Neuorientierungen

Am 12. März 1559 starb zu Heidelberg der Kurfürst Ottheinrich, und Friedrich, unbestritten Erbe der kurpfälzischen Lande, eilte von Amberg nach dem Stammsitze der Pfalzgrafen am Neckar, um die Regierung der Kurlande anzutreten. 9) Damit begann für ihn nach langen Prüfungen eine bessere Zeit; die schweren ökonomischen Bedrängnisse waren zu Ende, und der gereiften Tüchtigkeit des neuen Kurfürsten eröffnete sich ein reiches Feld der Wirksamkeit in der Pfalz wie im Reich. Aber nicht so frohe Gedanken beschäftigten den weiterblickenden Geist der Maria, als diese allein in Amberg zurückgeblieben war.

Sie begann zu fürchten, dass ihr Gemahl beim Eintritt in die neuen Verhältnisse der reinen alleinseligmachenden Lehre Luthers, worin sie sich bisher mit ihm eins und glücklich gefühlt hatte, entfremdet werden möchte. Denn sie wusste, dass der dogmatische Zwiespalt, der innerhalb der evangelischen Kirche zwischen den Bekennern eines strengen Luthertums und den Anhängern der reformierten Lehre (nebst den Freunden einer vermittelnden Melanchthon’schen Richtung) sich schärfer als früher geltend zu wachen anfing, den Boden Heidelbergs schon bedenklich unterwühlt hatte. Der alternde Ottheinrich nämlich hatte aus Duldsamkeit und Großmut, noch mehr vielleicht wegen Mangel an Verständnis für theologische Streitfragen, welche damals erst die Führer der einen und der andern Partei, dort einen Westphal und andere Niedersachsen, als Vorkämpfer des spezifischen Luthertums, hier Calvin und seine Schüler, als Vertreter einer vertieften zwinglisch -reformierten Auffassung, beschäftigten, neben eifrigen Lutheranern, Anhänger der entgegengesetzten oder einer vermittelnden Richtung in den Dienst des Hofes, der Kirche und der Universität genommen. Zwar als Zwinglianer, welcher Name seit Luthers Tagen einen so gehässigen Klang hatte, mochte sich kaum einer von ihnen offen und frei bekennen. Aber unbedenklich erklärten sie sich als Gegner jener niederdeutschen Eiferer, die alles verketzerten, was nicht in ihrem Sinne lutherisch war. Sie konnten sich dabei in gutem Glauben auf die Autorität Melanchthons berufen, welcher, wie alle Gutunterrichteten wussten, der neuen Rechtgläubigkeit fremd, ja abwehrend gegenüberstand. Mochten dafür die Orthodoxen Jenas und andere selbst den wittenberger Meister als Abgefallenen verketzern:, je lauter sie lärmten, desto mehr machten sie sich allen jenen verhasst, die ein lebhaftes Gefühl für das Bedürfnis des religiösen Friedens und kein scharfes Auge für dogmatische Besonderheiten hatten.


Friedrich selbst hatte zwar bis dahin keine Hinneigung zu der schweizer Lehre verraten, aber auch nicht den Eiferern beigestimmt, welche die von Melanchthon in vermittelndem Sinne umgestaltete Abendmahlslehre der Augsburgischen Konfession verworfen und die ursprüngliche, streng lutherische Fassung derselben wiederhergestellt sehen wollten. Dass zwischen Luther und dem Melanchthon der spätern Jahre wenigstens in der Abendmahlslehre ein Gegensatz bestand, war dem Pfalzgrafen noch nicht klar geworden. Er fasste gleich so vielen Andern die unbestimmten Melanchthonschen Formeln noch nicht im reformierten, sondern im lutherischen Sinne, und erblickte in denen, welche die Anhänger und Freunde jener Vermittelungstheologie als heimliche Calvinisten und Zwinglianer verdammten, nur Verleumder und böswillige Friedensstörer.

