Kindheit und Jugend

Maria war die älteste Tochter des Markgrafen Kasimir von Brandenburg-Kulmbach oder -Bayreuth und der bairischen Prinzessin Susanna. Um die Zeit als sie geboren ward — am 11. Oktober 1519, wahrscheinlich zu Ansbach — führte ihr Vater als der älteste von mehreren teils noch minderjährigen Brüdern die Verwaltung der brandenburgischen Lande in Franken sowohl ob- als unter dem Gebirge.*) Aber die Eindrücke, welche Maria in der frühesten Kindheit empfing, waren ernst und trübe. Sie hörte von einem unglücklichen Großvater, der, geisteskrank, auf der Plassenburg wie ein Gefangener gehalten wurde, und nicht selten, wenn er minder streng bewacht war, in der Nacht Kinder und Gesinde aus den Betten jagte, oder gar ins Frauengemach eindrang und Hofmeisterin und Jungfrauen aufs grausamste misshandelte. Den eigenen Vater, welchen die Stürme der Zeit meist von dem Kreise der Seinigen fern hielten, und der außerdem mit der drückendsten Finanzlage zu kämpfen hatte, sah Maria selten. Bald sollte sie ihn ganz verlieren; denn schon im Jahre 1527 starb Markgraf Kasimir auf einem Kriegszuge in Ungarn.

So war das achtjährige vaterlose Kind ganz auf die Mutter angewiesen, die auch bis dahin schon die Erziehung beinahe allein geleitet haben wird. Aber gerade in den Jahren, in denen die heranwachsende Prinzessin der mütterlichen Fürsorge am meisten bedurfte, sollte auch diese ihr fehlen: kaum ein Jahr nach dem Tode des Gemahls bot die Markgräfin Susanna ihre Hand dem Pfalzgrafen Ottheinrich von Neuburg, dem späteren Kurfürsten von der Pfalz. Maria blieb mit dem jüngern Bruder Albrecht, später Alcibiades zubenannt, und mit einer Schwester Katharina — zwei andere Geschwister hatte ein früher Tod hinweggerafft — unter der Obhut des Oheims Georg in Ansbach. Ein braver, gewissenhafter Fürst, dem die Geschichte den Namen des Frommen gegeben, wird der Markgraf Georg die Erziehung der Pflegetochter nicht gerade vernachlässigt haben; aber wenn er sogar für den jugendlichen Albrecht eine wissenschaftliche Erziehung nicht nötig erachtete, sondern erst der dringenden Mahnung seines Bruders, des Herzogs Albrecht in Preußen, bedurfte, um für einen bessern Unterricht des Mündels zu sorgen: so wird er noch weniger auf eine gründliche Bildung der Prinzessinnen bedacht gewesen sein. Nur das Wenige, was alle andern Fürstentöchter jener Zeit zu lernen pflegten, das lernte auch Maria; mit der Religion, dem Lesen, Schreiben, vielleicht auch Rechnen, waren nämlich auch an andern Höfen in der Regel die Gegenstände erschöpft, in denen junge Prinzessinnen von ihren Instruktoren unterrichtet wurden. Und mochten diese Unterrichtszweige auch in Ansbach mangelhaft genug behandelt werden, so wurde doch Maria wenigstens mit dem Lesen vertraut und lernte notdürftig auch die Feder führen. Am sorgfältigsten aber scheint sie in der Religion unterwiesen worden zu sein; denn nicht allein, dass sie Luthers Katechismus geläufig auswendig lernte, sondern sie nahm die Lehre des Christentums mit der Empfänglichkeit eines gläubigen Gemüts voll in sich auf.


Fast höher als den elementaren Unterricht schätzte man damals auch für die Heranbildung von Fürstentöchtern das, was wir heute eine häusliche Erziehung nennen. Eine Prinzessin lernte nach bürgerlicher Weise vor allem den Haushalt führen, und wie wir von manchen fürstlichen Frauen des 16. Jahrhunderts wissen, dass sie nicht allein die Küche im allgemeinen überwachten, die hierher gehörigen Einkäufe kontrollierten, Früchte einmachten und Ähnliches besorgten, sondern auch die Speisen auf dem Herde eigenhändig zu bereiten nicht verschmähten, so übte auch Maria, wie sie später ihrem Gemahl bewies, die Kunst des Kochens mit besonderem Geschick. Neben den eigentlichen Haushaltungsgeschäften aber wurden Fürstentöchter in Handarbeiten von dem einfachen Stricken und Nähen bis zu kunstreichen Stickereien unterwiesen. Die Kleider sich selbst anzufertigen, Hemden mit eigener Hand zu nähen und beides, sowie Teppiche, nach kunstgerechten Mustern mit Stickereien zu verzieren, war gute Sitte, an der unsere Fürstin, wie sie es in der Jugend gelernt, auch im spätern Leben noch festhielt.

