’lkadah (3. Juli) il ordonna la démolition de cette forteresse. Il se rendit ensuite dans le voisinage d’Akka, et vint camper à Ladjoun“. Kürzer die Forts. zum Wilh. v. Tyrus (p. 460): - „et prist Monfort des Alemans et l’abati; et d’iqui s’en vint devant Acre, et prist li soudans I chastel du Viel de la Montaigne. - Den gleichzeitigen Zug Eduards nach Nazareth und die Zerstörung dieser Stadt, welche Hemingford (und nach ihm Matthäus von Westminster) behauptet, bestreitet mit Recht Wilken S. 595
122) Forts. zu Wilh. von Tyrus: „à XII jours de jugnet sire Odouars et sa gent et cil d’Acre alerent brisier Saint Jorge“ etc. - Makrizi p. 89: „On reçut (in Kairo) la nouvelle que les Francs avaient fait une incursion sur le territoire de Schagour, s’etaient emparé de cette place, avaient porté partout la dévastation, et livré les grains aux flammes“
123) Forts. zu Wilh. v. Tyrus p. 461: Et vint en Acre mi sire Heymnes, frere mon seignor Odouart, a poi de compaignie. Aehnlich Sanudo III, 11
124) Makrizi II, 1, p. 100. - Nach Damaskus kam er am 13. Safar 670 (p. 93)