Schärfer sah Maria, indem sie fürchtete, dass ihr Gemahl, wenn er in Heidelberg mit den „Zwinglianern“ in Berührung komme, auf deren Seite gezogen werden möchte; denn der Zwinglianismus, meinte sie, sei ein „gar subtil Gift“, sodass jemand leicht verführt werden könnte. Freilich hofft sie von ihrem Gemahl noch das Gegenteil, gleich dem Schwiegersohn Johann Friedrich, welcher die Erwartung aussprach, Gott werde dem neuen Kurfürsten die Gnade verleihen, dass er die christliche Religion in der Pfalz wieder aufrichte und des Teufels Geschmeiß hinaustue. Aber mit voller Sicherheit baute sie darauf doch nicht; sie hielt vielmehr guten Rath und Ermahnung, wozu der sächsische Herzog sich erboten, sehr vonnöten. Sie freute sich daher auch, als Johann Friedrich seinen Besuch in Aussicht stellte, da der Gemahl auf ihn mehr hören werde als auf sie, obwohl sie sich auch einigen Einflusses auf Friedrich bewusst war. Als die Rückkehr des letztern aus Heidelberg sich verzögerte, beklagte sie es, dass sie so lange von ihrem herzlieben Herrn und Gemahl wäre, und ihn nicht zu Zeiten warnen könne. „Denn ich will E. L.“ — schreibt sie am 7. April 1559 dem Schwiegersohne — „im gar hohen Vertrauen nickt verhalten als meinen herzlieben Sohn, dass meines herzlieben Herrn und Gemahl zwei Schwäger, Graf Georg und Graf Eberhard am Erbach gar zwinglisch sind, und ist Graf Eberhard Großhofmeister zu Heidelberg, dass ich besorge, sie werden meinen herzlieben Herrn auch verführen.“ Es hat sonst — sagt sie an einer später n Stelle — ihr Gemahl ein gar christlich Gemüt, wenn er nur nicht verführt wird. Maria hatte die Freude, als ihr Gemahl nach einiger Zeit auf dem Wege nach dem Reichstage in Augsburg zu ihr zurückkehrte, sich zu überzeugen, dass er sich noch nicht „verkehrt“ hatte. Er wollte jetzt ebenso wenig wie früher von Rotten und Sekten wissen, und die Zwinglianer erschienen ihm noch als solche Sektierer. Wenn er aber darin von Andern abwich, dass er nicht jeden, den man als Zwinglianer verschrie, ohne weiteres ungehört verdammen wollte, so konnte ein weibliches Gemüt daran am wenigsten Anstoß nehmen. Beruhigt mochte Maria im Oktober 1559 die Reise zu ihrer Tochter nach Weimar antreten, um derselben bei ihrer Niederkunft beizustehen.

Länger als sie und ihr Gemahl gehofft hatten, musste sie in Thüringen auf das Ereignis warten, dessentwegen man sie dorthin gerufen. Friedrich vermisste sie schmerzlich. Er fühlte sich nicht wohl und sehnte sich nach ihrer Pflege. Das Essen, das fremde Hände ihm bereiteten, schmeckte ihm nicht. „Ich bedürfte deiner besser als eines gemeinen Doktors“, und wenn er es nicht der geliebten Tochter zu Gefallen täte, so ließe er sie keine Stunde mehr darinnen.

Aber noch aus einem andern Grunde fehlte ihm die treue Gefährtin. Denn bald nach ihrer Abreise war in Heidelberg der Hader der Theologen der entgegengesetzten Richtungen trotz aller Vermittelungsversuche des Kurfürsten in skandalöser Weise zu offenem Kampf entbrannt, sodass Friedrich, um den gestörten Frieden der Kirche wiederherzustellen und zu wahren, sich sowohl zu der Entlassung des leidenschaftlichen Vorkämpfers der lutherischen Partei als auch zur Entfernung eines allzu hitzigen „Zwinglianers“ genötigt sah. Diese Vorfälle machten ungemeines Aufsehen. In streng lutherischen Kreisen, insbesondere auch in Thüringen, verbreitete die Kunde von der Entlassung des Heshusius Schrecken, und Johann Friedrich verfehlte sicher nicht, die Schwiegermutter in dem Vorsatze zu bestärken, weiteres Unheil nach Kräften abzuwenden, während Friedrich ihre Rückkehr herbeisehnte, um in den schweren Tagen, wo die mit der Absetzung jener Anführer noch keineswegs zur Ruhe gebrachten Theologen ihm das Leben so sauer machten, bei der Gemahlin Stütze und Trost zu finden.

