Abschnitt 4

III.
Die Pilgerfahrt
des Fürsten Heinrich I. von Meklenburg.


Bibars haßte und verachtete die syrischen Christen; er hat von ihnen gesagt, es hinge nicht von ihm ab, den Untergang der Franken zu hindern, weil sie selbst an ihrem Verderben arbeiteten, und der Kleinste unter ihnen zu zerstören pflege, was der Größte zu Stande gebracht habe. In der That fehlte es ihnen an aller Eintracht und an Verständniß ihrer Lage. Genueser und Venetianer führten auch dort ihre Fehden 95), Johanniter und Templer lebten nicht selten in Spannung, König Hugo von Cypern, der den auch noch bestrittenen Titel eines Königs von Jerusalem annahm, und der Titularpatriarch von Jerusalem fanden gar wenig Gehorsam. Ward ein Orden oder ein christlicher Fürst von dem Sultan angegriffen, so sahen die andern Christen wohl müssig zu, und Jeder schloß oder brach die Verträge auf eigene Hand. Es fehlte dem Feinde daher nie an einem Vorwande, sich auch seinerseits über die Verträge hinwegzusetzen, wenn es ihm so vortheithaft erschien; und einzelne Christen reizten ihn obenein noch dadurch, daß sie Einverständnisse mit den Mongolen unterhielten.


Sie erlitten unter solchen Verhältnissen die schwersten Verluste. Wegen Verbindungen des Fürsten Boemund mit den Mongolen ließ Bibars 1262 das Gebiet von Antiochia verwüsten. Er verbrannte wegen Verletzung des Waffenstillstandes durch die Ritterschaft zu Ptolomais 1263 die Marienkirche zu Nazareth und die Verklärungskirche auf dem Tabor, er verheerte das Land bis Tripolis und Akkon, ja er bedrohete Akkon selbst. Dann kam es zu einem Waffenstillstand; aber wieder verletzten Christen diesen, und wieder suchten andere Hülfe bei den Mongolen. Da kehrte der Sultan mit Heeresmacht nach Syrien zurück, zerstörte 1265 Cäsarea und ließ Arsuf von den eigenen Einwohnern der Stadt vernichten. 1266 gewann er die Templerfeste Safed (unweit Bethsaida) und ließ die tapfere Besatzung ermorden. 1268 nahm er auch Joppe ein und zerstörte unter unerhörten Grausamkeiten die Stadt Antiochia, so daß auch Boemund, damals in Tripolis, einen Waffenstillstand eingehen mußte. Akkon und Tyrus standen nunmehr als die letzten namhaften Seeplätze der christlichen Bevölkerung in Syrien da, und namentlich auf Akkon setzte sie alle ihre Hoffnung.

Auch dieses einzunehmen und die Christen vollends aus Palästina zu vertreiben, war der sehnlichste Wunsch des Sultans Bibars. In Jerusalem flehete er um Muhammeds Segen für seine Waffen; und er erregte nicht nur den Fanatismus seiner Emirs durch die reichlichste Befriedigung ihrer Beutegier, sondern auch den Fanatismus aller Moslim. Willig zahlten sie die „Gottessteuer“, die der Sultan ihnen auferlegte, als er 1267 einen neuen Einbruch der Mongolen befürchtete, und schon 1265 hatte sich in Damaskus eine Gesellschaft zum Loskauf muhammedanischer Gefangenen von den Christen gebildet.

Papst Urban IV., der früher selbst Patriarch von Jerusalem gewesen war, und sein Nachfolger Clemens IV. ließen es nun freilich an Sorge für das Heilige Land nicht fehlen; sie trieben nicht nur Steuern zu dessen Hülfe ein, sondern sie suchten demselben auch Streiter zu erwecken. Aber Europa war gegen solche Mahnungen gleichgültiger geworden; zumal die Deutschen, die von je her im Eifer für die Kreuzzüge es den Romanen nicht gleich gethan hatten, schenkten ihnen wenig Gehör. Des Papstes Clemens Parteinahme für Karl von Anjou, den er nach Neapel gegen die Hohenstaufen gerufen hatte, mußte ihm die Herzen der Deutschen entfremden. Ueberdies war das Reich seit dem Tode König Konrads IV. in Auflösung begriffen; jeder Fürst handelte nach seinem persönlichen Interesse. Der Markgraf Otto von Brandenburg, der im Kampfe gegen die Preußen seinen religiösen Eifer bewiesen hatte, erregte im Papste Clemens die schönsten Hoffnungen; da aber dieser jenem eine zur Kreuzfahrt nach Palästina erbetene Unterstützung abschlug, kam es in Deutschland auch nicht einmal zu einer Rüstung. Wenn also kleinere deutsche Fürsten und Herren wegen eines Gelübdes oder aus dem Drange ihres Herzens den geängstigten syrischen Christen ihren Arm leihen wollten, so blieb es ihnen überlassen, auf eigene Hand, allein oder etwa mit einigen willigen Mannen und Genossen, über das Meer zu ziehen, wie es von Zeit zu Zeit französische Herren und deutsche Pilger thaten, oder aber, wie englische Prinzen, Italiener und Niederländer zu thun gedachten, sich dem großen Kreuzheere anzuschließen, mit dessen Bildung die Könige von Frankreich, Navarra, Aragonien und Neapel schon, als Clemens 1268 starb, eifrig beschäftigt waren. Und wenn auch der päpstliche Stuhl in den nächsten Jahren unbesetzt blieb, so war doch Ludwig der Heilige nicht der Mann, den einmal Gott gelobten Kreuzzug darum aufzugeben; seine Begeisterung und seine und seiner Verbündeten Macht verhießen in der That den Christen einen endlichen großen Erfolg und flößten den Muhammedanern die größten Besorgnisse ein.

