Krankheit und Glaube

Die Gefahr, dass Maria ihrem Gemahl durch konfessionelle Engherzigkeit entfremdet werden möchte, war für immer beseitigt. Sie lebte fortan der Überzeugung, dass das von ihrem vielgelästerten Gatten vertretene Kirchentum auf sicherem evangelischen Grunde ruhte: das übrige, „des Calvini Lehre halben“ stellte sie Gott anheim, „der am besten weiß, wer Recht oder Unrecht hat. Uns gebührt nicht zu richten oder zu verdammen“.

Dieser gottergebene fromme Sinn half ihr auch über die bittern Kränkungen weg, die ihr, seitdem sie sich den reformierten Kultusformen anbequemt hatte, durch die eigenen Kinder bereitet wurden. Als sie im Spätherbste des Jahres 1563 noch einmal, von der Tochter Dorothea gerufen, die beschwerliche Reise nach Weimar unternommen, musste sie erleben, dass man nicht wagte, sie bei der Taufe der Enkelin assistieren zu lassen. Maria selbst berichtet über den Vorfall an Johann Friedrich:


„Es haben meiner dochter Duroden junckfern mein junckfern gefragt, ob ich nit zu gevatern gebeten sey. Haben meine junckfern gesagt: nein. Haben sie sich verwundert. Haben meine junckfern gesagt, es nemb sie selbst wunder, das man mich so eyn weyten weg hab hinein gesprenckt und mir die ere nit gundt, das ich gevater sol werden, sunderlich weyls ein dochter sey. Da haben die junckfern gesagt, es wurts etwan machen, dieweyl ir des glaubens halben nicht recht seyt, das die bredigkanten das kient nit gedayft heten, wans eur kurfurstin gehoben hete. So heten meine junckfern darauf gesagt, was zum deufel sein wir dan, sein wir doch nit durcken oder hayden, sein wir doch wol so wol kristenleut als ir, und wan ir euch noch so gut deucht! Aber mein sun Herzog Hans Wilhelm oder die Durede hat sich ir keins mit keinem wort entschuldiget gegen mir, ich hab es dem almechtigen Got bevolhen.“

So tief Maria auch in diesem Falle verletzt sein mochte, kein Gefühl der Bitterkeit spricht aus ihr. Denn nur Liebe und Güte gegen andere und Demut gegen Gott haben in ihrem Herzen Raum. Wie ist sie immer so voll der zärtlichsten Fürsorge und unermüdlich tätig für die Ihrigen, und wie so geduldig und gottergeben in dem schwersten Leid! Es wäre eine gleich lohnende Aufgabe, sie in jener wie in dieser Richtung zu schildern. Hier mögen nur einige Züge vorgeführt werden.