Als Maria endlich zu Anfang des neuen Jahres in Heidelberg wieder ankam, nahm sie mit Schmerzen die Fortschritte wahr, welche die konfessionelle Parteiung gemacht hatte. Nicht allein die Prediger der Stadt setzten den Hader fort, sondern auch in weitern Kreisen nahm man für und wider leidenschaftlich Partei. Eine Kommission, die Friedrich zur Untersuchung der kirchlichen Zustände eingesetzt hatte, wurde als sektiererisch verschrien. Und selbst im Geheimen Rat des Kurfürsten erhob der Kanzler mit der Miene eines bestellten Glaubenswächters seine Stimme gegen den drohenden Abfall von der rechten Lehre. Es kam zu beleidigenden, ja drohenden Reden zwischen ihm und andern Räten.

Was aber Friedrich selbst betrifft, so ging er zwar über die Linie des Vermittlers und Friedenshüters nicht hinaus; aber dass er diejenigen weltlichen und geistlichen Räte, welche von der Partei des Heshusius als Abgefallene betrachtet wurden, nicht allein im Amte ließ, sondern aus so Verdächtigen sogar die oberste Kirchenbehörde neu bildete, war bedenklich genug. Noch bedenklicher aber war in den Augen Marias, dass ihr Gemahl, je mehr er sich in das Studium der brennenden Frage vertiefte und im Vertrauen auf den göttlichen Beistand, den er inbrünstig erflehte, aus Gottes Wort und den Schriften frommer Männer (nur nicht Zwinglis und Calvins) den rechten Glauben zu gewinnen hoffte, immer mehr Gründe gegen das strenge Luthertum aufzuführen wusste.

