Abschnitt 10

III.
Die Pilgerfahrt
des Fürsten Heinrich I. von Meklenburg.


Der traurige Ausgang der Wallfahrt ließ es nun freilich um so mehr bedauern, daß Heinrich der Pilger Akkon so früh verlassen hatte; denn 3 Monate später hätte er seine Fahrt höchst wahrscheinlich ohne alle Gefahr vollenden können. Der Sultan brach wohl auf die Nachricht, daß sich die Mongolen wieder regten, schon am 4. März wieder aus Kairo nach Syrien auf; aber noch unterwegs erschienen bei ihm Gesandte aus Akkon und baten um einen Waffenstillstand 132). Wie entschieden auch der Prinz (jetzt König) Eduard von England widersprach, knüpften die Einwohner und die Ritterorden zu Akkon, in der Ueberzeugung keinen genügenden Widerstand leisten zu können und in der Absicht den Untergang Akkons zu verhüten, solche Unterhandlungen an. Bibars sandte drei Beamte zu Friedensverhandlungen nach Akkon voraus; er selbst war bis in die Ebene von Cäsarea und in die Nähe von Akkon mit seinem Heere vorgerückt, als am Charfreitage (22. April) der Friede abgeschlossen ward, auf 10 Jahre 10 Monate 10 Tage und 10 Stunden. Der König Eduard blieb ausgeschlossen; der Vertrag beschränkte sich auf christlicher Seite auf den König Hugo von Jerusalem und Cypern und auf die Ebene von Akkon und den Weg nach Nazareth (mehr gestand der Sultan also dem „König von Jerusalem“ von diesem ehemaligen Reiche nicht zu, und von Tripolis war nicht die Rede); hier blieben die Christen von Tribut frei. Uebrigens gestattete Bibars den Christen den ungestörten Besuch seiner Lande und insonderheit auch der heiligen Stätten; wir hören auch in den nächsten Jahren nichts von Gefangennehmung der Pilger. Im Gegentheil berichtet ein christlicher Schriftsteller: „Viele Christen, syrische und fremde, besuchten nun Bethlehem und Nazareth und andere Orte der Heiligen; aber zum Grabe des Herrn wallfahrten nur wenige, weil es bei Strafe des Bannes verboten war, damit nicht durch die Opfer, welche die Christen dort darzubringen pflegten, und durch verschiedene Zölle die Feinde des Kreuzes Christi bereichert würden und die Christen Einbuße erlitten“.


Leider war bei dem Waffenstillstande von einer unentgeltlichen Freilassung gefangener Christen nicht die Rede; und wahrscheinlich kannte man in Akkon noch nicht das unglückliche Loos des meklenburgischen Fürsten, und konnte man sich also schon aus diesem Grunde seiner bei den Friedensverhandlungen nicht annehmen.

Denn die spätere Nachricht, daß Heinrichs Begleiter - bis auf den einen Diener Bleyer - sofort frei gegeben seien, um für ihren Herrn ein Lösegeld zu beschaffen, verdient keinen Glauben. Ohne Zweifel ist richtiger, was die Lübeker Jahrbücher 134) andeuten und Detmar ausdrücklich berichtet, daß nämlich Heinrichs Begleiter mit ihm nach Kairo abgeführt wurden und dort nach und nach - mit Ausnahme jenes einen Dieners - verstorben sind. Daraus erklärt es sich auch, daß drei Jahre verfließen konnten, bevor man in Meklenburg sicher erfuhr 135), daß der Landesherr noch lebe, sich aber in der Haft der Muhammedaner befinde.

Zu Anfang des Jahres 1275 hatte seine Gemahlin endlich gewisse Kunde von dem Unglück ihres Gemahls. Am 20. Januar 1275 vereignete die Fürstin nämlich den Nonnen zu Neukloster das Dorf Arendsee; und sie bemerkt darüber in ihrem Schenkungsbriefe: „Dies haben wir deshalb gethan, damit Gott, der Herr von unaussprechlicher Barmherzigkeit, der wohl regiert und nichts übereilt, um der kräftigen Fürbitte willen dieser Dienerinnen Christi und wegen anderer guter Werke, welche bei ihnen so zahlreich im Schwange sind, unsern geliebten Gemahl Herrn Heinrich von Meklenburg aus den Fesseln der Heiden, in denen er gefangen liegt, unversehrt errette und ihn uns und unsern Kindern und seinen andern Anverwandten, die in tiefer Trauer seiner Heimkehr harren, zu rechtem Troste zurücksende.“

Warum aber wurden, so fragt man, von Meklenburg aus jetzt, wo man die Gewißheit hatte, daß der Landesherr nicht todt, sondern Gefangener war, keine Versuche gemacht ihn loszukaufen? Der Friedenszustand zwischen den syrischen Christen und dem Sultan von Aegypten währte bis 1280; es dürfte also doch unschwer der Ort, wo er gefangen lag, aufzufinden, und der Preis für die Freilassung durch die Vermittelung der Lübeker und der Orden nach Aegypten zu befördern gewesen sein.