Soweit uns die vorliegenden Briefe das Leben der Fürstin enthüllen, war sie schon mit dem dreißigsten Jahre von schweren Gichtleiden heimgesucht. Wir finden sie 1550 im emser Bade, wo sie kaum die Hände so weit regen kann, dass ihr ein Brief zu schreiben gelingt. Das Übel steigert sich in den nächsten zehn Jahren, aber kräftigen Geistes wie sie ist, achtet sie dessen nicht, solange sie sich einigermaßen zu rühren vermag. Auch entsagt sie deshalb nicht leicht dem Vergnügen der Jagd, woran sie an der Seite ihres Gemahls gern teilnimmt. Es erinnert in etwas an die feurige lebens- und kampfesfrohe Natur ihres Bruders Albrecht, wenn wir hören, wie eine Hirschjagd „ihr Herz erquickt, wenn sie die Hunde höret jagen und die Hirsche um sich laufen sieht“. Sie hat sich selbst wohl eine „Wildnärrin“ genannt. So zog sie im Sommer 1560, als dem angehenden Schwiegersohn Johann Wilhelm zu Liebe wochenlange Jagden veranstaltet wurden, mit von einem Jagdschlosse zum andern, obwohl sie damals kaum „auf ebener Erde gehen konnte“. Dass das Jagdleben ihr immer wohl getan, wird man nicht sagen können. Bald hören wir wieder von heftigen Schmerzen in Händen, Armen und Knien, sodass sie „früh und spät alle Glieder und den Rücken schmiert“ und froh sein muss, wenn sie von einem Zimmer in das andere kann. „Sie schmiert und pflastert sich“, schreibt Friedrich am 8. November 1560, „mit Rat der Ärzte noch täglich und erscheint doch wenig Besserung.“ Trotzdem hören wir einige Wochen später, dass sie wieder vierzehn Tage lang mit dem Gemahl auf den Jagdhäusern herumgezogen, und „ob sie gleich beim Hinausziehen lahm gewesen, sodass sie sich musste tragen lassen, hat sie doch jetzt Stuhl und Stangen hinter sich gelassen und geht nunmehr Stiege auf und ab“. Im nächsten Sommer hoffte sie durch ein warmes Bad, wofür anfangs Wildbald im Schwarzwalde in Aussicht genommen, dann Wemdingen (einige Stunden von Donauwörth) gewählt wurde, Heilung oder doch Linderung zu finden. Sie war damals nahe daran, ganz lahm zu werden, und die Ihrigen fürchteten für ihr Leben. „Sie stürbe mir noch viel zu zeitlich“, klagte ihre Schwiegertochter Elisabeth von Hessen, des Kurprinzen Ludwig junge Gemahlin. „Ihr könnt nicht glauben, Gott dem Herrn sei Lob und Dank gesagt, wie eine recht fromme Mutter ich an ihre Gnaden habe; es ist mir nicht anders, als wäre, I. G. meine leibliche Frau Mutter.“ „Ja“, versichert Elisabeth ein andermal ihrem Bruder Wilhelm, „so gar freundlich erzeigen sie sich (den Kurfürsten mit eingeschlossen) gegen mich und beweisen mir wahrlich alle Ehre, dass ich mich zum öfter Malen dafür schäme, dass I. G. sich so gar demütiglich gegen mich verhalten.“

Die Kur in Wemdingen hatte zwar der Kurfürstin einige Linderung gebracht — sie konnte auf Stuhl und Stangen, womit man sie ins Bad gehoben, bald verzichten, aber gesund wurde sie nicht. „Man hat sie getröstet“, schreibt Friedrich, „es werde das Bad seine Wirkung noch so bald nicht erzeigen; mit solchem Trost hält sie sich auf.“ Herz- und Brustbeschwerden aber lassen nicht mehr ganz nach, wenn sie einen Tag gesund gewesen, so ist sie deswegen drei krank. „Das alte Weib“, klagt sie, „kummt mit Gewalt.“ Sie muss Johann Friedrich um Entschuldigung bitten wegen ihrer hässlichen Schrift; das Schreiben wird ihr so sauer, dass sie oft zwei Tage zu einem Briefe braucht. „Aber E. L. dürfen mir nicht danken“, sagt sie am 8. November, „dass ich mich so viel bemühe und E. L. mit eigener Hand schreibe. Es ist wohl wahr, es kommt mir sehr sauer an; aber E. L. sind mir zu lieb, ich kanns nicht lassen. Wenn ich die Finger etwas regen kann, so muss ich E. L. selbst schreiben.“ Das „Zipperlein“ in den Händen und Gliedern stellte sich immer von neuem ein. „Alle Morgen“, berichtet Friedrich am 4. Februar 1562, „stehen ihr die Finger gestrack mit großen Schmerzen, aber dessen getröstet sie sich gern, wenn sie nur wandern und webern kann.“

Und wie sie trotz ihrer Leiden wiederholt auf die Jagd hinauszog, so trug sie, kaum etwas genesen, kein Bedenken, die Beschwerden einer weiten Reise auf sich zu nehmen, obgleich sie sich oftmals überzeugte, wie sehr ihre Gesundheit darunter litt. Als sie im Frühjahre 1562 wiederholt von hartnäckigen Krämpfen heimgesucht wurde, beklagte sie nichts so sehr, als dass sie nicht zu ihrer Tochter Dorothea reisen konnte. „Alle meine Kinder“, schrieb sie am 10. November des Jahres, „habt mich dem himmlischen Vater abgebettelt“; sie hatte nicht geglaubt wieder aufzukommen; „es sterben viele Leute, denen es nicht so wehe wie mir gewesen“. Dennoch finden wir sie Ende des Jahres in der winterlichen Zeit wieder auf dem beschwerlichen Wege nach Thüringen. Freilich kehrte sie von dort krank zurück, sie musste sich heben und tragen lassen und hatte lange keinen gesunden Tag; aber gleichwohl machte sie sich, nachdem sie den Sommer über wieder leidlich wohl gewesen, nach einigen Monaten noch einmal auf, um der andern Tochter beizustehen.