Es handelte sich vorzugsweise um die heilige Abendmahlslehre, die in der fast allgemein verbreiteten, von Melanchthon umgeänderten Augsburgischen Konfession so gefasst war, dass sich ihrer auch diejenigen bedienen konnten, welche ohne die wesentliche Gegenwart Christi im Abendmahle preiszugeben und Brot und Wein für bloß äußerliche Zeichen zu halten, die lutherischen Formeln sich nicht anzueignen vermochten, weil diese so leicht im papistischen Sinne gedeutet werden konnten und vielfach auch missdeutet wurden. Über diese Punkte stritt Maria oft und eifrig mit dem Kurfürsten. Alle Gründe aber, die Friedrich für sich geltend machte — Maria bedauert, sie dem Schwiegersohne nicht alle angeben zu können — suchte sie regelmäßig mit dem Hinweis auf Christi Einsetzungsworte zu entkräften. Wenn alle seine Prädikanten dastünden, sagte sie einmal, so sollten dieselben sie nicht anders lehren, als ihr Bekenntnis laute; darauf gedächte sie zu sterben; denn sie wüsste aus Gottes Wort zu beweisen, dass sie recht glaubte. „Ich rede so viel dazu“, gestand sie dem Schwiegersohne, „dass ich besorge, ich werde einmal büßen.“ Aber was Gottes Ehre anbetrifft, da kann sie nicht schweigen. Sie verkennt freilich auch jetzt noch nicht, dass das Herz ihres Gemahls „wahrlich gut gegen Gott ist“, aber die Sorge, dass er verführt werden möchte, indem der Teufel ihn hinterschleiche, lässt ihr keine Ruhe. Inständig bittet sie Johann Friedrich, als sie hört, dass er in Geschäften nach Speyer will, seinen Weg über Heidelberg zu nehmen, um mit dem Kurfürsten sich in Disputation zu begeben. Sie hofft, er werde etwas Gutes bei ihrem Gemahl ausrichten. Denn feine bisherigen Ermahnungen hat er gut aufgenommen; auch das letzte Schreiben, das er an ihn getan. „Er sagte zu mir, ich sehe, dass mein Sohn es treulich mit mir meint, und dass er mich lieb hat.“ Indes trotz der Überzeugung, dass der Schwiegersohn, wenn er komme, dem Kurfürsten viele Dinge ausreden werde, deren er jetzt überredet sei, geht sie so weit, Johann Friedrich wie dessen Bruder Johann Wilhelm, der bald ihr zweiter Schwiegersohn werden sollte, mit der Bitte anzugehen, ihren Gemahl in das gemeine Kirchengebet einschließen zu lassen, dass Gott ihn bei der reinen Lehre erhalten wolle. Erst später, als sie mit dankesfrohem Herzen erfuhr, dass die sächsischen Herzoge nach ihrem Wunsch zu tun befohlen, erinnerte sie sich der allernatürlichsten Rücksichten, welche sie dem fürstlichen Gemahl schuldete, indem sie bat, „ihn doch nicht mit Namen zu nennen“, wenn in den Kirchen Thüringens für den Gemahl gebetet werde. In solcher Gemütsverfassung schreckte die sonst so ehrliche und gerade Fürstin selbst vor einer Lüge nicht zurück. Von Friedrich wiederholt gefragt, ob sie über Religionssachen an die Schwiegersöhne geschrieben habe, antwortete sie, wie sie selbst gesteht, mit Nein! Maria war in Gefahr, ihrer Glaubenstreue die Treue gegen den Gemahl zu opfern. Die Gefahr steigerte sich, als in Heidelberg der kirchliche Hader neue Nahrung durch das Zutun Johann Friedrichs erhielt. Dieser brachte, als er mit dem Bruder Johann Wilhelm, dessen Vermählung mit der Prinzessin Dorothea Susanna nahe bevorstand, im Juni 1560 an den elterlichen Hof kam, zwei kampfgeübte Theologen mit, Mörlin und Stößel, welche nicht allein in Privatgesprächen, sondern selbst auf der Kanzel und in öffentlichen Disputationen für das gefährdete Luthertum eintraten. Stößel hatte die Kühnheit, in einer Predigt, die er mit kurfürstlicher Erlaubnis in der Schlosskirche hielt, Friedrich selbst und seine Räte für Zwinglianer und solche Leute auszugeben, die nicht glaubten, dass im Abendmahl des Herrn der wahre und wesentliche Leib Christi ausgeteilt werde. Und was der Kurfürst von seinem hochmütigen Schwiegersohne zu hören bekam, das können wir aus den dreisten Ermahnungen und Warnungen schließen, die Johann Friedrich sich in seinen Briefen erlaubte.