132) Makrizi I, 2, p. 102. Dieser meldet hernach ganz kurz: Il vint camper dans les plaines de Kaisarieh, et conclut avec les Francs une trève, qui devait durer dix ans, dix mois, [dix jours], dix heures. La population d’Akkâ sortit en foule, pour voir défiler les troupes (auf dem Marsch nach Damaskus, wo der Sultan 2. Schewal = 1. Mai ankam). - Die genaueren Beschränkungen giebt die Fortsetzung zu Wilh. v. Tyrus 1248-75 (und danach Sanudo III, 11): „A. MCC. LXXII., a XXII jors d’avril (Sanudo: XXI. Aprilis), fu faite la trive du roi de Jherusalem et de Chipre, Hugue de Liseignen, et du soudan Bandocdar (Bibars), et n’avoit en la trive que le plain d’Acre sans plus et le chemin de Nazareth.“ - Anders Menko, Chron. p. 557: „Anno domini 1271 (vielmehr 1272) circa dominicam passionis Domini (10. April 1272) voraus Acon soldanus cum exercitu maximo applicuit. Et sic cives cum magistris trium domorum et consiliariis eorum, qui dicuntur milites, non valentes nec audentes impetum eius sustinere, et timentes, ne, si bello caperet civitatem, penitus eos omnes deleret, ac sic in partibus illis christianitas deperiret . . , pacem cum ipso inierunt, firmantes treugas usque ad XI annos, hoc interposito: si aliquis rex potens de ecclesia terram illam intraret et per eum bellum fieret, ipsi essent excusati. Et sic soldanus legatos eorum honorifice fecit ad se adduci, et sic ipsa die parasceves (= 22. April) predictas treugas ordinaverunt, ita quod Aconenses cum omnibus eivibus ac religiosis ibidem commorantibus absque tributo et omnibus exactionibus omnia sua possiderent, absque civitatibus et castris et suis attinentiis, quae soldanus jure belli acquisierat. Hiis treugis ordinandis assensit et interfuit rex Cipri. Sed domnus Eduardus, rex Angliae, - graviter tulit - ac ideo statim (?) ordinatis treugis . . non sine indignatione - recessit. Soldanus vero tirmatis treugis legatos Akonensium cum honore fecit reduci. Et liberam dedit omnibus christianis licentiam adeundi omnes terminos regnorum suorum et loea sancta visitandi
134) Pertz, Scr. XVI, p. 417: „Hinricus -perdita tota familia sua liber dimissus est a soldano cum uno solo famulo suo Martino.“ - Detmar zum Jahre 1298: „De sine (Heinrichs Leute) dar (in Babylonien) alle dot bleven ane en knecht Mertine“
135) Wir besitzen freilich (Meklenb. Urk.-Buch II, Nr. 1294) eine Inhaltsangabe Clandrians von einer Urkunde, welche „Anastasia, Fraw zu Meklenburgk, mit consens ihres vber See gefangenen Gemahlß h. Heinrichs bruder vnd derer, denen das landt befolen ist“, zu Wismar am 29. August 1273 ausgestellt haben soll, und diese ist mir in Schirrmachers Beiträgen (Schildt, Gesch. Wismars S. 96, A. 1) entgegengehalten. Dort ist aber das Wort „bruder“ irrig für den Genitiv des Singulars (für: „bruders“) genommen und auf den Propst Nicolaus gedeutet, dabei jedoch bemerkt: wer die Uebrigen, denen das Land befohlen gewesen, waren, sei „nicht zu sagen.“ Vielmehr ist „bruder“ für den Plural „brüder“ zu nehmen (denn Clandrian schreibt gewöhnlich u für ü, d. h. er bezeichnet den Umlaut noch nicht), es sind die beiden Brüder Johann und Nicolaus gemeint, denen, wie weiter unten gezeigt wird, seit der Fehde vom Jahre 1275 die Vormundschaft zugestanden ward, und die, „denen das Land befohlen“ war, sind die ihnen zugeordneten Regentschaftsräthe. Es ist also die Jahreszahl falsch überliefert; Clandrian wird 1273 statt 1275 geschrieben oder vielleicht LXXIII statt LXXVI gelesen haben. Damit erledigt sich auch die a. a. O. in Anm. 2 gegen meine Ansicht aufgeworfene Frage