Im übrigen wissen wir nichts Näheres aus den Tagen ihrer Jugend; nichts von ihrem Verhältnis zu den Gemahlinnen ihres Oheims, die nacheinander in die Stellung einer Pflegemutter zu ihr traten; auch nichts von ihrem Zusammenleben mit dem jüngern Bruder, welcher schon als Knabe eine zügellose und ungebundene Natur verriet. Wir finden Maria erst wieder, nachdem sie aus dem verwaisten Kinde unter schweren Schicksalswechseln, die ihren lebhaften Geist früh gereift und ihr einen tiefen sittlich-religiösen Halt gegeben haben, zur blühenden Jungfrau geworden. Kaum hatte Maria das siebzehnte Lebensjahr vollendet, als der vorsorgliche Oheim die liebe Muhme zu verheiraten wünschte. **) Es darf nicht wundernehmen, dass Markgraf Georg diese Frage vorwiegend vom praktischen Gesichtspunkte aus auffasste. Galt es ja die Nichte um so eher zu versorgen, als das Haus, dessen Finanzen so wenig blühend waren, eine lange Reihe heranwachsender Töchter aufzuweisen hatte. Fräulein Sabina, äußerte Georg gegen einen vertrauten Rat im Herbste des Jahres 1536, lasse sich nunmehr also sehen, dass er, als der Pflegevater, bedacht sei, wie und wo dieselbe irgendwo versorgt werde, „und je ehe das nunmehr beschehe, je besser es unseres Erachtens ist; denn wie du selbst zu bedenken, so hat es mit solchen Leuten nicht die Gestalt, wie etwa mit einem Lager Obst; zudem, dass sich auch der Markt mit solcher Ware nicht alle Tage zuträgt, und leicht etwas versäumt wird, ras nicht wieder gut zu machen ist“. Indem der Markgraf aber die jungen Fürsten musterte, welche für seine Heiratspläne in Betracht kommen konnten, bemerkte er bald, dass deren Zahl nicht eben groß war. Ein braunschweizer und ein anhaltiner schienen zunächst in Betracht kommen zu können, und ein Freund des verewigten Markgrafen Kasimir, Graf Hoher von Mansfeld, sollte veranlasst werden, das Projekt an dem einen wie dem andern Orte in Anregung zu bringen. Ob es geschehen, wissen wir nicht; vielleicht, dass die Auskunft, die man erhielt, ähnlich lautete wie die Antwort, die um dieselbe Zeit Magnus von Mecklenburg der Herzogin Katharina von Sachsen gab, als diese im Interesse der brandenburgischen Prinzessin bei ihm anklopfte. „Er bedauere“, erwiderte der Herzog, „dass es jetzt seine Lage nicht sei zu heiraten.“

Noch waren jedoch die Aussichten für eine passende Verbindung keineswegs erschöpft. Während die unverheirateten Fürsten des Nordens sich zurückhaltend zeigten, fanden sich willige Freier im südwestlichen Deutschland. Ein dreiundzwanzigjähriger Graf Philipp von Hanau, „ein fast wohlkonditionierter Herr, Erbe aller väterlichen Lande, dem viele gute Heiraten von mächtigen Häusern angetragen wurden“, war auf die schöne Markgräfin in Franken aufmerksam gemacht worden und hatte in Albrecht von Baden einen Fürsprecher gefunden, als gleichzeitig ein Pfalzgraf Heinrich, Propst von Ellwangen und Administrator des Stiftes Worms, als Bewerber für seinen jugendlichen Vetter, den Pfalzgrafen Friedrich, Sohn des Herzogs Johann von Simmern und kaiserlichen Kammerrichters, auftrat, nachdem er schon Jahrs zuvor mit dem Markgrafen Georg deshalb zu Krailsheim Rücksprache genommen hatte.

Zu Ansbach verhehlte man sich nicht, dass eine Verbindung mit dem pfälzischen Hause ehrenvoller als die mit dem gräflich Hanauischen sein würde, „indem des Geschlechts und des Standes halber ein großer Unterschied, nicht allein gegenwärtiger, sondern auch künftiger Zeit und Personen halber“ wäre, und zwar um so mehr, als der Vater Friedrichs, Herzog Johann von Simmern, diesen zum alleinigen Nachfolger in der Herrschaft (unter Ausschluss der jüngern zum geistlichen Stand bestimmten Brüder) eingesetzt hatte. Die Verhandlungen, in welche auch die Mutter Marias und ihr Gemahl Ottheinrich eingeweiht wurden, nahmen denn auch einen so glücklichen Verlauf, dass alsbald die „Besichtigung der Prinzipalpersonen“ veranstaltet werden konnte. Denn so weit gingen diejenigen, welche das Geschäft betrieben, doch nicht, dass sie auf die persönliche Neigung der zunächst Beteiligten gar keine Rücksicht nahmen und diese etwa durch Verträge an einander banden, ohne dass sie sich vorher je gesehen.