In ihrem Verhältnisse zu den verheirateten Töchtern enthüllt sich uns so ganz die liebevolle und gemütreiche Natur der Maria. Nicht als ob wir glaubten, dass sie nicht auch den übrigen Kindern die mütterliche Sorgfalt in vollem Maße zugewendet, oder dass sich ihre Güte nur auf die Ihrigen, nicht auch auf Andere, vor allem auf die Armen und Hilfsbedürftigen erstreckt hätte — gerade dieses wird von gleichzeitigen Geschichtsschreibern mit besonderer Betonung ihr nachgerühmt; aber in keiner andern Richtung können wir ihre Denk- und Handlungsweise so eindringend verfolgen, als uns dies durch ihre eigenhändigen Korrespondenzen mit den Töchtern und Schwiegersöhnen möglich ist. Selbstverständlich sind Enkel und Enkelinnen häufig Gegenstand der brieflichen Unterhaltung. Maria begrüßt die Ankunft derselben mit herzlicher Freude. „Wir sind alle Beide so froh gewest“, schreibt sie einmal an Elisabeth, „als wir hörten, dass du wieder einen Sohn hast, dass ich vor Freude nicht essen konnte.“ Sie begleitet das Gedeihen der Kleinen mit inniger Teilnahme. Mit Hilfe des Gemahls, der in der Kunde der Hausmittel ungewöhnlich bewandert ist (Friedrich nennt sich selbst einen „Bauerndoktor“), weiß sie Rat in Krankheitsfällen. Bald sendet sie eine kunstreiche Bettlade, die der Kurfürst von Augsburg mitgebracht, bald kleine Andenken für die Enkel, dem einen dies, dem andern das. Einmal schickt sie der Elisabeth drei Sträußlein: „wollest jeglichem Sohn eins von meinetwegen geben; das schönste gib meinem Fritzen, du wirst es wohl wissen auszuteilen, und sag dem Fritzen wieder eine gute Nacht von meinetwegen, und dem Hans Casel einen guten Morgen, und küsse mir alle drei von meinetwegen, ich wollt es lieber selbst tun.“ — Nach einer schweren Krankheit im Spätherbst 1564 hat sie den Wunsch, nur so lange zu leben, dass ihr kleiner Enkel reden und sie ihn noch einmal sehen kann. Wenn dagegen schlimme Nachrichten, vielleicht gar Todesbotschaften aus Weimar kommen, fürchtet Friedrich üble Folgen für die Gesundheit der Gemahlin. Es würde ihr nicht so wehe thun, klagt sie in schmerzlicher Erregung, als sie einen Enkel verloren, wenn sie das Kind nicht selbst gesehen hätte.

Aber all die Sorgen und Bekümmernisse, die Maria mit den Töchtern teilte, treten in den Hintergrund, wenn das politische Verhalten der thüringischen Herzoge bedenkliche Verwickelungen herbeizuführen droht. Es ist das bekannte Verhältnis Johann Friedrichs zu Grumbach, das der Kurfürstin und ihrem Gemahl im Laufe der Zeit die ernstesten Besorgnisse erweckt. Maria erinnert sich zu lebhaft des schlimmen Einflusses, den jener fränkische Ritter auf ihren unglücklichen Bruder ausgeübt, als dass sie hätte unbekümmert zusehen können, wie Wilhelm von Grumbach, seit Jahren in Johann Friedrichs Diensten, 1563 mit Truppen, die er mit des Herzogs Wissen geworben, in das Stift Würzburg einfiel, die Stadt überrumpelte und dem Domkapitel einen Vergleich abpresste, wodurch sich der verwegene Ritter für früher erlittenes Unrecht entschädigen wollte. Den Friedensbrecher traf die Strafe der Acht. Johann Friedrich aber weigerte sich nicht allein, das Achtmandat in seinem Lande zu verkündigen, sondern wagte es auch, dem Geächteten und dessen Helfern, statt sie auszuweisen, seinen Schutz zu verleihen. Trotz aller Forderungen des Kaisers und der Reichsstände, trotz aller Warnungen und Bitten der Verwandten erklärte der Herzog fest und trotzig, dass er den mit Unrecht Verurteilten nicht von sich stoßen werde.