Je rücksichtsloser jedoch die Vorkämpfer eines extremen Luthertums mit dem Zwinglianismus auch jede vermittelnde Richtung verwarfen, um so weniger erreichten sie in Heidelberg ihren Zweck. Denn nichts hätte des Kurfürsten frommen, von christlicher Liebe getragenen Sinn tiefer verletzen und abstoßen können, als engherzige oder leichtfertige Verdammungslust. Und sollte nicht auch Maria, welche das Herz des Gemahls und seine edeln Absichten am besten kannte, doch endlich irre werden an denen, welche, pochend auf ihre Rechtgläubigkeit, über den besten Fürsten lieblos aburteilten? Sie sah es immer von neuem, wie Friedrich in inbrünstigem Gebet den Beistand des Heiligen Geistes anrief, um den rechten Weg aus den kläglichen Wirren zu finden; wie er ganze Tage und halbe Nächte, Schlaf, Gesundheit und Vergnügen nicht achtend, über theologischen Büchern und vor allem über der Bibel zubrachte, und wie er von den Predigern nichts anderes forderte, als dass sie, bis mit Gottes Hülfe die Streitfragen endgültig geschlichtet würden, sich in der Abendmahlslehre keiner andern Formeln als der Augsburgischen Konfession bedienten und jedes unerbauliche Gezänk vermieden. War es so verdammenswert, dass er diejenigen, welche sich dessen weigerten, des Dienstes entließ? Johann Friedrich aber schrieb dem Schwiegervater, er sei des Teufels, wenn er sich nicht bekehre. Das tat doch auch dem Herzen der Gemahlin wehe. Sie beruhigte, wie sie selbst nach Weimar berichtet, den Kurfürsten, indem sie ihm sagte, dass Johann Friedrich es nur gut mit ihm meine und das, was er tue, seines Seelenheils wegen tue, wie sie ja alle schuldig seien, ihn zu ermahnen und zu erinnern. „Da war er wieder zufrieden und da gedachte ich bei mir selbst, ich wollte E. L. schreiben, dass E. L. gelind mit ihm umginge, und nichts vom Teufel schriebe.“ Es ist das erste Anzeichen, dass es dem Gegner nicht gelingen sollte dem Kurfürsten, wie er selbst sich ausgedrückt hat, die Gemahlin abzufangen. Mochte sie auch noch hoffen, ihn wieder in dem Glauben zu befestigen, den sie für den allein richtigen hielt: in demselben Maße, wie sie duldsamer wurde, kam sie in Gefahr selbst in die Anschauungsweise Friedrichs einzugehen. Dieser aber wurde durch Einflüsse und Erfahrungen, welche hier nicht genau erörtert werden können, immer entschiedener in die reformierte Richtung gedrängt. 10) Er brach mit dem Luthertum, nachdem er die Überzeugung gewonnen, dass in ihm sich bedenkliche Überreste des Papismus erhalten hätten, und dass die Bekenner des Evangeliums außer Deutschland (Frankreich), die man hier als Sektierer verdammte, durch eine energische Betätigung der christlichen Gesinnung, in Leben, Sittenstrenge und Kirchenzucht vor denjenigen sich auszeichneten, welche auf ihre Rechtgläubigkeit pochend, weder Liebe übten, noch ärgerlichen und groben Sünden entsagten.

Nun zögerte Friedrich auch nicht länger, der Kirche seines Landes ein reformatorisches Gepräge zu geben, indem er aus dem Kultus alles das entfernte, was die Menschen von Gott ab auf das Kreatürliche lenken könnte. Bilder und Altäre, Kruzifixe und Taufsteine wurden als „Götzenwerk“ entfernt, und der Gebrauch der Hostie, von deren abergläubischer Verehrung, ja Anbetung Volk und Geistliche noch nicht überall lassen wollten, durch das Brotbrechen beim Abendmahl ersetzt. Und endlich erschien im Jahre 1563 unter des Kurfürsten Autorität und eigener Beihilfe der Heidelberger Katechismus, und damit gelangte das reformierte Kirchentum auch in der Lehre zu einem klaren, unzweideutigen Ausdruck.

Schwer genug kam es Maria an, dem Gemahl auf seinem Wege zu folgen, und es währte Jahr und Tag, ehe sie sich seinen Schritten ans freudiger Überzeugung anschließen konnte. Die sächsischen Schwiegersöhne aber unterließen selbstverständlich nichts, um, nachdem sie den Kurfürsten verloren geben mussten, wenigstens die Mutter zu retten, und ein wiederholter längerer Aufenthalt in Weimar oder Gotha, wohin Maria trotz ihrer Gebrechlichkeit, den Töchtern zu Liebe unter unsäglichen Beschwerden immer wieder reiste, konnte nur dazu beitragen, engherzige Gewissensskrupel stets von neuem wach zu rufen. Aber seit dem Jahre 1563 ist der Gemahl ihrer völlig sicher. Mit welch herzlicher Freude sieht er im Februar jenes Jahres der Rückkehr der geliebten Gattin entgegen. „Sitz also allein“, klagt der Einsame, „wie die Turteltaube, die ihren Gesellen verloren hat, bis mir der liebe Gott meine herzgeliebte Gemahlin wieder zu Hause bescheert, welches ich zu geschehen verhoffe, ehe denn hundert Stunden verfließen,“ Und wenn auch jetzt Johann Friedrich noch nicht ablässt, die Schwiegermutter wie den Kurfürsten zu warnen und zu ermahnen, so zeigen die Antworten, die Maria erteilt, dass für sie fast ebenso wenig Hoffnung mehr besteht wie für den Gemahl, von dem sie nicht lassen will, „es tu’s denn der Tod“.