Onolzbach oder Krailsheim wurden als Ort und die Mitte des Sommers 1537 als Zeit der Zusammenkunft in Aussicht genommen. Wie Herzog Johann seinen Sohn zu begleiten versprach, so sollten auch die Pfalzgräfin Susanna und ihr Gemahl erscheinen. Da aber der Umstand, dass Ottheinrich im Mai das Wildbad in Gastein besuchte, die definitive Feststellung des Termins der „Besichtigung“ verzögerte, so beschlich den Markgrafen Georg die Sorge, dass das ganze Projekt sich noch zerschlagen könnte, indem Johann von Simmern schon vor Ostern die Angelegenheit hatte beendigt sehen wollen und nun zu fürchten stand, dass er des Verzugs halber „Beschwerung tragen und dadurch anderswohin verursacht werden möchte, darauf dann, weil dergleichen Markt noch Gelegenheit der Personen, ihres Standes und Geschlechts nicht alle Tage vor der Tür zu finden, etwa unwiederbringlicher Nachteil erwachsen möchte. Denn das Haus Brandenburg ist gottlob jetzt mit jungen Fürstinnen und in ziemlicher Anzahl also begabt, dass man kaum irgendeine ausfertigen mag, es tritt eine andere an ihre Statt, und will auch gesehen sein. So ist, wie E. L. — schreibt Georg an Ottheinrich und Susanna — selbst bedenken können, an solcher Ware nichts zu erhalten“. Zwar ist noch der Graf von Hanau als Bewerber da, und eben jetzt hat Markgraf Albrecht von Baden die Fürsprache für denselben erneuert, aber Maria stimmt dem Pflegevater in der Ansicht bei, dass ein großer Unterschied des Geschlechts und Standes halber zwischen Hanau und der Pfalz walte. Vor allem aber musste man sich, äußert Georg, hüten, durch Zögerung „zwischen zwei Stühlen niederzusitzen“.

Am 26. Juni 1537 fand die Begegnung zu Krailsheim statt, soviel wir wissen zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten. Es ging dabei nicht allein nach der Sitte der Zeit fröhlich, sondern über die maßen ausgelassen zu. Dem Weine wurde unmäßig zugesprochen und trotz der drückenden Hitze so leidenschaftlich getanzt, dass fast alle Gäste gefährlich erkrankten und mehrere, darunter ein Amtmann, ein Kammersekretär und selbst der Präzeptor des jungen Albrecht, mit dem Leben büßten, während der Prinz selbst mit einer schweren und hartnäckigen Krankheit davonkam. 3) Nun galt es für die Aussteuer der Braut zu sorgen und die Vorbereitung zu ihrer Heimführung zu treffen. Auf den 12. Oktober lud der Vater Johann den Markgrafen Georg ein, mit Maria, dem Bruder Albrecht und der Schwester Kunigunde nach Kreuznach zu kommen. Markgraf Georg und seine Gemahlin, an der Reise verhindert, entschuldigten ihr Ausbleiben; ein paar höhere Beamte und die Landgräfin Barbara von Leuchtenberg, eine Schwester des verstorbenen Vaters, welche Maria als zweite Mutter verehrte, geleiteten außer den Geschwistern die Braut.

Über Rothenburg und Mergentheim wurde der Weg nach Heidelberg eingeschlagen, wo sich die Mutter Susanna dem Zuge anschloss. Die Reise verlief glücklich. Es fehlten nicht die üblichen Geschenke, welche fürstlichen Personen beim Durchzug durch die Städte überreicht wurden. Nur ein ärgerlicher Vorfall störte die Freude. Als Susanna in Heidelberg die Tochter empfing, forderte sie die Ehrenstelle der Mutter, welche aber auch die Landgräfin Barbara beanspruchte. Die streitenden Frauen ließen sich die Sache „so heftig“ angelegen sein, dass „ihre beiden fürstlichen Gnaden zuletzt Zähren vergossen“. Aber durch Unterhandlung der anwesenden Herren wurde das Mittel getroffen, dass Susanna auf der rechten und Barbara auf der linken Seite fuhren und so zusammen die Braut nach Kreuznach geleiteten. Das Hochzeitsfest ward durch die Anwesenheit benachbarter Fürsten und zahlreicher Gesandtschaften verherrlicht, dann nahm das junge Paar, soviel wir wissen, in Simmern seinen Wohnsitz.