Nicht bloßes Mitgefühl mit dem Geächteten, sondern unheilvolle, selbstsüchtige Pläne bestimmten Johann Friedrichs Verhalten. Grumbach nämlich versprach den tödlichen Hass des Herzogs gegen den Kurfürsten August, den Bruder und Nachfolger jenes Moritz, welcher dem glaubenstreuen Vater der herzoglichen Brüder die Kurwürde und einen Teil seiner Länder entrissen hatte, zu befriedigen. Schlau genug wusste der gefährliche Mann die Schwächen Johann Friedrichs auszubeuten. Es ist bekannt, wie Grumbach ihn umgarnte, wie er mit tätig war, dass die beiden herzoglichen Brüder sich entzweiten, die besonnenen Räte entfernt und Mistrauen gegen alle die gesät wurde, welche zur Vorsicht oder Umkehr mahnten. Selbst des Herzogs Wunderglaube und seine Vorliebe für geheime Künste wurden ausgenützt. Ein Geisterseher, der mit Engeln verkehrte, mußte dem leichtgläubigen und von Hochmut aufgeblähten Fürsten die Zukunft enthüllen. Durch den Mund der Engel wurde bald des Kurfürsten von Sachsen naher Tod geweissagt, bald die Auffindung unermesslicher Schätze in Aussicht gestellt; bald schaute der Herzog in einem Kristall den verlorenen Kurhut, bald gar die kaiserliche Krone!

Neben dem Schwiegervater Friedrichs hat niemand so früh und nachhaltig den schwachen Fürsten vor Grumbachs Einflüssen gewarnt als Maria.

„Ach mein herzlieber sun“, schreibt sie schon am 30. Januar 1560, „es geht das geschrey hie, wie E. L. sollen heimlich in krigsrustung gegen herzog Augustus und er wider gegen E. L. sein. Wan es war wer, so war es mir treulich layt. Ach mein herzlieber sun, E. L. lasen sych die unruhigen leut, die gern hader und zank sehen, nit verfuren. Ich ways wol, wie es meinem herzlieben bruder sellig gangen hat. Got verzeih es Wilhelm von Grumbach. Er half mein bruder selligen hetzen wider seine freundt, die im nie kein layts gedan. Er ist meines herzlieben bruder selig ungluck als ein anfang gewest. Darumb bit ick E. L. treulich, E. L. wollen sich nit von im verfuren lasen. Ich hab als sorg, er henck sich mit feinem selzamen braticken und fünanzen an E. L. und verfur E. L. wie mein bruder selig. Ich bit E. L. umb gotteswillen, E. L. wollen mir dis mein schreyben nit vor ubel haben, und es ganz treulich von mir versten; dan got ways, das mir E. L. als lieb sein , als het ich E. L. under meinem herzen getragen... aber ich kan nit lasen ich mus E. L. gewarnen, das E. V. im nit zu viel gelaub, und bit E. L. wollen dis mein schreiben vertreulich bey sich behalten, dan mir ist nit möglich gewest, das ichs hab lasen kunden, ich habs E. L. schreyben musen.“

Die Kurfürstin ist froh, umgehend die Versicherung zu empfangen, dass jene Kriegsgerüchte grundlos, Wilhelm von Grumbach aber ein treuer Diener sei. Vor der Zeit sei demselben (erwidert Maria) wohl mit Kriegen gewesen, es möge ihm im Alter vergangen sein. Sie kennt jedoch den finstern Groll, der im Herzen Johann Friedrichs gegen den Kurfürsten August fortwühlt. Daher erinnert sie ihn zu Anfang des Jahres 1564 wiederholt, dass man anstatt Krieg anzufangen, seine Sache Gottes Gericht anheimstellen solle: „Der ist ein gerechter Richter, er lässt die Unbilligkeit nicht ungestraft; auch spricht er, wenn unsern Feind hungert, so sollen wir ihn speisen, dürstet ihn, so sollen wir ihn tränken.“

Besondere Sorge verursachte ihr von dieser Zeit an das aufkeimende Missverständnis zwischen den beiden Brüdern:

„Der Deufel schurt sunst gern zu zwischen geschwisteret, das er sie aneinander hetzt; aber ich bit E. L. wollen im nicht raum geben, dan es war mir warlich ein gros herzgelayt, wan ich erleben solt, das ir brüder miteinander zu unfriden sein solt. Ich ways wol, das ich mein leben daruber lasen must, denn ich kont wol gedenken, wan ir bruder mit einander zu unfriden wert, das darnach die dochter auch also würden; das wer mir dan warlich ein gros berzenleyt, das sey got mein zeug... Ich ways wol, was es dut, wan geschwisteret ein Unwillen uber einander haben. Ich habs zway jar versucht, het auch schir mein leben daruber gelasen. Es ist mir ser layt, das E. L. izt eben, so sie alle bede verheyret sein, in ein mistrauen miteinander sollen kumen und seyt vorhin so einig miteinander gewesen. Ich wolt, wan die schult der Durede war, das sie in der dauf ertrenckt wer worden, het ir numer beser geschehen mögen.“

Nach der wiederholten Versicherung, dass sie es so gut mit ihm meine, als wenn er ihr eigenes Kind wäre, und dass sie ihn so liebe, als hätte sie ihn unter ihrem Herzen getragen, kommt sie auf Grumbach, der kurz zuvor wegen der Einnahme Würzburgs geächtet worden war, zu sprechen und rät ihn weg zu tun:

„Ach mein herzlieber sun, ich rat wie ein nerrisch weyb, ich wolt in werlich ein weile von mir dun, wolt in ehe, dieweyl er doch des inniges von Frankreichs dyner ist, heimlich in Franckreich schicken, bis das doch etwer ein mytel mocht gefunden werden, das er bey der keyserlichen mayestat mocht versünt werden; so erfüllet E. L. kayserl. Mt. ir willen und war doch Wilhelm von Grumbach auch versorgt und dorst sich nit besorgen, das im etwas widerfur... Ach mein herzliebster sun, E. L. bedencken sich und ire landt und leut beser. Der keyser würd sich werlich nit buchen spochen^ lasen. Er ist ja unser oberkayt von Ort gesetzt. So spricht ja sant Paulus: mir sollen der oberkayt in allen dingen gehorscham sein, was das zeytlich belangt. Ich Hab so vil neue: zevtung gelesen, die meinem schaz zugeschrieben sein worden, wie kay. Mt. E. L. und 2. L. brudern schrevbt, das mir so angst und bang ist, das ich schir vor lant tranck wür. Ich war,s auch nit anderst, dan mein schaz hab E. L. dieselbigen schrieften ale zugeschickt. Ach, mein herzliebster fun, E. L. bedencken sich und ire laut und leut. Ach E. L. gedencken nur, wie es meinem lieben bruder seligen gangen hat. Ach mein herzliebster sun, ich bii L. L. umb Gottes willen wollen mir mein schreyben nit verubel haben, ich gemain es werlich herzlich und gut mit E. L., aber Got geb, dass ich kein tag mer leb, wcm ichs nit mit getreuem herzen mit E. L. gemain.“

Johann Friedrich suchte die Bekümmernisse, welche Marias Herz erfüllten, zu zerstreuen. Auch darüber beruhigte er sie, dass die Brüder gut miteinander stünden. Aber gegen Ende des Jahres 1565 war doch ihr Verhältnis so, dass die Kurfürstin gebeten wurde, den Gemahl nach Weimar zu begleiten, um die streitenden Herzoge zu versöhnen. Maria verhehlte nicht, dass es ihre höchste Freude sein würde, die sie auf Erden haben möchte, wenn sie das christliche Werk vollbringen helfen könnte, dass die Geschwister wieder einig würden. Kann sie dabei etwas ausrichten, so will sie nicht fern bleiben, und sollte sie sich auch in einem Bett hinführen lassen. Sollte sie aber vergebens ziehen und nichts ausrichten, so wollte sie lieber tot sein als das Kreuz länger am Herzen tragen. Mit Gottes Hilfe will sie nicht ausbleiben, obwohl sie sich herzlich vor dem Wege fürchtet. „Denn ich werde nunmehr sehr baufällig, wenn ich meine ich sei am allergesundesten, so soll ich wohl jählings krank werden, dass ich meine, ich fahre schon dahin. Ich geb aber nichts die Schuld, denn dass ich meine Tage nichts denn Kreuz, Leid und Anfechtung genug gehabt habe; die wird mir, als ich sehe, nachfolgen in die Grube. Der allmächtige Gott wolle mir Geduld verleihen.“