„Und als mir E. L. schreyben“, erwidert sie am 30. März 1563 aus Amberg, „dass E. L. in erfarung kumen, das mein herzlieber her nycht aylein in dem neuen irtumb beharren, sunder sich auch nunmer dahyn begibt, das er dem deufel gar in rachen wöl, und das im E. L. auch darumb geschrieben und verwarnet hat, bedanck ich mich ganz freuntlich und müterlich gegen E. L. des freundlichen erinnerns und fursorge, so E. L. für uns haben. Aber ich kan E. L. nit bergen, das mir layt wer, wan im also wer, wie man den von meinem herzlieben schaz ausgibt. Ich Hab den zettel gelesen, den man hyn und wider geschickt hat; es ist nit des driten tayl war. Das ist war, das er hat ein kategismum drucken lasen; das er aber die andern bücher verboten hat, das ist nit. Auch was man vom nachtmal des heren und von der dauf, auch beycht und absoluzion geschrieben hat, das ist auch nichts. Darumb bit ich E. L., als meinen herzlieben sun, E. L. wolens nit glauben, sunder mein herzliebsten Heren und gemahel auch darunder hören.“

Das sei wahr, sagt sie später, dass man nicht mehr die runden Oblaten zum Nachtmahl brauchen lasse; aber das gebe ihr kein Ärgernis; sie höre auch, dass Luther das Brotbrechen nicht verboten habe; sie wolle in seinen Werken nachsehen, wenn sie nach Heidelberg komme. Sie bietet dem Schwiegersohn einen Katechismus an, damit er sehe, was er enthält. „Es wäre mir leid, hoffe auch zu Gott dem Allmächtigen, er werde mich nicht von ihm und seinem göttlichen Wort lassen abwendig machen, da bitt ich ihn Tag und Nacht darum.“

Noch entschiedener spricht sie sich am 15. April desselben Jahres aus:

„Das mir E. L. schreyben, der kategismus sey nicks nuz im boden, ways ich nit; er ist aber doch als aus Gotes wort genumen. Ich wil in nit verwerfen noch loben, ich hab in nit helfen machen; ich hab ein kategismum gelernet in meiner kintheyt, darbei beleib ich. Ich hab vil bredigkanten rat gehabt, wie ich mich halten sol; so sagen sie mir, wan ich yn mein bekantnus von dem abentmal des heren du: wollen sie mirs daruber geben, so sol ichs nemen. Das hab ich gedan; so haben sie mirs geben und du inen mein bekantnus allemal, ehe ich zum nachtmal gehe. Geben sie mirs daruber, so niemb ichs in dem namen des allemechtigen Gotes also von in. Soll ich warten, bis der keif ein endt nemb, so darf ich wol numer mer das nachtmal empfangen. Mein glaub mus mich sellig machen und nit eines andern gelauben.“

Nur noch ein Schritt, und Maria war im Glauben völlig Eins mit ihrem Gemahl. Indem sie mit ihm las und seine theologischen Studien teilte — was Friedrich über dogmatische Fragen in langen Briefen ausgehen ließ, diktierte sie ihm nicht selten noch um die Mitternachtsstunde aus seinem Konzept in die Feder —, überzeugte sie sich, wie der Kurfürst selbst sich später wohl ausgedrückt hat, dass die Wahrheit der Lehrsätze der christlichen Religion nicht von der Autorität irgendeines Menschen, wer er auch sein möge, abhänge, und dass nicht darauf zu sehen sei, was dieser oder jener auch noch so vorzügliche Gelehrte, sondern was Christus, der über allen steht, gelehrt habe.

Als im Juli 1563 dem Kurfürsten ein Brief in die Hand fiel, worin Johann Wilhelm, dem ältern Bruder nacheifernd, der Mutter aus ihrer schändlichen „Verführung“ im Punkte des Abendmahls so lieblose Vorwürfe machte, dass ihr leidender Zustand sichtbar dadurch verschlimmert wurde, konnte Friedrich die Feder für sie ergreifen, nicht allein, um den Schwiegersohn gebührend zurechtzuweisen, sondern auch mit freudiger Genugtuung den Glauben der Mutter als den richtigen zu vertreten.