Ob nun aber wirklich der Fürst Heinrich von Meklenburg die Absicht gehegt hat, sich dem großen Kreuzzuge der verbündeten Könige von Frankreich, Navarra und Neapel anzuschließen, vermögen wir mit urkundlicher Sicherheit nicht zu bestimmen. Schon Korner hat, wie oben S. 44 erwähnt ist, des Fürsten Pilgerfahrt mit jenem großen Kreuzzuge in Verbindung gebracht; und wenn Heinrich einigermaßen von der Lage des Orients, von dem Kriegszustande, der noch zwischen den Ueberbleibseln des Königreichs Jerusalem und dessen Vasallen und dem Sultan von Aegypten obwaltete, unterrichtet war: so durfte er in der That gar nicht hoffen, Jerusalem als friedlicher Pilger zu erreichen. Wir wissen auch, daß er wenigstens seine Rittergürtel nicht daheim gelassen hat; im härenen Pilgergewande ist er also wohl nicht ausgezogen.

Es spricht auch nicht gegen Korners Auffassung, daß Heinrich erst im Sommer 1271 aufbrach, während die Könige schon im Jahre 1270 ausgezogen waren. Denn nach früheren Erfahrungen waren die Kreuzzüge in einem Jahre nicht zu vollenden; am wenigsten aber durfte man solches von diesem neuen erwarten. Denn, abgesehen von der Macht und der Thatkraft des Aegypters, ließ sich der König Ludwig von Frankreich durch seinen Bruder Karl von Neapel bereden, vorerst 1270 nach Tunis zu ziehen; erst wenn dieses bezwungen sei, wollte man den Orient erobern. Wie bekannt genug ist, starb aber Ludwig IX. vor Tunis am 25. August; zu Ende Octobers schlossen dann die Könige von Navarra und Neapel mit dem Herrscher von Tunis ihren Frieden, im November zog das Kreuzheer aus Afrika ab, zum größten Theil nach Sicilien. Während nun aber die Christenheit von hier den Aufbruch nach dem Morgenlande erwartete, faßten zu Trapani am 25. November die Könige Karl von Neapel und Philipp von Frankreich mit ihren Baronen den Beschluß, den Kreuzzug nach Palästina auf volle 3 Jahre zu verschieben. Das große Heer zerstreuete sich hierauf. Nur 500 Friesen fuhren schon von Tunis aus im Herbste 1270 nach Akkon, und im nächsten Frühling ging von Sicilien aus der englische Kronprinz Eduard mit seinem tapferen Häuflein eben dorthin. Wie dieser, konnte immerhin auch der Fürst von Meklenburg, - sei es, daß er jenen beschlossenen Aufschub während der Winterzeit, wo Schnee und Kälte den Verkehr zwischen Italien und Deutschland über die Alpen hemmte, gar nicht mehr rechtzeitig und genau und vollständig erfuhr, um danach seinen Entschluß zu ändern, oder daß er in demselben eine Vereitelung des ganzen Unternehmens erkannte, aber die Ausführung seines einmal geleisteten Gelübdes darum nicht verschieben wollte, - mit einem kleinen Gefolge eine Fahrt nach dem Heiligen Lande auf sich nehmen, um an seinem Theile den bedrängten Christen daselbst die gelobte Hülfe zu bringen.




95) Wilken VII, 395 f., 464, 471. Joh. Iperii chron. S. Bertini, p. 733 seq. Menconis abb. in Werum chron. [bei Matthaeus, Vet. aevi anal., Pertz, Scr. XXIII, p. 555]: „Vel forte transmarini non fuerunt digni talem recipere coadjutorem et derensorem (Ludwig IX.) propter suas civiles discordias, quia non solum Januenses, qui de Janua civitate venientes Akon civitatem inhabitabant, et Pisam de Pisa civitate invicem discordaverunt, sed etiam illi, qui dicuntur milites dei, videlicet de hospitali sancti Johannis et de domo Teutonica necnon et Templarii, debitam caritatem secundum exigentiam religionis et nomen, qnod dicuntur milites dei, non observant, sed invicem sibi inimicantur