Der Gedanke an den Tod, der alle Sorgen löst, konnte Maria, wenn sie auch erst einige vierzig Jahre zählte, längst nicht mehr fremd sein. Das sei ihr alter Brauch, äußerte sie am 4. Januar 1565 von ihrem Kopfweh, das werde ihr nicht mehr vergehen, bis sie einmal in gutes kühles Erdreich komme. Und als sie am 25. Dezember des Jahres schrieb, dass sie mit dem Gemahl nach Thüringen kommen werde, hatte sie eben ein hartes Lager durchgemacht und konnte kaum wieder gehen. „Bin jählig so krank geworden, dass alle Menschen glaubten, ich würde daran sterben, aber unser Herrgott hat mich noch nicht haben wollen.“ Trotzdem machte sie sich mit dem Gemahl in der winterlichen Zeit auf den Weg und traf Johann Wilhelm mit seiner Familie am 12. Januar 1566 in Eisenach; Johann Friedrich, der sich entschuldigte, ließ sich in Weimar aufsuchen. Mehrere Wochen dauerte der Aufenthalt der Ältern; Friedrich stattete auch, während die von den Strapazen der Reise kranke Gemahlin in Weimar zurückgehalten wurde, dem Kurfürsten August einen Besuch in Leipzig ab, wobei er sicher nichts unterließ, um diesen versöhnlich gegen seinen erbitterten Feind zu stimmen. Das Verhalten des sächsischen Kurfürsten auf dem unmittelbar nachher beginnenden Reichstage zu Augsburg bewies jedoch, dass Friedrichs Bemühungen vergebens gewesen. Ebenso wenig richteten die besorgten Ältern zu Weimar aus. Denn wenn auch zwischen den streitenden Brüdern äußerlich ein Vergleich zu Stande kam, so war damit doch kein Vertrauen hergestellt. Noch schlimmer aber war, dass Johann Friedrich, in Hochmut und Verbissenheit völlig verblendet, trotz aller Vorstellungen nicht zu bewegen war, in der Grumbach'schen Sache nachzugeben. So ereilte ihn denn zuletzt ein hartes, wenn auch nicht unverdientes Geschick. Unter eifriger Mitwirkung des Kurfürsten August, welcher gern bereit war, die Exekution gegen den Vetter zu übernehmen, wurde Johann Friedrich auf dem Reichstage zu Augsburg mit der Acht bedroht; sollte er auf nochmalige Vorstellungen der Stände des Reiches, die eine Gesandtschaft an ihn abzuschicken beschlossen, sich der Geächteten nicht entschlagen, so würde auch ihn die Strafe der Acht treffen und die Exekution von Reichs wegen unfehlbar vollzogen werden. Kurfürst Friedrich war nicht im Stande, von dem Schwiegersohne das drohende Unglück abzuwehren. Am wenigsten hätte er vermocht, jeden den Herzog für den Fall fortgesetzten Ungehorsams bedrohenden Beschluss zu hindern. Musste er doch froh sein, dass nicht auch gegen ihn zu Augsburg eine Exekution und zwar wegen seiner kirchlichen Haltung beschlossen wurde. Katholiken und Ultralutheraner boten sich nämlich die Hand, ihn des Religionsfriedens unfähig zu erklären, und in Heidelberg fürchtete man schon das Schlimmste. Da gelang es ihm zwar, indem er vor Kaiser und Reich und namentlich vor seinen evangelischen Mitständen mit der Freudigkeit und Zuversicht eines Glaubenshelden sein Bekenntnis darlegte, die Feinde so weit zum Schweigen zu bringen, dass von dem beabsichtigten Reichstagsbeschlusse abgestanden wurde. Mit derselben Überzeugungstreue aber und ähnlichem Erfolge für Johann Friedlich zu sprechen, wäre unmöglich gewesen. Der Kurfürst musste sich, nachdem andere Mittel der Lösung, die er vorgeschlagen, verworfen worden, darauf beschränken, für ein langsames Verfahren zu wirken, sowie er auf der andern Seite nicht abließ, den Schwiegersohn noch in der letzten Stunde zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Aber was er tat, hatte nur den Erfolg, dass der Verblendete, welcher sich sogar an jenen treuen Räten vergriff, die ihm noch von Augsburg aus die Augen zu öffnen versuchten, auch ihn halbwegs zu seinen Feinden rechnete.

