Abschnitt 11

III.
Die Pilgerfahrt
des Fürsten Heinrich I. von Meklenburg.


Die Schuld trägt, so viel man sieht, zum großen Theil des Fürsten Heinrich Bruder, Fürst Johann (II.), der es übel empfand, daß sein Bruder ihn, den nächsten „Schwertmagen“ und gebornen Vormund, bei seiner Bestimmung über die Vormundschaft, wie auf S. 54 erwähnt ist, übergangen hatte. Darf man Kirchbergs Erzählung Glauben schenken, so versuchte der Fürst Johann sogar, als seine Schwägerin Anastasia eines Tages mit ihren beiden kleinen Prinzen eine Fahrt nach Ratzeburg zu einem Besuche bei dem herzoglich sächsischen Hofe unternahm, bei Rehna sich gewaltsam seiner beiden Neffen zu bemächtigen, woran er jedoch durch die List der Frauen verhindert ward 137).


Die vom Fürsten Heinrich vor seinem Auszuge zu Vormündern eingesetzten beiden werleschen Vettern beriefen nun ihrerseits im Jahre 1275 138) die Gesammtheit der Mannen und Rathmänner aus dem Lande des Fürsten Heinrich zu dem ersten uns bekannten Landtage nach Wismar und traten vor diesen ihr vormundschaftliches Amt an; die Wismarschen Burgmannen erklärten sich für sie. Sofort legten aber Fürst Johann und sein Bruder, der Propst Nicolaus, hiergegen Verwahrung ein, unter Berufung auf Fürsten und Herren. Johann wollte sich eher die Fortführung der Regierung in der bisherigen Weise (durch die Fürstin Anastasia) gefallen, als sein näheres Recht auf die Vormundschaft beeinträchtigen lassen. Da die Wismarschen Burgmannen ihn und seinen Bruder Nicolaus in die fürstliche Burg nicht einließen, beklagten sich die beiden Fürsten nicht nur bei ihrem Schwager, dem Grafen Gerhard von Holstein, und bei ihrem Neffen, dem Grafen Helmold von Schwerin, sondern Johann fiel auch mit einer bewaffneten Schaar ins Land ein und verbrannte die Höfe jener Burgmannen. Kaum gelang es dann dem greisen Fürsten Nicolaus von Werle, auf einem neuen Landtage zu Wismar (1275), einen allerseits (auch von den verwandten Fürsten) gebilligten Vergleich zu Stande zu bringen, wonach der Fürst Johann wirklich zum Vormunde der Fürstin Anastasia und ihrer Söhne und des Landes gewählt ward und mit seinem Bruder Nicolaus und der Fürstin unter dem Beistande von sechs erwählten Mannen (Regentschafts- oder Landräthen) die Regierung führen sollte 139).

Aber auch jetzt gelangte das Land nicht zu dauerndem Frieden. Der Fürst Johann leistete seinen werleschen Vettern, den vom Fürsten Heinrich hinterlassenen Weisungen folgend, Beistand in einer Fehde mit Brandenburg. Dafür fiel aber der Markgraf Otto im Bunde mit den Grafen von Schwerin und Holstein verheerend in die Herrschaft Meklenburg ein; und diese mußte, als es nach einem halben Jahre zum Frieden kam, noch Kriegskosten im Betrage von 500 Mark Silbers zahlen, die besser zur Befreiung des Landesherrn hätten verwandt werden können. Ja die Unzufriedenheit mit der Vormundschaft, die allerdings die zugeordneten Landräthe nicht immer heranzog 140), steigerte sich so, daß der Vogt zu Gadebusch, Ulrich von Blücher, einer jener Regentschaftsräthe, ungeachtet die Fürsten Johann und Nicolaus ihre Verwaltung und Fortführung der Vormundschaft einem Spruche von Fürsten und Herren unterwerfen wollten, im Bunde mit dem Grafen (Helmold) von Schwerin und einem Theil der Ritterschaft die Herren von Werle wieder an die Spitze der Regierung zu bringen suchte. Diese besetzten (1277) Sternberg und Gadebusch, vertrieben den Fürsten Nicolaus aus Grevesmühlen, führten von der Burg Meklenburg aus offene Fehde mit der Regierung zu Wismar und zogen im nächsten Jahre auch noch den Markgrafen Otto von Brandenburg auf ihre Seite. Erst, nachdem es im Herbst 1278 dem Fürsten Johann gelungen war, von den Feinden 80 Mann, Ritter und Knappen, gefangen zu nehmen, vermittelten benachbarte Fürsten einen Frieden, wonach die Fürsten Johann und Nicolaus die Vormünder ihrer Neffen bleiben sollten, bis diese zu ihren Jahren gekommen sein würden 141).




137) Kirchberg, Cap. 130 [Westph. IV, p. 779]. Die Erzählung zeigt, daß wir uns die Prinzen noch als kleine Knaben zu denken haben
138) Meklenb. Urk.-Buch II, Nr. 1382. Der Tag ist nicht festzustellen. Am 20. Jan. sagt Anastasia noch von sich: vicem - mariti nostri - gubernantes (Nr. 1353); ihre Söhne sollen mitsiegeln, „cum ad statum maturiorem peruenerint. Vom 2. Febr. 1275 haben wir eine Urkunde (Nr. 1354), die Hinricus dei gracia dominus Magnopolensis junior“ gegeben hat; diese fällt vor die Vormundschaft Johanns, vermuthlich ist sie zur Zeit der werleschen Vormundschaft gegeben
139) Die erste uns erhaltene Urkunde, welche Anastasia, Johann und Nicolaus (ohne der Räthe zu gedenken) gegeben haben, ist vom 18. Jan. 1276 (Nr. 1385), wenn nicht Nr. 1294 ins Jahr 1275 gehört. - Vgl. auch Nr. 1394. - Die Landräthe finden wir zuerst in Nr. 1431, vom 19. März 1277: „adhibito . . consilio et obtento . . consensu eorundem militum, qui tunc nobiscum statui et negociis terre disponere consueuerunt.“
140) Wir finden sie nur in Nr. 1294, 1431 und 1505 (vom 2. Aug. 1279), wo aber nicht consueuerunt, sondern consueuerant steht! -Dagegen in Nr. 1394, 1488 und 1506 ist von ihrem Consens nicht die Rede, auch nicht in Nr. 1524, welche unsers Erachtens auf Grund des Originale gefälscht und vermuthlich eine Abschrift desselben ist
141) „tutores esse debenbt puerorum, quousque uenerint ad annos discretionis.“ (Nr. 1382, Schluß.)