Nur Maria, so könnte man denken, war in den Augen Johann Friedrichs vor jedem Verdacht, es nicht aufrichtig mit ihm zu meinen, gesichert; aber ganz überzeugt hielt auch sie sich nicht, ob nicht der so reizbare Herzog ihre Vorstellungen und Bitten missdeuten möchte. „Bitt E. L.“, so schließt sie einen Brief vom 18. Juli, „wollen mir solches mein Schreiben nicht vor übel haben; denn ich gemein es treulich und gut mit E. L., und wären mir E. L. nicht so lieb, so wollte ich nichts darnach fragen; aber E. L. sein mir zu lieb, ich kann’s nicht lassen, und wenn ich wüsste, dass mir schon E. L. feind sollten werden, so könnte ich’s doch nicht lassen, ich muss E. L. vor Nachteil warnen.“

Rührend ist es, wie Maria, obwohl sie lange genug das Gewitter, das sich über dem Haupte Johann Friedrichs zu entladen drohte, hatte heranziehen sehen, trotz aller Unbeugsamkeit des Herzogs bis zuletzt doch an der Hoffnung festhielt, dass Gott das Schlimmste verhüten werde. Noch gegen Ende des Jahres, als Kurfürst August schon des Auftrags wartete, die Exekutionstruppen gegen die festen Mauern von Gotha zu führen, schien Marias schwerste Sorge die zu sein, dass der Schwiegersohn mit ihrem eigenen Gemahl zu hadern fortfuhr.

„Ich bin jetzt“, schrieb sie an Elisabeth den 27. November 1566, „wohl 2 Tage zu Bett gelegen, solch Hauptweh habe ich gehabt. Ich weiß aber wohl, von was mir’s kommt. Gott wolle alle Dinge zum Besten wenden. Dass Du mir schreibst und dankst für den Ring, den ich Dir geschickt habe, Du wollst es wieder um mich verdienen, — darfst Du mir nicht so sehr danken; denn was ich Dir gebe, das reut mich nicht; kannst es auch nicht besser verdienen, denn wenn Du hörst, dass Dein Herr, mein herzallerliebster Sohn, über meinen Schatz unwillig ist, dass Du wollst das Beste, soviel Du kannst, darzu reden... Ich bekümmere mich schier zu Tod, denn ich kann nicht leiden, dass unsere Schätze zu Unfrieden sollten kommen; ich wollte lieber tot sein.“ — „Ich glaube“, heißt es an einer spätern Stelle, ,,dass keine Fürstin in deutschen Landen mehr Anfechtung hat als ich jetzt.“ Dem Schwiegersohn aber schreibt sie am 12. Dezember: ,,E. L. werden sehen, dass ich einmal werde dahin fahren, ehe mans sich versieht.“ Dem lieben Gott jedoch, der sie alle so lang erhalten hat, vertraut sie, dass er sie auf beiden Teilen nicht verlassen werde. „Er ist der alte Hausvater, er weiß alle Dinge wohl zu machen.“

Es ist der letzte an Johann Friedrich vor seiner Gefangenschaft gerichtete Brief, der uns vorliegt. Mit dem Anfang des Jahres 1567 setzten sich die Exekutionstruppen gegen Gotha in Bewegung. Der betörte Fürst ließ die letzte Frist verstreichen, und die Belagerung begann. Am 14. Mär; 1567 fiel die Festung; mit weinenden Augen sah Johann Friedrich den racheschnaubenden Kurfürsten August an der Spitze der Armee in die Stadt einziehen. Für den folgenden Tag hatte sich der Unglückliche zur Abführung nach Dresden bereit zu halten. Ohne Land und Leute, ohne Weib und Kind, als ein armer Gefangener sollte er für seine verbrecherische Verblendung büßen, während über Grumbach und seine Mitschuldigen ein noch grausameres Strafgericht erging. Wie Maria die Unglücksbotschaft von Gotha aufnahm, lässt sich denken. Ihr leidender Zustand wurde nicht wenig dadurch verschlimmert. „Euer Handel hat mich schier in den Tod gebracht; ich bin so erschrocken, dass ich seitdem keine gesunde Stunde gehabt, so dass man etliche Male des Endes gewartet hat“, schreibt sie ihrer schwer geprüften Tochter Elisabeth am 26. April. Sie ladet dieselbe herzlichst ein, mit den Kindern zu ihr zu kommen. „Ich will dich nicht lassen, so lange ich einen Heller oder Pfennig habe.“ Oder ein anderes mal: „Iß und trink mit mir, so gut ichs habe. Denn Du weißt mein Herz, wie es allewege mit Dir gewesen ist, so soll es, ob Gott will, bleiben, so lange ich lebe. Ich kann Dir nicht mehr schreiben; es ist mir das Schreiben so sauer geworden.“ Sie bedachte nicht, dass Elisabeth wegen des Calvinismus Bedenken haben konnte, in ihrem Unglück bei der liebenden Mutter Zuflucht zu suchen.

Trotz ihrer Krankheit — die Wassersucht war zu vollem Ausbruch gekommen und die „Ärzte verzagten fast an ihr“, versäumt Maria nicht, für den gefangenen Schwiegersohn Fürbitte bei der Kurfürstin Anna von Sachsen, des harten August gleichgesinnter Gemahlin, einzulegen. Sie wendet sich auch mit rührenden Bitten an andere Fürstinnen. Zwar die Klage, dass sie matt und ohnmächtig die Feder nicht führen könne, wiederholt sich oft, noch öfter aber der Wunsch, von Elisabeth, ihren Kindern und dem gefangenen Gemahl zu hören. Mit vielem Dank empfängt sie das Gebet, das Johann Friedrich zu Dresden im Gefängnis gemacht. Sie will Gott treulich helfen bitten, „obwohl sie's zuvor auch schon getan“.

Noch einmal schien ihre Krankheit sich zum Bessern wenden zu wollen; die leidende Brust atmete wieder freier, und die Geschwulst mehrte sich wenigstens nicht. Ja sie konnte im Juli, wie Friedrich frohlockend und mit Dank gegen Gott dem Herzog Johann Wilhelm meldete, „zum Früh- und Nachtmahl ohne Krücken mit ihren Kindern in den neuen Bau zum Essen gehen“. So wagte sie es denn auch einige Wochen später, noch einmal auf dem „Birschkarren“ mit dem Gemahl hinauszufahren, um sich in alter Weise am Wald- und Waidwerk zu erquicken. „Gott woll mich gesund lassen bleiben, bis ich wieder hereinkomme.“

Nach einigen Tagen hatte sie Heidelberg glücklich wieder erreicht; sie sollte es nicht mehr verlassen. Fieber und andere Krankheitserscheinungen erschöpften den Rest der so zähen Kraft. Friedrich zwar gab die Hoffnung noch immer nicht auf, und sie selbst meldete noch am 24. Oktober der Tochter Dorothea in einem, freilich von anderer Hand geschriebenen Briefe, dass sie sich erleichtert fühle und für die Zukunft von der Wassersucht frei zu sein hoffe. Es war das letzte Aufflackern ihres Lebensmutes; am 31. Oktober starb sie, diuturnis et gravibus morbis confecta, „mit herzlichem Verlangen und Sehnen des ewigen Lebens“. Der trauernde Gatte durfte klagen, dass er „mit Unzeiten des besten Freundes, mit dem er in dem mühseligen Leben mehr denn dreißig Jahre in aller herzlichen Liebe und Freundschaft zugebracht, beraubt worden“. „Ich muss bekennen“, schrieb Friedrich drei Tage später unter Tränen an die älteste Tochter, „dass ich nicht gewusst, dass ich meine Gemahlin selig dermaßen geliebet hab, wie mir's mein Herz nach dem Fall zu erkennen gegeben hat.“ Maria hatte nicht umsonst gelebt. Auch im Gedächtnisse des pfälzischen Volkes knüpfte sich an ihren Namen das höchste Lob einer fürstlichen Frau.